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Ellie, du schaffst mich!
Erscheinungstag: | Mi, 04.05.2016 |
Bandnummer: | |
Seitenanzahl: | 144 |
ISBN: | 9783733767723 |
E-Book Format: | ePub oder .mobi |
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Ein Teil von ihr
Mutter. Heldin. Lügnerin. Mörderin?
Im Bruchteil einer Sekunde kann sich dein Leben für immer verändern….
Du hast die Nachrichten gesehen, über die Gewalt in dieser Welt den Kopf geschüttelt und weitergemacht wie immer. Nie könnte dir so etwas passieren, dachtest du.
Andrea Oliver erlebt das Entsetzlichste. Einen Amoklauf. Was sie noch mehr schockiert: Ihre Mutter Laura entreißt dem Angreifer ein Messer und ersticht ihn. Andrea erkennt sie nicht wieder. Offenbar ist Laura mehr als die liebende Mutter und Therapeutin, für die Andrea sie immer gehalten hat. Sie muss einen Wettlauf gegen die Zeit antreten, um die geheime Vergangenheit ihrer Mutter zu enthüllen, bevor noch mehr Blut vergossen wird …
Laura weiß, dass sie verfolgt wird. Und dass ihre Tochter Andrea in Lebensgefahr ist …
»Dieser Thriller wird Sie um den Schlaf bringen. Für Slaughter-Fans ist „Ein Teil von ihr“ ein absolutes Lese-Muss.«
ok!
»Wie immer hat Slaughter … keine Scheu, Verbrechen in all ihrer Brutalität und Grausamkeit zu schildern. […] Daneben aber beweist sie ebenso viel Gespür für die Zerrissenheit, für Sehnsüchte und Ängste, für starke Gefühle und damit verbundene innerliche Eruption, kurz: für die Komplexität ihrer Charaktere.«
dpa
»Karin Slaughters „Ein Teil von ihr“ liest sich als moderne Geschichte über komplizierte Vereinigte Staaten von Amerika, in der charakteristische Merkmale des American Way of Life ebenso aufscheinen wie der Mythos vom Grenzland.«
krimi-couch.de
»Provokanter und raffinierter als alles, was sie zuvor geschrieben hat.«
vol.at
»Eine spannende Lektüre bis zum Schluss.«
SpotOnNews
»Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.«
Magazin-frankfurt.com
»Karin Slaughter gilt völlig zu Recht als eine der besten Krimi-Autoren der USA. Ihre Geschichten fesseln von Anfang bis Ende.«
IN
»Karin Slaughter zählt zu den talentiertesten und stärksten Spannungsautoren der Welt.«
Yrsa Sigurðardóttir
»Jeder neue Thriller von Karin Slaughter ist ein Anlass zum Feiern!«
Kathy Reichs
»Karin Slaughter bietet weit mehr als unterhaltsamen Thrill.«
SPIEGEL ONLINE über »Pretty Girls«
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1. KAPITEL
Ellie Sutherland starrte ihre Chefin aus weit aufgerissenen Augen an. „Ich bin ... gefeuert?“, stotterte sie.
Joan Wright hüstelte verlegen. „Nein, Ellie, das würde ich doch nie tun! Aber so, wie die Dinge liegen, bleibt mir gar keine andere Wahl, als dich Ende der Woche gehen zu lassen.“ Traurig fügte sie hinzu: „Bitte nimm es nicht persönlich.“
„Ich kann es nicht glauben!“ Ellie schüttelte den Kopf. Wie soll ich bloß die Miete bezahlen?, dachte sie in plötzlicher Panik.
„Es war doch nur eine Aushilfsstelle, Ellie.“
„Na prima!“ Ellie lachte bitter. „Ich verliere meinen Job, und weil er sowieso nichts taugte, soll ich darüber auch noch froh sein!“ Und die Kreditkarte, meine Lebensmittel ...
