Entführt in den Palast der Liebe

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Eine so atemberaubend schöne Frau wie die berühmte Popsängerin Bethsheba hat Scheich Suliman El Khazir noch nie in seinem prächtigen Wüstenpalast beherbergt. Nie würde er verwinden, wenn sie wieder ginge. Er muss sie halten! Mit allen Mitteln. Selbst mit Liebe …


  • Erscheinungstag 01.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758905
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der Scheich richtete sich mit der Peitsche in der Hand drohend vor Bethsheba auf. Unter der sengenden Wüstensonne kniete sie zu seinen Füßen, feine Schweißperlen auf ihrer Oberlippe. Die Musik schwoll zu einem dramatischen Crescendo an, und Bethsheba zuckte entsetzt zurück, als die Peitsche gnadenlos neben ihren Beinen in den heißen Sand knallte.

Blondes Haar umschmeichelte in wild zerzausten Locken Bethshebas schönes Gesicht. Sie trug ein Haremskostüm aus pfauenblauer Seide, dessen knappes Oberteil ihre vollen Brüste nur halb bedeckte. Goldketten funkelten an ihren zierlichen Fesseln und Handgelenken ebenso wie an ihrer Taille und an ihrem Hals.

Die Peitsche zerriss mit dem nächsten Schlag die feine Seide an ihrem Oberschenkel, und Bethsheba schaute erschrocken zu dem Scheich auf. Der packte lachend ihr Handgelenk, zog sie auf die Füße und küsste sie ungestüm auf den Mund.

Plötzlich erfüllte donnerndes Hufgetrappel die Luft.

„Was zum Teufel …“

Bethsheba drehte sich um. Alle wandten sich um und schauten über die Wüste, wo aus der Ferne in einer Wolke von Sand und Staub ein Trupp Reiter direkt auf sie zukam. Angeführt von einem Mann in weißen Gewändern, kamen die Reiter in halsbrecherischem Tempo näher. Bethsheba sah die Goldkordel an der Kopfbedeckung des Anführers aufblitzen und wusste, dass er ein Scheich war.

„Überlass das mir“, rief Chris ihr von der Kamera zu.

Bethsheba beachtete ihn kaum. Wie gebannt hing ihr Blick an dem Scheich … dem echten Scheich, der jetzt auf sie zu ritt. Im Näherkommen erkannte sie seine glutvollen dunklen Augen und einen sinnlichen Mund, der jede Frau zum Träumen gebracht hätte.

Er hatte sie nun erreicht und zügelte sein Pferd. Der weiße Araberhengst tänzelte nervös auf der Stelle.

„Ich bin Scheich Suliman El Khazir vom Stamme der Auda Khazir! Dies ist mein Land. Wer hat Ihnen die Erlaubnis gegeben, sich hier aufzuhalten?“ Seine Stimme klang kraftvoll und Respekt gebietend, sein Englisch war makellos bis auf einen kaum merklichen arabischen Akzent.

„Sir.“ Chris, der sich schon oft als Diplomat bewährt hatte, trat vor und verbeugte sich tief nach der Landessitte. „Mein Name ist Chris Burton. Ich bin der Verantwortliche hier und möchte mich in aller Form für unser unerlaubtes Eindringen entschuldigen. Ich hatte keine Ahnung, dass eine Erlaubnis erforderlich sei, sondern hatte angenommen …“

„Es ist mir klar, was Sie angenommen haben, Engländer“, unterbrach ihn der Scheich spöttisch. „Aber Sie haben sich geirrt. Dies ist das Land der Auda Khazir, und ich bin ihr Gebieter.“

Ja, dachte Bethsheba mit pochendem Herzen. Dieser Mann ist jeder Zoll ein Gebieter. Seine edlen sonnengebräunten Gesichtszüge und seine stolze Haltung im Sattel dieses prachtvollen Araberhengstes waren geprägt vom Bewusstsein seiner Macht. Bethsheba hielt den Atem an, als sich der Blick seiner dunklen Augen plötzlich auf sie richtete.

