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Inselglück und Inselzauber

hier erhältlich:

ZAUBER DER SONNENINSEL

Es muss ein Liebeszauber in der lauen Luft von Mallorca liegen! Warum sonst würde Tomás sie so überraschend in seine Arme ziehen und voller Leidenschaft küssen? Petra genießt jede Sekunde. Doch gleichzeitig fragt sie sich: Wird ihr Traummann auch dann noch zu seinen zärtlichen Gefühlen stehen, wenn der Zauber der Sonneninsel sie nicht länger umgibt?

EIN SOMMERINSELTRAUM

Für einen bezaubernden Liebessommer mit Inselflair …

Fern jeder Hektik scheint die Zeit auf Spruce Island zu ruhen. Das sonnenverträumte Eiland soll auch dem ärgsten Workaholic Entspannung schenken. Einzig Mitchell Baynes Rutherford III. glaubt sich dagegen immun. Der harte Unternehmer will nur schnell seinen Jachthafen bauen und dann abreisen. Doch das Schicksal will es anders und stellt ihm die Meeresbiologin und Umweltexpertin Rosalinda Galvez in den Weg. Die temperamentvolle Rosie - Typ Jennifer Lopez - ist so ziemlich das Gegenteil von Mitchell. Sehr romantisch, versucht sie Mitchell die Magie der Insel nahezubringen - und zeigt ihm am Ende so viel mehr als das.

INSELTRÄUME VOLLER SEHNSUCHT: SEHNSUCHT LIEGT IN DEINEM BLICK

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TE QUIERO HEIßT, ICH LIEBE DICH

Jahrelang hat Jane sich eingeredet, dass die Zeit mit dem reichen Miguel de Tarrago in jenem heißen Sommer auf Mallorca nur eine bedeutungslose Romanze war. Als sie nun auf die Insel zurückkehrt und Miguel wiedertrifft, spricht ihr Herz allerdings eine ganz andere Sprache.


  • Erscheinungstag: 03.09.2015
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 604
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955764869
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Carole Mortimer, Susan Wiggs, Barbara Bretton, Kristy Mccallum

Inselglück und Inselzauber

Carole Mortimer

Zauber der Sonneninsel

Roman

Image

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Two’s Company

Copyright © by Carole Mortimer

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Übersetzt von: Hartmut Huff

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V., Amsterdam

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN ebook 978-3-95576-102-8

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

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1. KAPITEL

Obwohl es erst Anfang März war, beschloss Petra, die Fahrt nach Sa Virgen zu riskieren. An diesem Samstagmorgen hatte die Frühlingssonne viele Segler auf das Meer hinausgelockt.

Petra hatte schon immer etwas gegen Menschenansammlungen gehabt – obwohl es schwierig war, mit dieser Abneigung ausgerechnet auf Mallorca zu leben. Ihre Gefühle hingen unmittelbar mit der tiefen Liebe zur Natur zusammen, die bei ihr zur Leidenschaft geworden war.

Wenn sie sah, was die Menschen ihrer Umwelt antaten, wie sie das Wasser verschmutzten, die Luft verpesteten, dann sehnte sie sich weit weg von der gesamten Menschheit. Deshalb lenkte sie ihr kleines Segelboot nun in Richtung Cala Vibora.

Ein wenig unbehaglich fühlte sie sich schon. Denn wie die Schlange, nach der Cala Vibora benannt war, besaß diese Bucht nadelspitze Zähne aus Felsgestein, die unter der Wasseroberfläche verborgen waren. Gefährliche Klippen und unberechenbare Strömungen machten sie zu einer höchst unsicheren Bucht, besonders in dieser Jahreszeit. Manchen Segler hatte der Versuch, Cala Vibora zu erreichen, das Leben gekostet. Doch hier war der goldene Strand fast immer menschenleer, und man konnte einige vom Aussterben bedrohte Tierarten beobachten.

Als sie sich den gefährlichen Klippen näherte, spannten sich ihre Gesichtszüge in äußerster Konzentration. Das Grün des Meeres schien sich in ihren Augen widerzuspiegeln. Es erforderte Entschiedenheit und Erfahrung, das Boot in diesen gefährlichen Strömungen auf Kurs zu halten. Petra fühlte die Vibrationen des Kiels, die sich durch die Teakholzwand auf die Gummisohlen ihrer Schuhe übertrugen.

Einen schrecklichen Moment dachte sie, das Boot würde an einem gefährlich aufragenden Felsen zerschellen. Sie fühlte die Angst wie einen körperlichen Schmerz. Aber um Haaresbreite glitt sie daran vorbei, und dann war sie plötzlich im stillen blaugrünen Wasser der Bucht.

Petra holte die Segel ein. Ihre geschmeidigen Bewegungen verrieten Routine. Hier in der Bucht war das Wasser ruhig wie in einem Teich, und sie seufzte vor Erleichterung und Zufriedenheit.

Sie steuerte das Boot auf den Strand zu, der von bewaldeten Felsen umgeben war, und erst in diesem Augenblick sah sie die Motoryacht, die im seichten Wasser vor Anker lag.

“Das ist doch nicht … Oh, verdammt!” rief sie enttäuscht.

All die Anstrengungen und Risiken, um allein zu sein, und dann war ihr jemand zuvorgekommen!

Ärgerlich betrachtete Petra das fremde Boot. Sie hasste diese pompösen Schiffe. Ihrer Meinung nach waren die Besitzer keine Sportsleute, sondern hielten sich ihre Yachten nur aus Prestigegründen.

Und dieses Boot wirkte besonders protzig. Es war nicht weiß wie die meisten anderen, sondern grau wie ein Hai, und es sah nach Schnelligkeit, Kraft und Geld aus. Vor allem nach Geld. Allein die beiden Motoren am Heck mussten so viel gekostet haben wie ihr komplettes Boot. Durch die lange, flache Form wirkte diese Yacht geschmeidig und kraftvoll, wie dafür geschaffen, auch in rauer See zu bestehen.

Eine Weile betrachtete Petra gereizt den Eindringling. Irgendwie schien der Frühlingshimmel jetzt nicht mehr so blau, der Tag nicht mehr so schön zu sein.

Schließlich gab sie sich innerlich einen Ruck. Warum sollte sie sich von einigen Geldprotzen vertreiben lassen?

Petra warf den Anker und zog das unförmige Ölzeug aus. Bei diesem Anblick wäre mancher Mann schwach geworden, denn Petra Castle hatte eine hervorragende Figur. Der rote Pullover und die Jeans betonten ihre Formen. Man sah ihr an, dass sie viel Sport trieb. Ihre Bewegungen waren sehr anmutig, als sie leichtfüßig in das Schlauchboot stieg und auf den Strand zupaddelte.

Petras Haar war kastanienbraun mit kupfernem Schimmer und umrahmte in weichen Wellen ihr Gesicht, das, nach Meinung ihres Vaters, zu breit war, um wirklich schön zu sein. Doch er musste zugeben, dass es genug junge Männer gab, die sich an den Wochenenden um Petras Aufmerksamkeit bemühten.

Vom Schlauchboot aus betrachtet, wirkte die graue Yacht noch größer und eleganter. Es schien niemand an Bord zu sein. Beim Vorbeifahren las Petra den Namen ‘Epoca’ am Bug des Schiffes. Sie konnte sich nicht erinnern, es jemals im Hafen gesehen zu haben.

Sie watete durch das seichte Wasser an Land, wobei die aufgekrempelten Jeans ihre schlanken Fesseln zeigten.

Bis auf die Stimmen der Möwen und das Rauschen des Meeres war es hier ganz still. Hoch oben am blauen Himmel schwebten zwei Falken fast bewegungslos in der Luft.

Aus einem Beutel, den Petra um den Hals trug, zog sie ein kleines starkes Fernglas und richtete es auf die Falken. Ein Männchen und ein Weibchen waren es, die mit ihren scharfen gelben Augen die Insel nach Mäusen oder Eidechsen absuchten. Irgendwo in den Klippen musste das Nest mit ihren Jungen sein.

Bei dem Gedanken lächelte sie. Sa Virgen war dicht bewaldet und bot einigen der seltensten Tierarten des Mittelmeerraumes eine letzte Zuflucht. Abgesehen von einer schmalen steinigen Straße, die sich bis zum höchsten Punkt der Insel hinaufwand, zeigten sich kaum menschliche Spuren. Im Dialekt von Mallorca bedeutete “Sa Virgen” die Jungfrau, und dieser Name bezog sich sowohl auf die unberührte Schönheit dieser Insel als auch auf ihre Verletzlichkeit.

Aber selbst hier lauerten die Bulldozer. Seit Jahren existierten Pläne, Sa Virgen zu einem Ferienzentrum für reiche Urlauber zu machen – mit einem Hubschrauberlandeplatz, einem Hafen und hundertundfünfzig luxuriösen Apartments. Und das sollte erst der Anfang sein! Begriffen die Menschen denn nicht, dass sie Sa Virgen damit zerstörten?

Petra kletterte den schmalen Pfad hinauf zu den Klippen und legte sich oben ins Gras. Von hier aus hatte sie eine gute Sicht in das luxuriöse Innere der Yacht. Sie verzog verächtlich den Mund. Dicke Teppiche und graues Leder, wohin man sah. Die Kabinen unter Deck waren zweifellos ähnlich eingerichtet.

Auf einem Tisch auf dem hinteren Deck stand eine Schale mit exotischen Früchten, daneben eine Flasche Champagner in einem Eiskübel. Lieber Himmel! Wenn sie noch länger hierblieb, würde sie möglicherweise mehr zu sehen bekommen, als ihr lieb war!

Schade, dass sie sich nicht ein wenig auf der Yacht umsehen konnte. Das wäre etwas für ihren Bruder James gewesen, der gerade für einen sechswöchigen Urlaub aus London gekommen war und Boote leidenschaftlich liebte. Petra hatte zwar ein schlechtes Gewissen, aber Neugier und Spannung überwogen, als sie in das Cockpit spähte. Über einem der Sitze hing nachlässig ein Damenmantel. Auf die Ellenbogen gestützt, starrte Petra wie gebannt in das Innere des Schiffes und zuckte erschreckt zusammen, als sie eine männliche Stimme neben sich hörte.

“‘Sulky Susan’, nehme ich an?”

Petra rollte sich blitzschnell herum. Sie hatte keine Schritte gehört, weil sie so damit beschäftigt gewesen war …

Als ihr bewusst wurde, wobei man sie erwischt hatte, wurde sie rot vor Scham. Zwei Gestalten standen über ihr, ein Mann und eine Frau. Der Mann lächelte leicht, aber die Frau verzog keine Miene.

“Bitte?” sagte Petra verwirrt.

“Sie müssen ‘Sulky Susan’ sein.” Der Mann nickte in Richtung Bucht. “So heißt doch Ihr Boot, nicht wahr?”

“Oh – ja.” Petra überlief es heiß vor Verlegenheit, als sie aufstand.

Die Frau hatte eine auffallend helle Haut, Haar und Augen waren tiefschwarz. Ihre Schönheit war kalt und doch leidenschaftlich, ihre Augen hatten einen fast animalischen Ausdruck. Es konnte kaum einen größeren Kontrast geben als zwischen der makellosen Eleganz der Frau und Petras legerer Kleidung. Das helle Wollkostüm der Frau, nach der letzten Mode geschnitten, verriet Wohlstand und Geschmack. Ihre Miene war verächtlich, als sie Petra betrachtete.

Der Mann war groß und dunkel, offensichtlich Spanier. Petra schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er war einer jener Männer, die in jeder Art von Kleidung phantastisch aussahen. Die dunkelgraue Kaschmirjacke betonte seinen athletischen Oberkörper. Die Jeans saßen knapp um die schlanken Hüften und die langen Oberschenkel. Seine Beine steckten bis zu den Knien in Lederstiefeln, denen man ansah, dass sie sehr teuer waren.

Dass diese beiden die Besitzer der ‘Epoca’ waren, hätte selbst dann außer Frage gestanden, wenn die ganze Bucht voll von Booten gewesen wäre.

Die Frau wandte sich ihrem Begleiter zu und fragte in affektiertem kastilianischen Dialekt: “Wer ist sie? Was hat sie hier zu suchen?”

Petra zupfte nervös ein paar Grashalme von ihrem Pullover. “Ich heiße Petra Castle”, sagte sie. Sie war diesen Leuten eine Erklärung schuldig. Schließlich hatten sie sie dabei erwischt, wie sie ihr Boot beobachtete. In fließendem Spanisch fuhr sie fort: “Ich habe nur die Möwen betrachtet. Ich wollte nicht herumspionieren.”

“Meine liebe Miss Castle”, erwiderte der Mann in Englisch, “kein Mensch würde Ihnen so etwas zutrauen.”

Der Sarkasmus war unüberhörbar. Sein Blick und sein sinnlicher Mund ließen Petras Herz höher schlagen, und sein Lächeln verriet, dass er sich seiner Männlichkeit und seiner Macht über Frauen sehr bewusst war.

Seine Augen und das dichte, leicht gelockte Haar waren schwarz. Aber es war die Nase, die dieses Gesicht unverwechselbar machte. Sie musste einmal gebrochen gewesen sein.

