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Ein süßes Geheimnis kommt selten allein (eBundle)
Über diesen Roman:
Frisch geschieden, schwanger und kein Geld! Zum Glück bekommt Mindy einen Job als Sekretärin. Aber ausgerechnet in der Firma von Jason Mallory! In ihn war Mindy schon auf der High School verliebt. Doch damals wollte er nichts von ihr wissen…
Über diesen Roman:
Eine gemeinsame Nacht mit Playboy Adam Donovan bleibt für Dana Taylor nicht ohne Folgen: Sie ist schwanger. Nach einer gescheiterten Ehe hat sie jedoch Angst, sich erneut zu binden. Wird es Adam gelingen, Dana zu beweisen, dass er der Richtige für sie ist?
Über diesen Roman:
Für Lucinda wird ein Traum wahr: Endlich küsst ihr attraktiver Kollege Sebastian Carlisle sie stürmisch und sie erlebt in seinen Armen das pure Glück! Verliebt wie noch nie, stellt Lucinda ihn ihren Eltern vor. Danach behandelt Sebastian sie plötzlich äußerst kühl…
Über diesen Roman:
Mit dieser Entscheidung seines Geschäftspartners ist der Bauunternehmer Jackson Witt überhaupt nicht einverstanden. Jeff hat seine schwangere Frau für die Baustelle in der Bergwildnis Colorados eingestellt! Wütend will er ihr sofort klar machen, dass sie am besten gleich wieder ihre Sachen packt, doch als er Mandy kennenlernt, kann er Jeffs Entscheidung verstehen. Sie strahlt so viel Wärme und Fröhlichkeit aus, dass in Jackson, der sich seit dem tragischen Verlust seiner Familie von allen Menschen zurückgezogen hat, Sehnsucht erwacht…
Über diesen Roman:
Wie Aschenputtel auf dem Ball fühlt sich Allison auf der Wohltätigkeitsgala des Krankenhauses. Und ihr Prinz ist Staatsanwalt Jorge Perez, dessen Flirt sie stürmisch erwidert. In seinen Armen stürzt sie sich in eine Nacht, in der sie alle Sorgen vergessen will…
Über diesen Roman:
Für Martha geht ein Traum in Erfüllung: Lewis Mansfield hat sie engagiert. Sechs Monate wird sie auf einer romantischen Insel im Indischen Ozean verbringen – mit Lewis in einer Villa am Meer. Kaum auf St. Bonaventure angekommen, muss Martha feststellen, dass sie sich bereits in den Unternehmer verliebt hat. Doch Lewis scheint glücklich zu sein mit seinem unbeschwerten Junggesellenleben. Kann sie es wagen, ihm ihre Gefühle zu gestehen?
Über diesen Roman:
Das muss die Geliebte des attraktiven Unternehmers Gabriel Brabanti sein! Neugierig richten sich die Blicke der Partygäste auf Eve, als sie strahlend schön an Gabriels Arm die breite Marmortreppe herunterkommt. Insgeheim wünscht Eve sich sehnlich, das pikante Gerücht wäre wahr! Denn seit sie eine Suite in seiner Villa auf Malta bewohnt und mit ihm herrliche Sonnentage auf seiner Yacht verbringt, hat sie ihr Herz an ihn verloren. Sie will ihn erobern! Doch zuerst muss sie Gabriel davon überzeugen, dass Vermögen und Ansehen ihr nichts und seine Liebe alles bedeutet…
Erscheinungstag: | Do, 07.12.2017 |
Bandnummer: | |
Seitenanzahl: | 910 |
ISBN: | 9783733735241 |
E-Book Format: | ePub oder .mobi |
Dieses E-Book kann auf allen ePub- und .mobi -fähigen Geräten gelesen werden, z.B.
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PROLOG
„Das darf doch nicht wahr sein!“
Eloise Vale nahm die Zeitung so hastig vom Tisch auf, dass sie beinahe ihre Kaffeetasse umgestoßen und deren Inhalt über den Artikel ausgeleert hätte, den sie gerade lesen wollte. Ein Artikel, in dem berichtet wurde, dass der so attraktive und überaus beliebte Bürgermeister von New York, Bill Harper – einst ihr Bill Harper, bis sie wieder zu Verstand gekommen war –, Budgetkürzungen in Betracht zog, um den Haushalt der Stadt zu sanieren. Budgetkürzungen, die auch vielen Wohltätigkeitsorganisationen den Garaus machen würden. Und ihre Organisation befand sich auf der Liste der Streichungen.
Eloise ignorierte den soeben geretteten Kaffe und las ungläubig den Artikel, woraufhin ihr Magen sich krampfhaft zusammenzog.
Da stand es schwarz auf weiß: Manhattan Multiples war ebenfalls von den Kürzungen betroffen. Der Bürgermeister hätte ihr genauso gut eine Pistole an die Schläfe setzen können. Oder auf ihr Herz.
„Wie kann er nur?“, fragte sie die in kühlem Pastellblau gehaltenen Wände ihres Büros in der Madison Avenue.
Ihr Büro war das Herz von Manhattan Multiples, einer Organisation, die sich für die Bedürfnisse von Frauen einsetzte, die einer Mehrlingsgeburt entgegensahen oder bereits Zwillinge, Drillinge oder noch mehr Kinder zur Welt gebracht hatten. Die Organisation war aus einer Selbsthilfegruppe entstanden, die Eloise gegründet hatte, und mit der Zeit zu einem Unternehmen herangewachsen, das drei Etagen eines zehnstöckigen Gebäudes einnahm. Außer Selbsthilfegruppen wurden Berufsberatung, Yoga, Geburtsvorbereitungs- und Meditationskurse sowie Kindertagesstätten angeboten. Es standen jederzeit Psychologen zur Verfügung, um die werdenden oder überforderten Mütter mit Rat zu unterstützen und mögliche Wege aus den Krisen aufzuzeigen.
Eloise kannte sich mit solchen Dingen gut aus. Sie hatte selbst schwierige Zeiten durchstehen müssen, als sie ihre drei Jungen bekommen hatte. Drei lebhafte Jungen, die jetzt in die Pubertät eintraten. Eine Phase, in der ihr aschblondes Haar wahrscheinlich so grau wie ihre Augen werden würde. Sie hatte damals keine Ahnung gehabt, wie sie mit drei Babys klarkommen sollte, hatte aus der Not eine Tugend gemacht und eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Dass daraus eine Organisation von diesem Umfang entstehen würde, hätte sie seinerzeit nie geglaubt. Heute war sie stolz darauf, jungen Müttern mit geschulten Personen zur Seite stehen zu können.
„Du willst uns also die staatliche Hilfe streichen?“ Eloise sah sich das Foto des Mannes an, den sie fast statt Walter geheiratet hätte. „Denk noch mal darüber nach, Billyboy. Wenn du glaubst, dass ich ohne Kampf kapituliere, dann irrst du dich gewaltig.“
Mit einem lauten Seufzer warf Eloise die Zeitung zur Seite und griff nach ihrer Kaffeetasse.
1. KAPITEL
Als Jason Mallory an diesem Morgen die Räume seines Investment- und Versicherungsbüro Mallory & Dixon betrat, gingen ihm viele Dinge durch den Kopf. So gewöhnliche Überlegungen wie die Frage, wo er den Abschnitt der Reinigung gelassen hatte, um das Jackett abholen zu können, das er am nächsten Tag anziehen wollte, bis hin zu den Bilanzzahlen seiner äußerst erfolgreichen Firma. Vor allem aber beschäftigte ihn die Tatsache, dass er so überraschend mit der Vergangenheit konfrontiert worden war.
