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Der Liebesschwur des Highlanders
Erscheinungstag: | Di, 28.03.2017 |
Erscheinungstag: | Di, 28.03.2017 |
Bandnummer: | 312 |
Bandnummer: | 312 |
Seitenanzahl: | 320 |
Seitenanzahl: | 320 |
ISBN: | |
ISBN: | 9783733768317 |
E-Book Format: | ePub oder .mobi |
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Ein Teil von ihr
Mutter. Heldin. Lügnerin. Mörderin?
Im Bruchteil einer Sekunde kann sich dein Leben für immer verändern….
Du hast die Nachrichten gesehen, über die Gewalt in dieser Welt den Kopf geschüttelt und weitergemacht wie immer. Nie könnte dir so etwas passieren, dachtest du.
Andrea Oliver erlebt das Entsetzlichste. Einen Amoklauf. Was sie noch mehr schockiert: Ihre Mutter Laura entreißt dem Angreifer ein Messer und ersticht ihn. Andrea erkennt sie nicht wieder. Offenbar ist Laura mehr als die liebende Mutter und Therapeutin, für die Andrea sie immer gehalten hat. Sie muss einen Wettlauf gegen die Zeit antreten, um die geheime Vergangenheit ihrer Mutter zu enthüllen, bevor noch mehr Blut vergossen wird …
Laura weiß, dass sie verfolgt wird. Und dass ihre Tochter Andrea in Lebensgefahr ist …
»Dieser Thriller wird Sie um den Schlaf bringen. Für Slaughter-Fans ist „Ein Teil von ihr“ ein absolutes Lese-Muss.«
ok!
»Wie immer hat Slaughter … keine Scheu, Verbrechen in all ihrer Brutalität und Grausamkeit zu schildern. […] Daneben aber beweist sie ebenso viel Gespür für die Zerrissenheit, für Sehnsüchte und Ängste, für starke Gefühle und damit verbundene innerliche Eruption, kurz: für die Komplexität ihrer Charaktere.«
dpa
»Karin Slaughters „Ein Teil von ihr“ liest sich als moderne Geschichte über komplizierte Vereinigte Staaten von Amerika, in der charakteristische Merkmale des American Way of Life ebenso aufscheinen wie der Mythos vom Grenzland.«
krimi-couch.de
»Provokanter und raffinierter als alles, was sie zuvor geschrieben hat.«
vol.at
»Eine spannende Lektüre bis zum Schluss.«
SpotOnNews
»Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.«
Magazin-frankfurt.com
»Karin Slaughter gilt völlig zu Recht als eine der besten Krimi-Autoren der USA. Ihre Geschichten fesseln von Anfang bis Ende.«
IN
»Karin Slaughter zählt zu den talentiertesten und stärksten Spannungsautoren der Welt.«
Yrsa Sigurðardóttir
»Jeder neue Thriller von Karin Slaughter ist ein Anlass zum Feiern!«
Kathy Reichs
»Karin Slaughter bietet weit mehr als unterhaltsamen Thrill.«
SPIEGEL ONLINE über »Pretty Girls«
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1. KAPITEL
Schottland, 1299
Die Luft vibrierte vom Klang der herandonnernden Hufe. Die Ritter näherten sich rasant.
Lady Marie Alesia Serouge beeilte sich und hastete schnell zu einem dichten Gebüsch. Sie fiel auf die Knie, schob hastig die Zweige zurück, und erstarrte.
Im fahlen Mondschein erkannte sie die muskulöse Gestalt eines imposanten Mannes.
Der Fremde wandte sich zu Marie um. Tiefe Schatten gruben sich in sein Gesicht, während er sie durchdringend ansah. Trotz der Dunkelheit erkannte sie das wilde Funkeln in seinen Augen.
Erschrocken zuckte sie zurück, Zweige verfingen sich in ihrem Haar. Sie atmete schwer, doch dann nahm sie all ihren Mut zusammen und warf einen Blick zurück auf die näher kommenden Reiter, bevor sie sich abermals dem einsamen Krieger zuwandte. Sie konnte unmöglich den Schutz der Büsche verlassen, gleichzeitig durfte sie sich aber auch keiner neuen Gefahr aussetzen.
Der Klang laut donnernder Hufe wurde lauter.
Marie schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dann zwängte sie sich mühsam durch das Gebüsch, wobei sie darauf achtete, dem Mann nicht zu nahe zu kommen.
Die Ritter galoppierten vorbei. Unter den Hufen ihrer Pferde wirbelten Staub, Blätter und kleine Äste auf.
Marie sah durch die Zweige, wie der Fremde sie nicht aus den Augen ließ.
Ihr Herz pochte wild, und sie wich abermals zurück.
Dann stürzte der Fremde auf sie zu, doch er kam nicht weit. Schon nach wenigen Schritten sank er stöhnend zu Boden.
Marie zögerte.
Er seufzte schwer.
Offenbar war er verwundet. Angespannt blickte sie zu dem finsteren Wald, in dem die Reiter verschwunden waren. Hatte sie sich vielleicht getäuscht? Waren die Reiter vielleicht gar nicht hinter ihr, sondern hinter dem Unbekannten hier her? Sie wollte es so gerne glauben, doch sie durfte kein Risiko eingehen. Der englische Duke of Renard war außer sich vor Wut, dass es ihr, der unehelichen Tochter König Philips, gelungen war, aus seiner Gefangenschaft zu entkommen. Er würde nichts unversucht lassen, um sie wieder in seine Gewalt zu bringen.
Ächzend rollte sich der verwundete Mann auf den Rücken.
Jede Faser ihres Körpers mahnte sie zur Flucht, solange sie noch konnte.
Sie verzog das Gesicht. Als ob sie einen Verwundeten so einfach zurücklassen könnte. Vorsichtig näherte sie sich ihm. In der Wärme dieser Spätfrühlingsnacht stieg ihr das kräftige Aroma des Waldbodens in die Nase und vermischte sich mit dem Duft austreibender Blätter. Kurz vor dem Mann blieb sie stehen.
Aus seiner linken Schulter ragte ein Pfeil.
Er atmete stoßweise und stöhnte leise. Er schien unter furchtbaren Schmerzen zu leiden. Sie musste den Pfeil unbedingt entfernen.
Nein, sie musste so schnell wie möglich fort von hier. Sie hatte keine Zeit und der Mann war außerdem noch ein Fremder. Was wusste sie, wofür er verantwortlich war?
Doch was, wenn er ganz unschuldig an der Verletzung war?
Verflucht! Sie legte zwei Finger zwischen die deutlich hervortretenden Muskeln seines Halses und spürte einen kräftigen Puls.
Irgendwo in der Ferne heulte ein Wolf. Ein zweiter antwortete ihm ganz in der Nähe.
Marie zog ihren Dolch aus der Scheide, die sie in den Falten ihrer Kleidung befestigt hatte, und ließ ihren Blick umherschweifen. Ein Wolf witterte frisches Blut noch aus großer Entfernung. Der Verwundete würde einen Angriff von ihnen niemals überleben.
Doch Marie konnte keine unmittelbare Gefahr ausmachen, also steckte sie die Waffe wieder zurück und wandte sich erneut dem Fremden zu. Ihr Leben war der Hilfe Notleidender gewidmet, also würde sie auch diesen Mann gewiss nicht seinem Schicksal überlassen. Nur konnte sie sich unmöglich lange damit aufhalten, ihm beizustehen. Sobald sie sicher sein konnte, dass er wieder gesund wurde, würde sie wieder aufbrechen.
