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Tiffany Sexy Christmas Band 4
Erscheinungstag: | Fr, 29.10.2010 |
Bandnummer: | 0004 |
Seitenanzahl: | 85 |
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Top-titel
Die gute Tochter
"Lauf!", fleht ihre große Schwester Samantha. Mit vorgehaltener Waffe treiben zwei maskierte Männer Charlotte und sie an den Waldrand. "Lauf weg!" Und Charlie läuft. An diesem Tag. Und danach ihr ganzes Leben. Sie ist getrieben von den Erinnerungen an jene grauenvolle Attacke in ihrer Kindheit. Die blutigen Knochen ihrer erschossenen Mutter. Die Todesangst ihrer Schwester. Das Keuchen ihres Verfolgers.
Als Töchter eines berüchtigten Anwalts waren sie stets die Verstoßenen, die Gehetzten. 28 Jahre später ist Charlie selbst erfolgreiche Anwältin. Als sie Zeugin einer weiteren brutalen Bluttat wird, holt ihre Geschichte sie ganz ungeahnt ein.
"Die gute Tochter" ist ein Meisterwerk psychologischer Spannung. Nie ist es Karin Slaughter besser gelungen, ihren Figuren bis tief in die Seele zu schauen und jede Einzelne mit Schuld und Leid gleichermaßen zu belegen.
"Die dunkle Vergangenheit ist stets gegenwärtig in diesem äußerst schaurigen Thriller. Mit Feingefühl und Geschick fesselt Karin Slaughter ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite."
Camilla Läckberg
"Eine großartige Autorin auf dem Zenit ihres Schaffens. Karin Slaughter zeigt auf nervenzerfetzende, atemberaubende und fesselnde Weise, was sie kann."
Peter James
"Karin Slaughter ist die gefeiertste Autorin von Spannungsunterhaltung. Aber Die gute Tochter ist ihr ambitioniertester, ihr emotionalster - ihr bester Roman. Zumindest bis heute."
James Patterson
"Es ist einfach das beste Buch, das man dieses Jahr lesen kann. Ehrlich, kraftvoll und wahnsinnig packend - und trotzdem mit einer Sanftheit und Empathie verfasst, die einem das Herz bricht."
Kathryn Stockett
„Die Brutalität wird durch ihre plastische Darstellung körperlich spürbar, das Leiden überträgt sich auf den Leser.“
(Hamburger Abendblatt)
„Aber es sind nicht nur die sichtbaren Vorgänge und Handlungen von guten oder schlechten Individuen, die die (…) Autorin penibel genau beschreibt. Es sind vor allem die inneren, die seelischen Abläufe, die überzeugen.“
(SHZ)
„Das alles schildert Slaughter mit unglaublicher Wucht und einem Einfühlungsvermögen, das jedem Psychotherapeuten zu wünschen wäre.“
(SVZ)
„Die aktuelle Geschichte um die Quinns ist eine Südstaaten-Saga der besonderen Art, von der ihr nicht weniger erfolgreiche Kollege James Patterson sagt, sie sei ‚ihr ambitioniertester, ihr emotionalster, ihr bester Roman. Zumindest bis heute‘.“
(Focus Online)
„Die Autorin hat hier ein ausgezeichnetes Buch vorgelegt, dass mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat.“
(Krimi-Couch.de)
„Es gibt Bücher, bei denen man das Atmen vergisst. Die Romane der amerikanischen Schriftstellerin gehören dazu. So auch dieser Pageturner. (…) Karin Slaughter versteht es meisterhaft, glaubwürdige Charaktere zu erschaffen und ihre Leser fortwährend zu überraschen.“
(Lebensart)
„Atmosphärisch dichter Thriller über die sozialen Gespinste einer Kleinstadt, psychologisch sehr stimmig, mit vielen Schichten und Überraschungen.“
(Bayrischer Rundfunk)
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PROLOG
Die Moralpredigt kann losgehen, dachte Damon Claus und nahm gelassen noch einen Zug von seiner Zigarette. Wieder ein Jahr um, wieder Weihnachten, wieder die alte Leier. Er blies ein paar blaue Rauchwölkchen in die Luft und lächelte, als sie sich auf magische Weise in hübsche Brüste verwandelten.
„Hör auf damit“, ermahnte ihn sein Bruder, der im Sessel am flackernden Kaminfeuer saß. „Die Zwerge könnten es sehen.“
Zum Teufel mit den ewig nur Gutes tuenden kleinen Kerlen in Grün, fluchte Damon im Stillen. Er hatte sie schon immer gehasst. Es war für ihn schon schlimm genug, der Bruder der berühmtesten Symbolfigur der ganzen Menschheit zu sein – des großartigen Santa Claus –, aber ständig die Zwerge und ihr „Engagement für die Sache“ vorgehalten zu bekommen, sorgte bei Damon für Groll. Er lehnte sich an den Kaminsims und begann, ohne sich etwas dabei zu denken, die Nussknacker in anstößigen Positionen anzuordnen.