„Darf ich mich noch einmal aufrichtig entschuldigen?“, sagte Chris und lächelte gewinnend. „Und Sie vielleicht um die Erlaubnis bitten, hier weiterfilmen zu dürfen?“

Der Blick des Scheichs schweifte langsam über Bethshebas schönen Körper, um schließlich auf ihren vollen Brüsten zu verweilen. „Was genau filmen Sie eigentlich?“

„Ein Pop-Video“, erklärte Chris bereitwillig, während es Bethsheba unter dem Blick des Scheichs heiß wurde. „Wir arbeiten in der Musikbranche.“

Der Scheich wandte sich wieder Chris zu. „Dieses Mädchen ist Sängerin?“, fragte er kühl.

„Ja“, bestätigte Chris. „Eine sehr bekannte Sängerin. Ihr Name ist Bethsheba, und sie …“

„Sheba …?“, flüsterte der Scheich angespannt und sah Bethsheba mit einem rätselhaften Ausdruck an.

„Bethsheba“, wiederholte Chris eifrig. „In der westlichen Welt ist sie ein großer Star. Sie hat schon Millionen von Schallplatten verkauft und …“

„Schallplatten interessieren mich nicht“, fiel ihm der Scheich ins Wort. Er drängte seinen Schimmel vorwärts und ritt entschlossen auf Bethsheba zu. Unwillkürlich wich sie zurück.

„Nicht!“, warnte Chris sie in gedämpftem Ton.

Bethsheba blieb also stehen, trotz klopfendem Herzen, und schaute hinauf in das Gesicht von Scheich Suliman El Khazir. Der betrachtete sie eindringlich.

„So“, sagte er bedächtig, „du bist also die Sheba.“

„Sie … haben von mir gehört?“, fragte sie stockend.

„Oh ja, ich habe von Sheba gehört“, erwiderte der Scheich und lächelte rätselhaft. Bethsheba erschauerte, von einer seltsamen Vorahnung berührt.

Im nächsten Moment drängte der Scheich seinen Hengst vorwärts und lenkte ihn in einem großen Bogen wieder auf die Kameras, die Crew und Chris Burton zu. „Schön“, sagte er stolz, „Sie dürfen auf dem Land der Auda Khazir weiterfilmen.“

Ein Raunen der Erleichterung ging durch die Crew. „Vielen Dank …“, begann Chris.

„Diese Erlaubnis hat jedoch ihren Preis“, unterbrach ihn der Scheich bedächtig, beugte sich vor und stützte den Ellbogen lässig auf den Sattelknauf.

Chris blinzelte überrascht, hatte sich aber schnell wieder gefasst. „Natürlich“, sagte er diplomatisch, „nennen Sie ihn.“

Der Scheich sah Bethsheba an. „Ihr Singvogel soll für mich singen.“

Es folgte verblüfftes Schweigen. Zu ihrem Entsetzen spürte Bethsheba, wie unter dem arroganten Blick des Scheichs die Spitzen ihrer Brüste hart wurden und sich unter der dünnen Seide ihres Oberteils deutlich abzeichneten. Der Scheich hob den Blick, schaute ihr in die Augen, und ihr Herzschlag stockte.

„Singen?“ Chris konnte sein Erstaunen nicht verbergen. „Sie wollen sie singen hören? Nun, selbstverständlich … ich meine …“

„Morgen Abend.“ Der Scheich richtete sich wieder im Sattel auf. „Sie soll in meinem Palast für mich singen. ‚Das Haus der sieben Sonnen‘ am Stadtrand von Agadir, dem Tor zur westlichen Sahara.“

„,Das Haus der sieben Sonnen‘ …?“, wiederholte Chris benommen, aber irgendeiner aus der Crew war geistesgegenwärtig genug, sich ein Stück Papier zu greifen und die Adresse zu notieren.

„Morgen ist mein Geburtstag“, fügte der Scheich hinzu. „Sie werden mit mir essen, Burton, während Ihr Singvogel mich mit seiner Stimme erfreuen wird.“

Bethsheba schluckte und beobachtete den Scheich verstohlen durch die Wimpern. Die Sonne brannte erbarmungslos auf ihre wilde Lockenmähne, das tiefe Dekolleté, die entblößte Taille und die nackten Arme.

