×

Ihre Vorbestellung zum Buch »Niemals entkommst du uns«

Wir benachrichtigen Sie, sobald »Niemals entkommst du uns« erhältlich ist. Hinterlegen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse. Ihren Kauf können Sie mit Erhalt der E-Mail am Erscheinungstag des Buches abschließen.

Niemals entkommst du uns

Aaron ist verletzt! Ihr geliebter Ehemann, ihr Anker, der Vater ihrer Tochter, liegt bewusstlos am Fuße eines Canyons. Wie aus dem Nichts war der fremde SUV auf der Straße hinter ihnen aufgetaucht und hatte sie in den Abgrund gedrängt. Jetzt ist Miranda die Einzige, die Hilfe holen kann, um ihr Glück zur retten. Doch in ihrem Kopf hallen Aarons letzte Worte wider: "Pass auf, wem du vertraust!" Warum ist all das passiert? Was ist es, das Aaron ihr verschweigt?


  • Erscheinungstag: 02.11.2017
  • Aus der Serie: James Patterson Bookshots
  • Bandnummer: 15
  • Seitenanzahl: 120
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959677134
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ich hätte es zu diesem Zeitpunkt unmöglich vorhersehen können, aber als Aaron seinen Witz erzählte, sollten noch neununddreißig Sekunden vergehen, bis ich unseren Minivan durch eine Leitplanke, über eine Klippe und in einen Fluss steuern würde. Ich würde ihn den Canyon hinunterstürzen lassen und die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben an den Rand des Todes bringen.

Und das, so seltsam es sich auch anhört, war noch nicht einmal das Schlimmste, was an diesem Nachmittag geschehen sollte.

Aber der Reihe nach.

Wir fuhren den verlassenen Abschnitt eines Highways entlang. Wir waren zu dritt, mein Mann Aaron, meine Tochter Sierra und ich. Der Highway befand sich irgendwo im menschenleeren Niemandsland zwischen Utah und Arizona, mitten in einer atemberaubenden Landschaft, ein paar Canyons nördlich des „Grand“. Normalerweise bin ich sehr gesprächig, wenn ich hinterm Lenkrad sitze, und tausche fröhlich lahme Witze und alberne Wortspiele mit Aaron aus, aber auf Straßen wie dieser kann jeder kleine Fehler verhängnisvoll sein.

„Was sagst du, wenn du eine sprechende Ente und einen ehrlichen Anwalt triffst?“, fragte er.

Wenn ein Auto über einen kurvigen Highway rast und plötzlich in der Nähe eines Abhangs ins Schleudern gerät, ist die richtige Reaktion, ob man es glaubt oder nicht, den Wagen genau in die Richtung zu lenken, in die man schlittert. In diesem Fall also direkt auf den Abgrund zu. Aus der Perspektive eines Physikers klingt das sicherlich absolut logisch. Der Bewegungsenergie folgen. Es ist die Art rationale Handlungsweise, der alle Gäste einer Cocktailparty zustimmen und dabei bekräftigend nicken würden. Ja, unbedingt. Geradewegs in die Katastrophe steuern. Jeder von uns täte das, keine Frage.

Einunddreißig Sekunden.

Aber was ist, wenn der Grund dafür, dass du überhaupt erst in so eine Situation geraten bist, nicht deine eigene Unaufmerksamkeit war, sondern ein drei Tonnen schwerer schwarzer SUV, der auf einmal wie aus dem Nichts auftauchte?

Er war dicht hinter uns.

Sein Kühlergrill blitzte in meinem Rückspiegel auf. Das Ding sah aus wie Darth Vaders Helm auf Rädern. Der Fahrer – fett, bärtig und hässlich – kam so nah heran, dass die Stoßstange des SUV fast unser Heck berührte.

„Lass ihn denken, er habe gewonnen“, riet mir Aaron seelenruhig vom Rücksitz aus.

Er saß neben unserer Vierjährigen und assistierte ihr dabei, die Weltraumkängurus in ihrem Videospiel durch die Galaxie zu dirigieren.

„Ihn denken lassen, er habe gewonnen?“, wiederholte ich. „Wieso?“

Sierra hatte kürzlich eine Stufe erreicht, die viele Eltern als Meilenstein der kindlichen Entwicklung betrachten: sich über das schlechte Wi-Fi-Signal beschweren, weil sie so unmöglich das neueste Update für ihr Spiel herunterladen konnte. Aber Aaron war ihre Stimme der Vernunft. Und meine.