Leise grummelnd stellte Santa seinen heißen Kakao beiseite und erhob sich schwerfällig aus dem weichen Sessel. „Oh, Liebe unterm Mistelzweig“, murmelte er. Er entwirrte die kleinen Figuren und stellte sie wieder aufrecht hin. „Damon, das geht nun schon lange genug so. Du bist ein Claus wie ich – du wirst anfangen müssen, dich entsprechend zu benehmen. Steig mit ins Geschäft ein“, bat er seinen Bruder eindringlich wohl zum hundertsten Mal. „Ich übertrage dir die Verantwortung für die Ställe. Du konntest schon immer gut mit Tieren.“
Damon schnaubte verächtlich. Ein Stallbursche? Eine Scheinaufgabe, nur um ihn ruhigzustellen? Er dachte nicht daran. „Sorry“, erwiderte er. „Kein Interesse.“
Santas normalerweise heitere Miene wurde ernst. „Das habe ich befürchtet. Dich scheint einzig und allein zu interessieren, dich über die Familientradition hinwegzusetzen und in unserer Hauptsaison Unheil zu stiften. Dank der zunehmenden Vermarktung der Feiertage herrscht ja in der Zwischenzeit fast überall Weihnachtsstimmung, aber dir macht es offensichtlich nur Spaß, neue Wege zu finden, die Menschen unglücklich zu machen, den Schmuck vom Christbaum am Times Square abzureißen, die Weihnachtsparade zu sprengen …“
Damon grinste. Das waren einige seiner Meisterstücke gewesen.
„Ganz zu schweigen davon, wie du in meine Rolle geschlüpft bist und im gröten Spielwarenladen von New York Kondome verteilt hast.“
„Ich habe lediglich für Safer Sex geworben“, verteidigte sich Damon mit Unschuldsmiene. Aus den Augenwinkeln sah er die Liste auf dem Schreibtisch seines Bruders, und schon formte sich in seinem Kopf ein neuer Plan. „Was war daran schlecht?“
Statt darauf zu antworten, schaute Santa nur himmelwärts, als ob er Geduld aus einer göttlichen Quelle erflehte. „Ich bitte dich als dein Bruder, nicht als Santa Claus: Bitte, bitte, bitte lass dieses Jahr deine üblichen Possen. Nach neuesten Umfragen betrachten immer mehr Erwachsene Weihnachten eher als eine Last denn als Freude, und die Anzahl der Kinder, die nicht mehr an mich glauben, ist deprimierend hoch.“ Santa seufzte, wobei sein riesiger Bauch den Gürtel seines Morgenmantels zu sprengen drohte, und nahm einen Keks vom Teller. „Ich bin jetzt mehr denn je darauf angewiesen, dass du dich benimmst.“
Mich benehmen, dachte Damon bitter. Nicht richtig mitmachen, nicht ernsthaft helfen. Nur benehmen. So war es schon immer gewesen. Als erstgeborener Sohn hatte Santa die Position des Oberhaupts der Weihnachtsfamilie – die Geschäftsleitung, wenn man so wollte – geerbt. In Damon hingegen hatte man immer nur das schwarze Schaf gesehen. Als Kind hatte er sich schlecht benommen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Später war er auf Dauer in die Rolle des Unruhestifters geschlüpft.
Insgeheim musste er zugeben, dass ihm sein Part gefiel.
Er schlenderte zum Christbaum und ließ die Liste im Vorbeigehen unauffällig unter seinem Mantel verschwinden, während er so tat, als ob er den neuesten Baumbehang, eine kleine Schneekugel mit einer malerischen Weihnachtsszene, bewunderte.
„Was meinst du dazu, Damon? Kannst du das? Kannst du gut sein?“
Sicher, dachte Damon. Besonders gut war er darin, schlecht zu sein.
1. KAPITEL
Verdammt, sie ist immer noch heiß. Riley Kinnard sah aus dem Fenster des Kleinbusses, der ihn vom Tucson International Airport zu dem Haus gefahren hatte, in dem er die ersten achtzehn Jahre seines Lebens verbracht hatte. Auf der anderen Straßenseite war seine Freundin Hayden, mit der er während der Highschoolzeit zusammen gewesen war, damit beschäftigt, den Vorgarten weihnachtlich herzurichten. Vor Kurzem hatte sie ihren Eltern das Haus abgekauft und wollte jetzt offensichtlich genauso darin leben, wie sie es getan hatten. Wenn Riley gehofft hatte, sich über seine Gefühle klar zu werden, bevor er Hayden Manchester begegnete, hatte er sich also getäuscht.
Einfach ins Haus zu gehen, ohne sie zu begrüßen, wäre unhöflich und darüber hinaus feige gewesen. Hayden wusste, dass er kam, und hatte den Shuttlebus wahrscheinlich gehört, auch wenn sie ungerührt fortfuhr, den Hammer zu schwingen. Als er ausstieg und zum Heck des Busses ging, wo sein Koffer verstaut war, fielen ihm die Worte seiner Mutter ein: Es ist schade, dass wir ausgerechnet jetzt, wo du zu Vorstellungsgesprächen kommst, die Kreuzfahrt machen. Aber wenn du tatsächlich wieder hierher ziehst, ist es ja nicht so schlimm. Wir werden Hayden sagen, dass sie sich nicht um die Post zu kümmern braucht. Und falls du dich aus Versehen aussperren solltest, denk daran, dass sie einen Schlüssel hat.
Die Manchesters und die Kinnards hatten für den Notfall schon vor fünfunddreißig Jahren Haustürschlüssel ausgetauscht. Als Kind war Riley dafür bekannt gewesen, sich ständig selbst auszuschließen. Hayden nicht. Sie machte alles richtig. Soweit Riley es beurteilen konnte, war sie immer perfekt gewesen.