„Du weißt genau, was ich meine, Ellie. Du bist viel zu schade, um als Aushilfe in einem kleinen Kunstzentrum zu arbeiten, das sich mit öffentlichen Mitteln gerade so über Wasser hält. Aus deinem Talent kannst du mehr machen!“
„Ach ja? Ist das der Grund, warum mir die Galeristen nur so die Wohnungstür einrennen?“, gab Ellie sarkastisch zurück. Woher das Geld für Farben und Malutensilien nehmen? „Ich hatte gehofft, mir durch die Arbeit hier ein paar Kontakte verschaffen zu können.“
„Du bekommst ganz sicher deine Chance, warte es nur ab! Was man dafür braucht, ist Talent, Glück und Ausdauer. Du besitzt unglaublich viel Talent, und das andere kommt von selbst. Außerdem“, fügte sie mit einem aufmunternden Lächeln hinzu, „hast du ja mich. Ich werde alles tun, um dich von meiner Seite aus mit Aufträgen einzudecken.“
Ellie hob den Kopf und sah die Frau an, die in der kurzen Zeit ihrer Zusammenarbeit zu einer wirklichen Freundin geworden war. Ihr war deutlich anzusehen, wie sehr es sie bedrückte, Ellie kündigen zu müssen. „Das wäre lieb“, sagte sie und stand auf.
„Komm, ich lade dich zum Mittagessen ein“, bot Joan an und sah auf die Uhr.
Ellie schüttelte den Kopf. „Danke, Joan, aber ich nutze die Zeit lieber, um einen Blick in die Stellenangebote zu werfen.“ Sie nahm ihre Handtasche und die Zeitung von dem winzigen Schreibtisch, den sie einige Wochen lang ihr Eigen genannt hatte. Obwohl sie es sich nicht leisten konnte, hatte sie spontan den Entschluss gefasst, sich selbst zum Essen einzuladen. Die Sandwiches, die sie sich von zu Hause mitgebracht hatte, würde sie sich für den Abend aufheben. Sie wollte allein sein, und sie brauchte Zeit, um in Ruhe nachdenken zu können.
Einen halben Häuserblock die Straße hinunter lag die Imbissstube, in der sie manchmal mit Joan zusammen gegessen hatte. Der stattliche Mann in weißer Schürze, der ihre Bestellung entgegennahm, war einer der Gründe, warum sie gern hierherkam. Diesmal musterte er sie eindringlich, nachdem er ihre Bestellung aufgenommen hatte. „Sie sind schon einmal hier gewesen, nicht wahr?“, sagte er.
„Einige Male“, bestätigte Ellie. Ist dieser attraktive Mann etwa an mir interessiert?
„Darf ich Sie mal etwas Persönliches fragen?“, sagte er.
Ellie nickte nur zaghaft. Vielleicht endet der Tag doch noch mit einem Erfolg!
„Was für ein Parfum benutzen Sie?“
Nur mit Mühe unterdrückte Ellie ein triumphierendes Lächeln. „Es ist meine eigene Kreation“, erklärte sie voll
Stolz. „Ich habe monatelang ausprobiert, bis ich endlich die richtige Mischung gefunden hatte.“
Der Mann lächelte verlegen und kratzte sich am Kopf. „Mir ist gerade aufgefallen, dass ich jedes Mal Kopfschmerzen bekomme, wenn Sie hier sind, und ich dachte, es könnte vielleicht an Ihrem Parfum liegen.“
Ellie erstarrte. Dann sah sie sich vorsichtig um. Hatten die anderen Kunden seine Bemerkung gehört? Die Blondine hinter der Theke wich ihrem blick aus. Um ihren Mund zuckte es verdächtig.
Hastig bezahlte Ellie ihren Salat und die Cola und setzte sich an einen Tisch in der Nähe des Ausgangs. Wäre es doch nur schon morgen!, dachte sie deprimiert.
Die Tür wurde geöffnet. Ein Hauch warmer Mailuft wehte über ihren Tisch und ließ die Speisekarte zu Boden flattern. Ellie bückte sich, um sie aufzuheben. A1s sie sich wieder aufrichtete, sah sie nach oben.
Ihr Puls beschleunigte sich plötzlich, als sie das braungebrannte Profil des Neuankömmlings sah. Er reihte sich in die Schlange der wartenden Kunden ein und war damit beschäftigt, abwechselnd auf seine Uhr zu schauen und Termine in einem Notizkalender zu überprüfen. auffallend an ihm war noch sein teurer, graugrüner Anzug von italienischem Schnitt.
Warum müssen interessante Männer immer steinreich wirken und wie aus der Schale gepellt daherkommen? Gib mir einen gut aussehenden, normalen Mann, ausnahmsweise ohne Handy, und ich schenke ihm dafür einen Haufen ganz normaler, hübscher Babys. Aber wo sind denn all die guten Männer geblieben?