Chris hatte keine andere Wahl, als sich den Wünschen des Scheichs zu fügen. „Wir fühlen uns geehrt“, sagte er und verbeugte sich tief.

Der Scheich nickte spöttisch und wendete sein Pferd. „Bringen Sie sie morgen Abend um sieben Uhr zu mir!“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, trieb er sein Pferd zum Galopp. Seine Begleiter folgten stumm seinem Beispiel, wendeten ebenfalls ihre Pferde und jagten hinter ihrem Anführer her, bis sie in einer Staubwolke am Horizont verschwanden.

Bethsheba schaute sich verwundert um. Die Kameras, die Crew, das alles wirkte plötzlich so westlich, so zivilisiert, so langweilig. Sie drehten ein Werbevideo für ihren jüngsten Song, wie sie es schon viele Male zuvor getan hatten. Aber selbst das Wissen, dass es ein erstklassiger Song war, der todsicher die Nummer Eins der Hitlisten erobern würde, konnte sie nicht reizen.

Stattdessen regte sich in Bethshebas Unterbewusstsein die Erinnerung an einen heimlichen, längst vergessenen und verdrängten Traum, und sie wusste, dass sie in diesem Traum mit Scheich Suliman el Khazir in die Wüste davongeritten wäre. Plötzlich freute sie sich sehr darauf, am folgenden Abend in seinem Palast für ihn zu singen …

Am nächsten Tag arbeiteten sie im Studio in Chris Villa in Tanger, wo die gesamte Crew für die Dauer der Schallplatten- und Filmaufnahmen auch wohnte. Hoch auf einem Hügel oberhalb der Stadt gelegen, bot die Villa einen hinreißenden Blick über flache rote Dächer und weiße Mauern, die geradewegs hinunter in das bunte, pulsierende Herz von Tanger führten: in die Basare und engen, verwinkelten Gassen mit ihrem farbenprächtigen orientalischen Angebot an Schmuck, Teppichen und Gewürzen. Vom Minarett einer nahe gelegenen Moschee schallte in regelmäßigen Abständen der Gebetsruf des Muezzin durch die hitzeflirrende Luft.

„Okay, wir machen den Refrain noch einmal von vorn“, hörte Bethsheba Chris’ Stimme über ihre Kopfhörer.

„Kannst du meine Stimme nicht für die eine Zeile einmischen?“, fragte sie über das Mikrofon und suchte Chris’ Blick durch die rauchverglasten Studiofenster.

„Natürlich kann ich, wenn du etwas gegen harte Arbeit hast“, antwortete er lakonisch.

„Ach, schon gut. Also, noch mal von vorn!“ Konzentriert sang Bethsheba den ganzen Refrain noch einmal, denn Chris hatte eine Art, mit seiner Kritik ihren Stolz anzustacheln. Ihre freundschaftliche, ja familiäre Beziehung war für ihre Zusammenarbeit immer förderlich gewesen.

„Wirklich perfekt!“, sagte Chris, als sie geendet hatte. „Bravo, Beth!“

Bethsheba fragte sich, warum sie sich über sein Lob nicht so wie früher freute. Nachdenklich hängte sie die Kopfhörer über das Mikrophon und ging durch die Glastüren in den Mischraum.

„Morgen werden wir alle Rafrainpassagen für das Probenband zusammenmischen“, sagte Chris.

„Dafür brauchst du mich aber nicht, oder?“, fragte Bethsheba.

Anstelle einer Antwort drückte Chris eine Taste auf dem Mischpult, und Bethshebas schöne, unverwechselbare Stimme erschallte über die Studiolautsprecher.

„Wir werden bald ein Greatest-Hits-Album für dich herausbringen müssen“, bemerkte Prudence, ihre Chorussängerin. Die üppige Wasserstoffblondine hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und blätterte in der neuesten Ausgabe eines Musikmagazins. „Hört euch das an! Bethshebas fünfzehnter Nummer-Eins-Hit untermauert das alte Sprichwort, dass man die Dummheit der Massen nie unterschätzen darf!“

„Idioten!“, kommentierte Chris.