Sie war es heute noch. Ihr brauner Pferdeschwanz glänzte in der Nachmittagssonne, als sie mit ihrem gebräunten Arm zum nächsten Hammerschlag ausholte. Damals war sie, groß und sportlich, ein Ass im Basketball gewesen, eine hervorragende Schülerin – und seine erste Liebe. Weil sie sich beim Arbeiten vorbeugen musste, kam ihr Po in der engen Capri-Jeans besonders gut zur Geltung. Wie früher löste der Anblick eine Welle des Verlangens in Riley aus.
Die Neuigkeit, dass Hayden Los Angeles verlassen und das Haus ihrer Eltern, die in den Staat Washington gezogen waren, gekauft hatte, hatte ihn zunächst nicht sehr berührt. Die Sache mit Hayden und ihm war Geschichte. Doch die Geschichte sah viel besser aus, als er sie in Erinnerung hatte.
Der Chauffeur hievte Rileys Koffer aus dem Bus und stellte ihn auf den Asphalt. Riley war so beschäftigt damit, Hayden zu beobachten, dass er den Mann beinahe ohne Trinkgeld hätte gehen lassen. In letzter Minute holte er seine Brieftasche hervor und gab ihm fünf Dollar. Kurz danach fuhr der Shuttlebus ab.
Als ob sie nur darauf gewartet hatte, versetzte Hayden dem Sperrholz einen letzten Schlag. Dann richtete sie sich auf und drehte sich zu Riley um. Sie ließ den Hammer von der rechten Hand baumeln und rückte ihre Designersonnenbrille mit der linken zurecht. „Was ist? Hast du Chicago satt?“
Kein Gruß, keine höflichen Floskeln. Offenbar war sie auch nach zehn Jahren noch immer wütend auf ihn. Ja, sie hatte ihn dabei erwischt, wie er Lisa Trenton am Abend ihrer Schulabschlussfeier geküsst hatte. Er war angetrunken gewesen und sehr dumm, doch als er versucht hatte, Hayden alles zu erklären, hatte sie sich völlig unversöhnlich gezeigt.
Riley hatte angenommen, dass die Wunde längst verheilt war. Vielleicht war das ein Irrtum gewesen. Er schob seine Ray-Ban-Sonnenbrille an seinem Nasenrücken hoch. „Chicago ist toll, aber die Winter dort sind es nicht.“
„Hätte ich dir gleich sagen können.“ Langsam schwang sie den Hammer hin und her.
Er lachte. Nichts hatte sich geändert. Hayden wusste immer noch alles besser. „Im Job habe ich großartige Erfahrungen sammeln können. Doch nach fünf Wintern mit Eis und Schnee habe ich genug von der Stadt. Da wir gerade beim Thema Umzug sind: Was macht eine Frau, die in Hollywood für das Szenenbild verantwortlich ist, zu Hause in Tucson?“ Er musste sich sehr beherrschen, um nicht auf ihre Brüste zu starren.
Sie hatte einen Werkzeuggürtel um ihre Taille geschnürt, sodass das schwarze Tanktop über ihren Brüsten spannte. Das Shirt warb für den Film „Transformers“, und wohl noch nie hatten technische Monster so verführerisch gewirkt. Haydens Brüste waren die ersten gewesen, die er je berührt hatte. Sie so provozierend in dem engen Top präsentiert zu sehen katapultierte ihn zurück in seine hormongesteuerten Teenagerjahre.
„Ich bin beruflich sowieso viel unterwegs. Da habe ich mir überlegt, dass ich auch ebenso gut hier wohnen kann. Mein Dad hat einen tollen Job in Washington bekommen, deshalb sind meine Eltern umgezogen.“ Sie zuckte mit den Schultern, wodurch sich ihre Brüste aufreizend bewegten. „Ich wollte nicht, dass Fremde im Zuhause meiner Kindheit wohnen.“
Riley fand sie einfach wundervoll. Mit ihren hohen Wangenknochen und dem ausdrucksvollen Mund hätte sie auch als Model Karriere machen können.
Wie magisch von ihr angezogen kam er näher. „Ja, es wäre seltsam, keine Manchesters mehr als Nachbarn zu haben.“ Sie hatte demnach immer noch eine sentimentale Ader. Er fragte sich, ob sie auch sentimentale Erinnerungen an ihre Jugendliebe hatte. Eher unwahrscheinlich, dachte er. Schließlich hatte ihre Beziehung böse geendet: Hayden hatte ihn einen treulosen Bastard genannt und er sie eine kaltherzige Ziege.
Er wünschte, sie würde die Sonnenbrille abnehmen. Früher hatte er immer gut in ihren großen braunen Augen lesen können. Beim Sex hatten sie eindeutig vor Glück geleuchtet. Doch als er zum letzten Mal in sie geschaut hatte – war es wirklich zehn Jahre her? – hatte er in ihrem Blick nichts gesehen außer flammenden Zorn.
Nun, er würde diesen Vorfall gewiss nicht erwähnen. Hayden war damals fest von seiner Schuld überzeugt gewesen, und die Jahre schienen sie kein bisschen versöhnlicher gestimmt zu haben. Er aber hatte es nicht nötig, sich an eine Frau zu hängen, die andere so schnell verurteilte. Ihre Unerbittlichkeit hatte ihn tief getroffen.