Er fühlte sich genau elf Jahre in der Zeit zurückversetzt. In jene Zeit, als er noch auf der Highschool gewesen war. Damals war er ein Einzelgänger, ein Außenseiter gewesen, und seine Bücher, seine Ambitionen und Pläne waren alles gewesen, was er gehabt hatte. Er hatte etwas Besonderes werden wollen. Jemand, der Macht und Geld besaß. Eben ein Mann, den Mindy Conway bemerken würde. Sie war einer der Gründe, wenn nicht der Hauptgrund für seinen Ehrgeiz gewesen. Sie war sein Ansporn, ja das Ziel seiner Träume gewesen. Selbst dann noch, als sie die Stadt bereits verlassen hatte.
Während sie auf das Northwestern College ging, war er in New York geblieben und hatte zuerst das College und dann die Columbia-Universität besucht. Obwohl er wusste, dass er Mindy wahrscheinlich nie wiedersehen würde, hatte er unentwegt und fleißig auf sein Ziel hingearbeitet.
Nach einer Weile traf er dann Debra. Debra mit ihrem verführerischen Lächeln und einem atemberaubenden Hüftschwung. Warum sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht hatte, war ihm immer noch ein Rätsel. Obwohl es ihm damals sehr geschmeichelt hatte, dass eine Frau wie sie ihn bemerkt hatte und ihn sogar heiraten wollte.
Zumindest hatte ihm das am Anfang geschmeichelt, nach der Hochzeit änderte sich das jedoch leider schnell. So plötzlich wie Debra in sein Leben getreten war, so abrupt zog sie sich auch wieder von ihm zurück. Und zwar körperlich wie emotional. Er hatte keine Ahnung, warum alles so gekommen war. Ein weiteres Rätsel, doch eines, das er gar nicht lösen wollte. Der Schmerz über ihr Verhalten war immer noch zu groß, und er nahm an, dass das immer so bleiben würde.
Doch jetzt war unerwartet das Mädchen aus seiner Vergangenheit aufgetaucht. Hier in seinem Büro.
Hier am Schreibtisch.
Mindy.
Mindy in Fleisch und Blut, und sie war noch hübscher, als er sie in Erinnerung hatte.
Mindy war kein Mädchen mehr, sondern eine Frau. Eine wunderschöne Frau mit langem schwarzem Haar und den schönsten himmelblauen Augen, die er je gesehen hatte.
Und er war nicht mehr der stille, introvertierte Einzelgänger, den niemand bemerkte. Er war Jason Mallory, einer der besten Börsenmakler der Wall Street. Man riss sich um seine Tipps und Ratschläge.
Allerdings wäre er im Moment lieber in dreitausend Meter Höhe mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen, als seiner Jugendliebe gegenüberzustehen. Es war eine Liebe gewesen, die leider nie erwidert worden war.
Jasons Kehle war im Moment so trocken, dass er keinen Ton hervorbringen konnte.
Auch Mindy war wie vom Donner gerührt. Du lieber Himmel! echote es immer und immer wieder in ihrem Kopf. Du lieber Himmel! Ihr Herz setzte für einen Moment aus, um dann wieder heftig zu schlagen. Fassungslos schaute sie den Mann an, der gerade das Büro betreten hatte.
Jason? Jason Mallory?
Es war ihr absolut nicht in den Sinn gekommen, dass das Mallory auf dem Logo an der Tür etwas mit Jason zu tun haben könnte, dem Jungen, von dem sie auf der Highschool vier Jahre lang geträumt hatte. Wie viele Stunden hatte sie damit verbracht, sich vorzustellen, dass das Meer der Schüler auf dem Schulflur sich teilen und Jason auf sie zukommen würde.
Aber ihr Traum war nie Wirklichkeit geworden. Und sie hatte nie den Mut gehabt, Jason anzusprechen, außer am letzten Tag der Highschool. Damals hatte sie sich ihr Jahrbuch unter den Arm geklemmt, war entschlossen auf ihn zugegangen und hatte ihn gebeten, etwas für sie ins Buch zu schreiben. Sie war so aufgeregt gewesen, dass sie Angst gehabt hatte zu stottern, aber irgendwie war es ihr dann doch gelungen, einen zusammenhängenden Satz herauszubekommen, und sie hatte sogar ein Lächeln zustande gebracht.
Ich wünsche dir alles Gute für dein weiteres Leben. Jason.
Das war alles, was er geschrieben hatte. Aber es reichte ihr. Sie hatte wochenlang mit dem offenen Buch neben sich auf dem Kissen geschlafen.
Selbst als sie auf das Northwestern College gegangen war, um Journalistin zu werden, hatte sie noch für Jason geschwärmt. Sie hatte ihn wie einen Star verehrt, den man nur von der Leinwand her kannte. Und auch später hatte sie sich immer wieder die berühmte Frage gestellt: Was wäre gewesen, wenn …
Nur in der ersten glücklichen Zeit mit Brad war das anders gewesen. Aber die war viel zu schnell zu Ende gewesen, und schon bald hatte sie sich wieder in Gedanken vorgestellt, was gewesen wäre, wenn Jason damals anders reagiert hätte. Wenn er sie eingeladen und sie zusammen ausgegangen wären. Hätten sie sich dann verliebt und sogar geheiratet? Was wäre gewesen, wenn sie ihre Ehe in einem Apartment wie ihrem begonnen hätten?
Du lieber Himmel, das Leben war schon komisch. Sie hätte nie geglaubt, dass sie Jason noch mal treffen würde. Doch hier stand er und sah noch besser aus, als sie ihn in Erinnerung hatte.
Jason glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Vielleicht hatte der Stress, dem er ständig ausgesetzt war, schließlich seinen Preis gefordert.
„Mindy?“
Sie konnte nicht denken, konnte keine Antwort formulieren. Ein atemloses „Jason?“ war alles, was sie herausbekam.
Er schluckte nervös und holte tief Luft. „Mindy, was machst du hier?“
Noch während Jason diese Frage stellte, ärgerte er sich über sich selbst. Er klang plötzlich wieder wie der schüchterne Junge auf der Highschool. Was war nur mit ihm los? Er gab für Finanzgenies aus dem ganzen Land Seminare und traf sich regelmäßig mit Managern der bedeutendsten Firmen. Selbst wenn Mindy jetzt tatsächlich vor ihm saß, gab es keinen Grund, seine Selbstsicherheit zu verlieren. Er war ein angesehener Mann, der von allen respektiert wurde. Das konnte auch Mindy nicht ändern.
Also fragte er, was am nächsten lag: „Bist du hier, um dich bei deinen Finanzen beraten zu lassen?“ Sein Beruf gab ihm Sicherheit. Da konnte ihm niemand etwas vormachen.
Aber warum saß sie dann an dem Schreibtisch, der normalerweise von den Assistentinnen besetzt war, die seine Partnerin einstellte und die nie länger als ein paar Monate blieben?
Mindy war nicht in der Lage, den Blick von Jasons Gesicht zu wenden. Du meine Güte, er sieht noch attraktiver als früher aus, dachte sie und ärgerte sich gleichzeitig, dass sie solche Gedanken hatte.
„Nein“, antwortete sie rasch, „ich arbeite hier.“
Jason runzelte die Stirn. Er war nur vier Tage auf Geschäftsreise gewesen. „Seit wann?“
„Seit jetzt.“ Klang das vielleicht zu frech, dachte sie beklommen und warf rasch einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Seit ungefähr zehn Minuten.“
Er runzelte die Stirn. „Das verstehe ich nicht.“ Als er am Mittwochabend das Büro verließ, hatte noch eine junge rothaarige Frau von der Jobvermittlung hinter dem Schreibtisch gesessen. Besaß Mindy Crawford überhaupt ausreichende Qualifikationen für diese Arbeitsstelle?
Mindy wusste, dass sie die Schmetterlinge in den Griff bekommen musste, die in ihrem Bauch um ihre noch winzigen Zwillinge tanzten, wenn sie sich nicht vor Jason übergeben wollte. Schützend legte sie eine Hand auf ihren Bauch und hoffte, dass er diese mütterliche Geste nicht bemerken würde.
„Ms. Dixon hat mich eingestellt“, erklärte sie und versuchte, so professionell wie möglich zu klingen.