„Ich lese grundsätzlich keine Kritiken.“ Bethsheba setzte sich neben Chris ans Mischpult. „Es tut zu weh.“

„Die sind doch nur neidisch.“ Chris küsste Bethsheba tröstend auf die Wange. „So ist das in diesem Geschäft. Erfolg bringt dir Kritik ein, Misserfolg Lob. Wenn du nur zehn Schallplatten im Monat verkaufen würdest, würde man dich eine Künstlerin nennen und als Kultfigur vergöttern.“

Wie so oft in jüngster Zeit verspürte Bethsheba plötzlich wieder den unbändigen Wunsch, auszubrechen. Studioarbeit, Konzerte, Tourneen, Fernsehauftritte, Interviews, Fototermine … ihr Leben kam ihr wie eine Falle vor, aus der es kein Entrinnen zu geben schien. Sie sah sich in dem nüchternen Studio um und fühlte sich mehr denn je eingesperrt. Fensterlose Wände, ohne Verbindung zur Außenwelt. In diesen vollklimatisierten, schalldichten Räumen hätte es genauso gut Morgen wie Abend, Sommer wie Winter sein können; man hätte sich auch in London, New York oder Paris befinden können. Entschlossen sprang Bethsheba auf. „Ich muss hier raus!“

Alle sahen sie überrascht an. Mark, der gerade den Schlagzeug-Computer programmierte, hätte beinahe sein kühles Bier fallen lassen.

„Raus? Was meinst du damit?“, fragte Chris skeptisch.

„Ich brauche etwas frische Luft und möchte spazieren gehen“, antwortete Bethsheba.

„Aber wir müssen in einer Stunde los.“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „Um sieben sollen wir im Palast des Scheichs sein, und wir brauchen mindestens vier Stunden mit dem Auto nach Agadir.“

„Ich bin bald zurück.“ Bethsheba ging rasch zur Tür.

„Warte!“ Chris versperrte ihr den Weg. In solchen Augenblicken merkte man ihm seine Ausbildung an der königlich-britischen Theaterakademie an. Seine Haltung war gebieterisch, seine Stimme nahm einen fast dramatischen Klang an. „Du wirst auf keinen Fall, ich wiederhole, auf keinen Fall in die Stadt spazieren. Ich kann nicht zulassen, dass du auf irgendeinem Basar verloren gehst.“

„Aber Chris!“, wandte sie enttäuscht ein. „Seit meiner Ankunft bin ich aus diesem Studio nicht herausgekommen.“

„Oh doch. Gestern waren wir in der Wüste.“ Er tätschelte ihr freundschaftlich den Kopf. „Und nun sei ein braves Mädchen und leg dich an den Swimmingpool. Prudence wird dir Gesellschaft leisten, nicht wahr?“

„Oh, ich liebe es, die Aufpasserin zu spielen“, bemerkte Prudence lakonisch und erhob sich.

Bethsheba fügte sich widerstrebend. „Also gut, du hast recht. Ich werde zum Pool gehen und etwas schwimmen.“ Aber sie war verärgert. Merkte Chris nicht, welche Veränderung in ihr vorging?

„Braves Mädchen.“ Chris kehrte an sein Mischpult zurück. „Ich bleibe noch etwas hier und probiere ein wenig herum. Ich habe da eine tolle Idee für den Mittelteil …“

Die Straße zwischen Tanger und Agadir wand sich wie ein graues Band durch die endlose Wüste. Ab und an unterbrachen bizarre Felsformationen zu beiden Seiten die Monotonie, und die modernen Straßenschilder in blauer arabischer und englischer Schrift wirkten seltsam fehl am Platz. Gelegentlich fuhr man durch ein Dorf, eine Ansammlung aus kleinen, weiß getünchten Steinhütten ohne Fenster, zwischen denen Hunde herumstreunten, die genauso mager waren wie die kleinen Jungen, die sie zum Spaß jagten. Hier und da saßen alte Männer in langen Djellabas im Schatten der Mauern beisammen und rauchten ihre Pfeifen.