Riley verdrängte seine Gefühle und deutete auf das, was Hayden aufbaute. „Wie ich sehe, hältst du an der Tradition fest.“
„Nun, ja.“ Sie schaute auf ihr halb fertiges Werk. „Mom und Dad kommen Heiligabend zu Besuch, und ich brachte es nicht über mich, den Vorgarten nicht zu schmücken, auch wenn deine Eltern nicht mehr mitmachen.“
„Sie haben mir schon erzählt, dass sie dieses Jahr nicht viel aufgestellt haben.“ Riley war so beschäftigt mit Hayden gewesen, dass er das Haus seiner Eltern noch nicht einmal beachtet hatte. Nachdem Hayden ihn nun darauf aufmerksam gemacht hatte, musste er zugeben, dass die drei beleuchteten Drahtbäume auf dem Rasen ziemlich verloren wirkten.
Nicht viele Grundstücke in Tucson hatten Rasen, da die meisten Eigentümer Kakteen und Kies bevorzugten. Kein Wunder, schließlich lag Tucson in der Wüste, und es war das ganze Jahr über heiß. Die Manchesters und die Kinnards jedoch hatten Grünflächen angelegt, weil sie die ideale Grundlage für ihre aufwendigen Weihnachtsdekorationen waren.
Früher war der Wettstreit zwischen den beiden Familien um die ausgefallenste Installation zu den Feiertagen legendär gewesen. In Rileys und Haydens letztem Schuljahr hatten die Manchesters lebende Tiere für die Krippenszene importiert. Die Kinnards hatten reagiert, indem sie die Jungs vom Footballteam, einschließlich Riley, dazu gebracht hatten, sich als Zinnsoldaten zu kostümieren und zu den Klängen der Nussknacker-Suite im Garten zu marschieren. Stoßstange an Stoßstange hatten die Autos Schaulustiger in dem Jahr in der Straße geparkt, und sogar in den regionalen Abendnachrichten war über den Konkurrenzkampf berichtet worden.
Riley begutachtete, was Hayden bis jetzt errichtet hatte. „Ist das ein Farmhaus?“
„Genau. Diesmal wird es eine Retro. Weihnachten im Wilden Westen.“
„Gute Idee. Dürfte nicht allzu schwer sein.“
Trotzig hob sie das Kinn. „Das kommt darauf an, wie es gemacht wird.“
Er nahm den Fehdehandschuh, den sie ihm hinwarf, nicht auf. Diese Woche hatte er einige Vorstellungsgespräche zu führen, die ihm sehr wichtig waren, weil er unbedingt ins sonnige Tucson zurückkehren wollte. Außerdem schienen seine Eltern glücklich mit den Drahtbäumen zu sein, die nach Einbruch der Dunkelheit sicher auch bedeutend schöner aussehen würden.
Er lächelte gelassen. „Wie ich dich kenne, wird es perfekt werden.“ Möglich, dass ein Hauch von Sarkasmus in der Bemerkung mitschwang. Alte Angewohnheiten ließen sich schwer ablegen.
„Darauf kannst du Gift nehmen.“
Auf der anderen Straßenseite heulte ein V8-Motor auf. Riley drehte sich um und sah, dass sein Koffer seinem Nachbarn im Weg stand, der mit seinem liebevoll restaurierten roten Mustang rückwärts aus der Einfahrt setzte. David Faulkner liebte den Wagen leidenschaftlich, doch er war der schlechteste Fahrer in der Geschichte des Automobils. Unzählige Male hatte er den Mustang schon fast zu Schrott gefahren. Einmal hatte er beim Zurücksetzen sogar einen Müllwagen übersehen. Die Chance, dass er den Koffer bemerkte, war demnach gleich null.
„Entschuldige.“ Riley rannte über die Straße und riss den Koffer gerade noch rechtzeitig beiseite.
David trat hart auf die Bremse. „Riley Kinnard! Deine Mutter hat erzählt, dass du diese Woche hier bist. Willkommen zu Hause!“
„Danke, Mr. Faulkner.“ Riley stellte fest, dass die Schläfen seines Nachbarn leicht ergraut waren und sich ein paar Lachfältchen mehr um die blauen Augen eingegraben hatten, doch ansonsten sah er noch genauso aus wie früher: freundliches Lächeln, Nickelbrille, hagere Gestalt. Er und seine Frau lehrten beide an der Universität.
„Hey, Riley. Ich bin nur fünfzehn Jahre älter als du. Nenn mich ruhig David, damit ich mich nicht wie ein Relikt aus der Steinzeit fühle.“
„Okay, natürlich.“ Riley fragte sich allerdings, ob er das wirklich könnte. Die Faulkners waren frisch verheiratet nebenan eingezogen, als er gerade sieben Jahre alt gewesen war. Selbst kinderlos, hatten sie die Sprösslinge der Nachbarschaft verwöhnt. Rileys Eltern hatten ihm beigebracht, alle Erwachsenen mit Nachnamen anzureden, und das schloss die Faulkners mit ein.
„Pass auf, deine Mutter hat dir bestimmt reichlich zu essen in den Kühlschrank gestellt“, meinte David, „aber Marlena und ich würden dich gern zu uns einladen.“
„Danke.“ Riley hatte insgeheim sogar auf eine Einladung gehofft. Wenn sich nichts geändert hatte, dann deckten die Faulkners den Tisch üppig. Und Davids Bierbrot war sensationell.