„Oh, hat sie das?“ Jason hob die Stimme, als er den Namen seiner Partnerin rief. „Nathalie?“
Die Anstrengung war unnötig. Seine Geschäftspartnerin und enge Freundin war bereits im Türrahmen erschienen. Um Nathalies Mund spielte ein amüsiertes Lächeln.
„Ich sehe, du hast unsere neue Assistentin bereits kennengelernt.“ Nathalies Blick glitt von Jasons gut geschnittenem Gesicht zu dem unglücklichen Ausdruck auf dem Gesicht ihrer neuen Angestellten hinüber. „Oh nein, Jason, du jagst doch unserer neuen Hilfe nicht bereits Angst ein, oder?“ Sie schenkte Mindy ein freundliches Lächeln. „Ich möchte nämlich, dass sie länger bei uns bleibt als die anderen.“
Als Antwort ergriff Jason Nathalies Arm, murmelte in Mindys Richtung eine kaum hörbare Entschuldigung und führte seine Partnerin aus dem Büro. Er schloss die Tür, bevor er sich Nathalie zuwandte. „Was zum Teufel soll das?“
Jason und Nathalie kannten sich schon sehr lange. Bereits auf der Columbia hatten sie zusammen Volkswirtschaft studiert. Nathalie hatte später als die meisten mit ihrem Studium begonnen, und wegen ihres Altersunterschiedes hatte sie Jason als jüngeren Bruder betrachtet, der hin und wieder emotionale Unterstützung brauchte. Sie war auf seiner Hochzeit gewesen und hatte ihn auch die schwierigen Jahre danach begleitet. Sie kannte ihn besser als jeder andere.
„Ich sorge dafür, dass unsere Firma optimal läuft, während du deine Vorhersagen vom Berge Sinai machst, mein Freund.“ Sie blickte ihn prüfend an, als ob sie von seinem Gesicht ablesen könnte, was hinter seinem Verhalten stand. „Wir haben beschlossen, unsere Aufgaben aufzuteilen, erinnerst du dich? Ich sollte mich um die Organisation des Büros und um unsere Kunden kümmern, während du Börse und Markt beobachtest, damit du auch weiterhin die Eingebungen hast, die unsere Firma so bekannt gemacht haben.“ Sie schaute über die Schulter zum vorderen Büro hinüber. „Mindy Richards scheint mir eine intelligente, fähige Frau zu sein, die eine Chance bekommen sollte, ihr Können unter Beweis zu stellen, bevor du sie in Grund und Boden stampfst.“
Richards? War Mindy verheiratet? Erst jetzt fiel ihm auf, dass er gar nicht auf ihre Hand geachtet hatte. Er war zu überrascht gewesen, um auf etwas anderes als auf ihr Gesicht zu schauen.
Natürlich war sie verheiratet. Was hatte er anderes erwartet? Wahrscheinlich hatte man sie sofort nach dem College vom Fleck weg geheiratet. Bei einer Frau wie Mindy hatten die Männer bestimmt Schlange gestanden. Obwohl er sich Mühe gab, konnte er das Gefühl des Verlustes nicht verdrängen, das plötzlich in ihm aufstieg. Erst als Nathalie ihn eindringlich anschaute, fand er seine Sprache wieder. „Wie konntest du sie einstellen, ohne mich zu fragen?“
„Ganz einfach. Ich habe dich noch nie gefragt. Und“, erinnerte sie ihn in diplomatischem Ton, „ich habe bisher auch noch nie etwas gesagt, wenn du sie wieder hinausgegrault hast. Aber ich schwöre dir, Jason, wenn du diese Frau hinausekelst, werden wir ein ernsthaftes Gespräch über dein Verhalten führen müssen.“ Ihre Stimme wurde etwas weicher. „Ich weiß, woher das kommt, aber es ist jetzt über ein Jahr her, dass …“
Er warf ihr einen finsteren Blick zu. „Das hat nichts damit zu tun“, erklärte er schroff. Nathalie stand ihm näher als jeder andere Mensch, aber selbst ihr war es nicht erlaubt, eine bestimmte Grenze zu überschreiten.
„Es hat sehr viel mit dir zu tun. Mit dir und mit dem, wie du geworden bist.“
Jason spürte, wie er sich verschloss. Selbst wenn er wollte, er hätte es nicht über sich gebracht, über den Tod von Debra zu sprechen. Genauso wenig wie er über die unglückliche Ehe mit Debra reden konnte. „Hör auf damit, Nat.“
Sie seufzte. Eigensinnig wie sie war, wusste sie dennoch, wann sie aufhören musste, mit dem Kopf gegen eine Mauer zu rennen.
„Also gut. Für jetzt. Und auch nur, weil wir beide noch eine Menge Arbeit vor uns haben“, sagte sie, damit er nicht glaubte, er hätte gewonnen. „Aber ich möchte, dass du dich in der Nähe dieser Frau benimmst, hörst du? Sie braucht diesen Job.“
Warum? fragte er sich. Warum brauchte Mindy einen Job, der nichts mit ihrer eigentlichen Ausbildung zu tun hatte? Warum konnte ihr Ehemann nicht für sie sorgen, bis sie eine passende Anstellung fand, die ihrer Vorbildung entsprach? Das ergab doch keinen Sinn.
Jason schaute seine Partnerin an. „Warum?“
Nathalie sah ihn erstaunt an. „Seit wann interessiert dich das Privatleben deiner Angestellten?“
„Das ist nicht fair.“ Verflixt, so ein Ekel war er nun wirklich nicht. Verärgert steckte er die Hände in die Taschen seiner italienischen maßgeschneiderten Hose.
„Also gut, du hast recht, das war nicht fair von mir.“ Sie legte schwesterlich eine Hand auf seine Schulter. „Aber ich mache mir Sorgen um dich, Jason“, gestand sie. „Ich frage mich, was deine selbst auferlegte Einsamkeit dir noch antun wird.“
Er wusste, dass sie es gut meinte, aber er war nicht in der Stimmung für solch ein Gespräch. „Ich komme gerade von einer Tagung mit dreitausend Leuten zurück“, verteidigte er sich und schüttelte ihre Hand ab.
„Man kann auch inmitten vieler Menschen allein sein. Deine Gedanken können dich isolieren.“ Sie legte den Kopf leicht zur Seite und sah ihn einen Moment an. Dann schien ihr eine Erkenntnis zu kommen, und ihre Augen weiteten sich. „Du kennst sie, nicht wahr?“ Als er keine Antwort gab, fuhr sie fort: „Wer ist sie? Eine ehemalige Freundin von dir? Hattest du etwa eine geheime, leidenschaftliche Affäre mit ihr?“ Sie lächelte. „Oh, Jason, das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“
„So war es nicht.“ Verdammt, wie kam sie nur auf derart wilde Vermutungen? Ob sie es nun gut meinte oder nicht, manchmal ging Nathalie ihm wirklich auf die Nerven.
„Ich kenne sie einfach nur.“
„Wie gut?“
„Wir sind zusammen auf die Highschool gegangen. Das ist alles“, betonte er und zog sein Jackett aus. Plötzlich kam es ihm im Büro viel zu warm vor.
Nathalie räusperte sich. „Also gut. Jetzt, da wir wissen, dass Mindy eine mysteriöse Bekanntschaft von dir ist …“
Warum musste Nathalie bloß unbedingt weiterbohren? Konnte sie nicht endlich Ruhe geben. „Es ist nichts Mysteriöses an unserer Bekanntschaft, Nathalie. Ich sagte dir doch …“
Sie schnitt ihm das Wort ab. „Oh, ich bin eher an dem interessiert, was du mir nicht sagst, Jason. Wenn man nur eine harmlose Schulbekanntschaft wiedertrifft, die einen vielleicht mal die Englischhausaufgaben abschreiben ließ, kommt man nicht so aus dem Gleichgewicht wie du im Moment. Da steckt mehr dahinter, darauf würde ich wetten.“
Sie warf ihm einen wissenden Blick zu, und das machte ihn noch wütender. Nathalie hatte Debra nie gemocht, und nach ihrem Tod hatte sie immer wieder versucht, ihn aus seiner Einsamkeit herauszureißen, obwohl er ihr oft genug zu verstehen gegeben hatte, dass sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern sollte.