Ein plötzlicher Stoß warf das Cola-Glas auf ihrem Tisch um. Die eiskalte, klebrige Flüssigkeit ergoss sich über ihren Schoß und lief ihr die Beine hinunter. Ellie blieb vor Schreck die Luft weg. Sie hob nur hilflos die Arme und beobachtete, wie sich die braune Lache auf dem hellen Fußboden vergrößerte. Ihr weißer Leinenrock war hin. Zwei Monate lang habe ich mir das Geld dafür vom Mund abgespart!
Sie sprang auf und funkelte den ungehobelten Klotz von Mann, der ihren Rock, ihr Mittagessen und ihren ganzen Tag ruiniert hatte, wütend an.
Um einen Anruf auf seinem Handy in Ruhe beantworten zu können, hatte sich der Mann mit dem italienischen Anzug zwischen ihren und den Nachbartisch gezwängt und dabei ihr Glas umgestoßen. Er stand mit dem Rücken zu Ellie und hielt sich mit einem Finger das freie Ohr zu. Dieser Tölpel bemerkt nicht einmal, was er angerichtet hat – oder schlimmer noch, er schert sich einen Dreck darum!
„Mister!“, schrie Ellie und bohrte ihren Zeigefinger nicht gerade zaghaft in den breiten Rücken vor ihr.
Der Mann nahm das Handy vom Ohr und drehte sich zu ihr um, seine dunkelbraunen Augenbrauen fragend in die Höhe gezogen. Ellie stockte der Atem. Ein wahres Bild von einem Mann!, ging es ihr durch den Kopf. Hellbraunes Haar, mit grünen Augen, umrahmt von diesen wunderbar samtenen Wimpern und Brauen.
„Ja?“, fragte er verwundert.
Ellie öffnete den Mund, um zu antworten, doch im selben Augenblick piepte das Handy. Der Mann murmelte eine Entschuldigung und klappte das Mundstück herunter. „Hallo? Ah, Mr. Ivan. Ja, Sir, ich bin auf dem Weg ...“ Er warf einen Blick auf Ellie und zog in einer hilflosen Geste die Schultern hoch. Sie stand da, mit offenem Mund, die Arme in die Seiten gestemmt, und sah ihn zornig an.
Was für eine bodenlose Unverschämtheit! Die Gäste in der Schlange und an den Tischen hatten die Szene beobachtet. Einige grinsten verstohlen, andere schüttelten verständnislos den Kopf.
Mr. Maßanzug hat den falschen Tag erwischt, um sich mit Ellie Sutherland anzulegen! Sie ging um den Tisch herum, und mit einer blitzschnellen Bewegung riss sie ihm das Handy aus der Hand. „Mr. Ivan, Sir?“, gurrte sie in den Apparat, „im Augenblick ist er leider beschäftigt. Er ruft Sie zurück.“ Dann klappte sie das Mundstück zu.
„Was fällt Ihnen ein?“, fauchte der Mann. „Sind Sie denn noch bei Trost?“ Er wollte ihr das Handy entreißen, aber Ellie hielt es außer Reichweite.
„Geben Sie mir sofort mein Telefon zurück! Das war mein Boss“, knurrte er böse.
„Nein. Nicht bevor Sie meinen Schaden ersetzt haben“, entgegnete Ellie.
„Schaden?“, fragte er verdutzt. „Was für einen Schaden?“
Ellie deutete mit einer dramatischen Geste auf ihren Rock.
Sein Blick war ihrer Hand gefolgt. Jetzt hob er wieder den Kopf. „Was, das soll ich gewesen sein?“
„Ja, Sie! Dafür habe ich Zeugen.“ Sie wies auf die Gäste rund um ihren Tisch.
Verwirrt sah der Mann sich um. Dann seufzte er und langte in seine Jackentasche. Aus seiner Brieftasche fischte er eine Visitenkarte heraus und hielt sie Ellie hin. „Bitte schicken Sie mir die Rechnung für die Reinigung!“, sagte er.
Sie stieß seine Hand weg. „Mit einer Reinigung ist das nicht behoben, Mister. Cola-Flecken lassen sich aus weißem Leinen nicht entfernen. Tut mir leid, aber ich möchte den Rock ersetzt haben.“
Sein Blick wurde skeptisch. Dann atmete er tief durch und klappte seine Brieftasche auf. Sie war voll mit großen Banknoten. „Wie viel?“
Ellie starrte wie gebannt auf die Geldscheine. „Was machen Sie mit so viel Bargeld, Mister?“, rutschte es ihr so laut heraus, dass es bestimmt niemand im Lokal überhören konnte.