Diese Mischung aus männlicher Schönheit und Brutalität war verwirrend, und Petra fühlte ihre Knie zittern, als sie ihm in die Augen sah. Hinter seinem Lächeln war etwas anderes verborgen, etwas Dunkles und Ursprüngliches, das sie erschauern ließ.

Die Frau seufzte ungeduldig, schien zu spüren, was in Petra vor sich ging. Das Lächeln des Mannes vertiefte sich dagegen.

“Sie müssen ein mutiges Mädchen sein”, sagte er sanft. “Sie haben einiges riskiert, um nach Cala Vibora zu kommen.”

Petra erwiderte schnippisch: “Nicht mehr als Sie.”

“Das stimmt nicht.” Der Tonfall war typisch spanisch, aber sein Englisch war korrekt und fast perfekt. “Wir haben der Strömung fünfhundert PS entgegenzusetzen, während Sie auf den Wind angewiesen sind, und der ist sehr unbeständig. Sie hätten fast den Felsen gestreift. Wir haben Sie beobachtet.”

Petra fühlte sich unbehaglich. Sie hatten also gesehen, wie sie die Klippen hinaufgeklettert war und mit dem Fernglas die fremde Yacht ausgekundschaftet hatte. “Ich komme oft hierher, um die Vögel zu beobachten”, erklärte sie in Spanisch. “Ich kenne die Risiken.”

“Tatsächlich?” Er zog eine Augenbraue hoch, als wäre er tief beeindruckt. Diese Art von Spott konnte Petra nicht ausstehen.

“Tatsächlich”, entgegnete sie kurz. “Es tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe, aber ich würde jetzt gern weiter die Klippen entlanggehen.”

“Hier geht es nicht weiter”, sagte er mit befehlsgewohnter Stimme. “Der Pfad hier ist während des letzten Regens teilweise weggespült worden.”

Petra zögerte. Es hatte vor kurzem tatsächlich stark geregnet. Selbst auf Mallorca waren einige Straßen unpassierbar gewesen.

“Wir kommen gerade aus dieser Richtung”, fuhr er fort, offensichtlich amüsiert darüber, dass sie seinen Worten misstraute. “Es ist sehr gefährlich, und ich lasse Sie dort nicht hinauf.”

“Ich spreche Ihre Sprache ganz gut”, sagte sie auf Spanisch. “Fast so gut, wie Sie Englisch sprechen. Im Übrigen brauchen Sie mich nicht zu beschützen.”

“Nun gut”, erwiderte er, ebenfalls auf Spanisch. “Dann werden wir eben Ihrer sprachlichen Eitelkeit schmeicheln, statt meiner.”

Die Frau hatte bisher geschwiegen und nur mit unbewegter Miene abwechselnd Petra und den Mann beobachtet. Nun sagte sie ungeduldig: “Lass uns gehen, Tomás.” Petra dachte an den Champagner – zweifellos gab es noch andere Freuden, die an Bord der ‘Epoca’ warteten.

“Aber ich bin neugierig”, entgegnete er und ließ Petra nicht aus den Augen. “Neugierig auf diese Petra Castle, die allein nach Cala Vibora segelt, um Vögel zu beobachten, und die genau weiß, was sie riskiert. Außerdem haben wir uns noch nicht miteinander bekannt gemacht. Miss Castle, darf ich Sie meiner Begleiterin vorstellen? Cristina Colom. Cristina, dies ist Petra Castle. Und mein Name ist Tomás Torres.”

Er reichte Petra die Hand, und ihr blieb nichts anderes übrig, als auch ihm die Hand zu geben, die er mit einer leichten Verbeugung an die Lippen führte und küsste.

Petra fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, und in diesem Augenblick brach Cristina Colom in helles Gelächter aus. Ihr Lachen klang echt, nicht gezwungen. Und mit einem fast körperlichen Schmerz wurde es Petra bewusst, wie lächerlich sie wirken musste – eine zerzauste junge Frau in Jeans und Pullover, die wie hypnotisiert diesen außergewöhnlichen Mann anstarrte, der ihr im Scherz einen Handkuss gab. Sie entzog ihm abrupt die Hand. Petra hasste es, sich zum Gespött anderer Leute zu machen. “Was finden Sie denn so lustig?” fragte sie kühl.

“Ihren Gesichtsausdruck”, entgegnete die Frau. “Sie sind es offensichtlich nicht gewohnt, dass man Ihnen die Hand küsst.”

Wenn Tomás Torres ebenfalls amüsiert war, verstand er es gut zu verbergen. “Ich habe eben merkwürdig altmodische Manieren”, sagte er leichthin. Als hätte er Petras Gefühle erraten, fügte er sanft hinzu: “Ich wollte Sie nicht verletzen.”

“Ich fühle mich nicht im Geringsten verletzt”, erwiderte Petra steif. Mit einer hastigen Bewegung zog sie ihren Pullover zurecht, wobei ihre Brüste sich einen Moment lang unter der dünnen Wolle abzeichneten. Sein Blick verriet, dass es ihm nicht entgangen war.

Er dachte nicht daran, sein Interesse zu verbergen. Anerkennend ließ er seinen Blick über ihre Figur gleiten, dann sah er ihr direkt in die Augen. In seinem Blick lagen Herausforderung und Begehren. Verlegen wandte Petra ihren Blick ab.

“Wie oft kommen Sie nach Sa Virgen?” fragte er.

“Sooft ich Lust habe”, erwiderte sie kühl.

“Sooft Sie Lust haben?” Spöttisch wiederholte die Frau Petras Worte. “Sie reden, als gehörte Ihnen die Insel und nicht ihm!”

Petra betrachtete den Mann nachdenklich. Tomás Torres. Ihr Herz klopfte wie rasend, als sie begriff, wer vor ihr stand. Ausgerechnet sie, die so viel über Sa Virgen zu wissen glaubte, hatte nicht bemerkt, mit wem sie sprach! Denn wenn dieser Mann Tomás war, dann gehörte Sa Virgen ihm tatsächlich. Und dann war er es, der hinter “Proyecto Virgen SA” stand, der Firma, deren Pläne zur Erschließung der Insel bei Naturliebhabern große Empörung ausgelöst hatten. “Sie sind also Tomás Torres?” Sie atmete tief und fühlte, wie ihr Zorn wuchs. “Entschuldigen Sie, dass ich nicht früher bemerkt habe, welch seltene Ehre Sie mir erweisen”, sagte sie kalt. “Sie müssen sehr menschenscheu sein, Señor Torres.”

“Ich liebe mein Privatleben”, korrigierte er sie. “Das ist nicht dasselbe.”

“Auf jeden Fall zeigen Sie sich nicht gern in der Öffentlichkeit.”

Er betrachtete sie gelassen. “Warum sagen Sie das?”

“Ich weiß nicht, wie viele Versammlungen es schon zum Thema Sa Virgen gegeben hat”, antwortete Petra. “Sie sind zu allen persönlich eingeladen worden, aber nicht einmal erschienen!”

“Ahh!” Die Frau sah sie verächtlich an. “Sie gehören also dieser Gruppe von Zerstörungswütigen und Fanatikern an, die überall so viel Ärger macht!”

“Ich bin keine Fanatikerin, ich möchte nur die Natur erhalten.” Petra war empört. “Und Zerstörungswut kann man wohl eher Señor Torres vorwerfen!”

“Nicht nur mir.” Tomás Torres war verärgert. “Im letzten Sommer haben so genannte Umweltschützer auf dieser Insel eine Versammlung abgehalten. Sie haben Sa Virgen mehr geschadet als irgendetwas in den letzten tausend Jahren.”

“Sie haben sich ein wenig danebenbenommen”, sagte Petra, aber es klang nicht sehr überzeugend. Sie selbst war nicht an dieser beschämenden Aktion beteiligt gewesen. Die Diskussion um Sa Virgen hatte eine Reihe von Verrückten angelockt, die nicht unter Kontrolle zu halten waren. Deshalb war die gut gemeinte Kampagne “Hände weg von Sa Virgen” zu einer völligen Katastrophe geworden.

“Ein wenig?” wiederholte er ironisch. “Sie haben Feuer angezündet, überall ihren Abfall zurückgelassen und sich auch sonst wie die Wilden benommen. Ich kann Ihnen versichern, das war kein schöner Anblick, Miss Castle.”

“Es war einfach widerwärtig”, stimmte die Frau ihm zu.

“Das Verhalten dieser Leute ist nichts gegen das, was Sie mit Sa Virgen vorhaben”, entgegnete Petra zornig. “Ihre Pläne für diese Insel sind abscheulich!”

“Darf ich höflich fragen, wer Ihnen eigentlich das Recht gibt, mir zu erzählen, was ich mit meinem Eigentum machen soll?” Der Sarkasmus in seiner Stimme war unüberhörbar.

“Ich nehme diese Gelegenheit wahr, weil Sie sich Ihren Kritikern ja nie stellen”, entgegnete Petra. “Sie verstecken sich hinter Ihren Anwälten und Sprechern, die dafür sorgen, dass Sie unsere Argumente nie zu hören bekommen.”

“Ich bin bestens informiert”, widersprach er ungeduldig. “Immerhin lese ich Zeitung. Und was diese Versammlungen angeht: Warum sollte ich dort erscheinen? Nur um mich von Ignoranten beleidigen zu lassen?”

“Ignoranten ist nicht das richtige Wort.” Petra ließ sich nicht einschüchtern, obwohl er etwa zehn Jahre älter als sie und ein reicher und angesehener Mann war. “Unter den Leuten, die Sa Virgen schützen wollen, sind einige der bekanntesten Vogelkundler und Wissenschaftler des Mittelmeerraumes. Und die als Ignoranten zu beschimpfen, spricht nicht gerade für Sie, Señor Torres!”

“Sa Virgen gehört mir”, fuhr er fort, als hätte er sie gar nicht gehört. “Warum sollte ich irgendjemand darüber Rechenschaft ablegen, was ich mit meinem Besitz zu tun gedenke?”

Seine Arroganz verschlug Petra einen Augenblick die Sprache. “Immerhin sind Sie kein Gott”, sagte sie schließlich.

“Sie aber auch nicht”, entgegnete er und warf ihr dabei einen kalten Blick zu.

“Warum lässt du dir diese Unverschämtheiten gefallen?” empörte sich Cristina Colom. “Es lohnt sich nicht, mit diesem Mädchen zu streiten. Sie ist nicht einmal Spanierin. Warum gibst du dich mit ihr ab?”

“Sie zeigt zumindest einen Funken Intelligenz”, sagte er lächelnd, “obwohl ihre Manieren wirklich zu wünschen übriglassen.” Er sah Petra unverwandt an. “Sie sprechen ausgezeichnet Spanisch, Petra. Ich nehme an, Sie sind Tom Castles Tochter?”

“Ja.” Petra fühlte sich unbehaglich. “Woher wissen Sie das?”

“Ihr Vater ist ein erfolgreicher Schriftsteller. Er ist auf Mallorca bekannt. Weiß er, dass Sie allein nach Cala Vibora gesegelt sind?”

“Meine Familie vertraut mir. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich oft hierherkomme.” Petra warf ihm einen herausfordernden Blick zu. “Ich nehme an, Sie werden mich jetzt auffordern, Ihren Besitz zu verlassen?”

“Aber nein”, sagte Torres liebenswürdig. “Besucher sind immer willkommen auf Sa Virgen – besonders, wenn sie die Natur respektieren.”

Seine Scheinheiligkeit machte sie wütend. “Und was ist mit den Hubschraubern, die Ihre reichen Naturliebhaber zu ihren neu gebauten Apartments bringen werden?”

“Sie schaden der Umwelt weniger als Ihre so genannten Umweltschützer.” Offensichtlich ärgerte es ihn, dass Petra auf seinen Versuch, den Streit beizulegen, nicht reagierte.

“Komm jetzt, Tomás”, drängte Cristina Colom. “Vergiss diese Verrückte und lass uns umkehren!”

Aber Petra wollte sich nicht so leicht abwimmeln lassen. Die Chance, Tomás Torres persönlich ihre Meinung zu sagen, würde sie wahrscheinlich nie wieder bekommen!

Ohne ihren Blick von ihm abzuwenden, fuhr sie fort: “Wie lange wird es dauern, bis Ihre Hubschrauber und Landrover die Falken verscheucht haben? Sie müssen doch wissen, dass auf dieser Insel auch einige sehr seltene Schildkrötenarten leben! Wie fänden Sie es, wenn eine Horde unwissender Leute die Strände nach ihren Eiern absuchte, nur um sie als hübsches Souvenir mit nach Boston oder Manchester oder Oslo zu nehmen?”

“Miss Castle …”

“Fühlen Sie denn gar nichts für diese Insel?” fragte sie heftig. “Wenn Sie der Besitzer von Sa Virgen sind, ist es dann nicht Ihre Pflicht, sie zu beschützen, statt sie zu zerstören?”

“Passen Sie auf, was Sie sagen!” fuhr Torres sie an.

“Das schockiert Sie wohl?” fragte Petra bitter. “Das soll es auch. Die Tatsache, dass Sie genug Geld haben, um sich diese Insel zu kaufen, gibt Ihnen nicht das Recht, sie zu zerstören!”