Doch wo sollten sie sich verstecken? Marie musterte die mit Gräsern und Bäumen bestandene Landschaft.
Ein schwarzes Loch schien sich hinter dem Gewirr des Unterholzes aufzutun.
Eine Höhle!
Dünne Zweige zerbrachen knackend unter ihren Füßen, als sie sich hinter den Krieger schob. Sorgsam darauf bedacht, seine linke Schulter nicht zu bewegen, ließ sie ihre Arme unter seine Achselhöhlen gleiten.
Er stöhnte.
„Ich muss Euch fortschaffen, Monsieur“, flüsterte sie. Sie hakte ihn von hinten unter und zerrte ihn durch das Unterholz. Schweißtropfen traten auf ihre Stirn, und ihr Körper protestierte. Der Mann war ein wahrer Riese, weit größer, schwerer und muskulöser, als sie auf den ersten Blick gedacht hatte.
Sie musste mehrmals pausieren und dann wieder neu ansetzen, bis sie schließlich den Eingang der Höhle erreichten. Marie ließ sich erschöpft auf den felsigen Untergrund fallen und blickte zum Himmel.
Der Mond verzog sich langsam, erste Sonnenstrahlen färbten den Horizont blau und lila. Marie zog die Augenbrauen zusammen. Das Ganze hatte länger als erwartet gedauert. Ächzend zog sie den Unbekannten das letzte Stück ins Innere der Höhle, wo sie ihn auf seine unverletzte Seite legte. Anschließend öffnete sie ihren Wasserschlauch und hielt ihn dem Fremden an die Lippen. „Trinkt.“
Der Mann verzog bei jedem Schluck das Gesicht. Schließlich schob er den Schlauch von sich.
Marie rieb sich vor Erschöpfung die Augen, dann schloss sie den Wasserschlauch und legte ihn beiseite. Der Verwundete hatte erst einmal genug getrunken. „Ruht Euch aus. Ich bin gleich zurück.“
Mit einem Tannenzweig verwischte sie rasch die Spuren vor der Höhle, damit niemand sie hier finden konnte. Dann machte sie sich auf die Suche nach einigen Kräutern, um die Wunden des Mannes zu versorgen, und nach einigen Eschenzweigen, die rauchlos verbrennen würden.
Inzwischen war die Sonne am Himmel aufgestiegen, und die morgendlichen Strahlen bahnten sich ihren Weg durch die Äste und Blätter. Zurück in der Höhle machte Marie Feuer. Sie fütterte die Flammen mit größeren Zweigen und wandte sich schließlich um.
Ihr stockte der Atem.
Bisher hatte sie den Krieger nur schemenhaft im fahlen Mondschein gesehen. Doch jetzt im Tageslicht erkannte sie, was für einen imposanten Krieger sie vor sich hatte. Sein langes rotblondes Haar fiel ihm auf die breiten, muskulösen Schultern. Harte, unnachgiebige Züge betonten sein Gesicht. Marie erschauderte. Sie musste zu ihrem Vater gelangen und ihm vom Verrat des Duke of Renard erzählen. Bis dahin durfte sie niemandem vertrauen.
Doch zunächst einmal sollte sie sich dem Naheliegenden widmen. Sie kniete neben dem Krieger nieder und griff mit beiden Händen den Pfeil.
Er presste die Lippen zusammen und beobachtete sie aus halb geschlossenen Augen. Doch selbst die dichten Wimpern milderten kaum das wilde Flackern in seinem Blick, das ihr noch einmal ins Bewusstsein rief, wie gefährlich es war, dem Fremden zu helfen.
Doch er konnte nur überleben, wenn sie ihm den Pfeil aus der Schulter zog. Mit einem kräftigen Ruck brach sie den Pfeil entzwei, um den Fremden leichter entkleiden zu können.
Der stöhnte abermals auf und sank ohnmächtig zurück.
Erleichtert zog sie ihm Kettenhemd und Gambeson aus. Sorgsam achtete sie darauf, den noch in seiner Haut steckenden abgebrochenen Pfeil nicht zu berühren.
Sie zog ihm sein Leibhemd aus und hielt inne.
Kräftige sich kräuselnde Locken konnten nur zum Teil die alten Narben auf seinem muskulösen Oberkörper verdecken, die von vielen geschlagenen Schlachten erzählten.
Als Heilerin hatte Marie schon vielen im Kampf verwundeten Männern geholfen, doch diesen erfahrenen Krieger umgab eine Aura der Gefahr, der sie bisher noch nie begegnet war. Sie wich zurück. Nur ein Narr würde diesem kampferprobten Mann vertrauen.
Vertrauen.
Marie hatte einst einem Mann vertraut, doch die Erinnerung an den Preis, den sie dafür gezahlt hatte, versetzte ihr einen schmerzhaften Stich ins Herz.
Diesen Fehler würde sie nicht noch einmal begehen.
Doch für derartige Gedanken war jetzt keine Zeit. Statt sich in quälenden Erinnerungen zu verlieren, sollte sie lieber dem Mann vor ihr helfen.
Entschlossen fasste sie den Pfeilstumpf und zog mit einem einzigen kräftigen Ruck die Pfeilspitze aus dessen Schulter. Vorsichtig brannte sie die Wunde aus, dann strich sie eine Mischung aus zerkleinerter Schafgarbe und Leinkraut darauf und schützte das Ganze mit Stoffstreifen, die sie von ihrem Unterkleid riss. Sie konnte nur hoffen, dass der Krieger nicht in ein Fieber fiel.
Müde von der anstrengenden Arbeit legte sich Marie hin und schloss die Augen. Ihre Gedanken wanderten in die Ferne. Vor ihrem inneren Auge tauchten allzu lebendig die Bilder von ihrer Flucht vor Renards Rittern auf. Noch einmal durchlebte sie die Angst, die auf der Flucht zu ihrem ständigen Begleiter geworden war. Erschöpft überwand sie schließlich ihre Sorgen und sank in den willkommenen Schlaf.
2. KAPITEL
Colyne MacKerran, Earl of Strathcliff, drehte sich auf seine linke Seite. Von der Schulter her schossen ihm höllische Schmerzen durch den Körper. Fluchend rollte er sich auf den Rücken und stieß gegen etwas Weiches, Nachgiebiges.
Was in drei Teufels Namen …?
Schlaftrunken öffnete er die Augen und setzte sich auf. Die Sonnenstrahlen strömten in eine Höhle, von der er nicht wusste, wie er hierhergekommen war. Unweit von ihm knisterten die Reste eines Feuers, während neben ihm eine wunderschöne Frau schlief.
Eine Frau, die er nie zuvor gesehen hatte.
Ihre honigblonden vollen Haare umschmeichelten sie mit ihrer seidigen Fülle. Sie lächelte sanft, während sie ihren geschmeidigen schlanken Körper im Schlaf an ihn schmiegte. Allmächtiger, wer war sie? Wenn er ein solch bezauberndes Wesen verführt hätte, müsste er sich doch daran erinnern.
Vor allem jedoch, wie waren sie hierhergekommen?