„Dann würdest du verlieren, Nathalie.“
„Ich verliere nie.“ Nathalie warf mit einer schwungvollen Kopfbewegung ihr Haar zurück, und ihre wundervolle dunkelrote Pracht fiel wie ein glänzender, seidiger Vorhang über ihre Schultern. „Ich erleide lediglich hin und wieder einen Rückschlag, den ich wiedergutmache, wenn ich nur ausdauernd genug bin.“ Das war ein großartiges Motto für eine Firma, die von der Börse lebte, und es war auch Nathalies Lebensmotto.
„Entschuldigen Sie, ist irgendetwas nicht in Ordnung?“ Verlegen senkte Mindy die Hand. „Ich habe mehrere Male angeklopft. Doch Sie haben es wohl nicht gehört.“
Mindy hatte an ihrem Schreibtisch gesessen und so getan, als ob sie die lauter werdenden Stimmen nicht gehört hätte. Und sie hatte sich eingeredet, nicht zu ahnen, dass ihre Zukunft von dem Ausgang dieser Diskussion abhängen könnte. Aber es war ihr bewusst, und zwar nur allzu gut. Seit sie in New York angekommen war, hatte sie unzählige Vorstellungsgespräche geführt, und alle waren stets gut verlaufen, bis ihre Ehrlichkeit sie dazu veranlasst hatte, ihrem potenziellen Arbeitgeber zu gestehen, dass sie im dritten Monat schwanger war. Und zwar mit Zwillingen!
Und ich brauche diesen Job unbedingt, hatte sie jedes Mal in Gedanken hinzugefügt.
Zwar wusste sie, dass ihre Eltern sie sofort bei sich aufnehmen würden, aber das war nicht die Art, wie sie ihr neues Leben beginnen wollte. Sie wollte ihren Eltern nicht noch mehr schuldig sein. Es reichte schon, dass sie ihre Tochter emotional unterstützten und ihr Geld geliehen hatten, damit sie sich eine Wohnung anmieten konnte. Auch wenn das Apartment winzig war, es bedeutete ihr viel, endlich wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Und zu ihrer neuen Selbstständigkeit gehörte auch diese Anstellung.
Bis zu diesem Job hatte niemand Platz für eine schwangere Frau gehabt, von der man nicht wusste, ob sie nach der Geburt ihrer Kinder wieder zur Arbeit zurückkommen würde – ob sie es nun beteuerte oder nicht. Aber Nathalie Dixon hatte Verständnis für ihre Lage gezeigt und war bereit gewesen, ihr eine Chance zu geben. Und das bedeutete Mindy unglaublich viel. Die andere Frau war ihr auf Anhieb sympathisch gewesen.
Es war jedoch offensichtlich, dass sie Jason, den Schwarm aus ihrer Vergangenheit, überzeugen musste, dass sie die Richtige für diese Stelle war. Seltsam, wie das Leben manchmal spielte.
Sie fragte sich, wie viel Nathalie ihm wohl gesagt hatte. Da Jasons Blick jedoch nicht zu ihrem Bauch wanderte, wusste er wahrscheinlich nichts über ihren Zustand. Und das war im Moment das Beste. Sie würde einen Kampf nach dem anderen ausfechten.
„Nein“, sagte Jason schroff und warf Nathalie kurz einen Blick zu, bevor er sich Mindy zuwandte. „Es ist alles in bester Ordnung. Wir besprechen nur, wie wir dich am schnellsten einarbeiten können.“
Sie lächelte erleichtert. Vielleicht würde ja doch alles gut werden. „Das hört sich prima an.“
Das werden wir sehen, fügte Jason schweigend hinzu, das werden wir sehen.
2. KAPITEL
Jason warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war fast siebzehn Uhr. Endlich. Den ganzen Tag über hatte er das Gefühl gehabt, die Minuten würden vorbeikriechen. Er war nicht in der Lage gewesen, sich länger als zehn, fünfzehn dieser ewig dauernden Minuten zu konzentrieren. Wie sehr er auch versuchte, alles andere auszuschalten, seine Gedanken wanderten doch immer wieder zu der Frau hinüber, die im vorderen Büro saß.
Sein Mangel an Selbstdisziplin überraschte und ärgerte ihn gleichzeitig. Es war Jahre her, dass er seine Gedanken so wenig unter Kontrolle hatte.
Selbst nach Debras Tod war es ihm gelungen, den Schmerz und die Schuldgefühle in den Griff zu bekommen und sie in eine Ecke seines Herzens zu verbannen, damit er arbeiten konnte.
Das war damals das Wichtigste gewesen – seine Arbeit. Sie war der Sinn seines Lebens und seine Rettung gewesen. Sehr zur Erleichterung der vielen Anleger, die seine Firma beriet und die sich auf sein Wissen und seine Fähigkeiten verließen. Ohne ihn wären viele in den stürmischen Zeiten, die an der Börse herrschten, verloren gegangen.
Im Moment nütze ich ihnen allerdings gar nichts, dachte er und ärgerte sich über sich selbst.
Mit einem Seufzer schloss er den Ordner mit den Berichten, die er ohne großen Erfolg in der letzten halben Stunde durchgearbeitet hatte. Dann erhob er sich und fuhr sich mit der Hand durch das Haar.
Die Julisonne schien durch das Fenster, und er sah sein Spiegelbild in der Glasscheibe. Er bezweifelte, dass ihm irgendjemand ansehen würde, was in ihm vorging, genauso wenig wie die Lehrer und Mitschüler auf der Highschool damals von seiner Leidenschaft für Mindy gewusst hatten. Er hatte früh gelernt, seine Gefühle zu verbergen.
Aber deswegen waren diese Gefühle weder damals noch heute weniger real und intensiv gewesen.
Ich muss aufhören, so emotional auf Mindy zu reagieren, rief er sich zur Vernunft. Allerdings wusste er im Moment noch nicht, wie ihm das gelingen sollte. Hinzu kam, dass sie wirklich gut war und sich sofort mit Feuereifer in die Arbeit gestürzt hatte. Im Gegenteil zu den vielen kurzfristigen Aushilfen, die bereits durch sein Büro marschiert waren, brauchte er ihr eine Sache niemals doppelt zu erklären. Sie tat auch nicht so, als würde er in irgendeiner unbekannten Sprache mit ihr reden. Die Sprache der Finanzwelt war vielen Menschen völlig unverständlich, doch wenn Mindy ihn mit ihren strahlend blauen Augen anschaute, merkte er, dass sie begriff, was er sagte. Und das machte sie nach seiner Vorstellung zu einer ganz besonderen Person.
Aber das hatte er auch schon vorher gewusst.
Jason massierte sich die Schläfen, in denen es bedrohlich zu pochen begonnen hatte. Was ich jetzt brauche, ist ein ordentlicher Drink, dachte er. Er trank nicht oft Alkohol, aber diese Situation verlangte geradezu nach einem Whiskey.
Als es an der Tür klopfte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Nathalie klopfte nur äußerst selten an, sie kam normalerweise einfach herein. Der Gedanke, dass es einer seiner Mitarbeiter sein könnte, kam ihm erst gar nicht. Er wusste, dass sie es war.
Mindy.
„Komm herein.“
Und er hatte recht. Im nächsten Moment stand Mindy mit einem unsicheren Gesichtsausdruck im Türrahmen.
Er war es nicht gewohnt, sie so zu sehen. Die Mindy Conway, an die er sich erinnerte, war das Selbstvertrauen in Person gewesen. Strahlend und von sich selbst überzeugt.
Aber sie war nicht mehr Mindy Conway. Sie ist jetzt Mindy Richards, erinnerte er sich. Außerdem wirkte sie im Moment völlig verschüchtert und unsicher.