„Ist ja großartig!“, knurrte der Mann sie an. „Warum gehen Sie nicht zur Tür hinaus und schreien, so laut Sie können!“
Ellie schluckte. „Entschuldigung.“
„Wie viel?“, fragte er noch einmal.
„Lassen Sie mich nachdenken ...“ Ellie hob den Finger an den Mund. „Der Rock war brandneu, ich habe ihn erst einmal getragen .“
„Sind fünfzig genug?“ Er zog einen Schein heraus.
„Dann mein Essen und die Cola ...“
„Sechzig?“
„Und meine Strumpfhose ist auch total nass.“
Der Mann atmete tief durch. „Also gut. Achtzig, und wir sind quitt. Okay?“
„Okay.“ Sie nahm das Geld entgegen. „Danke.“
„Könnte ich jetzt vielleicht mein Handy zurückhaben?“
„Aber sicher.“ Mit einem großzügigen Lächeln reichte Ellie ihm das Handy.
Ungeduldig schnappte er sich das Telefon, sah Ellie noch einmal an, drehte sich dann wortlos um und ging zur Tür hinaus. Ellie sah durchs Fenster, dass er draußen noch im Gehen auf seinem Handy eine Nummer eingab.
„Grüße an den Chef!“, murmelte sie und zählte das Geld nach. Mit der Serviette tupfte sie den Tisch trocken und schlug dann die Zeitung auf, um sich die Stellenangebote anzusehen. Sofort stach ihr eine fettgedruckte Anzeige in die Augen: Gesucht: Alleinstehende Frauen jeden Alters ohne derzeitige intime Beziehung, die bereit sind, an einer vierwöchigen klinischen Studie teilzunehmen. Überdurchschnittliche Bezahlung bei minimalem Zeitaufwand. Kandidatinnen müssen bereit sein, täglich ein Protokoll zu führen.
Ellie zog die Brauen zusammen. Ohne derzeitige intime Beziehung ... Das war wie auf sie zugeschnitten! Sie war fünfundzwanzig und steckte in einer Sackgasse – sowohl
beruflich als auch in ihrem Privatleben!
Sie prüfte die angegebene Adresse, ob sich hinter der Anzeige vielleicht ein Täuschungsmanöver für leichtgläubige Leserinnen verbarg, aber sie fand dort nur den Namen einer angesehenen Klinik in Alpharetta, einem Bezirk im Nordteil von Atlanta.
Ein ziemlich weiter Weg mit dem Bus von meiner Wohnung in Little Five Points. Sie verzog das Gesicht. Doch dann holte sie einen Stift aus der Tasche und kreiste die Telefonnummer ein. Einen Versuch ist es wert!
Sie sah auf die Uhr. Es war höchste Zeit, zurück zur Arbeit zu gehen! Sie konnte ja von dort aus anrufen.
Der Rest des Tages verging angenehm schnell. Ihre Kollegen hatten gehört, dass sie bald gehen würde, und neben den üblichen Beileidsbezeugungen stapelten sie letzte, dringende Arbeit auf Ellies Schreibtisch. Irgendwie schaffte sie es, zwischen Fotokopieren, Ablage und der Erledigung der Post ihren Anruf zu tätigen und einige vage Auskünfte über den angebotenen Job zu erhalten.
Die Frau am anderen Ende der Leitung stellte ihr zunächst einige allgemeine Fragen, und Joan unterbrach sie zweimal, weil sie eingehende Telefonate weiterleiten musste.
„Entschuldigung ... ich bin wieder da. Wo waren wir?“
„Sind Sie heterosexuell, bisexuell oder homosexuell?“
„Hetero.“
„Haben Sie momentan mit irgendjemandem eine intime Beziehung?“
„Nein.“
„Wann hatten Sie zum letzten Mal eine Beziehung zu einem Mann?“
Ellie räusperte sich. „Vor ungefähr einem Jahr.“
„Wäre es möglich, präzisere Angaben darüber zu machen?“
„Oh ja!“ Ellie holte tief Luft. „Vierzehn Monate, fünf
Tage und ..Sie warf einen Blick auf die Uhr. „Und zwei Stunden.“
„Gut.“
„Nein, gut war es nicht“, gab Ellie verstimmt zurück.