“Sa Virgen gehört den Torres seit tausend Jahren”, entgegnete er verächtlich. “Ich bin erstaunt, dass Sie das nicht wissen, wo Sie doch so eine Expertin in Bezug auf Sa Virgen sind.”

Diese Spanier und ihr Familienstolz, dachte Petra spöttisch. “Lenken Sie bitte nicht ab. Wenn Sie dieses Feriendorf bauen, wird etwas Einzigartiges unwiderruflich zerstört werden!”

Sein Gesichtsausdruck wurde bitter. “Ich dachte, Sie hätten ein Fünkchen Intelligenz, aber Sie reden genauso wie all diese angeblichen Umweltschützer, Petra. Sie kommen doch auch oft nach Sa Virgen. Doch die anderen möchten Sie davon abhalten, dasselbe zu tun. Ist das nicht Egoismus?”

“Andere verhalten sich hier vielleicht nicht so wie ich.”

“Man merkt, dass Sie noch sehr jung sind.”

“Ich bin nicht zu jung, um Recht von Unrecht unterscheiden zu können”, sagte Petra erregt. “Ich möchte verhindern, dass auf Sa Virgen gebaut wird und diese knatternden Hubschrauber das natürliche Gleichgewicht der Insel stören.”

“Die Hubschrauber tun nichts dergleichen”, erwiderte Torres schroff. “Und Falken und andere Tierarten scheint der Lärm, den sie machen, nicht zu stören.”

“Das haben Sie sicher schon bewiesen, stimmt’s?”

“Stimmt.” Torres sah sie kalt an. “Der Landeplatz wird auf der anderen Seite der Insel gebaut, weit weg von den Nistplätzen der Falken. Und der Hubschrauber wird Sa Virgen sowieso nur einmal in der Woche anfliegen.”

“Einmal in der Woche? Das reicht, um …”

“Kommen wir noch einmal auf die Leute zurück, die angeblich die Insel zerstören würden”, unterbrach er sie. “Dieser Gedanke ist absurd. Meine Gäste werden Leute sein, die die Natur lieben und die reich genug sind, um sich einen kostspieligen Urlaub leisten zu können – keine Horde von Wilden.”

“Lieber Himmel.” Petra schüttelte den Kopf. “Ich kann Sie nur bedauern. Sie scheinen wirklich zu glauben, dass reiche Leute die Natur mehr lieben als arme.”

Er behielt sich offensichtlich mühsam unter Kontrolle. “Ich glaube, dass Menschen, die eine Menge Geld bezahlt haben, um ihren Urlaub hier zu verbringen, dieser Insel weniger Schaden zufügen als ungebetene Gäste.”

Seine Anspielung trieb Petra die Zornesröte ins Gesicht. “Es gibt keine Schilder, die gewöhnlichen Leuten verbieten, hierherzukommen. Aber das wird sich dann ändern, oder?”

“Ich werde darauf achten, dass die Zahl der Besucher auf der Insel beschränkt bleibt, wenn Sie das meinen”, erwiderte Torres unfreundlich. “Es ist notwendig, um das ökologische Gleichgewicht intakt zu halten. Das kann Ihnen doch nur recht sein!”

Petra lächelte spöttisch. “Nun, zum Glück gibt es Menschen, die sich gegen Sie wehren. Wir werden ja sehen, ob Ihr Feriendorf je gebaut wird!”

“Soll das eine Drohung sein, Miss Castle?”

“Sie wissen so gut wie ich, dass es erheblichen Widerstand gegen Ihre Pläne gibt”, antwortete Petra heftig. “In einem Monat findet eine Diskussion in Palma statt, und wir hoffen, damit die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Das Umweltministerium schickt einen Vertreter. Ich weiß, dass auch Sie eingeladen worden sind”, fügte sie hinzu. “Ich hoffe, wir sehen uns dort.”

“Ich werde einen Vertreter schicken, genau wie der ehrenwerte Umweltminister”, versicherte Torres spöttisch.

“Oh, natürlich. Einen Vertreter. Wahrscheinlich einen Ihrer Rechtsanwälte? Sie haben wohl Angst, selbst zu kommen? Ich glaube gern, dass Ihnen das unangenehm wäre.”

“Sie müssen wirklich verrückt sein, Miss Castle.” Cristina Colom schien mehr erstaunt als ärgerlich zu sein. “So mit ihm zu sprechen …”

Petra beachtete Cristina Colom gar nicht. “Oder sind Ihre Argumente zu schwach, um einer Prüfung standzuhalten? Erscheinen Sie deshalb nie in der Öffentlichkeit?”

Tomás Torres sah sie zornig an, aber er hatte sich anscheinend gut unter Kontrolle, denn er erwiderte ihren Angriff nicht. Es war schwer zu sagen, ob er über Petras Attacken verärgert oder amüsiert war. “In mancher Hinsicht sind Sie zwar sehr naiv, aber reden können Sie, sowohl in Englisch als auch in Spanisch.”

“Und in Deutsch, Französisch und Schwedisch!” ergänzte Petra schnippisch.

Er lachte und ließ dabei makellos weiße Zähne sehen. “Ah”, sagte er sanft, “dem Himmel sei Dank für diesen Anflug von Eitelkeit. Ich habe mich schon gefragt, ob Sie überhaupt menschliche Regungen zeigen können.”

Sein Lachen nahm Petra den Wind aus den Segeln. Ihre Nerven waren aufs Äußerste gespannt, und alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.

Aus irgendeinem Grund war ihre Wut wie weggeblasen, und ihr kam zu Bewusstsein, wie unverschämt sie sich gegenüber diesem Fremden und seiner Begleiterin verhalten hatte.

“Tomás, wir müssen jetzt gehen.” Cristina Colom klang gefährlich ruhig. “Ich weiß, sie ist hübsch und amüsant, aber nun hast du wirklich genug Zeit verschwendet. Kommst du?”

Torres sah Petra lange an. Wäre er einer dieser Jungen gewesen, die ständig um ihre Gunst stritten, hätte sie genau gewusst, was sein Blick ihr sagen wollte. Aber er war so anders als alle Männer, die sie kannte, und das verwirrte sie am meisten.

Plötzlich fühlte sie sich kraftlos und hätte viel darum gegeben, wenn sie sich einfach hätte hinsetzen und die Augen schließen können.

“Natürlich, meine Liebe. Lass uns gehen.” Er wandte sich ab und stieg den steinigen Pfad hinunter.

Petra hatte keine andere Wahl, als den beiden zu folgen. Sie war zwar nicht dazu gekommen, die Natur zu beobachten, aber es war trotzdem ein höchst interessanter Besuch gewesen.

Ohne dass sie wusste, wie es kam, ging sie plötzlich neben Torres. Cristina war schon ein Stück voraus.

“Bestellen Sie Ihrem Vater meine besten Grüße”, sagte er leichthin, als hätten sie gerade in einem Restaurant gegessen und nicht auf den Klippen eine heftige Diskussion geführt.

“Danke.” Petra wusste, dass das Gespräch damit beendet war.

Auf dem Rückweg machte Torres Konversation, die von Petra nicht mehr als ein paar einsilbige Antworten erforderte. Cristinas Stimme war so ausdruckslos wie ihre Miene. Trotzdem wusste Petra instinktiv, dass sie sich eine Feindin gemacht hatte.

“Achten Sie auf die Felsen, wenn Sie zurücksegeln”, sagte Tomás Torres ernst. “Seien Sie vorsichtig!” Er begleitete sie bis zu ihrem Schlauchboot und half ihr, es ins Wasser zu bringen. Und bevor Petra protestieren konnte, hob er sie mit einer Leichtigkeit hoch, als ob sie eine Feder wäre. Nichts hätte ihre Ohnmacht besser demonstrieren können! Petra fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.

Torres trug sie durchs seichte Wasser zum Schlauchboot und ließ sie aus seinen Armen hineinfallen, dass das Boot schaukelte.

Petra meinte, ein boshaftes Glitzern in seinem Blick zu sehen.

“Sie können hierherkommen, wann immer Sie Lust haben”, rief er ihr zum Abschied zu. “Niemand wird Sie daran hindern!”

Petra paddelte zu ihrem Segelboot zurück. Ihre Haut brannte, wo Torres sie berührt hatte, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie beobachtete, wie Torres durch das seichte Wasser zurück an Land watete. Er drehte sich nicht einmal um. Was für ein Mann! Noch nie war sie jemandem wie ihm begegnet. Wer immer im Streit um Sa Virgen recht hatte, Tomás Torres war eine außergewöhnliche Persönlichkeit.

Als Petra das Segel setzte, hatte sie sich schon ein wenig beruhigt. Sie sah zu der grauen Yacht hinüber und entdeckte Torres und Cristina an Deck. Die beiden beobachteten sie und hatten selbst anscheinend nicht die Absicht, die Bucht zu verlassen. Offensichtlich warteten sie darauf, dass Petra endlich davonsegelte.

Mit zusammengebissenen Zähnen konzentrierte Petra sich auf das, was vor ihr lag. Bevor sie um die letzten Felsen herumsegelte, warf sie noch einen Blick zurück. Torres war jetzt allein an Deck und winkte ihr nach. Sie erwiderte nur kurz seinen Gruß, dann segelte sie zurück nach Palma.

2. KAPITEL

“Er hat gesagt, meine Bücher gefallen ihm?” Tom Castle schnitt sich ein großes Stück vom Sonntagsbraten ab. “Hat er sie in Englisch oder in der spanischen Übersetzung gelesen?”

“Das hat er nicht gesagt.”

“Das ist aber ein großer Unterschied. In der Übersetzung kommen die Pointen manchmal nicht so gut heraus.”

“Ich hoffe, du hast dich nicht danebenbenommen”, warf Petras Mutter ein. “Wenn es um diese Insel geht, bist du oft so verletzend. Und außerdem hättest du niemals allein nach Cala Vibora segeln dürfen! Worüber habt ihr denn gesprochen?”

“Ich habe ihm erzählt, dass ich seine Pläne abscheulich finde und hoffe, dass er sie nicht durchführen kann.”

“Aber Petra!”

“Also, ich finde, dass Petra ihre Sache gut gemacht hat.” James warf seiner Schwester einen aufmunternden Blick zu. “Es muss für Don Tomás Torres eine völlig neue Erfahrung gewesen sein, dass ihm mal jemand die Meinung gesagt hat.”

“Das ist es ja gerade”, fuhr Margaret Castle fort. “Petra kann sehr direkt sein, wenn sie sich in ein Thema verbissen hat. Die Spanier verstehen das nicht immer. Vielleicht hat sie ihn beleidigt. Und wenn ich mir vorstelle, dass ein so bedeutender Mann wie Tomás Torres den Leuten erzählt, unsere Petra hätte keine Manieren …”

“Nun übertreibe nicht, Margaret. So, wie ich Torres einschätze, lässt er sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen”, beschwichtigte Tom Castle.

“Das glaube ich auch”, stimmte James zu. “Obwohl ich Mutter recht geben muss. Petra kann manchmal wirklich sehr hartnäckig sein. In all diesen langweiligen Umweltschutzversammlungen hat sich ihre Redegewandtheit bemerkenswert entwickelt. Er wird sie wahrscheinlich nicht so schnell vergessen!”

“Irgendjemand muss sich doch für die Umwelt einsetzen”, verteidigte Petra sich. “Sonst wird es bald keine Umwelt mehr geben, für die wir etwas tun können.”

“Auf jeden Fall hätte ich gern seine Yacht gesehen”, gestand James. “Aber vor allem seine Freundin.”

“Du weißt wenigstens, was Vorrang hat”, sagte sein Vater mit einem amüsierten Lächeln. James, der fast fünf Jahre älter war als Petra, arbeitete als Arzt in London, aber er besuchte seine Familie auf Mallorca, sooft er konnte.

Wenn er da war, schien das Haus voll Fröhlichkeit und Lärm zu sein, so wie an diesem sonnigen Sonntagnachmittag. Helen war das einzige Familienmitglied, das fehlte. Petras ältere Schwester war mit einem Spanier verheiratet und wohnte seit zwei Jahren mit ihm in Barcelona.

Die Castles lebten schon lange auf Mallorca. Petra war sieben Jahre alt, als ihr Vater seinen ersten Roman in England veröffentlichte. Die Einnahmen aus diesem Buch ermöglichten ihm, seinen Beruf als Mathematiklehrer aufzugeben und mit seiner Familie nach Mallorca zu ziehen.

Seitdem wohnten sie in dieser hübschen Villa in einem Vorort von Palma. Die Familie war nicht reich, aber Tom Castles anhaltender Erfolg als Autor amüsanter Romane brachte genug Geld ein, um ihnen ein sorgloses Leben zu ermöglichen.

“Wenn er so reich ist, dass er sich eine teure Yacht leisten kann, und der Himmel weiß, was sonst noch”, überlegte Petra laut, “warum ist er so darauf aus, seine Pläne für Sa Virgen zu verwirklichen? Wahrscheinlich kann er nicht genug kriegen.”

James lachte auf. “Eine oder zwei Millionen kommen immer ganz gelegen, oder meinst du nicht?”