Er atmete gegen die Schmerzen in seiner Schulter an und versuchte sich zu erinnern. Vor seinem inneren Auge tauchten schmerzliche Bilder auf, die ihm keine Ruhe ließen. Er sah Douglas vor sich und wie er seinem todgeweihten Freund geschworen hatte, die Nachricht an König Philip zu überbringen. Er sah, wie ihn die Männer des Duke of Renard verfolgten. Er spürte noch einmal den Schmerz von dem Pfeil, der ihn in der Schulter getroffen hatte, und erinnerte sich, dass er in letzter Sekunde entkommen war.
Danach herrschte nur noch Finsternis.
Das Schreiben!
Wie ein Verrückter tastete Colyne sein Leibhemd ab und atmete erleichtert auf, als er das versteckte Schreiben an seinen Fingern spürte. Sorgsam vermied er jedes Geräusch und holte das zusammengerollte Pergament hervor.
Das Siegel von Robert Bruce, dem Earl of Carrick und Guardian Schottlands, war unversehrt. Trauer überkam ihn bei dem Gedanken an Douglas. Ihm war nicht einmal mehr die Zeit geblieben, seinen Freund zu beerdigen. Herr im Himmel, Douglas durfte sein Leben nicht vergebens geopfert haben! Colyne würde das Schreiben König Philip von Frankreich aushändigen.
Die Frau neben ihm seufzte im Schlaf.
Er sah sie forschend an. Hatte sie das Schreiben etwa gesehen? Wenn, dann hatte sie es wenigstens nicht geöffnet. Doch woher war diese Frau gekommen?
Ihrer Kleidung nach zu urteilen musste sie eine Bettlerin sein, vielleicht auch eine Leibeigene. Vermutlich traf Letzteres zu, denn sie hatte eine gesunde Gesichtsfarbe. Ob sie ihn wohl zufällig auf der Suche nach Kräutern für ihren Herrn entdeckt und ihm dann kurz entschlossen das Leben gerettet hatte? In diesem Fall wäre er ihr zu tiefem Dank verpflichtet. Und doch würde er sie erst ziehen lassen können, wenn er wusste, ob sie das Schreiben des Guardian von Schottland gesehen hatte.
Colyne tat das Schriftstück zurück in sein Versteck und stieß die Frau an.
Sie kräuselte nur die Nase und schlief weiter.
„Aufwachen“, sagte er. Es gelang ihm nicht, sein Misstrauen aus seiner Stimme zu verbannen.
„Qu’est ce que tu fais?“, fragte sie.
Er starrte sie überrascht an. Was tat eine Französin hier in den dichten Wäldern der Highlands? Tiefes Unbehagen erfasste ihn. Die uneheliche Tochter des französischen Königs war von Rittern des englischen Duke of Renard entführt und in den Highlands versteckt worden. Aus ebendiesem Grund hatte er das Schreiben an König Philip bei sich, in dem Robert Bruce dem französischen Herrscher darlegte, dass die Schotten nicht in diese heimtückische Tat verwickelt waren.
War es möglich, dass Lady Marie Serouge neben ihm lag?
Noch einmal musterte er die schlafende Frau eingehend. Doch angesichts der bescheidenen Kleider verwarf er seinen Gedanken wieder. Als ob der Duke seine Gefangene alleine und ohne Bewacher im Bergland herumziehen ließe, noch dazu in einer derart heruntergekommenen Aufmachung. Ein Schwindelanfall überfiel Colyne, nur mit Mühe gelang es ihm, wieder zu klarem Verstand zu kommen. Wo auch immer der Duke of Renard die uneheliche Tochter des französischen Königs gefangen hielt, sie würde unter strenger Bewachung stehen.
Als ob eine Fee sie berührt hätte, runzelte die Unbekannte neben ihm plötzlich die Stirn. Ganz langsam öffnete sie ihre Lider. Die Farbe ihrer Augen erinnerte ihn an saftiges Moos. Sie weiteten sich zunächst überrascht, dann erschreckt. Die Frau rutschte schnell auf die Knie und wollte vor ihm zurückweichen, doch Colyne ergriff ihre Handgelenke. „Ich werde Euch nichts tun.“
„Lasst mich los!“, stieß sie hervor.
„Habt Ihr Euch um mich gekümmert?“, fragte er ungeduldig.
Sie sah ihn aufmerksam an und schien zu überlegen, ob sie ihm antworten sollte.
„Also gut, ich werde Euch loslassen. Doch zunächst müsst Ihr mir versprechen, nicht davonzulaufen.“ Während er sie noch festhielt, wurden die Schmerzen in seiner Schulter erneut unerträglich. Er atmete tief ein, um bei Bewusstsein zu bleiben, dennoch verschwamm alles vor seinen Augen. Nur allmählich wurde sein Blick wieder klar. Verflucht! Wenn sie vor ihm weglaufen sollte, hätte er keine Chance, sie einzuholen. Ihre Beine waren so lang wie die eines preisgekrönten Fohlens aus dem königlichen Stall, wenn er nicht ohnehin zuvor ohnmächtig wurde. Doch ehe er das Bewusstsein verlor, musste er sich vergewissern, dass sie seine Mission nicht gefährdete.
Sie hob herausfordernd das Kinn. „Ich hätte Euch ebenso gut Eurem Schicksal überlassen können.“
Sie hatte recht. Dass sie es nicht getan hatte, sprach entweder dafür, dass sie ein guter Mensch war, oder dass das hier alles geplant war. „Nur habt Ihr mich nicht meinem Schicksal überlassen.“
„Nein.“ Ihr Blick wanderte zu seiner Hand, die noch immer ihr Handgelenk umschloss. „Lasst mich frei.“
„Gebt Ihr mir zuerst Euer Wort, dass Ihr nicht davonlauft?“
Nach einem kurzen Augenblick nickte sie. „Ich gebe Euch mein Wort.“
Colyne ließ sie los und stützte sich auf dem Boden ab. „Warum habt Ihr Euch um mich gekümmert?“
„Ihr wart verwundet.“
Ihre schlichte, aufrichtige Antwort erstaunte ihn. „Die meisten Menschen hätten einen Verwundeten seinem Schicksal überlassen, zumal, wenn er ein Fremder ist.“
Sie zog die Brauen zusammen. „Ich habe Euch mein Handeln erklärt.“
Doch das warf neue Fragen auf.
„Ihr müsst Euch erholen, Monsieur. Bei jeder Bewegung wird Eure Wunde erneut aufbrechen. Bitte. Der Pfeil hat sich tief in Eure Schulter gebohrt. Es wird einige Zeit dauern, bis die Wunde verheilt.“
Er erstarrte. Wenn er etwas nicht hatte, dann war es Zeit.
Ein leuchtendes rotes Mal auf ihrer Wange erregte Colynes Aufmerksamkeit. Er streichelte darüber, doch sie zuckte sofort zusammen. „Was ist das?“
Sie blickte zu Boden, um ihre Gefühle nicht zu verraten, doch Colyne hatte bereits die Furcht in ihren Augen entdeckt. „Es ist nichts.“
„Man hat Euch geschlagen“, stellte er fest. Wer hatte dieser herzensguten Frau nur Leid antun können? Einer Frau, die nicht gezögert hatte, einem Fremden zu helfen?
„Ich … ich bin gefallen.“
Als ob er ihr diese Lüge glauben würde. Colyne musterte sie eingehend. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass irgendetwas an ihr nicht stimmte. Und er wusste, dass er seinem Gefühl trauen konnte. Er würde sie sorgsam im Auge behalten, bis sich ihre Wege wieder trennten.