David lehnte sich aus dem Autofenster. „Du solltest auch kommen!“, rief er Hayden zu. „Marlena will noch viel mehr über all die Stars wissen, die du kennst. Wie wäre es heute Abend?“
Hayden zögerte lange genug, um Riley ahnen zu lassen, dass sie lieber eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt erdulden würde, als einen Abend mit ihm zu verbringen. Ihr Groll gegen ihn saß anscheinend sehr tief. Warum auch nicht? Schließlich war es bei ihm nicht anders. Sie hatte ihm das Herz gebrochen, was besonders schwer wog, wenn man achtzehn und zum allerersten Mal verliebt war. Oder verrückt vor Lust. Sie hatten viel Sex gehabt, und bei tollem Sex konnte es passieren, dass die Grenze zwischen Liebe und Lust verwischte – vor allem, wenn man achtzehn war.
„Ich hatte eigentlich andere Pläne“, antwortete Hayden ausweichend.
David lächelte ihr zu. „Ich habe ein Stück Käsekuchen, da steht dein Name drauf.“
Hayden erwiderte sein Lächeln. „Du weißt, dass ich deinem Käsekuchen nicht widerstehen kann. Ich werde meine Verabredung absagen. Was kann ich mitbringen?“
„Schlüpfrige Geschichten über Promis. Ein Abend mit dir ist spannender als eine Ausgabe vom ‚Enquirer‘.“
Erst nachdem Hayden zugestimmt hatte zu kommen, merkte Riley, wie sehr er sich wünschte, dass aus dem Treffen etwas wurde. Er versuchte sich einzureden, dass es eine rein nostalgische Anwandlung war. Da seine Schwester Ginny acht Jahre älter war als er, hatte er schon in seiner frühen Kindheit viel Zeit mit der gleichaltrigen Hayden, die keine Geschwister hatte, verbracht. Sie hatten draußen herumliegenden Kram gesammelt, um damit Festungen in der Wüste zu bauen, woraus im Laufe der Zeit ganze Siedlungsprojekte geworden waren.
Diese Spielerei hatte ihn später dazu inspiriert, Architekt zu werden. Er überlegte, ob Hayden dadurch auf die Idee gekommen war, Filmschauplätze zu gestalten. Er hatte sie nie danach gefragt, aber es interessierte ihn. Vielleicht hatten sie bei den Faulkners, an einem neutralen Ort, Gelegenheit, sich zu unterhalten, ohne einander anzufauchen oder schmerzliche Erinnerungen auszugraben.
„Sagen wir um sechs.“ David nickte ihnen beiden zu, bevor er in die Straße einbog und mit quietschenden Reifen davonfuhr.
Riley schüttelte den Kopf. Selbst als Teenager war er nie so gerast. Doch in gewisser Weise war es tröstlich, nach Hause zu kommen und zu entdecken, dass David Faulkner immer noch wie ein Verrückter fuhr und Hayden Manchester entschlossen war, den Vorgarten ihrer Eltern weihnachtlich zu dekorieren. Wenn er einen Funken Gemeinschaftssinn hätte, würde er … Nein. Das war verrückt. Nur weil er schon ein Bild der Skyline von Chicago im Kopf hatte, mit Santa Claus, der in seinem Schlitten darüberflog, hieß das nicht, dass er tätig werden musste.
Verdammt, er ist immer noch heiß: heißer als Glühwein, süßer als ein Zimtstern. Hayden winkte Riley kurz zu und widmete sich wieder ihrer Bastelei, als wäre das Wiedersehen mit ihm nur eine unbedeutende Unterbrechung ihres Tagesablaufs gewesen. Dabei war sie innerlich völlig aufgewühlt. Wenn sie die vage Hoffnung gehabt hatte, dass er eine Glatze oder einen Bauch bekommen hatte, war diese Hoffnung in dem Moment zerplatzt, als er aus dem Kleinbus gestiegen war.
Ihn von Weitem zu mustern, während sie so getan hatte, als wäre sie in ihre Arbeit vertieft, war nicht leicht gewesen, doch in Hollywood entwickelte man solche Fähigkeiten. Überall in L. A. liefen Prominente herum, aber niemand wollte dabei ertappt werden, wie er sie anstarrte. Hayden hatte die Kunst des heimlichen Beobachtens perfektioniert.
Sie hatte deshalb durchaus wahrgenommen, wie umwerfend Riley aussah, in Jeans und schwarzer Lederjacke, das Oberhemd am Kragen offen. Mit den breiten Schultern und schmalen Hüften wirkte er fast wie ein Footballstar. Sein Haar war dunkel und voll, so wie damals, als sie es geliebt hatte, beim Sex mit den Fingern in seinem dichten Schopf zu wühlen. Obwohl Riley eben seine Sonnenbrille aufbehalten hatte, konnte sie sich auch noch gut an seine smaragdgrünen Augen erinnern.