“Wenn Sa Virgen mir gehören würde, würde ich niemals etwas tun, was der Insel schaden könnte”, erklärte Petra. “Auch nicht, wenn ich arm wie eine Kirchenmaus wäre.”

“Es ist wirklich komisch”, sagte James. “Unser Name ist Castle – Schloss, und ‘torres’ bedeutet ‘Turm’. Das klingt wie eine mittelalterliche Schlacht. Petra, verlieb dich nicht in ihn! Die Vorzeichen sind nicht besonders gut.”

“Ich habe nicht die Absicht”, meinte Petra energisch.

“Und warum redest du seit vierundzwanzig Stunden nur über ihn?”

“Er ist mein Feind. Einer, der die Umwelt verschandelt.”

“Hm. Ich glaube eher, dass du für diese dunklen, gefährlichen Typen ziemlich anfällig bist.”

Seine Worte irritierten sie, obwohl sie wusste, dass er sie nur auf den Arm nehmen wollte. Doch dann stimmte sie in das Lachen der anderen ein.

Am Montagmorgen saß Petra wieder in ihrem Büro. Ihre Gedanken waren noch bei diesem wunderbaren Wochenende auf dem Meer.

Seit achtzehn Monaten arbeitete sie für Gomila & Rodriguez, und sie liebte ihre Arbeit. Vorher war sie zweieinhalb Jahre bei einer großen Grundstücksfirma beschäftigt gewesen. Dort hatte sie schließlich gekündigt, weil sie nicht an der rücksichtslosen Ausbeutung Mallorcas beteiligt sein wollte. Die Tatsache, dass immer größere Teile der wunderbaren, ursprünglichen Küste durch Hotels und Apartmentblocks verschandelt wurden, hatte ihr Umweltbewusstsein geweckt.

Ihre Arbeit wurde ihr von Tag zu Tag verhasster, und als sie die Anzeige von Gomila & Rodriguez in der Zeitung las, hatte sie die Gelegenheit ergriffen und es nie bereut.

Gomila & Rodriguez war eine der angesehensten Anwaltskanzleien in Palma. Petra musste härter arbeiten als jemals zuvor, aber sie konnte dort auch ihre Neigungen und Talente entwickeln.

Ihre größte Begabung waren Sprachen. Helen und sie hatten eine ausgezeichnete Schule auf der Insel besucht, wo Französisch und Spanisch unterrichtet wurde. Den katalanischen Dialekt, der auf Mallorca gesprochen wurde, hatte sie sich selbst angeeignet. Während ihrer Zeit in der Grundstücksfirma waren noch Deutsch und Schwedisch hinzugekommen.

Sie konnte ohne Schwierigkeiten von einer Sprache in die andere wechseln und machte sich bei Gomila & Rodriguez schnell unentbehrlich. Die aus vielen Nationalitäten bestehende Bevölkerung Mallorcas brachte eine Fülle von Schwierigkeiten mit sich. Eigentlich wollte Petra in Abendkursen ihr Italienisch verbessern, doch ihr ausgefüllter Terminplan ließ ihr kaum noch Zeit für neue Aktivitäten.

Regelmäßig jeden Mittwoch ging sie zu den Versammlungen ihrer Umweltgruppe. Dort trafen sich Einheimische und Ausländer, die sich für den Schutz der Natur engagierten.

Als Petra am Mittwochabend durch den Versammlungsraum auf eine Gruppe von Freunden zuging, folgten ihr neugierige Blicke.

Gabriel Sanchez, der auf seinem üblichen Platz unter einem großen Ölgemälde saß, klärte sie schließlich auf.

“Sei gegrüßt, heilige Georgina! Hast du wieder ein paar Drachen zur Strecke gebracht? Wie ich hörte, sollst du die Ehre von San Virgen ohne Rücksicht auf Verluste verteidigt haben!”

Auf Mallorca verbreiteten sich Neuigkeiten in Windeseile, deshalb war Petra eher amüsiert als erstaunt über seine Worte. “Wer hat dir denn das erzählt?”

“Oh, alle reden davon, dass du Tomás Torres auf seiner eigenen Insel eine Ohrfeige verpasst hast.”

“Unsinn! Ich habe ihn überhaupt nicht angerührt!”

“Außerdem sollst du ihm deutlich zu verstehen gegeben haben, was du von ihm und seinem Feriendorf hältst!”

“Das stimmt allerdings”, gab sie lächelnd zu.

“Nun komm schon”, drängte eines der Mädchen, “sag uns, was passiert ist!”

Petra berichtete kurz von ihrer Begegnung mit Torres, und ihre Zuhörer amüsierten sich köstlich. Die Tatsache, dass keiner von ihnen Torres je gesehen hatte, machte Petras Erlebnis umso interessanter.

Nur dass er sie in das Schlauchboot hatte fallen lassen wie einen Fisch, der aussortiert wird, weil er zu klein ist, davon erzählte sie natürlich nichts.

“Wie hat er sich dir gegenüber verhalten?” fragte Barry Lear, der unausgesprochene Anführer der Gruppe. Barry war ein großer, hagerer Amerikaner. Er arbeitete am Forschungsinstitut für Raubvögel und war einer der engagiertesten Umweltschützer der Insel. “Ich meine, wie hat er auf dich persönlich reagiert?”

Petra dachte nach. “Ich glaube, er fand mich ganz amüsant.”

“Amüsant?”

“Er hat ein ungeheures Selbstbewusstsein”, erklärte sie. “Man kommt nur sehr schwer an ihn heran. Seine Freundin ärgerte sich jedenfalls mehr über mich als er selbst. Nur einmal war er nahe daran, seine Selbstbeherrschung zu verlieren.”

“Dann hast du also Eindruck auf ihn gemacht?” fragte Barry.

“Er nannte mich einen Pseudo-Umweltschützer. Du hättest seinen Blick dabei sehen sollen!”

Barry Lear betrachtete sie forschend. Seine durchdringenden hellbraunen Augen erinnerten an die Raubvögel, die er so liebte. Obwohl er erst Anfang dreißig war, wirkte er mit seinem von Sonne und Wind gegerbten Gesicht zehn Jahre älter. “Was glaubst du, ob er dich mag?” fragte er schließlich.

“Lieber Himmel, nein!” Aber Petra errötete leicht, vielleicht weil dies schon das zweite Mal war, dass jemand darauf anspielte. Bevor die anderen etwas dazu sagen konnten, wurde der Gastredner dieses Abends angekündigt, und der Raum wurde für die Diavorführung verdunkelt.

Der Vortrag über besonders seltene Gebirgspflanzen wirkte einschläfernd auf Petra, und als das Licht wieder anging, war sie dankbar für den Kaffee, den Barry Lear ihr brachte. Mit ihm kam Andres Peraza, einer seiner Kollegen vom Institut. Die beiden setzten sich Petra gegenüber. Barry schlug ein Bein über das andere und betrachtete sie forschend.

“Ich habe über etwas nachgedacht”, begann er. “Du weißt doch, dass Ende des Monats die Diskussion zum Thema Sa Virgen stattfindet. Weil jemand vom Umweltministerium teilnimmt, finde ich, dass auch Torres kommen sollte, und zwar persönlich.”

“Gute Idee”, stimmte Petra zu. “Aber warum sollte er ausgerechnet diese Versammlung besuchen, wenn er bisher noch nie gekommen ist?”

“Weil du ihn darum bitten wirst.”

“Ich?”

“Ich habe das Gefühl, dass du Eindruck auf Señor Torres gemacht hast. Er wird vielleicht auf dich hören.”

“Da bin ich mir gar nicht so sicher”, widersprach sie unbehaglich.

“Du könntest zumindest versuchen, ihn persönlich einzuladen.”

“Aber das habe ich doch schon auf Sa Virgen getan!”

“Dann tust du es eben noch einmal.” Barry lächelte.

“Warum sollte er kommen?”

“Weil er dich wiedersehen will. Ich habe das im Gefühl”, fuhr er fort, bevor Petra ihn unterbrechen konnte. “Entweder, du bist ihm auf die Nerven gegangen, oder du hast ihm gefallen oder beides. Auf jeden Fall wird er dich nicht so schnell vergessen. Wenn du ihn anrufst und zu der Versammlung einlädst – vielleicht kommt er deinetwegen.”

“Barry hat einen Instinkt für diese Dinge”, bestätigte Julia Symmonds, eine Engländerin, die sich mit einigen anderen Mädchen inzwischen zu ihnen gesellt hatte. “Ich finde die Idee gut. Wenn du Torres dazu bewegen kannst, zu der Debatte zu kommen, werden wir ihm einen Empfang bereiten, den er so schnell nicht vergessen wird!”

Petra zuckte zusammen. Barry Lear und seine Freunde hatten an der verhängnisvollen Kampagne im letzten Jahr zwar nicht teilgenommen, aber sie gehörten doch zum radikalen Flügel der Umweltgruppe. Und Julias Ton gefiel ihr überhaupt nicht.

“Mach dir keine Sorgen!” Barry hatte ihre Gedanken anscheinend erraten. “Wir werden ihn nur mit Worten angreifen. Denk daran, wir sind Wissenschaftler, keine Wilden!”

“Im Übrigen lässt die Öffentlichkeit sich nicht von irgendwelchen Vertretern beeindrucken”, fügte Julia hinzu. “Das Umweltministerium schickt einen Vertreter und Torres auch. Wir werden die Einzigen sein, die persönlich erscheinen! Aber wenn auch Torres kommt – das würde Eindruck machen!”

“Genau”, stimmte Barry zu. “Das könnte eine richtige Diskussion werden und nicht nur leeres Gerede. Also, was meinst du?”

Petra hatte eigentlich nicht den Wunsch, Torres noch einmal wiederzusehen, aber sie wusste, dass die Gruppe es von ihr erwartete. Sie hatte sehr viel Achtung vor Barry Lear und seinen Fähigkeiten und wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie sich nicht für ihre gemeinsame Sache einsetzte. “Er wird wahrscheinlich sagen, dass die Zeit zu knapp ist.”

“Er hat noch drei Wochen, um sich vorzubereiten. Außerdem wird er sowieso nur ein paar Fragen beantworten müssen.”

“Ich weiß nicht einmal, wie ich an ihn herankommen soll.”

“Ruf ihn einfach an”, schlug Barry vor. “Und wenn du es fertigbringst, ihn zu überreden, hast du mehr für Sa Virgen getan als irgendeiner von uns.”

“Die Presse wird auf jeden Fall da sein und wahrscheinlich auch ein Kamerateam von Mallorca TV”, sagte Julia eifrig. “Die ganze Insel wird zusehen, wenn wir jedes seiner Argumente widerlegen. Danach muss die Bevölkerung uns einfach unterstützen! Das wäre für uns ein großer Schritt nach vorn.”

“Du willst Sa Virgen doch schützen, oder?” wandte sich eines der Mädchen an Petra.

“Natürlich will ich das”, sagte sie. “Ich liebe Sa Virgen!”

“Abgesehen davon, dass du Sa Virgen liebst”, warf Andres ein, “ist diese Insel der letzte Zufluchtsort für einige seltene Tierarten. Wir müssen dafür kämpfen, sie zu schützen, Petra, und dabei geht es um mehr als nur um Gefühle.”

“Ich glaube, dass Petra sich über die Bedeutung von Sa Virgen sehr wohl im Klaren ist”, wies Barry ihn zurecht. “Du brauchst ihr also keinen Vortrag darüber zu halten.”

“Entschuldige!” Andres zuckte die Schultern. “Ihr denkt vielleicht anders darüber, aber mir bedeutet Sa Virgen so viel, weil ich hier geboren und aufgewachsen bin, versteht ihr?”

“Natürlich”, sagte Petra, aber ihr war gar nicht wohl bei dieser Sache. Warum nur? Weil sie sich von Torres eingeschüchtert fühlte? Oder weil ihr das Ganze wie ein Betrug vorkam?

“Wenn dir wirklich etwas an Sa Virgen liegt, dann musst du es einfach tun”, drängte Julia.

“Also gut, ich werde es zumindest versuchen. Was soll ich tun?”

“Bravo”, sagte Barry zufrieden. “Ich gebe dir seine private Nummer. Sie steht nicht im Telefonbuch. Wenn du ihn morgen Mittag anrufst, wird er sicher zu Haus sein. Alles klar?”

“Alles klar.” Petra versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, während Barry die Telefonnummer auf einem Zettel notierte.

Petra rief erst zwei Tage später vom Büro aus bei Torres an. Vorher hatte sie sich einfach nicht getraut. Jedes Mal, wenn sie seine Nummer wählen wollte, verließ sie der Mut.

Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine männliche Stimme, offenbar der Sekretär oder Butler.

“Könnte ich bitte mit Señor Torres sprechen?” fragte sie.

“Ich glaube nicht, dass der Señor zu Hause ist.” Die Stimme klang unpersönlich. “Wer spricht dort?”

“Mein Name ist Petra Castle.”

“Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?”

“Ja, bitte.” Sie wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert sein sollte oder beides.

“Einen Moment bitte, Señorita.”

Während Petra wartete, malte sie geistesabwesend Figuren auf ihren Notizblock. Entsetzt schreckte sie zusammen, als sie Torres’ tiefe Stimme erkannte.