Als sie aufstehen wollte, fasste er ihren Arm und hielt sie fest. „Wie heißt Ihr?“
„Lasst mich los.“
Die Schärfe in ihrem Ton ließ ihn gehorchen. Sie erhob sich. Was zum Teufel hatte sie vor? Mühsam stand er ebenfalls auf, schwankte und fing sich. Sie hatte gerade geklungen wie eine Frau, die es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Und die es gewohnt war, dass man ihren Befehlen Folge leistete.
Ob sie zum Duke of Renard gehörte? Colyne wurde misstrauisch. Ob sie sich wohl gegen ihren eigenen König gewandt hatte und die Engländer dabei unterstützte, Schottland zu unterwerfen? Doch wenn dem so war, warum hatte sie dann nicht Colynes Ohnmacht ausgenutzt, das Siegel des Schreibens gebrochen, die Nachricht gelesen und sie dem Duke überbracht?
Er trat einen Schritt auf sie zu und warf einen riesigen Schatten auf sie. „Wer seid Ihr?“ Als sie weiterhin schwieg, sah er sie finster an. „Antwortet!“
„Ich-Ich bin eine Missionarin“, stieß Marie hervor. Mon Dieu. Die gerunzelte Stirn des Ritters zeigte seine Verwirrung, doch sein wacher Blick ließ keinen Zweifel daran, dass er alles andere als ein Dummkopf war. Nur war ihr auf die Schnelle keine andere glaubhafte Erklärung eingefallen.
„Eine Missionarin?“, wiederholte er zweifelnd.
„Oui.“ Glaub mir bitte.
„Eine französische Missionarin in den schottischen Highlands?“ Misstrauisch sah er zum Eingang der Höhle und dann wieder zu ihr. „Und ganz alleine?“
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Wie würde sie ihn überzeugen können? Seine ganze Erscheinung erschien ihr wie die eines Gottes. Seine Augen waren vom tiefen Blau des Meeres, und seine Wangen zierten wundervolle Grübchen. Sein unnachgiebiger Blick deutete jedoch darauf hin, dass man sich mit diesem Krieger besser nicht anlegen sollte.
„Ich warte.“
„Es ist nicht leicht für mich.“ Was für eine Untertreibung.
Seine Miene verfinsterte sich. „Ich habe Zeit. Zumindest habe ich gerade nicht vor, irgendwohin zu gehen.“
Und allem Anschein nach würde er auch sie nirgendwohin gehen lassen. Jedenfalls nicht ohne eine zufriedenstellende Erklärung. Sie würde ihn irgendwie beschwichtigen müssen und ihm anschließend einen Tag Erholung zugestehen, bevor sie sich in der darauffolgenden Nacht wieder davonschlich, sobald er schlief. Allerdings kam sie gewiss nur langsam voran, solange Renards Männer hinter ihr her waren.
Verschämt beobachtete sie den ehrfurchtgebietenden Ritter, dessen schiere Kraft sie einschüchterte. Sie zweifelte nicht, dass er seinen Forderungen den nötigen Nachdruck verleihen konnte. Ihr Blick fiel auf sein kunstvoll gearbeitetes Kettenhemd, das sie gegen die Felswand der Höhle gelehnt hatte und das seinen Wohlstand verriet. Gewiss verfügte er über die Mittel, die sie für ihre Überfahrt nach Frankreich benötigte.
Marie zögerte.
War dieser Mann nicht zu gefährlich, um ihm ihr Leben und darüber hinaus auch das Schicksal Schottlands anzuvertrauen? Womöglich sollte sie lieber alleine weiterreisen.
Andererseits kannte er sich als Schotte vermutlich gut in der Gegend aus und wusste im Fall eines Falles, wo sie sich verstecken konnte. Nicht zuletzt würde sie schon seine bloße Anwesenheit schützen, schließlich suchten ihre Verfolger nach einer allein reisenden Frau. Doch egal, was kam, sie durfte ihm unter keinen Umständen ihre königliche Abstammung offenbaren. Er war zwar Schotte, aber womöglich war er ihrem Land feindlich gesonnen.
„Wir befanden uns gerade auf dem Rückweg vom Kloster Beauly, als wir überfallen wurden. Keiner meiner Begleiter hat überlebt.“ Marie schloss die Augen, um seinem durchdringenden Blick auszuweichen. Sie musste keinen Kummer spielen, denn sie fürchtete ehrlich um das Leben unzähliger Schotten, sollte sie nicht rechtzeitig zu ihrem Vater gelangen und ihm erklären, wer hinter ihrer Entführung steckte.
Der Fremde schwieg.
Marie öffnete ihre Lider wieder. Der Fremde musterte sie immer noch misstrauisch, wenngleich nicht vollkommen ablehnend. „Ich konnte in dem ganzen Durcheinander entkommen“, fuhr sie fort, „auch wenn ich vor Angst beinahe gestorben bin.“
Er nickte. „Aye, natürlich seid Ihr das.“
„Später dann“, sie hielt inne, „bin ich zurück, um …“
Sie erschauderte. Er hob ihr Kinn und sah sie mitleidig an. „Mein Gott. Keine Frau sollte dergleichen miterleben müssen.“
Sein Verständnis überraschte sie, und sie überließ sich seiner Berührung. Doch schon gleich darauf wich sie zurück. Wie nur konnte er ihr vertrauen? Sie verdiente es nicht. „Es tut mir leid“, sagte sie. Sie verdammte sich für diese Lüge, ihr war jegliche Unaufrichtigkeit zuwider, nur leider hatte ihr das Leben zur Genüge gezeigt, zu was die Menschen fähig waren. Jeder log und betrog für seine Ziele. Und manche schreckten sogar vor Mord nicht zurück.
„Das muss es nicht.“
Seine aufrichtige Anteilnahme weckte in ihr das Verlangen, ihm die Wahrheit zu gestehen. Dennoch schwieg sie. Alles, was sie von diesem Mann wusste, war, dass er ehrlich mit ihr mitfühlte. Doch war er auch ein Ehrenmann? „Ich möchte nach Hause zu meiner Familie.“ Sie sagte es ganz ruhig und unaufgeregt, und sein Blick wurde noch weicher.
„Ich verstehe.“
In ihr regte sich Hoffnung. „Dann werdet Ihr mir also helfen?“
In seinen Augen flackerte Vorsicht auf. „Euch helfen?“
„Oui. Ihr wisst, wie gefährlich es für eine Frau ist, alleine zu reisen.“ In seinem Gesicht spiegelte sich nun pure Ablehnung. Marie sprach schneller. „Wenn Ihr mich nur bis zum nächsten Hafen begleiten würdet, wäre mir sehr geholfen. Von dort könnte ich …“
„Nay.“
Sie berührte seinen Arm. „Aber Ihr müsst.“
Amüsiert verzog er die Lippen. „Ich muss?“ Er musterte sie nun mit unverhohlenem Interesse. „Mylady, mir scheint, Ihr kommandiert sehr gern Leute herum.“
„Ich … Nein.“ Sie zog ihre Hand zurück und errötete. Er hatte recht. Die Frau, als die sie sich ihm gegenüber ausgegeben hatte, würde sich einzig und allein um Not leidende Menschen kümmern. Ihr Blick ging zum Höhleneingang. Zwischen ihr und dem nächsten sicheren Hafen lagen nicht nur Renards Männer, sondern auch ein weiter Weg durch die Wildnis. „Die letzten Tage waren furchtbar.“
Das entsprach der Wahrheit. Die letzten Tage hatten ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Man hatte sie entführt, verschleppt und eingesperrt, und sie hatte erfahren, dass der Duke sie und ihr Leben als Druckmittel gegen ihren Vater einzusetzen plante, damit dieser seine Unterstützung für Schottland unterließ.