Augen voller Lügen, wie sich herausgestellt hatte. Sie war sich seiner so sicher gewesen, bis sie ihn dabei erwischt hatte, wie er Lisa Trenton geküsst und auch noch befummelt hatte. Hayden hatte ihren Schmerz hinter einer Mauer aus Wut versteckt. Wie hatte er ihr das nur antun können? Sie hatte mit ihm ihre Jungfräulichkeit verloren und sich ihm bei all den späteren leidenschaftlichen Treffen hinten auf seinem Pick-up mit Leib und Seele hingegeben.
Sie errötete bei dem Gedanken an all die Dinge, die sie ihm unter dem sternenklaren Wüstenhimmel erlaubt hatte. In einem Antiquariat hatte er eine Ausgabe von „The Joy of Sex“ gefunden und Hayden dazu verführt, alle möglichen Stellungen auszuprobieren. Ja, sie hatte jede Minute des Experimentierens genossen und bald selbst auf der Suche nach neuen Ideen in dem Buch geblättert.
Sie hatten eine weitere Nacht voller Lust und Spaß geplant, wollten sich jedoch vorher kurz auf ein paar Abschlussfeiern sehen lassen. Leider war es auf einer dieser Partys zu dem Eklat mit Lisa gekommen. Hayden war so verletzt gewesen, dass sie zunächst kaum hatte sprechen können. Aber dann hatte sie Riley ihren Standpunkt klargemacht: Sie und er, das war Geschichte. Aus. Vorbei.
Er hatte noch versucht, sich damit herauszureden, dass Lisa angefangen hatte. Doch der Anblick, wie er seinen Mund, mit dem er zuvor sie, Hayden, am ganzen Körper verwöhnt hatte, hart auf Lisas Lippen gepresst und gleichzeitig auch noch seine Hand an eine Stelle gelegt hatte, wo sie nichts verloren hatte … Das war zutiefst demütigend gewesen. Hayden war lange nicht darüber hinweggekommen, und sie fröstelte noch heute, wenn sie nur daran dachte.
Nicht, dass sie Riley zehn Jahre lang nachgetrauert hätte. In Hollywood gab es genügend gut aussehende Männer, und sie hatte ihren Spaß gehabt. Aber egal, wie heiß der Sex auch sein mochte, es hatte sich nie wieder so richtig angefühlt wie mit Riley. Sie hatte festgestellt, dass eine Frau sich nicht einreden konnte, verliebt zu sein, und dabei hatte sie sich wirklich bemüht.
Manchmal fragte sie sich, ob Rileys Betrug sie so stark geprägt hatte, dass sie nicht mehr zu wahrer Liebe fähig war. Dann wieder lächelte sie über den viel zu melodramatischen Gedanken. Schließlich waren sie noch halbe Kinder gewesen. Es konnte nicht so viel bedeuten. Doch Riley heute wiederzusehen hatte ihr sehr viel bedeutet. Auch wenn sie es hasste, das zuzugeben.
Rachsüchtig holte sie mit dem Hammer aus und schlug sich prompt so hart auf den Daumen, dass sogar ein wenig Blut hervortrat. Hayden ärgerte sich, dass sie keine Arbeitshandschuhe angezogen hatte, und ging fluchend ins Haus, um sich ein Pflaster zu holen. Sie trug nur deshalb keine Handschuhe, weil sie hässlich waren, und sie hatte bei Rileys Ankunft gut aussehen wollen. Der Werkzeuggürtel war schon unvorteilhaft genug, aber darauf hatte sie nicht verzichten können.
Es hätte ihr gleichgültig sein sollen, ob sie hübsch aussah oder nicht. Was machte es schon, dass Riley Vorstellungsgespräche in Tucson führen wollte und vielleicht in seine Heimatstadt zurückkehren würde? Er war nicht an ihr interessiert, so viel war sicher. Wäre er es, dann hätte er sich mehr um sie bemüht, nachdem sie ihn verlassen hatte. Stattdessen war er auch noch wütend geworden, obwohl er im Unrecht gewesen war.
Hayden nahm sich vor, das alles zu vergessen und ihn völlig aus ihren Gedanken zu streichen. Nur, wie sollte ihr das gelingen, wenn sie ihn schon in wenigen Stunden wiedertreffen würde? Nun, sie sollte es einfach als gemütlichen Abend bei den Faulkners betrachten und die Tatsache, dass Riley auch dort sein würde, einfach ignorieren.
Trotzdem musste sie gut aussehen, während sie ihn ignorierte. Hayden klebte ein Pflaster um ihren Daumen, ging ins Schlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank. Dank ihrer Freundschaft mit diversen Kostümbildnern besaß sie einige wunderschöne Sachen. Riley konnte von ihr aus in Jeans bei den Faulkners auftauchen, doch sie hatte das nicht vor. Dir sollen die Augen aus dem Kopf fallen, Riley Kinnard.
Rileys Zimmer sah nicht mehr so aus wie damals, als er noch bei seinen Eltern gewohnt hatte. Das hölzerne Etagenbett, in dem er unzählige Nächte mit seinen Freunden verbracht hatte, war verschwunden. Fort waren auch die Flugzeugmodelle, die von der Decke gehangen hatten, und die Poster von der Band Red Hot Chili Peppers, mit denen er die Wände geschmückt hatte.
Sein CD-Player hatte längst den Geist aufgegeben, ebenso wie der kleine Fernseher, auf den er so stolz gewesen war. Doch immerhin hatte er ein Refugium, in das er zurückkehren konnte. Ginny hatte es nicht so gut. Ihr früheres Zimmer diente jetzt seiner Mutter, die ein Maklerbüro leitete, als Arbeitszimmer.