Ich wusste, worauf er hinauswollte – ich sollte einfach Platz machen, dadurch dem Drängler die Gelegenheit geben, uns zu überholen, und ihn seines halsbrecherischen Weges ziehen lassen.

„Vergiss es, ich denke ja nicht dran“, sagte ich. „So ein Benehmen darf man doch nicht auch noch belohnen.“

„Das ist ein erwachsener Mann, kein ungezogener Labrador.“

Ich atmete langsam ein und wieder aus, ein perfekter Yoga-Atemzug. „Na schön. Was sagt man, wenn einem eine sprechende Ente und ein ehrlicher Anwalt begegnen?“

„Heilige Scheiße, ein ehrlicher Anwalt!“, antwortete Aaron und begann zu lachen.

Ich wurde langsamer und fuhr ein Stückchen zur Seite. Er hatte ja recht, ich ließ mich durch das kindische Verhalten eines Fremden aus der Reserve locken. Zeit, die Rolle der Erwachsenen zu übernehmen und es gut sein zu lassen.

Ich drosselte die Geschwindigkeit noch ein wenig weiter, und wie erwartet tauchte mein neuer Freund auch schon neben meinem linken Kotflügel auf, und seine Reflexion füllte jetzt statt meines Rückspiegels den Seitenspiegel aus. Ich setzte den passenden Gesichtsausdruck auf, eine Mischung aus ruhiger Souveränität und Geringschätzung, und wartete darauf, dass er vorbeizog.

Doch er verwehrte mir meine Genugtuung.

Er verharrte einen Moment in meinem toten Winkel, dann beschloss er, sich wieder in seine ursprüngliche Position zurückfallen zu lassen.

Siebzehn Sekunden.

In der Annahme, er hätte vor uns ein Hindernis entdeckt, suchte ich die Straße nach Auffälligkeiten ab. Baustellenkegel? Eine Brücke? Ein Laster? Aber da war nichts. Unsere beiden Autos waren weit und breit die einzigen hier draußen, Stoßstange an Stoßstange fuhren wir durch die verlassene Berglandschaft. Bevor er gerade eben hinter uns aufgekreuzt war, hatten wir seit gut einer Stunde kein anderes Fahrzeug mehr gesehen.

„Er überholt nicht“, informierte ich Aaron.

„Gut. Siehst du? Zen“, sagte er. „Lass ihn denken, er hätte die Kontrolle, und schwupp, der Typ macht einen Rückzieher.“

In der Tat hatte Mr. SUV seine Aktion abgebrochen, aber er folgte uns weiterhin und fuhr viel zu dicht auf. Sehr dicht, ehe er drei Sekunden später erneut versuchte zu überholen, dieses Mal von links. Dadurch geriet er auf die Innenseite einer schwer einsehbaren Kurve. Soll der Idiot doch vorbeirauschen, dachte ich im Stillen. Gute Reise.

Acht Sekunden.

Der wohltuende Gedanke konnte die wachsende Anspannung nicht vertreiben, die in mir aufstieg.

„Sierra, halt meine Pfote“, sagte Aaron zu unserer Tochter. Das war ihr geheimer Code, um Sicherheit zu vermitteln – wann auch immer ein Kobold im Haus sein Unwesen trieb oder irgendwo in der Ferne Donnergrollen zu hören war, hielten die beiden Koalas der Familie sich gegenseitig fest.

„Daddy, halt meine Pfote“, antwortete sie prompt.

Fünf Sekunden.

Auch sie spürten, dass etwas nicht stimmte, und schlangen die Arme umeinander. Gerade rechtzeitig. Der SUV war groß und nah neben uns … als es passierte.

Er streifte die Ecke meiner hinteren Stoßstange, ein fühlbarer Zusammenstoß, aber nicht heftig genug, als dass man es für etwas anderes als ein Versehen gehalten hätte. Ich verlor die Kontrolle über unseren Wagen.

Vier Sekunden.

Wir begannen, uns im Uhrzeigersinn zu drehen, auf die Leitplanke zu.

Zweieinhalb Sekunden.

Und anstatt in Gedanken zu der Cocktailparty in Manhattan zu springen, wo wir darüber Scherze gemacht hatten, wie man sich verhalten sollte, wenn bei einem Autorennen etwas schiefging – die Party vor drei Jahren, mit der wir Aarons erste feste Anstellung als Anwalt bei einer Firma mit dem sympathischen Namen Drake Oil feierten –, konnte ich nur daran denken, wie mein Ehemann und meine Tochter eben noch unbeschwert in der Känguru-Galaxie gespielt hatten.