„Meine Verzweiflung hat mich verleitet, derart unverschämt zu sein.“ Sie hielt inne. „Bitte vergebt mir.“
Er wirkte müde, aber auch ein wenig bedrückt. „Ihr entschuldigt Euch nun schon das zweite Mal grundlos bei mir. Es tut mir leid, dass Ihr ein derartiges Blutbad mitansehen musstet.“
„Ich … Danke.“ Ergriffen rang sie mit sich, wie sie sich entscheiden sollte. Am liebsten hätte sie ihn nicht in ihre Angelegenheiten hineingezogen, doch das Schicksal ließ ihr keine Wahl. Sie musste ihn irgendwie dazu bringen, sie bis zur Küste zu begleiten.
Er machte Anstalten, sich umzudrehen, und verzog sein Gesicht schmerzerfüllt.
„Was tut Ihr da?“, fragte sie.
Seine wohlgeformten Muskeln zitterten, als er sich nach vorne beugte, um seinen Gambeson aufzuheben. „Ich würde mich wirklich liebend gern ein wenig erholen. Nur habe ich dafür leider keine Zeit.“
Marie starrte wie gebannt auf seinen muskulösen Körper und wandte sich verlegen ab, als der Fremde ihren Blick bemerkte. Himmel, sie benahm sich ja geradezu wie eine törichte Jungfrau. Verärgert darüber, wie sehr dieser Mann sie verwirrte, nahm sie ihm das bestickte Kleidungsstück aus der Hand und warf es zu seinem Kettenhemd. „Ihr braucht Ruhe. Ihr mutet Euch viel zu viel zu.“
Er lächelte, so als würde ihn diese Machtdemonstration amüsieren. „Ich weiß genau, was ich tue, ganz egal worum es geht.“
Seine Erklärung verursachte ihr eine Gänsehaut. Sie zweifelte nicht daran, dass er wusste, was er tat. „Ich gehe einige Kräuter sammeln, die Eure Schmerzen lindern werden.“ Sie wandte sich in Richtung Höhleneingang.
„Ich habe Euch noch gar nicht dafür gedankt, dass Ihr Euch um mich kümmert.“ Er sagte es sanft, und sie blieb wie angewurzelt am verwitterten Felsbogen stehen, ohne sich allerdings umzudrehen. Obgleich er ein Fremder war, weckte er den tiefen Wunsch in ihr, ihn zum Freund zu haben und ihm vertrauen zu können. Doch beides war in diesem Moment unmöglich. „Ihr müsst mir nicht danken.“
„Ihr habt mir noch immer nicht Euren Namen verraten.“
Sie erstarrte. Ihr Name? Eine unbekannte Macht brachte sie dazu, sich umzudrehen und ihn anzuschauen. Was für ein Fehler!
Als ihre Blicke sich trafen, kniff er die Augen zusammen.
„Ich heiße Alesia“, flüsterte sie. Sie betete inständig, dass ihm dieser Name nichts sagte.
Die Zeit schien sich unendlich zu dehnen. Endlich nickte er.
Sie atmete aus. Wovor hatte sie sich eigentlich gefürchtet? Ihr zweiter Vorname war nur wenigen geläufig, und hier in den Highlands würde ihn sowieso niemand kennen, insbesondere kein Mann, der seinen Lebensunterhalt mit dem Schwert bestritt.
„Alesia. Der Name passt zu Euch.“
Er sagte es beinahe liebevoll, und sein tiefer Bass dazu ließ sie erschauern. Schnell verwarf sie die törichten Gedanken, die ihr in den Sinn kamen. Sie mussten ihrer Erschöpfung geschuldet sein. Neugierig hob sie eine Braue. „Er passt zu mir?“
Er neigte den Kopf und sah sie wohlwollend an. „Es ist ein starker, schöner Name.“
Sie wusste nicht, was sie erwidern sollte.
„Interessiert Euch nicht, wie ich heiße?“
Das Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass er andere gerne neckte. „Ich könnte wetten, dass Ihr Schwestern habt.“
„Schwestern?“
„Zumindest scheint Ihr Euch in der Gegenwart von Frauen wohlzufühlen.“ Erneut errötete sie. Wie sollte es auch anders sein? Es erforderte keine besondere Intelligenz, um zu sehen, dass er jede beliebige Frau problemlos ins Bett bekam. Beschämt senkte sie den Blick. „Ich wollte damit nicht sagen, dass …“
„Ich habe Euch schon verstanden.“ Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, und seine Grübchen vertieften sich noch ein wenig. „Ich habe in der Tat Schwestern. Drei, um genau zu sein, und einen Bruder. Nur für den Fall, dass es Euch doch interessieren sollte“, fuhr er spöttisch fort, „ich heiße Colyne.“
„Danke.“ Um sich nicht noch mehr zu blamieren, eilte Marie hinaus. Hinter sich vernahm sie ein unbeschwertes Lachen.
Colyne schüttelte den Kopf und sah der Frau nach, die anscheinend wie getrieben aus der Höhle rannte. Ihr Haar leuchtete im Sonnenschein golden und blendete ihn wie ein alles verzehrendes Feuer.
Er hielt die Luft an. Beinahe hätte er den Verstand verloren und sich darauf eingelassen, diese bezaubernde Frau an die Küste zu begleiten. Fluchend massierte er seine pochenden Schläfen. Er verstand sich selbst nicht mehr. Seit Elizabet sein Herz gebrochen und einen anderen geheiratet hatte, hatte er sich für keine Frau mehr interessiert. Elizabet. Seine Brust zog sich zusammen beim Gedanken an die Frau, der seine Liebe gehörte. Er kannte sie bereits von Kindesbeinen an, sie würde für immer ihren Platz in seinem Herzen behaupten.
Nay, in Wirklichkeit ging es ihm gar nicht um Alesia, gestand er sich ein. Es war allein ihre Schönheit, die ihn in ihren Bann zog. Er ermahnte sich, seine Gedanken allein darauf zu richten, wie er nach Frankreich gelangen konnte. Zunächst einmal musste er jedoch herausfinden, ob sie von der Botschaft wusste, die er bei sich trug.
Er richtete sich auf die Knie auf. Ihm wurde schwindlig, und er stützte sich mit einer Hand auf dem Schenkel ab. Mehrmals tief ein- und ausatmend, wartete er darauf, dass der Anfall vorüberging. Auch wenn ihn seine Verwundung unterwegs behindern würde, musste er aufbrechen. Er griff nach seinem Gambeson.
„Was habt Ihr vor?“
Von Alesias vorwurfsvoller Stimme aufgeschreckt, löste Colyne seinen Griff. Der dick wattierte Stoff fiel zu Boden. Er schaute Alesia aufgebracht an. Sie stand im Eingang zur Höhle und hielt einen Kräuterstrauß in der Hand. Mit einem unterdrückten Fluch griff er erneut nach seinem Gambeson. „Ich ziehe meine Rüstung an.“ Er taumelte benommen nach vorn, zugleich wurde ihm übel. Bestürzt bemerkte er, wie seine Hände bei dem Versuch zitterten, seine Rüstung zu halten.