“Petra Castle?”

“Oh – hallo!” Petra fühlte, wie ihr heiß wurde. “Ich dachte, Sie wären nicht da.”

“Für Anrufer nicht zu Haus”, korrigierte er. “Das ist nicht das Gleiche. Was kann ich für Sie tun?”

“Ich wollte Sie noch einmal an den Neunundzwanzigsten erinnern.” Sie versuchte trotz ihrer Nervosität, ihre Stimme so unbekümmert wie möglich klingen zu lassen.

Torres sagte nach einer Weile: “Sie müssen meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Was ist an diesem Tag?”

“Die Debatte über Sa Virgen. Sie findet in der Ramon-Lull-Halle statt, am Freitag, dem Neunundzwanzigsten dieses Monats, um neunzehn Uhr dreißig. Sie wollten doch kommen!”

“Ich habe gesagt, ich werde einen Vertreter schicken”, berichtigte er sie gelassen.

“Also kommen Sie nicht?”

“Ich habe nicht die Absicht, nein.”

“Oh. Ich hätte Sie für mutiger gehalten”, sagte Petra herausfordernd.

“Um Ihrem wilden Haufen entgegenzutreten, brauche ich wirklich keinen Mut.”

“Meine Freunde sind kein wilder Haufen, sondern Wissenschaftler und Umweltschützer.”

“Und wie ist es mit Ihnen?”

“Ich versuche, mich für die Natur einzusetzen. Außerdem liebe ich Sa Virgen, Señor Torres. Und ich werde nie das Geld haben, um in einem Ihrer Apartments zu wohnen, nicht einmal für eine Woche. Wenn Sie also Ihr Feriendorf bauen, werde ich Sa Virgen nie mehr betreten können.”

“Mir bricht das Herz.”

“Ihre Pläne grenzen an Vandalismus!”

“Aber sie versprechen Profit.”

“Ihr Profit bedeutet zwangsläufig die Zerstörung von etwas sehr Wertvollem!” Petras Stimme bebte vor Zorn.

“Das ist meine Angelegenheit. Wenn Sie mir also nichts anderes zu sagen haben …”

“Warten Sie!” bat Petra einlenkend. “Sie wollen auf keinen Fall zu unserer Versammlung kommen?”

“Das ist sehr unwahrscheinlich”, bestätigte Torres. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: “Aber ich bin gern bereit, mit Ihnen allein darüber zu reden.”

“Schön.” Petras Augen begannen zu leuchten. “Dann lassen Sie uns darüber reden.”

“Nicht jetzt. Könnten Sie mich am Wochenende besuchen?”

Petra glaubte nicht richtig gehört zu haben. “Sie wollen, dass ich zu Ihnen komme? Weshalb?”

“Sollten Sie etwa keinen Mut haben?”

“Das ist es nicht”, log sie. Warum wollte er sie treffen? Mit ihm zu telefonieren, war schon schlimm genug. Bei dem Gedanken, ihn in seinem Haus wiederzusehen, fühlte sie sich mehr als unbehaglich. Doch dann fielen ihr Barry und die anderen aus der Gruppe ein, und was sie sagen würden, wenn sie sich jetzt weigerte. “Wenn ich zu Ihnen komme, versprechen Sie dann, an der Versammlung teilzunehmen?”

“Nein. Aber wenn Sie mich nicht besuchen, werde ich höchstwahrscheinlich nicht kommen. Andererseits, wenn es Ihnen gelingt, mich zu überzeugen …”

“Ich weiß nicht, warum Sie mich unbedingt treffen wollen”, sagte sie verwirrt.

“Fürchten Sie sich vor mir?”

Petra bemühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zu geben. “Nein, natürlich nicht.”

“Schön. Dann kommen Sie. Also, sagen wir, um halb drei am Samstagnachmittag?”

“Ich weiß nicht einmal, wo Sie wohnen!”

“Fahren Sie die Straße nach Esporles. Kurz vor San Sebastian ist ein Schild nach Alcamar. Dort müssen Sie abbiegen. Auf Wiedersehen, Petra.”

Verblüfft erwiderte sie seinen Gruß und legte den Hörer auf. Vielleicht hatte Barry Lear doch recht gehabt. Vielleicht hatte sie doch Eindruck auf Torres gemacht. Oder bildete sie sich das nur ein? Es war sehr unwahrscheinlich, dass ein Mann wie Tomás Torres sich für ein einfaches Mädchen wie sie interessierte. Oder hatte er andere Beweggründe? Petra wurde das Gefühl nicht los, in dieser Sache von beiden Seiten ausgenutzt zu werden.

Petra machte sich mit großem Elan an die Arbeit. Señor Gomila, der gerade das Büro betrat, warf ihr einen anerkennenden Blick zu.

Ihr kam ein Gedanke. “Señor Gomila, kennen Sie Tomás Torres?”

“Sie meinen den jungen Tomás Torres? Natürlich.”

“Sind Sie ihm schon begegnet?”

“Sehr oft. Ich kannte seinen Vater gut. Tomás ähnelt ihm sehr.” Jaime Gomila lächelte. “Seine Mutter – ah, Petra, das war eine Schönheit! Pechschwarze Augen, ein Lächeln, dass einem das Herz stehen blieb, Haar wie schwarze Seide …” Er nickte gedankenverloren. “Sie war eine erstaunliche Persönlichkeit. Ganz Mallorca lag ihr zu Füßen.”

“Lebt sie denn nicht mehr?”

“Nein. Sie starb vor einigen Jahren zusammen mit ihrem Mann.” Señor Gomila seufzte. “Die beiden wurden bei einem tragischen Verkehrsunfall getötet.”

“Das tut mir leid”, sagte Petra leise. Anscheinend war ihrem Chef der Tod der Torres sehr nahegegangen. “Tomás Torres – ich meine den Sohn – wie hat er sich die Nase gebrochen?”

“Bei demselben Unfall. Es ist sehr schade, er sah seiner Mutter sehr ähnlich.”

“Er sieht immer noch sehr gut aus.” Petra lächelte.

“Tatsächlich?” Señor Gomila zwinkerte ihr zu. “Fragen Sie mich deshalb so aus?”

“Nein, nein, ich gehöre nicht zu seinen Anhängern. Wir haben nicht die gleichen Interessen. Aber trotzdem”, sagte sie nachdenklich, “er hätte sich die Nase richten lassen können. Das ist doch heute kein Problem mehr.”

“Vielleicht will er es gar nicht.”

“Bitte?”

Aber Jaime Gomila lächelte nur unergründlich und ging in sein Büro, während Petra über seine letzte Bemerkung nachdachte.

Nachmittags rief Petra Barry Lear an, um ihm von Torres’ Einladung zu berichten. Barry war begeistert. “Ich habe es dir ja gleich gesagt! Es musste einfach funktionieren. Aber verschwende bloß keine Zeit mit ihm, hörst du?”

“Bestimmt nicht”, versprach sie, erregt von der Aussicht auf diese Einladung. Jetzt war sie froh darüber, dass sie Barrys Plan zugestimmt hatte. “Ich tue, was ich kann.”

Sie arbeitete eineinhalb Stunden länger als gewöhnlich, um eine Übersetzung für Jaime Gomila zu beenden. Die Straßen waren fast leer, als sie in ihrem kleinen Fiesta nach Haus zu ihren Eltern fuhr.

Die untergehende Sonne tauchte Palma in goldenes Licht. Die Landschaft außerhalb der Stadt war bezaubernd. Riesige Agaven säumten die Straßen und hoben sich dunkel gegen den orangefarbenen Himmel ab. Felder mit Mandel- und Obstbäumen erstreckten sich bis zu den Hügeln, die im Abendlicht violett leuchteten. Und zwischen Orangenhainen ragten Windmühlen, die so typisch für Mallorca waren, Symbole einer Lebensweise, die langsam, aber sicher ausstarb. Musste man sich nicht glücklich schätzen, in dieser wunderbaren Umgebung zu leben? Wenn nur alle so denken würden! Aber immer weiter wurde gebaut – bis die ganze Landschaft zerstört war.

Warum sah Tomás Torres das nicht? Hatte die Geldgier ihn blind gemacht? Trotz seines Charmes und seiner Intelligenz schien er nichts begriffen zu haben. Oder vielleicht war er gar nicht so intelligent, wie sie dachte?

Inzwischen hatte sie das Haus ihrer Eltern erreicht. Als sie den Wagen abschloss, dachte sie an diesen energischen Mund, die schwarzen Augen und die auffallende Nase. Der Mann war ihr unheimlich. Es hatte keinen Zweck, sich auf Torres einzulassen. Sie musste versuchen, ihre Beziehung zu ihm nicht zu persönlich werden zu lassen.

Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, wirklich etwas ausrichten zu können. Der Kampf für Sa Virgen war bisher in endlosen Debatten stecken geblieben, und das Gerede hatte die Öffentlichkeit eher abgeschreckt. Aber wenn es ihr gelang, Tomás Torres zu bewegen, zu dieser Versammlung zu kommen, zusammen mit einem Vertreter des Umweltministeriums, wäre das schon ein Fortschritt.

3. KAPITEL

Es regnete den ganzen Samstagmorgen. Erst gegen Mittag hörte es auf, und ein leichter Wind vertrieb die grauen Wolken. Vor Nervosität brachte Petra beim Mittagessen kaum einen Bissen hinunter. James beobachtete sie amüsiert.

“Ich habe dir ja gesagt, dass dieser dunkle, gefährliche Typ dein Verderben ist. Ich habe dich noch nie so durcheinander gesehen.”

“Ich bin nicht durcheinander”, sagte Petra schnippisch, “nur nervös, weil ich ihn überreden muss, zur Versammlung zu kommen. Ich fürchte nur, dass er mich heute Nachmittag mit Haut und Haar verschlingen wird.”

Ihr Vater lachte. “Muss er sich zu der Veranstaltung eigentlich selbst mitbringen?”

“Wir planen eine Diskussion, keine Hinrichtung”, erklärte Petra. “Er soll uns nur seinen Standpunkt erklären.”

“Nun lasst Petra doch in Ruhe”, schaltete sich Margaret Castle ein. Zu Petra gewandt, fragte sie liebevoll: “Was willst du denn anziehen?”

“Wenn er dich sowieso verschlingt, wie wäre es denn mit etwas Senf?” schlug James vor.

“Ich lege Wert darauf, ernst genommen zu werden”, entgegnete Petra trocken und stand auf. “Entschuldigt mich bitte. Das Lamm muss sich für die Schlachtbank vorbereiten.”

Die Straße nach Esporles war noch nass vom Regen, und die Landschaft sah frisch und sauber aus. Petra liebte den Frühling, wenn Obst- und Mandelbäume in voller Blüte standen wie jetzt. Sie war so von der Schönheit der Natur gefangen, dass sie fast das Schild nach Alcamar übersehen hätte.

Für spanische Verhältnisse war die Straße in gutem Zustand. Sie führte ein paar Kilometer ständig bergauf, und je höher Petra kam, umso wilder wurde die Landschaft.

Plötzlich versperrte ein großes Doppeltor die Straße. Fasziniert betrachtete Petra die Marmorsäulen zu beiden Seiten des Tores und die wundervollen schmiedeeisernen Ornamente. Dahinter erstreckten sich Felder mit Orangen- und Zitronenbäumen, und in der Ferne war ein bewaldeter Hügel zu erkennen.

Langsam öffnete sich das Tor einen Spalt, und ein einfach gekleideter Mann kam auf ihren Wagen zu.

Petra drehte das Fenster herunter. “Guten Tag. Ist das hier das Anwesen von Señor Tomás Torres?”

Er lächelte freundlich. “Sie befinden sich auf seinem Grundstück, seit Sie von der Hauptstraße abgebogen sind. Sie sind Señorita Castle?”

“Ja.”

“Willkommen. Der junge Herr erwartet Sie bereits. Ich öffne Ihnen das Tor.”

Petra winkte dem Pförtner zu und folgte der Straße, die durch endlose Orangenhaine führte.

Tomás Torres schien die halbe Insel zu gehören! Es war erschreckend, dass ein Mann so viel Land besitzen konnte. Welch ein Widerspruch: Großgrundbesitzer wie Torres trugen die Hauptverantwortung für die Umwelt, doch gerade sie waren diejenigen, die der Natur am meisten Schaden zufügten.

Heute Nachmittag wollte sie Tomás Torres endlich einmal die Meinung sagen! Eine solche Gelegenheit bot sich so schnell nicht wieder.

Nach etwa einem Kilometer erreichte Petra das Haus. Sie parkte den Wagen auf der kiesbestreuten Einfahrt und stieg aus. Ihr stockte der Atem.

Das also konnte man mit Geld und Macht erreichen!

Aus Steinen gebaut, die dieselbe Farbe hatten wie die Hügel der Umgebung, und von Efeu bewachsen, stand Tomás Torres’ Haus auf einer kleinen Anhöhe. Unzählige hohe Fenster unterschieden das Gebäude von den typischen Häusern Mallorcas, die normalerweise nur wenige und kleine Fenster hatten. Ein offensichtlich sehr alter Turm ragte aus dem weitläufigen Garten und erhob sich stolz und mächtig über die Dächer des Hauses.