„Das war nicht als Frage gemeint, Madam.“
„Verzeihung“, murmelte Ellie verlegen.
„Morgen Abend findet ein Informationstreffen in der Klinik statt.“ Die Frau nannte Uhrzeit und einen Betrag zur Kostenerstattung.
Beeindruckt zählte Ellie an den Fingern die Tage bis zum Monatsende ab, wenn ihre Miete fällig war. „Wann beginnt die Studie?“, erkundigte sie sich.
„Sobald wir genügend geeignete Kandidatinnen gefunden haben. Sie waren heute die geeignetste“, fügte sie hinzu.
„Wie schön für uns beide! Auf Wiederhören und vielen Dank“, verabschiedete sich Ellie und legte den Hörer auf.
Trotz dieses katastrophalen Tages besserte sich Ellies Laune mit jedem Schritt auf dem Nachhauseweg. Sicher, es war viel zu teuer, im Zentrum Atlantas zu wohnen. Und der Verkehr war ein wahrer Albtraum. Im Sommer war es hier manchmal unerträglich schwül, aber es lohnte sich, Teil dieser hochbrisanten Atmosphäre der Straßencafes, Musikanten, bunten Wandgemälde und exklusiven Läden zu sein. Leute zu beobachten gehörte zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, und die multikulturelle Mischung seiner Einwohner trug viel zum künstlerischen und lebenslustigen Charme von Little Five Points bei. In Atlanta zu leben war wundervoll. Alles, was Ellie jetzt noch brauchte, war Arbeit.
Sie fischte ihre Hausschlüssel aus der Tasche und wollte die Tür aufschließen, als sie eine Bewegung im Vorgarten wahrnahm.
„Esmeralda! Was machst du denn hier draußen?“, rief
sie überrascht aus.
Ihre Katze miaute zur Begrüßung, und Ellie bückte sich hastig, um sie hochzuheben. Sie schaute sich um. Ihr Vermieter würde sie bestimmt hinauswerfen, wenn er entdeckte, dass sie ein Haustier hielt.
„Ich bin wieder da!“, rief sie, als sie die Wohnung betrat, die sie mit Manny Oliver teilte. Sie konnte ihn in der Küche hantieren hören. Ellie setzte Esmeralda auf die Couch und ging in ihr Zimmer, um sich umzuziehen.
Manny war ein Juwel. Sie waren schon drei Jahre miteinander befreundet – durch seine Vermittlung hatte Ellie den Job im Kunstzentrum bekommen. Manny verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Travestieshows in verschiedenen Nachtclubs, wo er unter seinem Künstlernamen Molly auftrat. Ellie hatte ihn schon oft auf der Bühne erlebt, wenn er sang, tanzte und seine prächtigen Beine vorzeigte. Ihr Mitbewohner sah in Seidenstrümpfen und hohen Absätzen besser aus als sie, und als ob das nicht genügte, konnte der Mann auch noch vorzüglich kochen!
Nachdem sie sich etwas Bequemes angezogen hatte, gesellte sie sich zu Manny in der Küche. Er bereitete Gnocchi in einer würzigen Tomatensoße mit einer Beilage aus Broccoli und Schwarzwurzeln zu. Dazu gab es einen leichten Salat. Ellie erzählte ihm, was passiert war.
„Männer sind Wüstlinge“, lautete sein Kommentar, als sie ihm das Unglück in der Imbissstube geschildert hatte.
„Immerhin hat er mir achtzig Dollar gegeben“, meinte sie mit einem Grinsen.
„Wüstlingen mangelt es selten an Geld“, entgegnete er. „Und sonst? Sah er wenigstens gut aus?“
Ellie nickte. „Gut genug, um als Dressman arbeiten zu können.“
„Auch so angezogen?“
„Teuer und geschmackvoll.“
Manny zog sichtlich interessiert die Augenbrauen hoch.
„Schwul?“, fragte er.