Was ist nur mit ihr geschehen? fragte er sich.
Mindy räusperte sich. Das letzte Mal, als er sie so verlegen gesehen hatte, hatte sie sich zwei verschiedenfarbige Schuhe angezogen und es erst bemerkt, als sie bereits im Klassenzimmer war.
„Es ist Büroschluss, und ich wollte …“
Die Worte hörten sich irgendwie falsch, irgendwie gestelzt an. Sie hatte plötzlich das Gefühl, sich im falschen Film zu befinden. Oder in einem Albtraum.
Mindy biss sich auf die Unterlippe und versuchte es erneut. Die Worte hörten sich immer noch seltsam an. Oder vielleicht war es nur die Situation. Hier stand sie nun und spielte Büro mit jemandem, den sie sich einst mit nur knapper Badehose bekleidet vorgestellt hatte. Schon auf der Highschool hatte sie Jasons breite Schultern und seine schmalen Hüften bewundert.
„Gibt es noch etwas, was ich für Sie tun kann, Mr. Mallory?“, erkundigte sie sich.
Sie sah, wie er die Stirn runzelte. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Als er sie am Nachmittag in ihre Arbeit eingeführt hatte, war er sehr reserviert gewesen und hatte eine direkte Anrede vermieden. In der Highschool hatte sie ihn wenigstens hin und wieder dabei ertappt, wie er zu ihr hinüberschaute. Doch jetzt benahm er sich, als ob sie ein Ärgernis wäre, das er der Umstände wegen hinnehmen musste.
„Nenn mich nicht so.“
Sie presste die Lippen zusammen. „Wie sonst?“
„Jason“, stieß er schroff hervor. „Schließlich kennen wir uns lange genug.“
Sie schüttelte den Kopf. „Aber du bist jetzt mein Chef, und irgendwie finde ich das vertraute Du jetzt unpassend.“
Er lachte kurz auf. „Ich dagegen finde es unpassend, dein Chef zu sein“, entfuhr es ihm.
„Wirst du mich feuern?“ Vor Angst stockte ihr der Atem.
Er sah sie verblüfft an. „Wie kommst du denn darauf?“
Würde das jetzt jeden Tag so gehen? Würde sie sich immer so unbehaglich in seiner Nähe fühlen? Sie wusste, dass sie in den letzten Tagen keine schlechte Arbeit geleistet hatte, doch seine Laune schien mit der Zeit immer schlechter zu werden.
Mindy hatte das Gefühl, sie würde sich mit jedem Wort noch tiefer hineinreiten. Ihr blieb jedoch wohl nichts anderes übrig, als ihm zu antworten. „Nun, zum einen runzelst du die Stirn.“
„Ich runzle immer die Stirn.“
Mindy hätte beinahe einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, als sie Nathalies Stimme hinter sich hörte. Sie drehte sich um und sah ihre Chefin in der Tür stehen. Offensichtlich war sie auf dem Weg nach Hause.
Ein humorvolles Glitzern lag in Nathalies Augen, als sie auf Mindy zuging. „Wissen Sie noch, wie Ihre Mutter Ihnen als Kind immer sagte, sie sollen keine Grimassen schneiden, weil sonst Ihr Gesicht irgendwann verzerrt bleiben könnte? Sehen Sie, Jason hat eben nicht auf seine Mutter gehört.“ Sie lachte über ihren eigenen Witz und tätschelte leicht Mindys Schulter. „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie heute großartige Arbeit geleistet haben, Mindy. Machen Sie weiter so.“ Sie sah bedeutungsvoll zu Jason hinüber. „Nun, ich muss gehen. Ich habe noch eine Verabredung“, verkündete sie.
Jason schaute auf den Kalender, um sich zu versichern, dass heute tatsächlich Montag war. Wochenanfang. „Eine Verabredung?“
„Ja, eine Verabredung.“
Nathalie lächelte und winkte ihrem Partner zu. „Einige von uns haben noch so etwas wie ein Privatleben“, erklärte sie. „Bis morgen dann, mein Lieber.“
Sie nickte Mindy freundlich zu und verließ die Firmenräume.
Nachdem Nathalie gegangen war, herrschte erst mal Schweigen, und Jason änderte nervös seine Position. Nathalie und er würden ernsthaft über ihre Anspielungen reden müssen.
„Nun, du hast es wahrscheinlich eilig, zu deinem Mann zu kommen“, wandte er sich an Mindy. Also dann bis morgen.“ Er schaute wieder auf den Bericht, vom dem er bisher kaum ein Wort verstanden hatte.
Er hat mich verabschiedet, dachte Mindy. Aber das war immer noch besser, als gefeuert zu werden. Trotzdem hielt etwas sie zurück, so von ihm zu gehen. „Das wird kaum möglich sein.“
Jason hob den Blick, und sie spürte, wie sich etwas in ihrem Bauch zusammenzog. Sie hoffte, dass ihre unmittelbare Reaktion auf Jason die Zwillinge nicht allzu sehr störte.
„Du kannst morgen nicht kommen?“
„Doch, ich wollte nur sagen, dass es mir nicht möglich ist, zu meinem Ehemann zu gehen.“
Da er selbst verwitwet war und dieses Trauma durchlebt hatte, kam ihm als Erstes in den Sinn, dass sie ihren Ehemann verloren haben könnte. Du lieber Himmel! Und er forderte sie auch noch auf, zu ihrem Mann nach Hause zu gehen. Wie taktlos er sein konnte.
„Oh, es tut mir leid.“
Sie hatte keine Ahnung, warum er sich jetzt bei ihr entschuldigte. „Es braucht dir nicht leidzutun.“ Das Bild, wie sie Brad mit der jungen Bürohilfe in einer eindeutigen Pose auf dem Schreibtisch vorgefunden hatte, stieg gegen ihren Willen in ihr auf. „Brad ist eine andere Geschichte.“
Verflixt, warum habe ich das gerade gesagt? schalt Mindy sich. Jason wollte bestimmt keine Einzelheiten aus ihrem Leben erfahren, und sie wollte auch nicht darüber reden.
Er überraschte sie, indem er sich vorlehnte. „Was meinst du damit?“
Panik stieg in ihr auf, gefolgt von einer Welle der Scham. Ihr Mann hatte sie betrogen. Nicht nur ein Mal, sondern mehrere Male. Und das, nachdem sie alles getan hatte, um ihm zu gefallen und ihm alles recht zu machen. Sie hatte sogar sich selbst aufgegeben und ihn trotzdem nicht glücklich machen können. Sie war unfähig, einen Mann zu halten, und es war ihr unangenehm, dass Jason das erfuhr. Sie wollte kein Mitleid in seinen Augen sehen. „Das willst du bestimmt nicht hören.“
„Ich hätte nicht gefragt, wenn ich keine Antwort hören wollte.“ Er lehnte sich wieder in dem Sessel zurück und erlaubte sich, Mindy zum ersten Mal richtig zu betrachten. Obwohl sie zweifellos eine Schönheit war, sah er dennoch Spuren von Stress auf ihrem Gesicht, die selbst ihr dezentes Make-up nicht überdecken konnte. Was hatte sie so mitgenommen? Was hatte sie für Probleme? Was war passiert, seit sie vor Jahren dieselbe Schule besucht hatten. „Was machst du hier, Mindy?“
Sie hob leicht das Kinn. „Arbeiten.“
„Und außerdem?“
Sie schaute zur Tür hinüber, in der noch vor Kurzem Nathalie gestanden hatte. „Ich versuche, nach Hause zu gehen.“
Jason seufzte. Was war nur über ihn gekommen? Was hatte er davon, wenn er seine Nase in ihre Angelegenheiten steckte? Er hasste es doch selbst, wenn man ihn ausfragte. Das Mindeste, was er tun konnte, war, sie so zu behandeln, wie er selbst behandelt werden wollte.