Ein Bogengang führte durch den Innenhof zum Haupteingang. Blühende Bäume standen in großen Töpfen um einen Springbrunnen. Das leise Plätschern des Wassers war das einzige Geräusch. Hohe Wände schirmten diesen Ort von der Außenwelt ab. Eine Bougainvillea streckte ihre roten Blüten der Sonne entgegen.

Petra hörte Schritte hinter sich und wandte sich um. Der Hausherr kam über eine marmorne Freitreppe auf sie zu.

Torres trug eine elegante Wolljacke, ähnlich der, die er auf Sa Virgen getragen hatte, doch statt Jeans und Stiefeln trug er eine modische graue Hose und maßgefertigte Schuhe. Seine eindrucksvolle Statur und seine dominierende Ausstrahlung waren ihr noch gut in Erinnerung. Doch nun kam ihr die Sinnlichkeit seiner Lippen und seines Blickes mit einem Schlag wieder ins Bewusstsein. Er blieb direkt vor ihr stehen, und der Ausdruck seiner schwarzen Augen ließ ihr Herz höher schlagen.

Er sah überwältigend aus! Durch die gebrochene Nase wirkte sein markantes, braungebranntes Gesicht noch interessanter. Seine Augen waren wie dunkle Seen, in denen die Seele einer Frau untergehen und ertrinken konnte.

“Nun”, unterbrach Petra das Schweigen mit gespielter Fröhlichkeit, “hier bin ich also.”

“Hier sind Sie also”, erwiderte er ruhig. Er streckte die Hand aus und nahm ihr die Sonnenbrille ab, als ob er sich erinnern wollte, wie sie aussah. Petra versuchte, seinem durchdringenden Blick standzuhalten, doch sie fühlte, wie ihre Mundwinkel vor Nervosität zitterten.

“Sie sind es tatsächlich, aber Sie sehen anders aus als letztes Mal.”

Das war alles? Mehr als eineinhalb Stunden hatte sie gebraucht, um sich für diese Verabredung zurechtzumachen!

Dabei hatte die Erinnerung an Cristina Colom eine große Rolle gespielt. Petra hatte ihr volles kastanienbraunes Haar sorgfältig zu einem kunstvollen Chignon aufgesteckt, der den schlanken Nacken freiließ. Sie hatte nur etwas Make-up aufgelegt, um ihren vollen Mund und ihre schönen Augen zur Geltung zu bringen.

Sie trug ein maßgeschneidertes Kostüm aus pfirsichfarbenem Leinen. Die schlanke Taille wurde von einem Gürtel betont, der in der Farbe zu den Schuhen und ihrer Tasche passte.

Petra wusste, dass sie noch nie hübscher und begehrenswerter ausgesehen hatte. Deshalb konnte sie die Enttäuschung über Tomás Torres’ offensichtliche Gleichgültigkeit kaum verbergen.

Es war nur eine kurze Gefühlsaufwallung, aber Tomás Torres entging das nicht. Er lachte und beugte sich zu ihr hinunter. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er mit dem Mund ganz sanft ihre Lippen berührt. “Sie sehen bezaubernd aus”, sagte er ernst. “Willkommen auf Alcamar!”

Petra schwebte wie auf Wolken, als er sie ins Haus bat und in einen großen, kühlen Raum führte, der mit wertvollen alten Möbeln und Teppichen ausgestattet war. Die Wände waren mit kostbarem Holz verkleidet.

Ein Hausmädchen servierte den Kaffee auf einem Silbertablett. Es war sehr schwer, sich von dieser angenehmen und geschmackvollen Umgebung nicht beeindrucken zu lassen. In diesem Haus herrschte eine Atmosphäre, die so einzigartig war wie der Besitzer. Petra meinte, noch seinen Kuss auf ihren Lippen zu spüren, sanft und warm.

Sie machte es sich auf dem Sofa bequem. “Sie müssen meine Unwissenheit entschuldigen, Señor Torres”, sagte sie förmlich, “aber bis heute habe ich noch nie etwas von Alcamar gehört, obwohl ich schon hundertmal an dem Schild vorbeigefahren sein muss. Sie haben eine Menge Orangenbäume.”

“Ungefähr eine halbe Million”, bestätigte er sachlich.

“So viele? Lieber Himmel, ein Baum für jeden Einwohner von Palma!”

“Das klingt, als ob es ein Verbrechen wäre, Orangenbäume zu haben”, sagte Torres sarkastisch.

“Land zu besitzen ist nichts Verwerfliches.”

“Das freut mich.”

“Es kommt nur darauf an, wie man mit dem Land umgeht”, fuhr sie fort und sah ihm direkt in die Augen. “Ob man es ausbeutet und zerstört oder ob man versucht, es für die kommenden Generationen zu erhalten.”

“Danke für die Belehrung.” Torres verbeugte sich leicht und lächelte sie spöttisch an.

“Um die Wahrheit zu sagen, Señor, ich bin angenehm überrascht, dass Sie nicht der reiche Müßiggänger sind, für den ich Sie bisher gehalten habe.”

“Müßiggänger gibt es hier nicht”, sagte er. “Die Hälfte dieser Bäume habe ich mit meinen eigenen Händen gepflanzt.”

Unwillkürlich sah sie auf seine Hände. Es waren schöne Hände, lang und schmal und trotzdem kräftig. Starke Männerhände, wie geschaffen zum Arbeiten und Kämpfen, aber auch, um zärtlich zu sein.

“Das mit den Orangenbäumen ist beeindruckend.” Petra trank einen Schluck Kaffee. “Und da Sie offenbar kein verhätschelter Playboy sind, müssten Sie eigentlich begreifen, worum es mir geht.” Seine Haltung wurde starr.

“Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich auf Alcamar hart gearbeitet”, erwiderte er kalt. “Ich versichere Ihnen, dass ich oft lieber ein reicher Müßiggänger gewesen wäre. Eigentümer von Alcamar zu sein, ist nicht so einfach, wie Sie glauben.” Er lächelte ironisch. “Eigentlich war mir ein anderes Leben vorbestimmt.”

“Mir bricht das Herz”, erwiderte sie spöttisch. Bewusst hatte sie seine eigene Redewendung vom Telefongespräch wiederholt. “Es mag schwierig sein, Alcamar zu erhalten”, fuhr sie schnell fort, “aber Sie können kaum von mir erwarten, dass ich Sie bemitleide, weil Ihnen dieses wunderschöne Anwesen gehört.”

“Um Mitleid habe ich nicht gebeten.” Bisher hatte Torres gestanden, nun setzte er sich neben sie und lehnte sich bequem zurück. “Wir sind auch nicht hier, um über Alcamar zu reden.”

“Nein.” Sie stellte die leere Kaffeetasse auf den Tisch und nahm ein Bündel Papiere aus der Handtasche. “Ich habe Ihnen etwas zum Lesen mitgebracht, Señor Torres.”

“Das freut mich”, sagte er, aber es klang, als meinte er das genaue Gegenteil.

“Sie sollten diese Papiere lesen”, empfahl Petra. “Vielleicht können sogar Sie etwas daraus lernen. Das hier ist zum Beispiel eine Broschüre über Sa Virgen, die die Umweltgruppe letztes Jahr veröffentlicht hat.”

Torres blickte verächtlich auf das Dokument, das hauptsächlich von Barry Lear zusammengestellt worden war. “Ich habe dieses Meisterwerk schon gelesen. Reine Panikmache.”

“Tatsächlich?” Petra beugte sich angriffslustig vor. “Dann zeigen Sie mir doch die Stellen, die nicht wahr sind.”

“Die ganze Broschüre ist eine einzige Lüge”, erwiderte er, während er die Papiere durchblätterte. “Dieser so genannte Wissenschaftler behauptet, ich will aus Sa Virgen eine Betonwüste machen.”

“Er ist kein ’so genannter Wissenschaftler’“, empörte Petra sich. “Zufälligerweise ist er ein Freund von mir und außerdem ein anerkannter Vogelkundler!”

“Ich weiß, was er ist”, sagte Tomás verächtlich. “Barry Lear ist eigentlich Gast auf dieser Insel, aber er benimmt sich nicht so. Er macht nur Schwierigkeiten. Und Sie nennen ihn Ihren Freund?”

“Ich bewundere sein Engagement”, erwiderte Petra hartnäckig. “Für Sie mag er ein Fanatiker sein, weil er Ihren Plänen im Wege steht. Aber Leute wie er sind die Einzigen, die sich auf dieser Insel über die Umwelt Gedanken machen!”

“Sie reden wie ein verblendetes Schulmädchen”, sagte er kalt.

“Es tut mir leid, wenn ich Sie in dieser Hinsicht enttäuschen muss.” Petra hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten.

“Sie verwechseln Aggression mit Hingabe, Petra. Dabei hat das nichts miteinander zu tun.”

“Von Ihnen hätte ich sowieso nicht erwartet, dass Sie Barry Lear objektiv beurteilen”, schnappte sie wütend. “Deshalb können Sie sich die Mühe sparen, mich gegen ihn zu beeinflussen!”

“Beeinflussen?” fragte Torres ungläubig. “Wenn jemand versucht, andere Leute zu beeinflussen, dann ist es doch Lear. Seine Anschuldigungen sind absurd, das müssten selbst Sie erkennen. Ich beabsichtige, eine kleine Anzahl Häuser auf einem begrenzten Areal zu bauen und keine Betonburgen auf der ganzen Insel. Autos werden dort sowieso nicht erlaubt sein.”

“Und wie ist es mit Ihren Hubschraubern?” fragte Petra scharf. “Oh, Entschuldigung – ich hatte ganz vergessen, dass die Falken Fluglärm über alles lieben.”

“Reden Sie keinen Unsinn! Ich habe nur gesagt, dass eine Landung pro Woche die Falken nicht stören würde.”

“Das glaube ich nicht”, erwiderte sie heftig.

Ungeduldig strich er sich durch das dichte, leicht gelockte Haar. “Der moderne Hubschrauber ist kein feuerspeiendes Ungetüm, sondern ein schnelles, sicheres und relativ leises Verkehrsmittel. Er vergiftet weder die Luft noch das Wasser.”

“Wie selbstgerecht Sie sind!” Petra wehrte sich gegen seine Überzeugungskraft. “Sie können unmöglich abschätzen, welche Konsequenzen diese ganze Technologie für Sa Virgen haben wird! Millionen von Jahren war Frieden auf der Insel, und jetzt soll sie dem Lärm und vor allem den Menschen ausgesetzt werden. Das ist der Anfang vom Ende, sehen Sie das nicht?” Ihre Stimme klang verächtlich, als sie fortfuhr: “Oder hat die Aussicht auf viel Geld Sie geblendet?”

Sie stockte, als sie seinen wütenden Gesichtsausdruck sah. “Nun”, sagte sie fast entschuldigend, “Sie hätten mich nicht hierher einladen sollen, wenn Sie die Wahrheit nicht vertragen können. Aber ich nehme an, Sie hatten eine bestimmte Absicht, als Sie mich hierher einluden?”

“Allerdings. Vielleicht sollten wir jetzt zur Sache kommen!” Er stand auf. “Ich möchte Ihnen etwas zeigen.”

Torres führte Petra die Treppe hinauf in ein Zimmer, das offensichtlich die Bibliothek war. In den Wandregalen waren unzählige Bücher verstaut, deren goldverzierte Ledereinbände in der Sonne glänzten.

In der Mitte des Raumes stand auf einem großen Lesetisch ein Modell der Insel.

“Sa Virgen!” rief Petra überrascht.

“Ja. Sa Virgen.” Torres beobachtete Petra, während sie auf das Modell zuging und jedes Detail genau betrachtete.

“Das ist phantastisch! Es muss Jahre gedauert haben, so etwas zu bauen!” Der Puig Virgen war höher als sie selbst, und jede Einzelheit der Landschaft war sorgfältig herausgearbeitet worden. “Hier ist Cala Vibora und hier der Strand.” Mit dem Finger zeichnete sie den Weg nach, auf dem sie schon so oft mit ihrem Boot in die Bucht gekommen war.

“Und hier auf den Klippen haben wir uns getroffen”, ergänzte er. “Aber ich möchte Sie auf die andere Seite der Insel aufmerksam machen.” Er führte sie um den Tisch herum zur Nordseite des Modells. Oberhalb von Cala Lom lag am Hang angeschmiegt eine Siedlung. Petra musste sich hinunterbeugen, um die Details zu erkennen: Dächer, Swimmingpools und das flache Rund eines Hubschrauberlandeplatzes. Verglichen mit dem Rest der Insel, war das geplante Dorf winzig und nicht unattraktiv.

“Die Belastung für Sa Virgen wird minimal sein”, erklärte Torres. “Der Boden ist dort flach und nicht bewachsen, so dass keine Bäume gefällt werden müssen. Sie sehen selbst, wie weit der Ort von den Nistplätzen der Vögel entfernt liegt und dass es unmöglich ist, von dort nach Cala Vibora zu gelangen.” Er klopfte mit dem Finger auf den Landeplatz des Modells. “Wie Sie ebenfalls feststellen können, müssen die Hubschrauber die Insel nicht überfliegen. Sie kommen direkt von Palma und landen hier. Sie machen nicht mehr Lärm als die Linienmaschinen, die Sa Virgen tagtäglich überfliegen.”