„Ihr seid noch zu schwach, um auch nur einen Schritt zu tun“, sagte sie ebenso wütend wie bestimmt. „Einmal ganz zu schweigen von einer weiten Reise.“
„Habt Ihr mich hierhergebracht?“, fragte er.
Kopfschüttelnd ging sie auf ihn zu. Unweit von ihm legte sie die Kräuter auf einem Felsvorsprung ab. „Oui. Ich habe mehr Kraft, als man mir ansieht.“
Das mochte sein, doch bei ihrem schlanken Körperbau und ohne irgendeine Hilfe musste es ihr erhebliche Schwierigkeiten bereitet haben. Er war mindestens einen halben Kopf größer als sie.
„Und Ihr wart es auch, die den Pfeil entfernt hat?“ Sie neigte den Kopf. „Wie lange sind wir schon hier?“
„Zwei Tage.“
Allmächtiger. Das hieß, dass er zwei Tage verloren hatte. So viel Zeit, die er nicht hatte.
„Ihr hattet Fieber“, erklärte sie. „Und ihr seid noch geschwächt. Alles, was Ihr benötigt, ist etwas zu essen und Ruhe. Ihr solltet Euch so wenig wie möglich bewegen.“
Er ging auf ihren Tadel nicht ein und zog sich den Gambeson über. Seine verletzte Schulter brannte höllisch. „Ich weiß selbst, was am besten für mich ist.“
Sie schnaubte. „Wenn Ihr so viel Vernunft wie Charme besäßet, würdet Ihr …“
„Ihr haltet mich für charmant?“, fragte Colyne herausfordernd. Ihr Temperament gefiel ihm.
Mit kühler Miene kam sie auf ihn zu und drückte ihm den Wasserschlauch in die Hand. „Trinkt.“
Nay, so leicht würde er sich nicht ablenken lassen. Er deutete mit dem ledernen Gefäß auf sie. „Ihr habt mich charmant genannt. Ich habe Euch sehr wohl verstanden.“
Sie kniff die Augen zusammen. „Außerdem halte ich Euch für …“
„Lasst es gut sein“, fiel er ihr ins Wort. Ihr feuriger Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihm etwas wenig Schmeichelhaftes hatte sagen wollen. Dennoch musste er über ihre hitzige Entgegnung lächeln. Er nahm einen Schluck. „Ich danke Euch für das Wasser.“
Alesia schnappte ihm den Ledersack aus der Hand und verschloss ihn. „Ihr solltet Euch Euren Charme für jemanden aufsparen, den ihr damit beeindrucken könnt.“
Er schmunzelte, wurde gleich darauf aber wieder ernst, als er daran dachte, wie leicht er sie hatte aus der Fassung bringen können. Wie war sie als Missionarin mit den Männern fertig geworden, die sich um sie bemüht hatten? Bei ihrer Schönheit waren es gewiss nicht wenige gewesen.
Sie holte einen Haferfladen aus ihrer Tasche und reichte ihn Colyne.
„Danke.“
Sie nickte ihm kühl zu und zog einen zweiten Haferfladen für sich selbst hervor, um sich dann auf dem Boden niederzulassen.
Und zwar in sicherer Entfernung von ihm, wie er sehr wohl bemerkte. Fasziniert beobachtete Colyne sie. Selbst wenn Alesia wie jetzt verärgert war, besaß jede ihrer Bewegungen eine natürliche Anmut, als sei sie gar nichts anderes gewohnt. Dagegen deutete der Kammgarnstoff ihrer Kleidung auf ein einfaches Leben hin, wovon er vor ihrer ersten Unterhaltung noch überzeugt gewesen war. Mittlerweile war er das aber nicht mehr. Vielmehr hielt er ihre Kleidung nunmehr für eine Tarnung, die etwas damit zu tun haben musste, weshalb sie hier war.
„Es überrascht mich, jemanden von Eurem Stand in den Highlands anzutreffen.“ Colyne bemühte sich, es eher wie eine Beobachtung, und nicht wie eine Frage klingen zu lassen. Vielleicht würde sie sich ihm so öffnen. „Auch wenn es freiwillig sein sollte.“
Sie widmete sich allein dem Haferfladen, von dem sie anmutig ein Stückchen abbiss. „Ich habe Euch bereits gesagt, warum ich hier bin.“
„Aye, das habt Ihr.“ Doch ihr leichtes Zögern sagte ihm, dass irgendetwas an ihrer Geschichte nicht stimmte.
Sie sah ihn mit ihren moosgrünen Augen an. „Und warum habe ich Euch bewusstlos mit einem Pfeil in der Schulter aufgefunden?“ Sie brach ein Stück vom Haferfladen ab, dennoch entging ihm nicht der leicht besorgte Unterton ihrer Stimme. Auch sie wusste so gut wie nichts von ihm und würde ihm deshalb ebenso misstrauen wie er ihr.
„Ich bin kein Bandit.“
Sie sah ihn beinahe erhaben an. „Dafür halte ich Euch auch nicht.“
„Ihr wisst viel zu wenig über mich, um Euch dessen sicher sein zu können“, sagte er. Dennoch interessierte es ihn, wie sie nach so kurzer Zeit derart überzeugt sein konnte. Womöglich hing ihr Leben schon lange davon ab, die Menschen in ihrer Umgebung richtig einschätzen zu können.
„Euer ganzes Benehmen spricht für Euren Charakter.“ Ihre Antwort riss ihn aus seinen Gedanken. „Als Gesetzloser hättet Ihr wohl kaum einen Gedanken an mein Unglück verschwendet.“
„Ihr habt in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft ein klareres Bild von mir gewonnen, als es den meisten anderen Menschen gelungen wäre.“
Zum ersten Mal, seit er sie kannte, lächelte sie. Kurz nur huschte es über ihre Lippen, doch es erschien wie ein Versprechen großer Leidenschaft. Nur zu gern hätte Colyne davon probiert.
Diese Empfindung überraschte ihn. Abgesehen von Elizabet hatte ihn noch keine Frau interessiert.
Bis jetzt.
Was nur faszinierte ihn so an Alesia? Er wusste so gut wie nichts über sie und war alles andere als überzeugt, dass sie ihm die volle Wahrheit erzählt hatte. Herr im Himmel. Seine Gedanken sollten allein seiner Reise nach Frankreich gelten. Bis er König Philip das Schreiben übergab, durfte er niemandem trauen.
Auch ihr nicht.
„Ich war in meinem Leben immer darauf angewiesen, hinter die Fassade eines Menschen zu schauen und seine wahren Motive zu erkennen“, erklärte sie.
„Was heißt das?“
Alesia erhob sich. „Ihr müsst Durst haben. Ich werde den Wasserschlauch auffüllen.“
Sie lenkte das Gespräch derart selbstverständlich von sich fort, dass Colyne keinen Zweifel daran hatte, dass es keineswegs das erste Mal war. „Das hat noch Zeit.“
Ohne sich zu ihm umzuwenden, nahm sie das lederne Behältnis und ging in Richtung Ausgang.