Bethsheba saß zusammen mit Prudence und Chris hinten in der großen schwarzen Limousine. Bei Einbruch der Dunkelheit fuhren sie an Agadir vorbei, und plötzlich erblickten sie den Palast des Scheichs. Wie aus dem Nichts erhob er sich aus der Wüste, ein prachtvoller weißer Bau, wie ein altes maurisches Schloss.

„Wundervoll.“ Bethsheba war so beeindruckt, dass sie sekundenlang zu atmen vergaß. „So romantisch.“

„Eine andere kulturelle Welt“, pflichtete Chris ihr bei.

Durch ein altes Steinportal fuhren sie auf einen weitläufigen Hof. Hier spendeten kunstvolle Marmorbrunnen angenehme Kühle, und reich verzierte Fassadenmosaiken schimmerten im Schein der Palastlaternen unter dem samtenen Abendhimmel. Bewaffnete Männer patrouillierten mit Hunden zum Schutz des Besitzers.

„Wer immer er ist, er muss sehr reich und sehr mächtig sein“, bemerkte Chris, als der Wagen hielt. „Ich bin froh, dass wir ihn uns nicht zum Feind gemacht haben.“

Aufgeregt stieg Bethsheba aus dem Wagen. Sie trug für diesen Abend ein schulterfreies Kleid aus elfenbeinfarbener Seide, das sich reizvoll an ihre schlanke Figur schmiegte, und darüber einen langen goldfarbenen Seidenblazer.

„Willkommen.“ Ein großer Araber in roten Gewändern erschien am Eingang und begrüßte sie mit einer tiefen Verbeugung. „Folgen Sie mir bitte.“

Er führte die Ankömmlinge durch lange, helle Bogengänge von maurischer Schönheit, deren Wände blau-weiße Mosaiken zierten, vorbei an weiteren Innenhöfen mit Marmorbrunnen und Löwenstatuen. Schließlich erreichten sie ein großes Doppelportal, das von zwei statuengleichen Arabern mit nacktem Oberkörper und rotgoldenen Haremshosen bewacht wurde. Der rot gewandete Araber klatschte in die Hände. Sogleich stießen die beiden Wächter die Türen auf.

Musik erfüllte die Luft, eine exotische Komposition aus Glockenklang, Tamburinen, Flöten und rhythmischem Händeklatschen. Bethsheba betrat einen arabischen Ballsaal und schaute sich, den Atem angehaltenen, um. Scheich Suliman El Khazir war nirgendwo zu entdecken, aber was sie sah, war beeindruckend genug.

Auf dem glänzenden Marmorboden waren Reihen von reichbestickten Seidenkissen in leuchtenden Rot-, Blau- und Violettschattierungen verteilt. Unzählige filigrane Räucherlampen hingen an goldenen Ketten von der Decke herab und erfüllten die Luft mit einem süßen, berauschenden Duft. Die elfenbeinfarbenen Wände waren mit rätselhaften arabischen Schriftzügen in Gold eingelegt, deren Bedeutung Bethsheba gern ergründet hätte.

„Mein Gott“, hauchte sie, „so etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.“

„Ich dachte, du wärst in Bahrein geboren“, bemerkte Chris.

„Ja, trotzdem habe ich noch nie den Palast eines Scheichs von innen gesehen. Ich durfte nur mit den Kindern anderer Armeeoffiziere spielen.“

„Was für ein unerträglicher Snobismus!“ Prudence rümpfte ihre zierliche Stupsnase.

„Weißt du eigentlich, woher das Wort ‚Snob‘ stammt?“, fragte Chris lächelnd. „Es soll ursprünglich die Kurzform vom lateinischen ‚sine nobilitate‘, ohne Adel, gewesen sein. Man schrieb es in Eton hinter die Namen der Schüler, die nicht adelig waren.“

„Schön, ob adelig oder nicht“, bemerkte Prudence. „Dieser Typ hier besitzt jedenfalls mehr Adel als manch anderer.“

Die Musik verstummte. Die Türen an der Stirnwand des Saals flogen auf, und man vernahm Schritte. Sofort erhoben sich alle Anwesenden und verbeugten sich tief.