Und ich reagierte nicht instinktiv, sondern zögerte.

Ich hätte ohnehin nicht genug Zeit gehabt, irgendetwas zu tun.

Dreiundsiebzig Meilen pro Stunde.

Wir würden über die Klippe stürzen.

Null Sekunden.

2. KAPITEL

Wir rammten die Leitplanke mit über siebzig Meilen pro Stunde, rissen sie aus ihrer Verankerung im Felsgestein, und das Metall wurde zerfetzt, als wäre es eines der dünnen Papierbänder im Zieleinlauf eines Marathons.

Mein Herz blieb stehen. Nicht nur wegen des Schocks über die Katastrophe, die sich in diesem Augenblick abspielte, sondern auch wegen dem, was ich erschreckend klar auf uns zukommen sah: gar nichts.

Kein Boden weit und breit.

Wir fielen in die Tiefe.

Vor mir sah ich nur das Armaturenbrett und … Luft. Es gab keinen Untergrund in diesem Bild.

„Miranda!“, schrie mein Mann. Das unwillkürliche Brüllen des Namens deines Ehepartners, wenn dich der blanke Horror ergreift.

Die Nase unseres Autos flog unaufhaltsam geradeaus, während mein Magen ungefähr zehn Meilen voraus nach unten rutschte. Alle vier Reifen hingen in der Luft, und im selben Moment brachen die Umgebungsgeräusche abrupt ab, als hätte jemand den Lautstärkeregler des Lebens auf stumm geschaltet, wodurch das Kreischen meiner Tochter umso lauter klang. Ein Schrei, so panisch und grauenvoll, wie man es sich nur vorstellen kann.

„Mmmmmmmmaammaaaaaa!“

Mein gesamter Körper erstarrte, und mir gefror das Blut in den Adern. Verzweifelt trat ich aufs Bremspedal, wieder und wieder, als ob Bremsen etwas ausrichten könnten, wenn dein Fahrzeug etwas tut, wofür Fahrzeuge ganz und gar nicht gedacht sind.

Wir flogen durch die Luft, und dann taten wir es plötzlich nicht mehr. Ohne dabei auch nur im Mindesten an Geschwindigkeit zu verlieren, setzten wir wieder auf der Erde auf. Die Motorhaube krachte auf einen Felsvorsprung, an dessen Ende der Abgrund wartete. Wir überschlugen uns und landeten für eine Sekunde wieder auf allen vier Rädern, ich konnte fühlen, wie sie Bodenhaftung hatten, und versuchte sofort, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Es war ein kurzer Moment der Hoffnung, aber ich hatte keine Chance. Unser Minivan überschlug sich erneut, vertikal, dann horizontal.

Als die Welt sich vor mir drehte, erhaschte ich einen kurzen Blick auf meine beiden Schätze im Rückspiegel – das Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben, und sie schrien aus voller Kehle, so wie ich es wohl auch getan haben muss. Wir donnerten über den Abhang, begleitet von der steinigen Erde, die gegen unser Fahrgestell und die Reifen trommelte, bis wir schließlich auf dem Grund des Canyons aufschlugen.

Dach nach unten.

Es folgte eine gespenstische Stille. Jedermanns Schreie waren verstummt. Nur das Gurgeln des Flusses war zu hören.

Irgendwo drang Wasser ins Innere und bildete kleine Rinnsale. Wir befanden uns teilweise in der Strömung, teilweise am seichten Ende des Ufers.

Erst viel später würde ich den Umstand zu schätzen wissen, dass das Pech mir zwar einen SUV als übermächtigen Gegner geschickt hatte, es aber andererseits wahnsinniges Glück gewesen war, ausgerechnet an der einen Stelle des Flusses zu landen, wo der Untergrund genug Halt bot. Nur ein paar Fuß weiter, und wir wären sofort weggeschwemmt worden und wohl alle ertrunken.

Ich drehte mich um und schaute nach hinten. Ich konnte Aaron sehen, der zwischen Wachsein und Bewusstlosigkeit hin- und herzudriften schien.

„Geht es dir gut?“, fragte ich ihn.

Er sah nicht so aus. Es dauerte lange, bis er eine Antwort zustande brachte. „Mmmmm …“

„Sierra?“, sagte ich zu meiner Tochter, ein schneller Check, ob mit ihr alles in Ordnung war. Sie hatte noch immer schreckgeweitete Augen, wirkte aber orientiert und offensichtlich nicht verletzt.