„Wer seid Ihr wirklich?“ Die ruhige und zugleich fordernde Frage ließ sie innehalten. Ihm entging nicht, wie angespannt sie war. „Ihr mögt eine Missionarin sein, dennoch verbergt Ihr irgendetwas vor mir.“
Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Finger umklammerten so krampfhaft das Leder, dass die Knöchel weiß hervortraten.
„Eure Art zu sprechen und Eure anmutigen Bewegungen verraten Euch“, sagte er. „Eure Hände sind so weich und makellos wie die einer Dame, und nicht wie die einer gewöhnlichen Frau.“
Zögerlich nickte sie und bestätigte so seinen Verdacht. „Einst habe ich tatsächlich diesen Kreisen angehört“, erwiderte sie verächtlich. „Doch das war einmal.“
„Ihr habt nichts für den Adel übrig?“, fragte er. Wie sie wohl reagieren würde, sobald sie erfuhr, dass er ein Earl war? Würde es sie abstoßen? Der Gedanke daran schmerzte ihn.
„Für den Adel?“, wiederholte sie kühl. „Das Wort allein ist schon eine Beleidigung. Viele von denen, die einen bedeutenden Titel tragen, sind nicht mehr als eine schlechte Karikatur der edlen Menschen, die sie zu sein vorgeben. Sie sind derart überzeugt von ihrer eigenen Bedeutsamkeit, dass sie nicht sehen, was für erbärmliche Kreaturen sie geworden sind.“
„Seid Ihr deshalb nach Schottland gekommen?“
Sie presste den Wassersack an sich. „Was ich tue oder lasse, ist ganz allein meine Angelegenheit. Monsieur.“
„Allerdings.“ Sorgfältig suchte er nach den richtigen Worten, um nicht ihr Misstrauen zu erwecken. „Es ist nur so, dass ich Eure Anwesenheit hier …“
„Ich habe euch meine Gründe bereits genannt.“
Sie klang so abweisend, dass er auf weitere Fragen vorerst verzichtete. Doch bevor sich ihre Wege trennten, würde er auf Antworten bestehen. Sie schwiegen angespannt, während er händeringend nach einer eleganteren Möglichkeit suchte, sie zum Reden zu bewegen. „Ich hätte gern noch einen zweiten Haferfladen.“
Sie sah ihn misstrauisch an.
„Ich habe Hunger.“ Er lächelte verschmitzt.
Sie runzelte zweifelnd die Stirn, dennoch ging sie zu der Tasche mit den Fladen und holte einen heraus. „Ihr benötigt noch ein paar Tage Ruhe, ehe Ihr wieder umhergehen könnt.“ Alesia deutete mit dem Kopf auf sein Kettenhemd, das unweit seines Schenkels lag. „Zunächst natürlich nur ohne die Last Eurer Rüstung“, fügte sie hinzu. „Wenn Ihr nicht achtgebt, wird die Wunde wieder aufreißen. Ich brauche Euch wohl kaum zu sagen, was Euch blüht, sofern sie sich entzündet.“ Sie trat zu ihm und ließ ihm den Haferfladen in den Schoß fallen.
Colyne ergriff ihre Hand, bevor sie weggehen konnte.
Sie kniff drohend die Augen zusammen.
„Ich möchte Euch lediglich danken.“ Doch das war nur die halbe Wahrheit. Ebenso sehr verlangte es ihn danach, sie zu berühren. Wie er vermutet hatte, fühlte sich ihre Haut seidig an.
Zornig versuchte sie sich seinem Griff zu entziehen.
Er ließ sie los, wenn auch mit Bedauern. „Im Übrigen habe ich keinen Durst.“
Alesia zögerte einen Augenblick, dann ließ sie sich mit wachsamer Miene ihm gegenüber an den verkohlten Resten des Feuers nieder. „Da Ihr nun wieder bei Bewusstsein seid und Euer Fieber zurückgegangen ist, werde ich morgen aufbrechen.“
„Ihr wollt Euch alleine auf den Weg machen?“
Sie neigte mit einer herrschaftlichen Geste den Kopf. „Monsieur, ich tue, was ich tun muss.“
Colyne hätte ihre Entschlossenheit bewundern können, doch stattdessen machte ihn ihr törichtes Gebaren wütend. „Angesichts der angespannten Lage zwischen England und Schottland wird Euer Weg gefährlich.“
„Ich bin mir der Gefahren sehr wohl bewusst.“ Sie musterte ihn fragend. „Oder habt Ihr Eure Meinung geändert und Euch entschlossen, mich an die Küste zu begleiten?“
Allmächtiger, dazu hatte er beim besten Willen keine Zeit. „Das ist vollkommen unmöglich.“
Der Hoffnungsschimmer schwand aus ihren Augen. „Ich verstehe.“
Nay, das tat sie nicht. Man war ihm auf den Fersen, und er vermutete, dass Renards Männer die Wälder der Umgebung nach ihm absuchten. Ohne es zu wollen, hatte er Alesias Leben in Gefahr gebracht.
Sollte man ihn alleine fassen, hatte er sein Leben verwirkt.
Doch wenn Renards Männer auch noch Alesia bei ihm antrafen, würden sie sich gewiss wenig ehrenhaft zeigen. In ihm stiegen quälende Vorstellungen auf, wie die Männer sie missbrauchten und ihre niederen Bedürfnisse rücksichtslos an ihr befriedigten.
So gern er ihr geholfen hätte, sie mussten sich schon zu Alesias eigener Sicherheit trennen. Seine Nähe würde sie nur in noch größere Gefahr bringen. „Ihr versteht nicht.“
Ihre Züge entspannten sich, und sie sah ihn besorgt an. „Dann erklärt es mir.“
Müdigkeit überfiel ihn. Colyne hätte es ihr gerne erklärt, doch es stand zu viel auf dem Spiel. „Nay, es ist besser, wenn Ihr nichts wisst.“
„Aber … warum?“
Ihre Stimme klang sorgenvoll, und Colyne verfluchte die ganze Situation einmal mehr. Er erhob sich. Seine Beine zitterten, als wollten sie ihn spöttisch daran erinnern, wie schwach er war. Niemals würde er Alesia an die Küste begleiten können. Sie war eine Fremde, eine Frau, deren Gegenwart an diesem Ort zahlreiche Fragen aufwarf. Nur wie konnte er sie ohne jeden Schutz gehen lassen? Noch dazu, wo sie ihm das Leben gerettet hatte?
Verflucht.
„Also gut“, erklärte Colyne. „Ich werde mit Euch nach Osten reisen, wo ein guter Freund von mir wohnt. Doch nicht weiter. Er wird sich darum kümmern, dass Ihr nach Frankreich gelangt.“
Sie verharrte schweigend, als müsste sie noch über sein Angebot nachdenken.
„Ich würde an Eurer Stelle nicht zögern“, sagte er warnend. „Sonst ändere ich vielleicht noch meine Meinung.“
„Dann nehme ich Euer großzügiges Angebot an“, erwiderte sie. Zugleich leuchteten ihre Augen freudig auf.
Verdammt, die Frau spielte mit ihm, doch auch wenn es ihn ärgern sollte, war Colyne von ihrem Wagemut durchaus angetan. Schließlich hatte er sich gerade eben nicht anders verhalten.
Aus der Ferne drang das unerbittliche gleichmäßige Geräusch von Hufen zu ihnen.
Colynes Blick wanderte zum Eingang der Höhle. Renards Männer.