In seinem Zimmer nahmen ein großes Bett mit einer geblümten Tagesdecke und zwei passende Nachttische mit schmiedeeisernen Lampen viel Platz ein. In der Ecke, wo einst sein Schreibtisch gestanden hatte, lud ein Ledersessel zum Verweilen ein. Ein Fernsehschrank aus Walnuss hatte das Bücherregal ersetzt, das mit Farbklecksen und fest getrockneten Klebstoffresten übersät gewesen war. Nichts in diesem Raum erinnerte noch an Riley, außer den leichten Verfärbungen am Wandschrank.
Er stellte seinen Koffer ab und fuhr mit einem Finger über die verblichenen Flecken. Lächelnd verlor er sich in Erinnerungen. Mit zehn hatten Hayden und er zusammen an einem Modell des Zerstörers USS Arizona gebastelt, um damit an einem Wettbewerb auf einer Messe teilzunehmen.
Natürlich hatten sie sich darüber gestritten, wer die Dekofolien anbringen sollte. Er hatte sie ein dummes Mädchen genannt, das keine Ahnung von Kriegsschiffen hatte, sie hatte vor Wut mit einer Flasche schwarzen Lack nach ihm geworfen. Riley hatte sich rechtzeitig ducken können, aber die Flasche war mit solcher Wucht gegen den Schrank geknallt, sodass sie zerbrochen war.
Sie hatten beide deswegen eine Menge Ärger bekommen, er wegen seiner Respektlosigkeit und Hayden wegen ihrer Unbeherrschtheit. Zur Strafe hatten sie die Reinigung des Teppichs von ihrem Taschengeld bezahlen müssen, doch die Tür hatte so viel Farbe aufgesogen, dass der Schaden nicht ganz zu beheben gewesen war.
Unter der Aufsicht seiner Mutter hatten sie die Folien untereinander aufgeteilt und zusammen aufgeklebt. Für das Modell hatten sie auf der Messe ein blaues Band gewonnen. Zwei Jahre lang hatten sie das Band und das Modell jeden Monat getauscht, bis er schließlich beides Hayden überlassen hatte. Riley fragte sich, wo die Sachen geblieben sein mochten.
Vielleicht würde er Hayden beim Abendessen danach fragen. Wenn beide Teile noch in ihrem Besitz waren und sie sie nicht behalten wollte, würde er sie zurücknehmen. Eines Tages würde er Kinder haben, die könnten Interesse haben an …
Ein Klingeln an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Vielleicht war es Hayden, die sich eine Tasse Zucker ausleihen wollte. Natürlich, dachte er voller Ironie, als ob das wahrscheinlich wäre.
Er ging zurück durch den Flur und das Wohnzimmer. Seine Eltern hatten einen künstlichen Baum aufgestellt, was ein weiterer Bruch mit der Tradition war. Früher hatten sie immer eine echte Tanne gekauft. Dieses Exemplar sah nicht schlecht aus, aber es verströmte nicht den typischen Duft, den Riley so liebte.
Als er die Haustür öffnete, wurde seine Hoffnung, es könnte vielleicht doch Hayden sein, enttäuscht.
Der Mann, der vor ihm stand, war durch und durch ein Angeber, von der verspiegelten Sonnenbrille bis zu den Tattoos auf den Oberarmen. Er war der Typ, der in erster Linie deshalb ins Fitnessstudio ging und Gewichte stemmte, um die Mädchen dort mit seinen Muskeln zu beeindrucken. Das T-Shirt, das er über der abgetragenen Jeans trug, war mit dem Slogan „Dekorieren Sie mit Damon Claus“ und zwei roten Christbaumkugeln bedruckt.
„Frohe Weihnachten.“ Der Mann ließ ein Lächeln aufblitzen. „Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.“
„Wobei? Wer sind Sie überhaupt?“
„Damon Claus, zu Ihren Diensten. Ich bin als Dekorateur auf weihnachtlichen Schmuck im Außenbereich spezialisiert, berate aber auch gern bei der festlichen Innenausstattung. Das Motto unserer Firma lautet ‚Wir kreieren, Sie zelebrieren‘.“ Er zog eine Visitenkarte aus der Hosentasche und hielt sie Riley hin.
„Gute Idee, doch dies ist nicht mein Haus. Ich wohne nur vorübergehend hier. Die Besitzer sind auf Reisen.“
„Wer hat dann die drei Drahtbäume aufgestellt?“
„Das waren …“ Riley war nicht gewohnt, unerwünschte Vertreter abzuwimmeln. Außerdem sprach der Mann ein Thema an, das Riley seit seiner Ankunft ärgerte – die einfallslose Dekoration, mit der seine Eltern sich begnügt hatten.