Schweigend betrachtete Petra das Modell. Wenn sie die Sache von dieser Seite sah, fiel es ihr sehr schwer, ihre Opposition aufrechtzuerhalten.

Torres ging ans Fenster zu einem kleinen Tisch. “Hier haben wir ein Modell der geplanten Apartmenthäuser. Selbst Sie werden zugeben müssen, dass es durchaus kein hässlicher Entwurf ist!”

Das Haus war tatsächlich schön. Durch die traditionellen mallorquinischen Elemente fügte es sich vollkommen in die Landschaft ein.

“Ich muss zugeben”, sagte sie schließlich, “dass ich schon schlechtere Entwürfe gesehen habe.” Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. “Das heißt, wenn dies der Realität entspricht.”

“Natürlich.”

“Aber eines können Sie nicht im Voraus planen, nämlich das Wichtigste: die Menschen. Wenn nur einer von ihnen unvorsichtig ist und einen Waldbrand verursacht, gibt es eine Katastrophe.”

“Vor zehn Jahren hatten wir einen Brand auf Sa Virgen”, entgegnete Torres trocken, “verschuldet von Campern, die sich dort ohne Erlaubnis aufhielten. Alle zwei oder drei Jahre passiert so etwas, und immer sind irgendwelche Naturliebhaber daran schuld.” Sein Blick war kalt. “Menschen wie Sie, Petra.”

“Das ist unfair!”

“Aber es ist wahr. Andererseits brauchen Leute, die eine Kochgelegenheit in ihren eigenen Apartments haben, kein Feuer im Wald anzuzünden.” Er wies auf das Modell der Insel. “Auf jeden Fall wird im Dorf Personal sein, das für alle Notlagen gerüstet ist.”

“Aber Sie können Ihre Gäste nicht die ganze Zeit überwachen. Es wäre doch möglich, dass sich einer von ihnen trotzdem danebenbenimmt.”

“Das Problem gibt es in jedem Hotel. Aber abgesehen davon, werden wir Sa Virgen speziell für Urlauber anbieten, die Ruhe, Einsamkeit und die Natur lieben. Es wird keine Läden geben, keine Nachtclubs, keine Diskotheken.”

“Aber Sie müssen doch einsehen, dass …” Petra gab sich noch nicht geschlagen, und Torres hörte sich geduldig ihre Einwände an. Während sie mit ihm stritt, war die Sonne herausgekommen, schien durchs Fenster und füllte den Raum mit ihrem goldenen Licht. Über der Insel, die Gegenstand ihrer Diskussionen war, flogen jetzt wahrscheinlich die Falken hoch in die klare Luft.

Fast eine Stunde lang versuchte Petra, seine Argumente zu widerlegen. Aber Tomás Torres hatte auf alles eine Antwort. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass sein Plan kein unüberlegter und grausamer Angriff auf die Schönheit der Insel war, sondern tatsächlich ein exaktes und sorgfältig durchdachtes Projekt. Und sie begann zu spüren, dass sie es mit einem Mann von Torres’ Format wohl kaum aufnehmen konnte. Dazu bedurfte es mehr Information und eines sehr viel schärferen Verstandes – wie zum Beispiel Barry Lears.

“Das ist alles neu für mich”, gab sie schließlich zu und betrachtete das Modell nachdenklich. “So etwas habe ich noch nie gesehen.”

“Keiner hat das bisher. Alles, was ich Ihnen erzählt habe, ist streng vertraulich. Aber ich habe es seit langem geplant, und niemand wird mich daran hindern.”

“Wenn Ihr Plan wirklich so gut ist, dann verstehe ich nicht, warum Sie damit nicht schon längst an die Öffentlichkeit gegangen sind.”

“Ich bin nicht verpflichtet, meine Pläne mit irgendjemand zu besprechen.”

“Aber es gibt viele Leute, die das für eine moralische Verpflichtung halten”, erklärte sie. “Wenn Sie Ihnen die Wahrheit erzählen würden …”

“Sie akzeptieren also meinen Plan?” unterbrach er sie ironisch.

“Nicht unbedingt”, wich Petra aus. “Mir wäre es lieber, wenn auf Sa Virgen alles so bliebe, wie es ist. Aber ich gebe zu, dass Ihr Plan nicht schlecht klingt. Und deshalb glaube ich, dass Sie zu unserer Versammlung kommen sollten, um die Leute über Ihre Absichten aufzuklären.”

“Halten Sie es denn für möglich, dass Ihre Freunde das alles überhaupt verstehen wollen?” fragte Torres skeptisch.

“Na ja, Sie können dieses Modell natürlich nicht mit in die Ramon-Lull-Halle bringen. Aber trotzdem sollten Sie hingehen. Es ist wichtig, dass Sie Ihren Kritikern einmal Rede und Antwort stehen, und zwar persönlich, nicht durch Vertreter.”

Er sah sie forschend an. “Und wenn Sie mich vertreten würden?”

“Also darauf wollen Sie hinaus”, rief sie empört. “Sie wollen mich zu Ihrer Verbündeten machen! Sie dachten, wenn Sie mich für Ihren Plan gewinnen könnten, würde ich ein gutes Wort für Sie einlegen?”

“So direkt würde ich es nicht ausdrücken. Aber im Prinzip haben Sie Recht. Ich habe gehofft, wenn ich Sie umstimmen könnte, würden Sie mir helfen, auch andere zu überzeugen.”

“Darauf können Sie lange warten”, entgegnete sie wütend. “Ich stehe immer noch auf der Seite der Falken, Señor Torres!”

“Dann sind Sie also gegen mein Projekt?”

“Auf jeden Fall unterstütze ich es nicht”, erklärte Petra entschlossen. “Und eines weiß ich genau: Ihre schmutzige Arbeit für Proyecto Sa Virgen können Sie allein tun!”

Einen Moment starrten sie sich schweigend an. Dann legte Torres den Füllfederhalter beiseite, mit dem er gespielt hatte. Er sah nicht einmal unzufrieden aus. “Bueno. Zumindest haben Sie sich die Wahrheit angehört, und das ist schon ein Anfang. Lassen Sie uns jetzt nicht mehr über Sa Virgen reden. Wir wollen doch nicht den ganzen Nachmittag mit Streiten verbringen! Sie müssen sich Alcamar ansehen.”

Wieder hatte sie das deutliche Gefühl, dass dies keine Einladung, sondern ein Befehl war. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als einzuwilligen. Immerhin hatte sie ihr Bestes getan. Und es schien, als machte sich dieser Mann tatsächlich Gedanken um Sa Virgen. Ob er zur Versammlung erscheinen wollte, musste er nun selbst entscheiden.

Sie erinnerte sich an etwas, was ihre Mutter am Abend zuvor erzählt hatte, und sagte: “Ich würde mir gern die Goyas ansehen.”

Torres drehte sich überrascht zu ihr um. “Die Goyas? Wie kommen Sie darauf?”

“Ihre Familie soll zwei herrliche Gemälde von Goya besitzen”, erwiderte sie lächelnd. “Oder handelt es sich dabei nur um ein Gerücht?”

“Ah.” Seine Miene entspannte sich. “Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen die Bilder im Moment nicht zeigen. Doch wenn Sie sich für Malerei interessieren, werde ich Ihnen gern einige andere schöne Gemälde zeigen!”

“Sehr gern.”

“Kommen Sie bitte mit.” Er führte sie durch eine Tür am anderen Ende der Bibliothek.

Dieser Teil des Hauses war wegen der geschlossenen Fensterläden kühl und dämmerig und wirkte irgendwie geheimnisvoll. Überall standen antike Möbel, es schien kaum etwas zu geben, was aus dem zwanzigsten Jahrhundert stammte. Die Atmosphäre des Hauses hielt Petra gefangen.

“Dieses Haus hat eine ganz eigenartige Ausstrahlung”, bemerkte sie schließlich, als sie den letzten Raum des Flügels betraten.

Torres betrachtete sie neugierig. “Wie meinen Sie das?”

Petra versuchte es zu erklären. “Es ist, als ob jeder, der hier gelebt hat, eine Kostbarkeit hinzugefügt hat – ein Möbelstück, ein Gemälde oder vielleicht auch nur eine Erinnerung.” Sie erschauderte plötzlich. “Etwas, das sagen soll: Ich habe hier gelebt. Das gibt dem Haus etwas Einzigartiges und Lebendiges. Ach”, sie lachte verlegen, “ich kann es nicht erklären.”

“Ich weiß, was Sie meinen”, erwiderte Torres ruhig. “Sie brauchen es nicht zu erklären, Petra.”

Er stieß die Fensterläden auf, und Sonnenlicht flutete ins Zimmer. Am Ende des Raumes hingen zwei große Ölgemälde. Als Petra näher kam, erkannte sie die lebensgroßen Bildnisse einer jungen Frau und eines jungen Mannes. Nach dem Stil der Kleidung zu urteilen, waren die Bilder vor ungefähr dreißig Jahren gemalt.

“Wie schön sie sind”, sagte Petra und meinte sowohl die Gemälde als auch die porträtierten Personen. Instinktiv wusste Petra, wer sie waren. Selbst wenn Jaime Gomila ihr nicht von dem seidigen dunklen Haar und den schwarzen Augen erzählt hätte, sie hätte Tomás’ Mutter erkannt. Die Ähnlichkeit mit dem Sohn war nicht zu übersehen, und der Mann hatte die gleiche imposante Gestalt und schlanke Figur wie sein Sohn.

“Das sind wirklich außergewöhnliche Gemälde”, sagte Petra leise. “Sie müssen ein Vermögen wert sein.”

“Solange ich lebe, werden sie bestimmt nicht verkauft”, erwiderte er kurz.

“Wann kamen Ihre Eltern ums Leben?” Petra war sich nicht sicher, ob sie ihn mit dieser Frage verletzte.

“Vor zehn Jahren.”

“Wie alt waren Sie damals?”

Tomás sah sie belustigt an. “In den Zwanzigern.”

Petra lachte. “Weshalb wollen Sie mir Ihr Alter eigentlich nicht verraten?”

“Ich möchte nicht, dass Sie mich für altersschwach halten.”

Unwillkürlich glitt ihr Blick über seinen schlanken, muskulösen Körper. “Das tue ich ganz bestimmt nicht”, versicherte sie und errötete. Schnell wandte sie sich wieder den Gemälden zu und fuhr fort: “Ich bin dreiundzwanzig. Das kommt Ihnen wohl sehr jung vor, nicht wahr?”

“Sie sind jung”, gab er zu, “aber Sie sind auch eine reife, wunderschöne Frau. Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich bin sechsunddreißig. Jetzt halten Sie mich wohl für einen Greis?”

“Sie stehen schon mit einem Fuß im Grab.” Petra lächelte und warf ihm einen kurzen Blick zu. “Ich habe Sie auf Mitte dreißig geschätzt, als wir uns das erste Mal sahen.”

“Sie sind eben klug, Petra”, sagte er sanft.

Plötzlich war eine Vertrautheit zwischen ihnen, die Petra erschauern ließ. Dies war so ganz anders als die endlosen Wortgefechte, die sie sich vorher geliefert hatten. Sie konzentrierte sich auf die Gemälde, um sich von den beunruhigenden Gedanken zu befreien. “Ihr Vater sah sehr gut aus. Er muss etwa in Ihrem Alter gewesen sein, als das Bild gemalt wurde.”

“Ja, ungefähr. Sie möchten wissen, wie es passiert ist, nicht wahr?”

“Wenn Sie nicht darüber reden wollen …”

“Es war ein Autounfall”, erklärte er brüsk. “Der Wagen meiner Eltern wurde auf der Fahrt nach Cabo Formentor von einem Bus von der Straße gedrängt. Er stürzte über die Klippen auf die darunterliegenden Felsen.”

Petra kannte die Straße gut genug, um sich die schreckliche Szene vorzustellen. Unwillkürlich berührte sie seinen Arm. “Es tut mir so leid, Tomás. Ich weiß, dass Sie im Wagen waren, als es passierte.”

“Im Allgemeinen spreche ich nicht gern darüber.” Er zuckte die Schultern. “Aber mit einigen Leuten ist es möglich.” Er sah ihr direkt in die Augen, und Petra fühlte wieder diese Schwäche, die ihr den Atem nahm. Dieser Mann, der doch ihr Feind sein sollte, begann allmählich Macht über ihre Gefühle auszuüben.

Plötzlich drehte Torres sich um und ging zum Fenster hinüber. “Ich werde Ihnen jetzt den Garten zeigen”, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, und schloss die Fensterläden.

Als sie durch das sanfte Dämmerlicht auf die Tür zugingen, stieß Petra zufällig gegen ihn. Es war nur eine leichte Berührung, bei der ihr Arm und ihre Brust für eine Sekunde seine Seite streiften. Es war ihr, als stünde ihre Haut in Flammen. Schweigend gingen sie in den sonnenüberfluteten Garten, und als er sich ihr schließlich wieder zuwandte, war sein Gesichtsausdruck viel herzlicher. Petra spürte, dass aus ihrer anfänglichen Feindschaft etwas anderes, Tieferes geworden war, das sie miteinander verband.