Er winkte ab. „Entschuldige, ich wollte dich nicht aufhalten.“
Dieses Mal tat es weh, dass er sie so abservierte. Sie hatte ihn mit ihren Antworten nicht vor den Kopf stoßen wollen. „Nein, entschuldige. Ich war eben nicht sehr höflich zu dir. Du hast mir eine Frage gestellt, und ich hätte dir ordentlich darauf antworten sollen.“ Sie straffte die Schultern. „Der Grund, warum ich nicht zu meinem Mann nach Hause gehe, ist, dass ich geschieden bin. Beziehungsweise in Scheidung lebe.“ Die Scheidung stand kurz bevor. Und sie konnte es kaum erwarten.
Geschieden. Mindy war geschieden. Er und Debra wären jetzt auch geschieden, wenn sie nicht bei dem Unfall ums Leben gekommen wäre. Eine Welle des Mitgefühls durchströmte ihn. „Oh, das tut mir leid.“
Oh nein, war das etwa Mitleid, was sie da in seinen Augen sah? Mitleid würde sie nicht akzeptieren. Und schon gar nicht von dem Mann, von dem sie so lange geträumt hatte.
„Mir nicht.“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Wenn sie sich beeilte, könnte sie ihren Arzttermin um siebzehn Uhr vierzig bei den Manhattan Multiples noch wahrnehmen.
Er bemerkte, wie sie auf die Uhr schaute. Ich halte sie auf, dachte er. Wahrscheinlich kann sie es kaum erwarten, von mir wegzukommen. Jason wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Bericht zu. „Wir sehen uns dann morgen.“
Das war ihr Stichwort. Sie war entlassen. Trotzdem blieb sie noch einen Moment stehen. Sie musste noch etwas wissen. „Dann war sie in Ordnung? Ich meine, meine Arbeit?“
„Du hast gute Arbeit geleistet. Überraschend gute Arbeit.“ Er sah, wie sie die Augenbrauen zusammenzog, und ihm wurde klar, dass sie seine Bemerkung wahrscheinlich als Beleidigung aufgefasst hatte. „Ich dachte nicht, dass du mit dieser Art von Arbeit so vertraut bist“, fügte er rasch hinzu.
Sie war dankbar, dass sie damals auf dem Northwestern College neben Journalismus auch Betriebs- und Volkswirtschaftskurse belegt hatte. „Wenn man überleben will, muss man eben flexibel sein.“
„Das ist zweifellos wahr.“ Er schloss den Ordner. Dieses Mal endgültig. Es war unnötig, noch länger seine Zeit damit zu verschwenden. Ihm fehlte es heute einfach an Konzentration „Und Mindy …“
Sie blieb an der Tür stehen und schaute ihn über die Schulter an. „Ja?“
„Nenn mich morgen bitte Jason. Wenn du ‚Mr. Mallory‘ zu mir sagst, komme ich mir vor wie ein alter Mann.“
An dir ist absolut nichts alt, dachte sie. Er war attraktiv und gut gebaut, aber ganz bestimmt nicht alt. „Gut, dann noch einen schönen Abend, Jason. Bis morgen.“
Als sie hinausging, merkte sie nicht, dass er ihr gedankenverloren nachschaute.
„Sie können jetzt aufstehen.“
Mindy stützte sich auf die Ellbogen, kam schwerfällig hoch und setzte sich dann auf den Rand der Untersuchungsliege. Als sie das markante Profil von Dr. Derek Cross betrachtete, wurde ihr bewusst, dass sie den Atem anhielt. Doch sie konnte nichts von dem Gesicht des Arztes ablesen.
„Ist alles in Ordnung, Dr. Cross? Mit den Babys meine ich?“, fügte sie hinzu, als er sie anschaute.
„Es könnte nicht besser sein.“ Er hängte sich das Stethoskop um seinen Hals, und Lara Mancini, die Schwester, entfernte das Gerät, das es Mindy ermöglicht hatte, die Herztöne ihrer Babys zu hören. Er schaute zu seiner Patientin hinüber und lächelte. „Aber ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie Ihre mädchenhafte Figur schon bald verlieren werden.“
Daran hatte sie gar nicht mehr gedacht. Mindy biss sich auf die Unterlippe, während ihre Gedanken automatisch zu Jason wanderten. Sie war normalerweise kein sehr eitler Mensch, aber dieses Mal war es anders. Sie hoffte inständig, dass ihr noch ein wenig Zeit blieb, bevor sie wie ein Hefeteig auseinanderging.
„Werde ich sehr dick werden?“
Derek schaute zu der Schwester hinüber und lachte. „Nur wenn Sie die Schwangerschaft als Freikarte benutzen, alles in sich hineinzustopfen. Wenn Sie vernünftig essen und Gymnastik machen, werden Sie kaum mehr Kilos auf die Waage bringen, als Ihre Kinder wiegen werden.“
Gymnastik? Gab es bei den Manhattan Multiples vielleicht auch einen Fitnessclub? „Wie viel Sport darf ich denn treiben?“
Derek machte sich einige Notizen auf ihrer Karteikarte. „Nun, ich würde Ihnen nicht zum Fallschirmspringen raten, aber in vernünftigem Maß können Sie alles tun, was Sie bisher gewohnt waren.“ Er sah zu ihr hinüber. „Eine meiner Patientinnen spielte Tennis bis zum achten Monat. Sie hatte allerdings auch keine Zwillinge. Überanstrengen Sie sich nicht, aber Sie brauchen sich auch nicht übertrieben zu schonen.“
Lara lachte. „Als ob eine berufstätige Frau das könnte.“
Der Arzt nickte nur.
Mindy schaute zu Lara hinüber. Sie fand es immer noch unglaublich, dass die Frau, die sie einst in Filmen gesehen hatte, sich jetzt um sie kümmerte. Es war kein Geheimnis, sondern von der Klatschpresse ordentlich ausgeschlachtet worden, dass Lara Mancini eine vielversprechende Filmkarriere aufgegeben hatte, um sich ihren Herzenswunsch zu erfüllen und Krankenschwester zu werden.
Wenn Lara es geschafft hat, sich ein völlig neues Leben aufzubauen, dachte Mindy, wenn sie es geschafft hat, winkenden Ruhm und Reichtum in den Wind zu schreiben, um ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben, dann muss es ein Kinderspiel sein, meinem Leben eine neue Richtung zu geben. Schließlich lasse ich nur einen untreuen Ehemann zurück und keine Karriere, überlegte sie weiter.
Brad hatte nie gewollt, dass sie arbeitete, obwohl sie eine gute Ausbildung und einen Abschluss in Journalismus hatte. Ihr Platz war an seiner Seite, hatte er immer und immer wieder behauptet. Obwohl er mehr als ein Mal vergessen hatte, wo sein Platz war. Weil sie ihn liebte, hatte sie auf ihn gehört. Außerdem war immer genug Geld da gewesen, also hatte sie keinen Grund gesehen, warum sie ihn verärgern und berufstätig werden sollte.
Allerdings hatte sie ihn immer um das Geld bitten müssen. Obwohl er immer großzügig gewesen war, hatte sie das im Grunde beschämt. Manchmal war sie sich regelrecht wie eine Bettlerin vorgekommen. Sie hatte nie das Gefühl gehabt, dass es auch ihr Geld gewesen war, und sie war sich immer so abhängig vorgekommen wie ein Kind im Elternhaus.
Wie hatte sie es nur so lange bei Brad aushalten können? Warum hatte sie derart lange wie eine Marionette die Bedürfnisse ihres Ehemanns erfüllt und seine Affären geduldet?
„Stimmt etwas nicht?“, brach Laras sanfte Stimme in ihre Gedanken ein.