Scheich Suliman EI Khazir betrat den Saal, ganz in weiße Gewänder gekleidet. Sein Blick schweifte durch den Raum und richtete sich prüfend auf Bethsheba, die ihm mit erhobenem Kopf begegnete. Aus ihrer ganzen Haltung sprach eine natürliche Anmut und Würde. Einen Moment lang sahen sie sich über die tief gebeugten Köpfe der übrigen hinweg an. Dann huschte ein Lächeln über das Gesicht des Scheichs, und er klatschte in die Hände.

Die Musik erklang erneut. Alle nahmen wieder auf den Kissen Platz, während der Scheich langsam auf Bethsheba zuging.

„Guten Abend“, begrüßte er sie mit seiner wohlklingenden, tiefen Stimme. „Willkommen in meinem Palast.“

„Guten Abend“, erwiderte Chris, der wie stets die Initiative ergriff. „Es ist ein prachtvoller Palast. Wir fühlen uns tief geehrt, heute Abend Ihre Gäste sein zu dürfen.“

Der Scheich nickte reserviert. Zum ersten Mal fiel Bethsheba auf, wie groß er war: fast einen halben Kopf größer als Chris, der selbst gut einen Meter achtzig maß.

„Soll Beth hier singen?“, erkundigte sich Chris und blickte sich in dem Saal um. „Sie wird ein Mikrophon brauchen …“

„Sie wird nicht hier singen“, fiel ihm der Scheich ins Wort, „sondern in den ‚Gärten der Scheherazade‘.“ Er klatschte erneut in die Hände. „Achmed, führe Mr. Burton in den Garten, damit er die Bühne inspizieren kann. Er soll alles veranlassen, was er für nötig befindet.“

„Euer Wille sei mein Wille.“ Der rot gewandete Araber verbeugte sich und bedeutete Chris, ihm zu folgen.

„Danke.“ Chris war sichtlich verblüfft. „Also gut. Kommt ihr mit, Prudence? Beth?“

„Oh, ich …“ Bethsheba sah den Scheich zögernd an. Es reizte sie viel mehr, bei ihm zu bleiben, als einen langweiligen Bühnen-Check über sich ergehen zu lassen.

„Sheba bleibt bei mir“, sagte der Scheich sofort und ergriff ihre Hand. „Ich werde mich um sie kümmern.“

Chris war es nicht gewohnt, so überrannt zu werden. „Du solltest aber vielleicht eine Mikrophonprobe machen, Beth …“

„Hier entlang, Mr. Burton“, sagte Achmed. „Miss Prudence?“

„Du musst hungrig sein, Sheba“, wandte sich der Scheich an Bethsheba, legte ihr den Arm um die Taille und führte sie davon. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, ging sie neben dem Scheich die Marmorstufen zum Hauptbereich des Ballsaals hinunter, während Chris mit Prudence notgedrungen Achmed in die „Gärten der Scheherazade“ folgte.

„Bitte setz dich zu mir.“ Der Scheich wies auf die weichen Seidenkissen am Boden.

Bethsheba ließ sich anmutig darauf nieder und rekelte sich sinnlich, wobei sie bewusst provozierend zu dem Scheich aufblickte. Der streckte sich lächelnd neben ihr aus. Sekundenlang schauten sie sich schweigend in die Augen, und es war klar, dass sie beide die elektrisierende Spannung zwischen ihnen verspürten.

Der Scheich klatschte in die Hände. Daraufhin erschien ein entzückendes junges Mädchen in einem scharlachroten Haremskostüm mit einem Silbertablett, beladen mit süßen Köstlichkeiten. Kniend stellte es das Tablett vor Suliman ab und zog sich mit einer Verbeugung wieder zurück.