Sie gingen einen der gepflasterten Pfade entlang, die durch das große, eher verwilderte Gelände führten. Schließlich erreichten sie einen rechteckig angelegten Garten, dessen Mittelpunkt ein von Moos überwucherter Springbrunnen bildete. Die Wege wurden von Rosenspalieren beschattet.

“Wie wundervoll!” rief Petra aus, als Tomás sie durch den Eingang führte, der von einem steinernen Bogen gebildet wurde. Wie im Traum ging sie an den Spalieren entlang, ohne darauf zu achten, dass die überhängenden Zweige noch schwer vom Regenwasser waren. Und als sie einen Zweig streifte, ergoss sich ein ganzer Schwall Wasser über ihr Gesicht. Erschrocken trat sie zurück.

“Sie müssen schon ein wenig Acht geben”, meinte er, während Petra ärgerlich ein Tuch aus ihrer Tasche zerrte.

“Kommen Sie, ich helfe Ihnen.” Tomás nahm ihr das Taschentuch aus der Hand und tupfte ihr Gesicht trocken. Seine Nähe und seine dunklen Augen waren nicht gerade dazu angetan, sie zu beruhigen. Die sanften Berührungen seiner Finger trieben ihr die Röte ins Gesicht. Sie konnte nichts weiter tun, als stillzuhalten und zu hoffen, dass er es nicht bemerkte.

Schließlich gab er ihr das Taschentuch zurück. “Darf ich fragen, welches Parfüm Sie benutzen?”

“Gar keins”, erwiderte sie überrascht.

“Das brauchen Sie auch nicht.” Sein Blick glitt zu ihrem Mund. “Ihre Haut duftet ohnehin nach Rosen.”

“Reden Sie keinen Unsinn”, wehrte Petra nervös ab. “Das ist wahrscheinlich der Duft der Rosen über uns.”

“Tatsächlich?” Er beugte sich vor, seine Lippen berührten fast ihren Hals, als wollte er den Geruch ihrer Haut wahrnehmen.

Petra kam Tomás unwillkürlich entgegen, bis ihre Brüste ihn ganz leicht streiften. Sie schloss die Augen. Alle ihre Sinne sehnten sich nach seinen warmen Lippen. Wenn er sie jetzt in die Arme nehmen würde …

Aber er machte einen Schritt zurück und lächelte amüsiert. “Nein”, sagte er und schüttelte den Kopf. “Das sind nicht die Rosen, das ist wirklich Petra. Ihre Haut duftet tatsächlich süß. Aber jetzt werde ich Ihnen endlich den Turm zeigen. Kommen Sie, ich führe Sie hin.”

Wie betäubt folgte sie ihm durch den Garten. Wenn er beabsichtigte, sie mit seinem Charme aus der Fassung zu bringen, dann hatte er sein Ziel schon fast erreicht. Auch auf diesem Gebiet war sie ihm nicht gewachsen.

4. KAPITEL

Der gewaltige Turm beherrschte das gesamte Anwesen. Torres stieß die mit groben Eisennägeln beschlagene Eichentür auf und drehte sich zu Petra um.

“Das erfordert gute Beine. Sind Sie fit?”

“Fit wie ein Floh”, versicherte sie ihm zuversichtlich.

“Dann also ohne Unterbrechung!” kommandierte er und stürmte die Treppe hinauf.

Die steinerne Wendeltreppe führte in steiler Spirale aufwärts. Außerdem war es dunkel, und das Steigen war anstrengender, als Petra gedacht hatte. Schon nach dem ersten Treppenabsatz war sie außer Atem, und als sie den zweiten Absatz erreichten, waren ihre Beine schwer wie Blei.

“Nicht so schnell!” keuchte sie. “Ich muss ein bisschen ausruhen.”

“Wenn wir oben sind.” Torres drängte rücksichtslos weiter, und sie musste sich seinem Tempo anpassen. Doch als ihr endgültig die Luft wegblieb und sie jeden Moment ohnmächtig zu werden drohte, schimmerte von oben Licht herab und gab ihr Kraft, die letzten Reserven zu mobilisieren.

Restlos erschöpft lehnte Petra sich gegen die Steinbrüstung. “Ich bin völlig fertig!”

“Nach der kleinen Anstrengung?” fragte er spöttisch. Er selbst schien nicht einmal außer Atem zu sein.

“Wahrscheinlich machen Sie das drei- oder viermal täglich.”

“Das nicht, aber ich bin vielleicht mehr daran gewöhnt.”

“Ich nehme an, Ihre Freundin Cristina Colom schwebt die Treppe hinauf?” erkundigte Petra sich trocken. Den ganzen Tag hatte sie an Cristina gedacht, sie aber bis jetzt nicht erwähnt.

“Cristina lässt sich dabei ein bisschen mehr Zeit.” Er lachte.

Warum hatte sie nur gehofft, dass Cristina nie mit ihm hier oben gewesen war? “Und weshalb haben Sie mich dann in einem solchen Tempo den Turm hochgejagt?”

“Sie sind doch in Form!”

“Nicht so sehr, wie ich dachte. Liebe Güte, ist mir heiß!” Ihr Chignon hatte sich gelöst, und sie versuchte mit beiden Händen, die Frisur wieder in Ordnung zu bringen. “Das lange Haar ist eine Plage”, stöhnte sie. “Nächste Woche lasse ich es abschneiden, das ist sicher.”

“Daran sollten Sie nicht einmal denken”, widersprach er so heftig, dass sie ihn erstaunt ansah.

“Warum denn nicht?”

“Warum nicht?” wiederholte er. “Gerade Sie sind doch so für die Schönheit der Natur. Ihre Haare sind ebenfalls schön, und ich protestiere dagegen, sie jemals abzuschneiden.”

“Sie reden wie mein Vater”, sagte sie. Doch im Stillen freute sie sich über das Kompliment. “Jedenfalls wäre das nicht passiert, wenn Sie nicht solch ein Tempo vorgelegt hätten.”

“Hören Sie auf zu klagen und kommen Sie hierher, damit Sie die Aussicht genießen können.”

Trotz der überstandenen Anstrengungen fühlte sie sich seltsam belebt. “Was für ein Ausblick!” Vorsichtig lehnte sie sich über die Brüstung und schaute hinunter. “Ich habe gar nicht gemerkt, wie hoch wir hier sind. Man kann ja die halbe Insel sehen!”

“Auf jeden Fall hat man einen guten Blick auf Palma, und bei klarem Wetter kann man sogar bis nach Ibiza hinübersehen.” Er wies auf die Kathedrale von Palma und machte sie auf den Strand von Arenal im Osten aufmerksam. Die Besitzungen der Torres erstreckten sich kilometerweit nach allen Seiten: Orangenbäume, soweit das Auge reichte.

“Haben Sie wirklich all diese Bäume mit Ihren eigenen Händen gepflanzt?” fragte sie beeindruckt.

“Ja. Um die Wahrheit zu sagen, drei oder vier meiner Männer haben mir dabei geholfen.” Nachdenklich fuhr er fort: “Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte sie nicht gepflanzt.”

“Was meinen Sie damit?” Petra wandte sich ihm zu. “Sie haben dieses Tal doch zum Blühen gebracht. Der Duft der Orangenblüten im Sommer muss phantastisch sein!”

“Ja, das stimmt allerdings”, gab er zu. “Dieser Duft entschädigt für vieles.”

“Wie lange hat es gedauert, alle diese Bäume zu pflanzen?”

“Zehn Jahre.”

“Zehn Jahre?”

“In der Geschichte von Alcamar ist das nur ein Moment.”

“Ich nehme an, dieser Ort hat Ihrer Familie auch den Namen gegeben. Torres bedeutet Turm.”

“Das stimmt”, erwiderte er. “Genauso, wie Sie Castle heißen, weil Ihre Familie einst in einem Schloss wohnte.”

“Wahrscheinlich eher im Schatten eines Schlosses.” Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. “Mein Bruder meint, dass wir beide uns niemals einig werden können, weil unsere Namen schon Abwehr symbolisieren.”

“Ein Schloss und ein Turm”, sagte Tomás nachdenklich. “Eine kriegerische Kombination. Das wird sich herausstellen, meinen Sie nicht auch?”

Wieder sah er sie herausfordernd an. Petra versuchte, seinem Blick gelassen standzuhalten. “Wir werden sehen.”

“Wer weiß”, fuhr er leise fort, “vielleicht bedeutet es auch, dass wir uns in mancher Beziehung ähnlich sind?”

“Aber nicht, was Sa Virgen angeht”, sagte Petra brüsk. Sie durfte nicht vergessen, warum sie hier war!

“Nein”, stimmte er amüsiert zu, “nicht in der Beziehung.”

Petra lehnte sich gegen die Steinbrüstung und beobachtete Tomás. Die Art, wie er in das Land hinausstarrte, erinnerte sie an einen Adler. “Haben Sie immer allein hier gelebt, seit Ihre Eltern tot sind?” fragte sie.

Langsam, als wäre er mit den Gedanken weit fort, antwortete er: “Mehr oder weniger allein. Meine Schwester Isabella hat hier gewohnt, bis sie vor drei Jahren heiratete.”

“Ist sie älter als Sie?”

“Ein Jahr jünger. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in der Nähe von Madrid. Aber um Ihre Frage zu beantworten – abgesehen vom Personal, lebe ich allein auf Alcamar.”

“Allein?” wiederholte sie. “Oder einsam?”

“Warum sollte ich mich einsam fühlen?”

“Ganz ohne Familie, meine ich.”

Tomás sah sie verächtlich an. “Sie denken sicherlich, dass ich eigentlich verheiratet sein müsste und eine Schar von Kindern im Garten lärmen sollte?”

“Warum nicht? Das wünschen sich die meisten Menschen.”

“Es ist wirklich merkwürdig, dass Frauen sich einen unverheirateten Mann über dreißig nur schwer vorstellen können”, erwiderte er heftig. “Dabei ist das gar nicht so schwer.”

“Vermissen Sie weibliche Gesellschaft denn nicht?”

“Ich versichere Ihnen, dass ich jetzt mehr weibliche Gesellschaft habe, als wenn ich verheiratet wäre”, sagte er trocken.

“Das erklärt natürlich einiges!”

“Oh, ich führe kein ausschweifendes Leben, falls Sie das glauben. Ich wollte nur sagen, dass ich die Gesellschaft von Frauen genieße. Und ich habe eine ganze Reihe von guten Freundinnen, die eine Ehefrau sicher nicht dulden würde.”

“Eine eifersüchtige Ehefrau bestimmt nicht. Aber eine vernünftige Frau würde niemals versuchen, Sie von Ihren Freunden fernzuhalten. Meinen Sie nicht auch, dass auf Ihrem Besitz die Hausherrin fehlt?” Sie betrachtete den verwilderten Garten und dachte an die verdunkelten, unbenutzten Räume der Villa.

“Sie beziehen Ihre Lebensanschauungen wohl aus irgendwelchen Frauenmagazinen”, höhnte er.

“Was haben Sie denn gegen Ehe und Kinder?” Petra errötete unwillkürlich.

Einen Moment lang sah Tomás sie forschend an. “Na gut”, sagte er schließlich. “Angenommen, Sie haben recht. Wen schlagen Sie mir denn dafür vor?”

“Das müssten Sie selbst am besten wissen.” Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. “Wie wäre es mit Señorita Colom?”

“Das ist eine Möglichkeit”, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen. “Sie ist schön, reich, und sie teilt Ihre Meinung, dass Alcamar eine Hausherrin benötigt.”

Petra schwieg betroffen. Cristina war also tatsächlich darauf aus, Tomás Torres zu heiraten. Was war daran so verwunderlich? Es gab wahrscheinlich viele Frauen, die das wollten. “Und werden Sie sie heiraten?”

“Vielleicht”, antwortete er gleichgültig.

“Sie ist wirklich sehr schön”, sagte Petra leise. Plötzlich war ihr trotz der warmen Sonne kalt. “Bei unserem Zusammentreffen auf Sa Virgen war sie sehr ärgerlich auf mich.”

“Das kann ich mir gar nicht vorstellen, wo Sie doch so charmant waren”, meinte er mit gespieltem Ernst.

Petra musste lachen. “Darf ich weiter nach Sa Virgen kommen, obwohl Sie jetzt wissen, was für eine Fanatikerin ich bin?”

“Jederzeit.” Sein Lächeln machte den Tag wieder schön. “Aber was ich über Ihr Haar gesagt habe, meine ich ernst. Wenn Sie es abschneiden, dürfen Sie die Insel nie wieder betreten.”

“Dann wird es mir in ein paar Jahren bis auf die Taille reichen”, klagte sie.

“Es ist wunderschön”, fuhr Tomás unbeirrt fort. “Ich mag es, wenn Frauen die Haare offen tragen. Obwohl ich Ihren Zopf auch ganz nett finde.”

“Dieser Zopf hat mich fast eine Stunde Arbeit gekostet”, sagte sie gekränkt. “Es freut mich, dass Sie ihn wenigstens nett finden.”

“Ihre Frisur hat sich wieder gelöst.”

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