Mindy verdrängte rasch die unguten Erinnerungen, die sie zu überwältigen drohten. Das liegt jetzt alles hinter dir, erinnerte sie sich. Sie schaute zu Lara hinüber. „Nein, warum?“
„Sie hatten einen so seltsamen Gesichtsausdruck. Das ist alles.“ Lara hielt den Tonfall ihrer Stimme auch weiterhin unbeschwert und fröhlich. „Falls Sie Fragen haben, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Oder wir können auch einfach nur reden.“ Lara sah sie freundlich an. „Sie sind die letzte Patientin des Tages.“
Mindy war gerührt. Du musst aufhören, so viel Selbstmitleid mit dir zu haben, befahl sie sich. Sie war von Menschen umgeben, die sich ernsthaft um sie und ihre Babys sorgten. Das war wichtig und nicht die Tatsache, dass sie in ein paar Monaten wahrscheinlich den Bauchumfang eines Wales haben würde.
„Danke, aber ich habe nur nachgedacht.“ Durch die Nähe, die plötzlich zwischen den beiden Frauen entstanden war, wagte sie es, eine Frage zu stellen, die sie interessierte. „Vermissen Sie es?“
Lara nahm das Papier von der Untersuchungsliege und warf es in den Abfalleimer. „Was soll ich vermissen?“
Mindy wollte sich vergewissern, ob der Arzt ihrem Gespräch zuhörte, und schaute zu ihm hinüber. Doch der war immer noch damit beschäftigt Notizen zu machen. „Na, Ihren Beruf.“
Lara lächelte, als ob Mindy eine unsinnige Frage gestellt hätte. „Das ist jetzt mein Beruf.“
Mindy wollte die Frau nicht vor den Kopf stoßen, aber sie konnte ihre Neugierde einfach nicht zurückhalten. „Ich meine, das Filmen, Ihren Beruf als Schauspielerin.“
Lara schien die Frage zu überdenken und warf dem Arzt, der jetzt zu ihr hinüberschaute, einen kurzen Blick zu. Es war offensichtlich, dass die beiden sich zueinander hingezogen fühlten. „Ob ich es vermisse, den ganzen Tag herumzusitzen und darauf zu warten, dass ich zwei Minuten drehen darf? Und dabei weiß man noch nicht mal, ob diese Szene nicht später herausgeschnitten wird? Nein, ich bin ein aktiver Mensch und arbeite gern. Und glauben Sie mir, hier gibt es immer genug zu tun.“ Sie lächelte und schaute erneut zu dem Arzt hinüber, der jetzt das Krankenblatt zur Seite legte und Mindy ansah.
„So, wir werden uns dann in zwei Wochen wiedersehen.“
„Ich dachte, ich sollte nur einmal im Monat kommen?“
„Das war lediglich am Anfang“, erklärte er. „Da Sie Zwillinge erwarten, wollen wir auf dem Laufenden sein, damit auch alles glatt läuft. Außerdem können Sie immer kommen und uns Ihre Probleme erzählen. Schwangere haben es oft nicht leicht, und schon gar nicht, wenn sie mehrere Kinder erwarten. Seien Sie sicher, dass Sie bei uns immer ein offenes Ohr finden werden.“
Mindy wusste, dass noch viel auf sie zukam. Aber sie war entschlossen, einen Fuß vor den anderen zu setzen und jedes Problem anzugehen, wenn es sich stellte. Sich vorher verrückt zu machen, würde ihr nur unnötig Kraft rauben.
Zwar war die Versuchung groß, Laras Angebot anzunehmen und noch ein wenig länger mit ihr zu plaudern, aber sie war doch zu erschöpft, um ihr nachzugeben. Alles, was sie wollte, war ein Bett. Sogar das Essen war im Moment nebensächlich.
„Wann hört es auf, dass ich ständig so müde bin?“, wollte sie wissen.
„Wenn Sie Glück haben, in achtzehn Jahren.“ Er schaute zu Lara hinüber. „Kommen Sie mit, Schwester?“
Lara lächelte. „Sofort, Herr Doktor.“
Zwischen den beiden läuft etwas, dachte Mindy.
Oder zumindest bahnte sich etwas an. Die Blicke, die die beiden sich zuwarfen, sprachen Bände. Und obwohl Mindy es den beiden von Herzen gönnte, spürte sie so etwas wie Neid in sich aufsteigen.
3. KAPITEL
Eloise stand gedankenverloren in dem Flur vor ihrem Büro. Bisher hatte sie es nicht geschafft, zu Bill Harper durchzudringen. Seine Assistenten hüteten ihn wie einen Staatsschatz.
Sie konnte einfach nicht verstehen, dass die Stadt New York eine Organisation wie ihre, die so vielen Frauen half, nicht weiter unterstützen wollte. Bills Verrat schmerzte immer noch. Wie konnte er nur so gemein zu ihr sein? Warum hatte er nicht einfach mit ihr geredet? Ich bin schließlich nicht unerreichbar, dachte sie, als sie einer Gruppe neuer Mitglieder zunickte, die an ihr vorbei zum Waschraum ging.
Sie hatte ein großes Herz und viel zu viel Liebe, und das war auch der Grund, warum sie dieses Center gegründet hatte. Sie hatte etwas gebraucht, mit dem sie ihre Energie und Liebe kanalisieren konnte. Sie brauchte etwas, um die Leere zu füllen, die entstanden war, als man ihr Walter genommen hatte.
Selbst ihre lebhaften Söhne, die sehr viel Kraft forderten, hatten dieses Problem nicht lösen können. Und als sie älter wurden, brauchten Carl, Henry und John sie natürlich immer weniger. Das war der Lauf der Welt. Sie würden bald in die Welt hinausgehen, ihre Schwingen erproben und ihre eigenen Wege gehen. So wie es ja auch sein sollte.
So war aus einer Selbsthilfegruppe die Idee von dem Center geboren, und sie hatte die Leitung übernommen, hatte die Quintessenz ihrer eigenen Erfahrung zur Verfügung gestellt und sich mit anderen kompetenten Leuten um jede schwangere Frau gekümmert, die dieses Center betreten hatte.
Sie ging auf Menschen zu, und die Menschen öffneten sich ihr gern.
Warum hatte ausgerechnet Bill sie ausgeschlossen?
Mit einem Seufzer steckte Eloise die Hände in die Taschen ihres blauen Rocks.
„Wenn Sie noch länger hier stehen bleiben, wird noch jemand Sie umrennen“, bemerkte Allison Baker, Eloises persönliche Beraterin, die sich jetzt zu ihrer Chefin gesellte. „Stimmt etwas nicht?“
Mit einem Kopfschütteln versuchte Eloise, wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Eine Sekunde lang war sie versucht, ihre Sorgen um Manhattan Multiples mit Allison zu teilen, doch dann entschied sie sich dagegen.
Verflixt, sie wünschte sich, sie hätte eine Antwort.
Dann bemerkte Eloise, dass ihre Assistentin immer noch auf eine Antwort wartete, und Eloise sagte das Erste, das ihr in den Sinn kam. „Ich denke nach, das ist alles.“
Allison nickte verständnisvoll. „Über die Budgetkürzungen des Bürgermeisters?“
Allison war sehr intuitiv, und diese Frage hätte Eloise nicht überraschen sollen. Alle Angestellten von Manhattan Multiples sprachen davon und fragten sich, ob sie sich woanders bewerben sollten. Niemand wollte freiwillig das Center verlassen. Selbst in den anstrengendsten Zeiten machte es Freude, hier zu arbeiten.
„Ja.“
Allison drückte den dicken Ordner, den sie in den Armen hielt, noch ein wenig fester gegen die Brust. „Was haben Sie jetzt vor?“
Eloise warf den Kopf in den Nacken. „Kämpfen, natürlich.“ Daran hatte sie nie einen Zweifel gehabt. Sie war schon immer mutig für ihre Überzeugungen eingetreten. Und das würde sich auch jetzt nicht ändern.
„Ich gehöre nicht zu jenen Frauen, die sich zurücklehnen und zuschauen, wie ihr Nagellack trocknet. Manhattan Multiples wird noch lange nicht die Türen schließen. Wir werden alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen und mit Wohltätigkeitsveranstaltungen für uns werben. Es werden sich schon finanzkräftige Spender finden. Wenn Bill Harper glaubt, wir würden kampflos aufgeben, dann hat er sich gründlich geirrt.“
Es waren inzwischen fünf Tage vergangen.