Ellie hob die Achseln. „Das bezweifle ich, aber wer weiß das heutzutage schon.“
„Sag bitte nicht, dass du vergessen hast, ihn nach seinem Namen zu fragen!“
Sie machte eine bestürzte Miene. „Er bot mir zwar seine Visitenkarte an, aber ...“
Manny schüttelte den Kopf. „Wie oft muss ich es dir noch sagen, Ellie! Sich einen Kerl zu angeln ist vielleicht nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Dranbleiben, das zählt!“
Sie lachte. „Er war überhaupt nicht mein Typ, Manny! Viel zu selbstsicher und protzig. Außerdem wahrscheinlich so verklemmt, dass nicht einmal ein Zahnstocher in seinen .“
„Ellie!“
„Na ja, du weißt, was ich meine. Abgesehen von seinem Anzug erinnerte er mich ein bisschen an meinen Vater – nichts als Arbeit und die Firma im Kopf.“
„Menschen ändern sich. Zum Beispiel dein Vater – er sieht täglich mehr nackte Haut als ein Fleischbeschauer .“
Ellie lachte kurz auf. „Ja, wer hätte das gedacht! Mein Vater wählt seinen Altersruhesitz neben einer FKK-Kolonie. Was für ein Pech!“
„Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn deine Eltern es wirklich so anstößig fänden, hätten sie doch schon längst versucht, das Haus wieder zu verkaufen.“
Ellie verzog das Gesicht. „Ich will darüber erst gar nicht nachdenken. Es bringt Erinnerungen an meine Kindheit hoch, die alles andere als angenehm sind.“
„Tatsache ist, dass sich die Ansichten deines Vaters im Laufe der Jahre geändert haben.“
„Nach zwei Herzoperationen blieb ihm nichts anderes übrig. Meine Mutter hätte ihn schon vor langer Zeit verlassen sollen.“
„Aber im Grunde ist er doch ein guter Mensch! Das hast du selbst gesagt.“
„Er hat seine Familie total vernachlässigt.“
„Aber deine Mutter war doch immer für dich da, oder nicht?“
In Ellies Augen traten Tränen. „Und wer war für sie da?“, fragte sie.
Im Seminarraum herrschte großer Andrang. Der Raum war viel zu klein – vielleicht war das Interesse an dem angebotenen Job größer, als selbst die Klinik erwartet hatte. Eine riesige Tafel bedeckte eine ganze Wand, an den anderen Wänden befanden sich mehrere Pinnwände mit allerlei farbigen Aushängen.
Unauffällig sah Ellie sich um. Die Mehrzahl der versammelten Frauen schien aus eher ärmlichen Verhältnissen zu stammen, ein Eindruck, der Ellie ziemlich deprimierte im Hinblick auf ihre eigene Situation. Sie zog sich den weichen Hut tiefer ins Gesicht und ließ sich auf einen der harten Klappstühle sinken.
Immer bereit, ihre Umgebung auf Papier zu bannen, zog sie den Skizzenblock aus ihrer Handtasche heraus und blätterte darin. Sie stockte, als sie das Blatt mit der Karikatur aufschlug, die sie gestern Abend noch von dem fremden Mann in der Imbissstube angefertigt hatte. Besonderen Wert hatte sie auf seine Gesichtszüge und die dunklen Augenbrauen gelegt, und so war sein Kopf im Verhältnis zum Körper riesengroß geraten. In der Hand hielt er ein Handy, und seine athletische Figur war in einen viel zu engen Anzug gezwängt.
Ellie prüfte kritisch, ob sie den Gesichtsausdruck richtig getroffen hatte. Nicht ganz. Wenn sie nach Hause kam, musste sie daran denken, seine grünen Augen deutlicher hervorzuheben.
In diesem Augenblick kam eine Frau im weißen Arztkittel in den Raum und bahnte sich einen Weg zum Pult.
Sie hob die Hände und bat um Ruhe.
„Ich bin Dr. Cheryl Larkin, Ärztin und Professorin für Verhaltenspsychologie, und ich habe die Aufgabe, diese klinische Studie zu beaufsichtigen. Jede Einzelne von Ihnen wurde in einem Vorgespräch für geeignet befunden, an einem vierwöchigen Experiment teilzunehmen, das der Untersuchung von Pheromonen dient. Pheromone sind chemische Substanzen, die Tiere ausscheiden, um andere Tiere der gleichen Ai! anzuziehen.“
hellhörig geworden, richtete Ellie sich auf. Ihre eigenen Versuche mit der Herstellung von Parfums reichten in den Bereich der Aromatherapie, und der Gedanke, dass gewisse Duftstoffe eine sexuell stimulierende Wirkung haben könnten, hatte ihre Neugier geweckt. Es war anzunehmen, dass Pheromone noch viel stärker wirkten.