„Die Sache ist die: Ich will mich nicht über die Bäume lustig machen, aber auf diesem Grundstück könnte wirklich mehr passieren. Vor allem, wenn man berücksichtigt, was gegenüber veranstaltet wird.“ Damon deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Da drüben herrscht weihnachtliche Geschäftigkeit.“
Riley hörte das Kreischen einer elektrischen Säge, das aus der offenen Garage der Manchesters drang. „Ich weiß. Die treiben immer viel Aufwand.“
„Man erzählt sich, dass die Leute, die hier wohnen, früher kräftig mitgemischt haben. Ich arbeite für Ihre Nachbarn, die Faulkners, und die haben mir von einem dreißigjährigen Wettstreit zwischen diesem Haus und dem da drüben berichtet. Sieht so aus, als ob es damit vorbei ist, Mann. Was ein Jammer ist, weil dieses Land dadurch groß geworden ist.“
Verständnislos starrte Riley ihn an. „Durch Weihnachtsdekorationen?“
„Meine Güte, nein. Durch Wettbewerb. Der bringt den Kreislauf in Schwung, lässt Ihre Ideen sprudeln, Ihre Libido …“
„Ich muss Sie unterbrechen, Mr. Claus, falls das Ihr richtiger Name ist.“
„Glauben Sie mir, ich würde mich nicht freiwillig so nennen. Ich wünschte manchmal, ich hätte einen anderen Namen. Doch was soll man machen?“
„Ich vermute, man steigt damit ins Geschäft mit Weihnachten ein. Aber ich werde Sie nicht engagieren. Wenn meine Eltern mit drei Drahtbäumen zufrieden sind, dann soll es so sein.“ Riley zuckte leicht zusammen. Er hatte nicht verraten wollen, dass das Haus seinen Eltern gehörte. Man sollte einem hartnäckigen Vertreter niemals Zusatzinformationen liefern. Aber leider war ihm das zu spät eingefallen.
„Aha, Ihre Eltern.“ Damon Claus nickte und machte ein weises Gesicht. „Sie wollen keinen Ärger heraufbeschwören.“
„Das ist es nicht.“ Rileys Unmut steigerte sich. „Wenn ich mich um die Dekoration kümmern wollte, hätten sie bestimmt nichts dagegen, nur …“
„Dann tun Sie es! Dreißig Jahre Tradition stehen auf dem Spiel. Ihre Nachbarn erwarten eine Show.“
„Es ist mir egal, was die Nachbarn erwarten. Ich bin zu Vorstellungsgesprächen nach Tucson gekommen, nicht etwa, um mich mit Weihnachtsschmuck zu beschäftigen.“
„Das ist genau der Punkt, an dem ich ins Spiel komme. Ich stelle Ihnen eine Kulisse auf, bei der Ihnen die Augen aus dem Kopf fallen werden. Die ganze Straße wird Sie beneiden.“
„Danke, aber nein, danke.“
„Okay, okay.“ Claus hob kapitulierend die Hände. „Sie hat mir gesagt, dass Sie so reagieren würden, trotzdem musste ich es versuchen.“
„Wer hat das gesagt?“
„Die Kleine von gegenüber. Sie meinte, dass Ihnen das alles wahrscheinlich gleichgültig wäre.“
„Sie haben mit ihr geredet?“
„Natürlich. Sie will ihre Ideen allerdings eigenhändig umsetzen, und ich respektiere das. Ich habe mit allen in diesem Viertel gesprochen. Ein paar Leute haben mich engagiert, doch alle haben mir das Gleiche erzählt: Weihnachten ist nicht dasselbe, wenn die Kinnards dieses Jahr kneifen.“
Riley konnte damit leben, dass der Rest der Nachbarschaft enttäuscht war. Doch Haydens Annahme, dass er sich nichts aus den Dekorationen machte, störte ihn. Er machte sich durchaus etwas daraus, aber er respektierte den Wunsch seiner Eltern.
Unsinn, meldete sich eine Stimme in ihm. Deine Eltern würden sich vielleicht sogar freuen, wenn du dich dieses Jahr um den Weihnachtsschmuck kümmertest. Sie hatten diesmal keinen Sinn dafür. Trotzdem wären sie bestimmt stolz, bei ihrer Rückkehr eine Kulisse vorzufinden, die der Tradition der Kinnards würdig wäre, vor allem, wenn ihr Sohn sie gebaut hätte.
„Ich verabschiede mich jetzt“, sagte Claus. „Schöne Feiertage.“ Er drehte sich um und ging auf seinen Truck zu.
„Warten Sie.“
Sofort blieb Claus stehen. Zweifellos grinste er triumphierend, doch als er sich umwandte, war er ganz ernst. „Noch mal nachgedacht?“
„Ja.“
„Wunderbar.“
Riley rieb sich den Nacken. Er musste verrückt geworden sein, sich darauf einzulassen, aber er konnte Hayden nicht in dem Glauben lassen, er scheute den Wettbewerb. Im Gegenteil, mit seinem Architekturstudium und fünf Jahren Berufserfahrung bei einer angesehenen Chicagoer Firma war die Sache ein Klacks für ihn. Die Filmfrau aus Hollywood würde sich noch wundern.
„Ich habe keine Zeit, Material zu besorgen, doch ich kann zeichnen, was ich mir vorstelle. Wenn Sie mir alles Nötige beschaffen, können wir an die Arbeit gehen.“
„Ich bin dabei.“
Riley hatte kein besonders großes Zutrauen in Claus, aber er brauchte Hilfe, da er wegen der Vorstellungsgespräche nicht genügend Zeit hatte. „Kommen Sie herein.“ Er trat beiseite. „Wir können gleich mit der Planung anfangen.“
Während Claus ins Haus schlenderte, schaute Riley auf die andere Straßenseite. Hayden hatte aufgehört zu arbeiten und starrte zu ihm herüber.