„Ihre Sklavin?“, fragte Bethsheba herausfordernd.

„Die Sklaven wählen sich ihren Herrn selbst“, erwiderte Suliman, wobei er den Blick vielsagend über ihre vollen Brüste schweifen ließ.

Bethsheba fühlte ihr Herz schneller schlagen. „In unserer westlichen Zivilisation vielleicht. Aber hier draußen in der Wüste? Wohl kaum.“

„Du kennst die Wüste gut, Sheba?“

„Nun, ich bin zum ersten Mal in der Sahara, aber …“

„Dann solltest du über unsere Lebensweise nicht urteilen, bevor du uns nicht verstehst.“ Er nahm von dem Silbertablett einen kleinen honigfarbenen Leckerbissen und bot ihn ihr an. „Eine kandierte Dattel, Sheba.“

Während der süße Honiggeschmack auf ihrer Zunge zerging, ließ Suliman Bethsheba nicht aus den Augen. Die Art, wie er sie beobachtete, mit ihr sprach, sie berührte, erregte sie in ungeahnter Weise. Nervös setzte sie sich auf den Seidenkissen zurecht, und Suliman ließ den Blick genüsslich über die reizvollen Rundungen ihres schönen Körpers gleiten.

„Du bist eine sehr schöne Frau, Sheba.“ Er streckte eine Hand aus und strich sacht über ihr schimmerndes langes Haar. „Dein Haar hat die Farbe der Sonne, die Farbe der Falbkatze …“

Sie lächelte. „Ich bin einfach nur blond.“

„Aber blond am ganzen Körper, nicht wahr?“, fragte er sofort.

Bethsheba errötete. „Ich nehme an, Sie sind es gewohnt, sich eine Frau zu nehmen, wann immer Sie Lust darauf haben“, sagte sie verärgert.

„Nur Frauen, denen es angenehm ist.“

„Oh, zweifellos besitzen Sie einen ganzen Harem voll solcher Frauen!“

„Einen Harem?“ Er lachte belustigt und strich mit dem Finger verführerisch über die schlanke Silhouette ihres Halses. „Jetzt geraten wir in das Reich der Fantasie. In der westlichen Welt geistert die Fantasievorstellung herum, dass jeder Scheich einen Harem voll heiratsfähiger Frauen besitzt, die ihm stets zu Willen sind.“

„Und, ist das nicht so?“

Er betrachtete sie spöttisch. „Es gibt viele westliche Fantasien über den Orient. Sollen wir sie gemeinsam erkunden, Sheba?“

Sie zuckte betont gleichgültig die Schultern, aber ihr Herz klopfte heftig.

„Ich habe einmal einen Film über einen Scheich und eine schöne blonde Engländerin gesehen …“

„Ich habe diesen Film auch gesehen“, unterbrach sie ihn.

„War es nicht erregend, mit anzusehen, wie er sie auf seinem Pferd entführte, obwohl sie schrie und um sich schlug?“, fuhr Suliman fort. „Er brachte sie in sein Wüstencamp, warf sie auf die Kissen in seinem Zelt und …“ Er verstummte und blickte vielsagend auf Bethshebas erhitzte Wangen.

„Sie hat sich gegen ihn gewehrt!“, hauchte Bethsheba.

„Oh ja, aber das war für sie beide Teil ihres Traums, nicht?“

Bethsheba schaute wie gebannt in Sulimans dunkle Augen. „Hat dir der Film gefallen, Sheba?“, fragte er leise, und sie antwortete, ohne zu überlegen.

„Ja.“

2. KAPITEL

Achmed kehrte eiligen Schrittes zurück und brachte Chris und Prudence mit. Bethsheba war fast ärgerlich über diese Störung, denn sie wollte nicht, dass ein Geschäftsmann des zwanzigsten Jahrhunderts in ihren ganz persönlichen Traum aus Tausendundeiner Nacht eindrang.