Die Ärztin fuhr fort: „Pheromone sind diskrete, doch sehr wirkungsvolle Sekretionen. Manche behaupten, dass sie die sogenannte Chemie ausmachen, die einen bestimmten Mann für eine bestimmte Frau anziehend macht und umgekehrt. Das Ziel unserer Studie ist herauszufinden, ob oral eingenommene Pheromone einen Einfluss darauf haben, wenn und ob Sie eine intime oder erotische Beziehung eingehen.“
Wieder sah Ellie sich um und bemerkte, dass Dr. Larkin die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der versammelten Frauen geweckt hatte. Hoffnung schimmerte in den Augen der Schüchternen, der Übergewichtigen, der zu Kleinen oder zu Großen. Sie schluckte heftig, denn sie wusste, dass auch in ihren himmelblauen Augen derselbe funke leuchtete.
„Teilnehmerinnen werden einen umfangreichen und sehr persönlichen Fragebogen ausfüllen sowie von Tag zu Tag ein Protokoll führen müssen, in dem sie die Begegnungen mit dem anderen Geschlecht oder dessen fehlen im Detail aufzählen. Die Dosierung des Wirkstoffes besteht aus je zwei Tabletten gleich nach dem Aufstehen, um die Mittagszeit und vor dem Zubettgehen. Außer den vorgenannten vermuteten Wirkungen sind uns sonstige Nebenwirkungen des Präparates nicht bekannt. Wir möchten Sie jedoch bitten, besonders auf körperliche Reaktionen wie Energieschübe beziehungsweise Schlappheit oder eine Veränderung der Schlafgewohnheiten zu achten und sie zu notieren.“
In der zweiten Reihe hob jemand die Hand. „angenommen, ich nehme diese Pillen und treffe einen netten Kerl. Heißt das, dass er nach vier Wochen abhaut und ich ihn nie wiedersehe?“ alle lachten, sogar die Ärztin stimmte in das Gelächter ein.
„Das ist es, was wir untersuchen wollen! Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir nicht einmal garantieren, dass Sie dadurch jemanden kennenlernen werden. Könnten wir das, wäre diese Studie nicht notwendig.“
Ellie nickte zustimmend. Das Ganze klang überzeugend und würde bestimmt Spaß machen. nachdem die Ärztin ihren Vortrag beendet hatte, blieb Ellie mit den anderen Teilnehmerinnen zurück und füllte die notwendigen Unterlagen aus. Dann unterzog sie sich einem Interview, in dessen Verlauf der persönliche Fragebogen ausgefüllt wurde und das eine Stunde dauerte.
Zwei Stunden später verließ sie die Klinik mit einem Wochenvorrat an Tabletten, dem Protokollformular und einem Gefühl, als sei sie zur Beichte gewesen. Doch sie bemerkte auch, dass in ihren Schritten neuer Schwung war. Sie glaubte an die geheimnisvollen Kräfte von Aromastoffen. Mit einem Ruck zog sie sich den Hut vom Kopf und schüttelte die blonden Locken.
Ihr ahnungslosen Männer von Atlanta, nehmt euch in Acht!
„Mein lieber Mark, wenn du schon nicht heiraten willst, dann wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben, als kochen zu lernen“, erklärte Gloria Blackwell und hielt ihrem Sohn den Schneebesen hin.
Lächelnd nahm Mark eine Olive vom Teller und steckte sie sich in den Mund. „Ich lade dich lieber zum Essen ein, Mama. Lass uns irgendwohin gehen.“
Die korpulente Dame wandte sich wieder ihrer Soße zu. „Mir ist schleierhaft, wie es passieren kann, dass bei all den Frauen, mit denen du ausgehst, keine den Weg an deinen Herd findet.“
„Weißt du, Mama“, Mark trat zu ihr und nahm ihr den Schneebesen aus der Hand, „ich suche mir meine Freundinnen eigentlich nicht wegen ihrer Kochkünste aus ...“ „Du Schlimmer!“, gab sie zurück und kniff ihn spielerisch in die Wange. „Wenn du nicht aufpasst, wirst du noch als alter Junggeselle enden.“
„Dann heuere ich eben eine hübsche, junge Hausdame an“, scherzte er. „Außerdem hättest du nichts mehr, worüber du dir Sorgen machen könntest, wenn ich verheiratet wäre.“
„Stimmt. Besonders, wenn ich endlich Enkel hätte“, konterte sie mit einem Lächeln.