Das Blut wich aus Alesias Gesicht. „Sie sind zurück. Wir müssen uns vollkommen still verhalten, bis sie vorbei sind.“
Zurück? In seine Schuldgefühle mischte sich Argwohn. Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass die Männer die Gegend schon abgesucht hatten, als er nicht bei Bewusstsein war? Was auch immer ihr Grund gewesen sein mochte, sie hatte ihn wenigstens nicht verraten. Er zog sein Schwert und verdrängte die Schmerzen in seiner verletzten Schulter. „Tretet hinter mich.“
Sie sah ihn ärgerlich an. Dann trat sie zu ihm, um ihm das Schwert zu entreißen.
„Ale …“
„Was habt Ihr vor?“, fragte sie.
Das Hufgeklapper schwoll an.
Ungläubig starrte Colyne auf ihre Hand, mit der sie seine umfasst hielt. „Lasst meine Waffe los.“
Sie zog entschlossen am Schwert. „Ihr seid viel zu schwach, um zu kämpfen.“
„Wenn man uns entdeckt, solltet Ihr besser das Gegenteil hoffen.“
„Warum?“
„Weil“, erklärte Colyne, „die Männer meinen Tod wollen.“
3. KAPITEL
Colyne hatte nicht erwartet, dass sie noch bleicher werden konnte. Doch genau das geschah. „Mylady?“
Sie klang verängstigt. „Sie wollen Euren Tod?“
Herr im Himmel. „Versteckt Euch hinter dem Felsen.“
Sie rührte sich nicht.
„Sofort!“
Alesia schreckte auf und lief zu dem großen Felsen tief im Inneren der Höhle. Er folgte ihr, so schnell er konnte.
Draußen stoppten die Reiter direkt vor dem Eingang zur Höhle.
Angespannt hielt Colyne sein Schwert zum Kampf bereit.
„Sie ist hier nirgendwo“, grummelte ein Engländer mit rauer Stimme.
„Unser Befehl lautet aber, sie zu finden“, erwiderte ein zweiter Mann.
„Drei verfluchte Tage suchen wir nun schon nach ihr“, murrte ein Dritter, der weiter entfernt stehen musste. „Sie ist gewiss schon über alle Berge.“
Ein Mann, der nahe am Höhleneingang stand, knurrte: „Wenn dir etwas an deinem Leben liegt, solltest du beten, dass wir sie finden.“
Ein Pferd wieherte, während ein zweites schnaubte. Das Zaumzeug klirrte, als die Männer ihre Pferde wendeten und davonritten.
Das Klappern der Pferdehufe verklang.
Colyne atmete erleichtert auf und trat hinter dem Felsen hervor. Wer auch immer die Männer gewesen sein mochten, sie hatten nicht nach ihm gesucht. Nun, da die Gefahr gebannt war, fühlte er sich erschöpft. Er brauchte ein wenig Ruhe. Er steckte sein Schwert in die Scheide und wandte sich an Alesia.
Und hielt inne.
Sie sah ihn schuldbewusst an.
In diesem Moment begriff er. „Die Männer sind hinter Euch her.“
Sie wich zurück.
Warum hatte er nicht gleich an Alesia gedacht, als die Männer von einer Frau sprachen? Er machte einen Schritt auf sie zu. Sie wollte sich ihm entziehen, doch er fasste sie an der Schulter. „Sagt mir alles.“ Vor Anstrengung rann ihm der Schweiß von der Stirn, doch der Zorn verlieh ihm neue Kraft.
„Ou-Oui.“
Er unterdrückte einen Fluch. „Bevor wir beide wegen Euch getötet werden, solltet Ihr mir verdammt noch mal erklären, was hier vor sich geht.“
Als der Schotte sie zornentbrannt ansah, lief es Marie kalt den Rücken hinunter. Sie hielt ihn für einen Ehrenmann, doch was wusste sie tatsächlich von ihm? Seinen Namen? Dass er glaubte, verfolgt zu werden? So gern sie ihm auch die Wahrheit gesagt hätte, sie durfte Schottlands Freiheit nicht aufs Spiel setzen und ihm vertrauen.
Colynes Hand schloss sich fester um ihre Schulter.
Sie zuckte zusammen. „Bitte nicht, Ihr tut mir weh.“
Sein Griff lockerte sich ein wenig, ohne dass er sie losließ. „Weshalb sind die Männer hinter Euch her?“
Kurz war sie versucht, ihm zu erzählen, dass es den Männern um Gold oder irgendeinen anderen nachvollziehbaren Grund ging, aber sie durfte nicht noch einmal lügen.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht.“
„Könnt Ihr nicht, oder wollt Ihr nicht?“
Sie hatte nicht erwartet, dass er noch bedrohlicher wirken könnte. Doch nun verdunkelten sich seine Augen so wie der Himmel bei einem drohenden Unwetter, und er spannte seine Muskeln kampfbereit an. Er ragte wie das Sinnbild eines Kriegers vor ihr auf. „Das geht nur mich etwas an.“
Er kniff seine blauen Augen zusammen. „Ihr gefährdet nicht nur Euer Leben.“
„Das weiß ich“, erwiderte sie ruhig.
„Tut Ihr das?“ An seinem Hals zuckte ein Muskel, dann ließ er sie mit einem verzweifelten Seufzen wieder los.
Marie wich nicht zurück, sondern blieb verzagt vor ihm stehen. Er war verwundet. Wie konnte sie nur so egoistisch sein und ihn bitten, sein Leben zusätzlich in Gefahr zu bringen, indem er sie an die Küste begleitete? „Monsieur …“
„Colyne“, zischte er. „Ich denke, wir legen beide nicht allzu großen Wert auf übertriebene Formalitäten.“
Sie nickte. „Also gut, Colyne, ich bin entschlossen, das Risiko auf mich zu nehmen.“
Er rümpfte verärgert die Nase. „Und was, bitte schön, wollt Ihr mir damit sagen?“
Marie trat von einem Fuß auf den anderen. Unter seinem durchdringenden Blick wurde ihr unbehaglich zumute. „Dass ich meinen Weg alleine fortsetzen werde. Ihr benötigt Ruhe und Zeit, damit eure Wunde heilen kann. In Eurem Zustand könnt Ihr nicht lange auf den Beinen bleiben. Mich zu Eurem Freund zu begleiten würde Euer Leben gefährden.“
„Handelt es sich um einen Mann?“
„Was meint Ihr?“, fragte sie abweisend. Marie konnte ihre aufsteigende Panik kaum bändigen.
Sein Blick wanderte zum Eingang der Höhle. „Lässt Euch ein Mann durch seine Ritter verfolgen?“
Die Anspannung wich aus ihrem Körper. „Oui.“ Sollte er doch glauben, dass sie aus privaten Gründen geflohen war. Das machte alles nur leichter. Zudem war es ja nicht gelogen.
„Um wen handelt es sich?“
Er konnte nicht einmal im Entferntesten die Tragweite seiner Frage ermessen. „Warum wollt Ihr wissen, wer er ist oder weshalb seine Männer nach mir suchen?“
Colyne lächelte gequält. „Wenn ich mein Leben aufs Spiel setze und Euch begleite, möchte ich schon wissen, welche Gefahren mich erwarten.“
Ein Hoffnungsschimmer flammte in ihr auf. „Ihr wollt mich begleiten? Aber …“
Der Schotte hob abwehrend die Hand. Jede Spur von Leichtigkeit war aus seinem Gesicht verschwunden.