„Das Arrangement ist erstklassig“, verkündete Chris begeistert. „Alles ist perfekt. Die Bühne, die Anlage, sogar eine Band ist vorhanden, Beth. Das wird eine richtig professionelle Vorstellung.“

Scheich Suliman nickte stolz. „Selbstverständlich. Ich habe alles Nötige aus Casablanca kommen lassen.“ Er klatschte in die Hände. „Nehmen Sie Platz und essen Sie, was Ihr Herz begehrt. Sie sind meine Gäste.“

Zum Klang der Musik tauchten nun aus dem Schatten der Säulen Tänzerinnen in durchscheinenden Haremskostümen auf. Das helle Klingen der Glöckchen an ihren Arm- und Fußreifen mischte sich in die Musik. Bethsheba beobachtete fasziniert ihre anmutigen, sinnlichen Bewegungen und wäre gern eine von ihnen gewesen, um in einem dieser reizvollen Kostüme mit wehender Lockenmähne einem Paradiesvogel gleich für ihren Scheich zu tanzen.

Weitere Gäste trafen ein und wurden mit respektvollen Verbeugungen begrüßt. Ihre Gewänder verrieten Reichtum und Macht. Bethsheba fühlte sich immer mehr an ihre Kindheit in Bahrain erinnert und verfolgte lächelnd das märchenhafte Treiben.

„Du wirst gleich für mich singen“, flüsterte der Scheich ihr plötzlich ins Ohr. „Bist du bereit?“

„Natürlich“, erwiderte sie stolz. „Das ist mein Job.“

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Dann komm.“ Er erhob sich von den Kissen und reichte ihr die Hand. „Ich werde dich selbst in die Gärten begleiten.“

Gemeinsam schritten sie langsam über den glänzenden Marmorboden des Ballsaals und dann hinaus, und die Blicke aller Anwesenden folgten dem schönen Paar. Aber Bethsheba fühlte sich in ganz besonderer Weise beobachtet.

„Die Leute starren mich an“, bemerkte sie.

„Du bist eine schöne Frau.“

„Nein“, widersprach sie. „Ich habe das Gefühl, dass sie mich wieder erkennen. Aber ich bin hier nicht berühmt, wie …?“

„Wie sollte es also möglich sein?“, pflichtete Suliman ihr unergründlich bei und klatschte in die Hände. Sofort wurden die Türen zu den Gärten geöffnet, und der Scheich führte Bethsheba hinaus an die kühle Abendluft. „Die Gärten der Scheherazade“, sagte er ohne Pathos.

Es war ein Anblick von atemberaubender Schönheit. Im Schutze hoher weißer Mauern wandelte Bethsheba an der Seite des Scheichs über kunstvolle blau-weiße Mosaiken, vorbei an Marmorstatuen und schimmernden Brunnen. Leuchtend gelbe Tagetes wetteiferten in ihrer Blütenpracht mit dem Weiß von Oleander und Jasmin und dem Rot der Harmel- und Hennabüsche. Schlank aufragende Palmen wiegten sich sanft in der Abendbrise ebenso wie die weit herabhängenden Zweige der Jacaranda-Bäume, und über allem wölbte sich der nächtliche Wüstenhimmel, in dem die Sterne so klar und hell funkelten wie kostbare Diamanten auf schwarzem Samt.

„Genießt du deine Berühmtheit?“, fragte Suliman unvermittelt.

„Na ja …“ Bethsheba begegnete seinem forschenden Blick. „Ich habe gelernt, damit zu leben.“

„Aber du willst es auch nicht anders, Sheba?“

„Nun, ehrlich gesagt, ist alles sehr einengend und erdrückend: die Studioarbeit, der Ruhm, das Leben in der Öffentlichkeit“, erwiderte sie aufrichtig. „Ich fühle mich oft wie ein Vogel in einem Käfig.“

Autor

Sarah Holland
Sarah Holland kann auf einen beeindruckenden Werdegang zurückblicken, ihr wurde das kreative Talent offenbar schon in die Wiege gelegt: Als Tochter eines erfolgreichen Journalisten und einer Bestsellerautorin romantischer Romane kam sie früh mit dem Schreiben in Kontakt. Als Jugendliche zog sie gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern von London...
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