Ich wurde sofort aktiv. Ärmel hochgekrempelt und los. Zeit, dass wir uns in Bewegung setzten. Alle drei. Mein Ehemann machte sich, noch immer benommen und ziemlich ungeschickt, an Sierras Kindersitz zu schaffen. Ich löste meinen Sicherheitsgurt und versuchte, so grazil wie möglich auf das mittlerweile durchnässte Wageninnendach zu fallen. Es war keine besonders elegante Landung. Ich blickte zu Aaron, um mich zu vergewissern, dass er und Sierra sich ebenfalls hatten befreien können. Er hatte sich eine böse Platzwunde zugezogen, die quer über seine Stirn verlief. Sie schien tief zu sein und blutete. Aber er war trotzdem klar genug, unserer Tochter hinunterzuhelfen.

„Ich klettere wieder rauf, zur Hauptstraße“, informierte ich ihn.

„… ’kay“, sagte er schwach.

Ich hätte damit gerechnet, dass er anfangen würde zu diskutieren, darauf zu beharren, er müsse doch derjenige sein, der Hilfe holte, anordnen, ich solle hier bei Sierra bleiben, aber er unternahm nicht einmal den Versuch. Ich fragte mich, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.

Aber ich schob den Gedanken rasch beiseite. Grübeln brachte uns nicht weiter, nur Handeln. Der Schock erstickte jeden Anflug von Unentschlossenheit im Keim, die ich sonst wahrscheinlich empfunden hätte, vielleicht hätte empfinden sollen. Ich spulte eine Reihe automatischer Handlungen ab, bei denen ich mir nicht einmal sicher war, ob sie uns in irgendeiner Art von Nutzen waren. Wir brauchten Hilfe, medizinische Hilfe. Einen Krankenwagen. Oder noch besser einen Rettungshubschrauber. Das Mobilfunksignal war bereits auf dem Highway seit einer ganzen Weile immer schwächer geworden, gut möglich, dass es inzwischen gar keinen Empfang mehr gab. Außerdem konnte ich keines unserer Handys entdecken, die mussten bei unserem Absturz sonst wohin geschleudert worden sein.

Das Wasser rann jetzt nicht mehr, es schwappte ins Innere, und ich erkannte auch, warum – die meisten der Scheiben waren zerbrochen. Natürlich, was sonst.

Doch immerhin einen Lichtblick gab es: Ich konnte mich nicht daran erinnern, in welche Ecke wir beim Packen achtlos den Erste-Hilfe-Kasten gestopft hatten, aber da lag er, direkt vor mir, zwischen unseren anderen Habseligkeiten, in der stetig größer werdenden Lache. Ich schnappte ihn mir und warf ihn über meine Schulter wie eine Handtasche.

Mit dem Fuß trat ich die restlichen Scherben aus dem Fenster der Fahrerseite. Zum Glück lag der Van in einem schrägen Winkel, und diese Seite befand sich dadurch leicht über dem Wasserspiegel.

Obwohl der Fahrer des SUV uns gerade von der Straße gedrängt hatte, hoffte ich irgendwie trotzdem, ihn am Rand des Canyons auftauchen und uns etwas zurufen zu sehen. Dass ihm bewusst geworden war, in welche Gefahr er uns gebracht hatte, und er angehalten und sich auf dem Weg zu uns schon einen groben Rettungsplan überlegt hatte.

Aber ich hatte genug Polizei-Realityshows gesehen, um zu wissen, bei dem, was eben passiert war, handelte es sich nicht um einen Unfall. Sondern um ein PIT-Manöver.

Und der Kerl hatte es mit voller Absicht eingesetzt.

3. KAPITEL

Ich stieg aus, sah nach oben und musste feststellen, dass die Felswand viel steiler war, als ich vermutet hatte. Eine klassische Felsklippe im Grand-Canyon-Stil. Die gesamte Umgebung wirkte wie ein Stück vom Mars, das jemand abgebrochen und mit einer Extraportion schroffer Gesteinsbrocken garniert hatte. Keine Ahnung, wie Sierra dort hinaufkommen sollte, ganz zu schweigen von meinem verletzten Mann. Ehrlich gesagt wusste ich nicht einmal, wie ich da hinaufkommen sollte.

Es würde eine waghalsige Kletterpartie werden – oder vielleicht traf Krabbelpartie es besser. Obwohl, je genauer ich die Felskanten betrachtete, desto mehr sah das Ganze nach einem kompletten Freeclimb aus. Diese Erkenntnis war nicht so Furcht einflößend für mich, wie es klingt, denn ich bin früher eine passable Kletterin gewesen, sogar auf Wettkampfniveau, aber das lag schon etliche Jahre zurück. Mein aktuelles Trainingsprogramm bestand hauptsächlich darin, ein durchs Haus tobendes Kleinkind zu verfolgen.