Doch so leicht gab Mark sich nicht geschlagen. „Du bist doch noch viel zu jung, um Großmutter zu werden.“ „Und du bist viel zu jung, um dich in einer Anwaltskanzlei zu Tode zu schuften.“
Mark nahm zwei Teller und platzierte sie auf seinem Unterarm wie ein geübter Kellner. „Das ist auch der Grund meines Besuches“, sagte er. Er lud ihnen beiden eine tüchtige Portion Lasagne auf und goss reichlich Sahnesoße darüber. Nachdem er die Teller auf den Tisch gestellt hatte, richtete er sich in Siegerpose auf. „Du kannst mir jetzt gratulieren, Mama. Vor dir steht der neue Partner von Ivan, Grant & Beecham ... und Blackwell.“ Er verbeugte sich galant vor seiner Mutter, die am Tisch Platz genommen hatte.
Sie klatschte begeistert in die Hände. „Oh, wie wunderbar, Mark!“ Er beugte sich zu ihr hinunter, und sie küsste ihn herzlich. „Ich bin ja so stolz auf dich. Wenn nur dein Vater das noch erlebt hätte!“ Tränen traten ihr in die Augen, aber sie blinzelte sie schnell weg.
Mark schluckte. Er wusste, wie stolz sein Vater auf ihn gewesen wäre, auch wenn Mark mit dem Eintritt in die Sozietät einen Teil „seiner Identität aufgegeben hatte“, wie sein idealistisch angehauchter Vater gern zu sagen pflegte. Er hatte sein Leben lang auf der Verliererseite gestanden, und vor drei Jahren war er überfahren worden, als er einem liegengebliebenen Autofahrer helfen wollte.
„Ja, ich wünschte, er wäre hier“, sagte Mark. Dann lächelte er seiner Mutter zu. „Und jetzt lass uns essen.“ Später, auf der Fahrt nach Hause, überfiel Mark ein Anflug von Schuldgefühl. Er wusste, wie sehr seine Mutter sich wünschte, dass er ein liebes, anständiges Mädchen finden würde, doch er zog sein freies Leben als Single vor. Während des Studiums hatte er sein Privatleben fast völlig geopfert, und auch die ersten Jahre in der Kanzlei hatten viel Arbeit bedeutet, um im Beruf als Anwalt fuß zu fassen. Jetzt, mit sechsunddreißig und am beginn einer gesicherten Karriere, genoss er sein Junggesellendasein. Das Leben machte Spaß.
fast wäre er auf dem Highway an der ausfahrt vorbeigefahren, die ins Zentrum und zu seinem Büto führte. Doch im letzten Moment bog er dann doch ab. Nur ein paar Minuten, um einige Unterlagen einzusehen, sagte er sich.
In der Kanzlei angekommen, ging er über den mit glänzendem Parkett ausgelegten Korridor zu seinem büro. Man hatte die Wand zu einem Nebenraum entfernt, um es zu vergrößern, und hatte Mark gebeten, zusätzliche Möbel auszusuchen, um es einzurichten. Er war zufrieden mit seiner Wahl edler Hölzer, Marmor und Glas.
Das Piedmont-Park-Gemälde hatte einen Ehrenplatz hinter seinem Schreibtisch erhalten. Es war sein Lieblingsgemälde in der Kanzlei, und er hatte den Wunsch geäußert, es in seinem Büro aufhängen zu dürfen. Mark schaltete die Stehlampe neben dem Schreibtisch an und ließ sich in seinen bequemen Ledersessel fallen.
Vor ihm häuften sich Glückwunschschreiben, die zuoberst auf dem Stoß Akten lagen. Eine Kiste teurer Zigarren und ein exklusiver Füllfederhalter waren beweise der Wertschätzung der anderen Partner der Sozietät.
Partner! Mark Blackwell lächelte zufrieden. Er hatte alles erreicht, worauf er so hart hingearbeitet hatte. Niemals würde er sich abstrampeln müssen wie sein Vater, nur um für das nötigste sorgen zu können. Er verschränkte die Hände im Nacken und lehnte sich zurück. Wozu brauche ich eine Frau an meiner Seite?, dachte er. Ich bin bisher ganz gut alleine zurechtgekommen!