Wie auch immer, es gab keinen anderen Weg als den nach oben, wenn ich vorhatte, auf der Straße ein Auto anzuhalten. Ich hoffte darauf, dass meine Muskeln die Abläufe irgendwo gespeichert hatten und sich daran erinnerten, wenn es so weit war. Ist Klettern wie Fahrradfahren?

Ich wurde von einem Geräusch aus meinen Überlegungen gerissen. Eine Art Ächzen und Knirschen. Der Minivan bewegte sich. Es war der Fluss, der an ihm zog!

Die seichte Stelle hätte doch sicher sein müssen. War sie aber nicht.

„Aaron, raus aus dem Van!“, rief ich.

Ich steckte den Kopf zurück durchs Seitenfenster und sah, dass mein Mann eingeklemmt war. Der Sitz über ihm hatte sich durch den plötzlichen Ruck gelöst und sein Bein steckte darunter fest. Er versuchte, mir Sierra zu reichen, aber sie weigerte sich, ihren Dad allein zu lassen. Sie verkroch sich hinter dem Sitz, während der Wasserpegel rasant anstieg.

Trotz ihrer Panik und seiner Kopfverletzung blieb er ruhig und griff erneut nach ihr. Als er sie zu fassen bekam, machte er einen zweiten Anlauf, sie zu mir nach draußen zu heben.

Aber es gab keine Fluchtmöglichkeit. Der Weg, den ich gerade zurück zum Wagen genommen hatte, war zu einer Einbahnstraße geworden, die Strömung viel zu stark, um dagegen anzukämpfen. Gemeinsam schafften wir es, Sierra durch das Fenster zu bugsieren, doch ich konnte sie nirgendwo absetzen. Ich würde meine Vierjährige auf keinen Fall in einen reißenden Fluss stellen.

Es gelang mir, die Fahrertür so weit zu öffnen, dass Aaron durch den Spalt passte. Ich begann, mit einer Hand an seinem linken Arm zu ziehen, während ich mit dem anderen Arm Sierra festhielt. Er half, indem er mit der rechten Hand gegen den Sitz drückte, der auf seinem Oberschenkel lag. Das Auto neigte sich immer stärker stromabwärts. Ich hatte nicht bemerkt, wie wenig ausbalanciert es gewesen war. Uns blieb nicht viel Zeit. Verzweifelt versuchte Aaron, sein Bein freizubekommen.

„Auf drei“, sagte ich. „Eins … zwei …“

„Drei“, schnauften wir beide gleichzeitig. Geschafft.

Das Wasser stand uns bis zur Taille, als der Van endgültig in den Fluss rutschte und mit einem gurgelnden Geräusch darin verschwand. Wir sahen einen Augenblick geschockt zu, wie auch der Rest dessen unterging, was um ein Haar unser Familiensarg geworden wäre. Dieser Gefahr waren wir zwar entronnen, befanden uns allerdings jetzt auf der dem Ufer abgewandten Seite, mitten im Sog der Strömung. Aaron watete entschlossen los, aus der Wunde an seinem Kopf lief noch immer Blut. Ich hatte keine Ahnung, wie er überhaupt stehen konnte, geschweige denn laufen. Ich drückte Sierra fest gegen meine Brust und folgte ihm. Die Strömung hatte eine ungeheure Kraft, aber wir hielten uns alle drei wacker, obwohl die Gischt fast bis an unsere Schultern klatschte. Aber es waren nur noch wenige Schritte bis zur rettenden nächsten Sandbank, und es schien nicht mehr tiefer zu werden. Das Schlimmste hatten wir hinter uns.

Und dann entglitt mir unsere Tochter.

„Aaron!“, schrie ich. Sie war schon mehr als eine Armeslänge von meiner ausgestreckten Hand entfernt. „Aaron!“ Nur er konnte sie jetzt noch erreichen.

Er sah sich um, griff sofort nach ihr und bekam sie – Gott sei Dank – gerade noch rechtzeitig am Arm zu fassen. Allerdings hatte er sich dazu in Fließrichtung drehen müssen und durch die abrupte Bewegung das Gleichgewicht verloren. Und nun wurden sie beide mitgerissen. Rasend schnell. Alles, was ich erkennen konnte, war Sierras lilafarbener Känguru-Commander-Hut, der flussabwärts auf und nieder hüpfte.

Autor