Jason blätterte die Seiten in seinem Kalender um. Es wurde Zeit, dass er aufhörte, eine Schwachstelle in ihrer Arbeit zu finden. Bewusst oder unbewusst hatte er ständig nach Fehlern gesucht, nach einer Möglichkeit, Mindy dazu zu bringen, aufzugeben und zu kündigen.
Es war echte Ironie des Schicksals. Wer hätte jemals gedacht, dass er eines Tages versuchen würde, Mindy Conway loszuwerden?
Mindy Richards, erinnerte er sich. Sie war jetzt Mindy Richards, und ob mit oder ohne Ehemann, sie hatte keinen Platz in seinem Leben.
Nichts und niemand hatte einen Platz in seinem Leben, ausgenommen seine Arbeit natürlich. Seine Kunden zahlten gutes Geld für seinen Rat. Er war ihnen hundertfünfzig Prozent seiner Fähigkeiten schuldig. Sie bezahlten ihn nicht, damit er ununterbrochen an Mindy dachte und sich vor Sehnsucht nach ihr verzehrte.
Jetzt hatte er es ausgesprochen, wenn auch nur in Gedanken. Er sehnte sich nach ihr. Er begehrte sie. Er wollte sie in jedem Sinne des Wortes. Kein Arbeitgeber sollte so für eine seiner Angestellten empfinden. Zu leicht wurden Grenzen überschritten.
Was er natürlich nicht getan hatte. Er hatte sie nie berührt oder gar belästigt. Er hatte kaum ein Wort zu ihr gesagt, was nicht mit der Arbeit verbunden gewesen wäre. So wie er sie behandelte, könnte sie genauso gut eine Fremde sein.
Doch das war sie eben nicht.
Er würde sich selbst keinen Gefallen tun, wenn er ihr kündigte. Sie war so verflixt gut, so ungeheuer fleißig. Die Arbeit schien ihr Spaß zu machen. Nathalie meinte bereits, dass Mindy unbezahlbar wäre und dass sie nicht wüsste, wie sie die ganzen Jahre ohne sie ausgekommen wären.
Er konnte Nathalie verstehen. Eine so gute Assistentin wie Mindy an ihrer Seite zu wissen, ermöglichte es Nathalie endlich, ihr eigenes Leben ein wenig mehr zu genießen. Es war nicht so, dass Nathalie bisher wie eine Nonne gelebt hätte. Sie war zwei Mal verheiratet gewesen und ebenso oft geschieden. Nathalie wusste, wie man sich amüsierte und das Leben in seiner Fülle auskostete.
Dass er wie ein Mönch lebte, war ihr immer ein Dorn im Auge gewesen, und Nathalie schien es sich zu ihrem obersten Ziel gemacht zu haben, ihn für die Frauenwelt zurückzugewinnen. Die Aushilfen, die sie vor Mindy eingestellt hatte, waren sicherlich nicht allein wegen ihrer Fähigkeiten, sondern vor allem wegen ihres guten Aussehens eingestellt worden. Eine war hübscher als die andere, aber leider nicht mit einem hohen Intelligenzquotienten gesegnet gewesen.
Was ihn wieder zu Mindy zurückbrachte.
Mindy besaß beides. Schönheit und Intelligenz. Es war eine Kombination, der ein Mann kaum widerstehen konnte. Wenn er nicht diese katastrophale Ehe hinter sich hätte, wäre er versucht, jede Vernunft in den Wind zu schlagen und Mindy zum Abendessen einzuladen.
Und damit den Problemen Tür und Tor zu öffnen.
Trotzdem war Mindy Richards das Beste, was Mallory & Dixon seit der Firmengründung geschehen war. Und wenn er sie nicht verjagen wollte, war es wohl besser, er hielte seinen Mund. Er hatte im Grunde kein Recht, ihr zu sagen, was ihm durch den Kopf ging.
Vielleicht hatte er ja Glück, und sie war schon nach Hause gegangen.
Doch bevor er überhaupt den Fuß in ihr Büro gesetzt hatte, wusste er bereits, dass Mindy immer noch an ihrem Schreibtisch saß. Zum einen, weil sie nie nach Hause ging, ohne sich zu verabschieden. Zum anderen, weil er ihr Parfüm wahrnahm. Es war ein Duft, den er nie vergessen würde.
Und richtig. Sie saß immer noch hinter ihrem Schreibtisch und fuhr gerade ihren Computer herunter. Einen Moment lang blieb er stehen und schaute sie hingerissen an. Warum hatte jede Bewegung, die sie machte, bloß eine solche Wirkung auf ihn?
Du bist ein erwachsener Mann, rügte er sich. Hör gefälligst auf, solch einen Unsinn zu denken. Doch auch das half nicht. Er musste etwas sagen, bevor sie sich umdrehte und ihn dabei ertappte, wie er sie anstarrte. Er wollte nicht, dass sie auf die Idee kam, er könnte etwas von ihr wollen.
Um sie nicht zu erschrecken, räusperte sich Jason. „Machst du Schluss für heute?“
Fast glaubte Mindy, sich den Klang seiner Stimme nur einzubilden, aber als sie sich langsam mit dem Schreibtischstuhl umdrehte, sah sie, dass er tatsächlich auf sie zukam. In den vergangenen Tagen hatte er nicht sehr viel mit ihr geredet. Gerade das Nötigste, um ihr einige Dinge zu erklären. Und dann war er wieder in sein Büro verschwunden und hatte sie mit ihrer Fantasie allein gelassen.
Mindy wies mit dem Kopf zum Ausgang hinüber. „Es ist nach fünf. Ich wollte gerade nach Hause.“ Sie schaltete den Computer aus und griff nach ihrer Handtasche. „Es sei denn, du brauchst mich noch.“
Er musste unwillkürlich lachen. Wenn sie nur wüsste, dachte er. Wenn sie nur wüsste, wie sehr ich sie brauche.
Jason sah, wie ein bezauberndes Lächeln auf ihr Gesicht trat. „Ich habe vergessen, dass du das kannst.“
Er konnte ihr nicht ganz folgen. „Dass ich was kann?“
„Lachen. Allerdings muss ich zugeben, dass du bereits auf der Highschool wenig gelacht hast“, sagte sie. Aber wenn er es mal getan hatte, war ihr der angenehme Klang seines Lachens durch und durch gegangen.
Jason lehnte sich gegen den Schreibtisch, verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie überrascht an. „Ich dachte immer, du hättest mich in der Schule gar nicht bemerkt.“
„Ich bat dich, etwas in mein Jahrbuch zu schreiben“, erinnerte Mindy ihn.
Das hatte damals zwar Eindruck auf ihn gemacht, trotzdem war er deswegen nicht auf die Idee gekommen, dass sie an ihm interessiert sein könnte. Sein Selbstwertgefühl war nie besonders groß gewesen. „Ich nahm an, dass du alle Schüler fragen würdest.“
Sie sah ihn eine Sekunde an. War das sein Ernst? War er sich denn nicht bewusst gewesen, wie viele Mädchen gern mit ihm ausgegangen wären? Dass er ihr absoluter Schwarm gewesen war? Sie hatten alle den Atem angehalten, als sie darauf warteten, wen er wohl zum Abschlussball einladen würde. Und als er dann gar keine fragte und nicht am Ball teilnahm, dachten sie: Wieder mal typisch Jason. Er stand eben über solch profanen Dingen wie Abschlussbällen.
„Für alle hätte es in meinem Buch wohl kaum Platz gegeben, aber immerhin für die, die ich unbedingt in meinem Jahrbuch verewigt haben wollte.“ Du lieber Himmel, hört sich das so an, als ob ich mit ihm flirten will? überlegte Mindy besorgt. Sie hoffte inständig, dass die Wärme, die sie jetzt durchflutete, sich nicht in ihrem Gesicht zeigte.
Er zuckte mit den Schultern. Mindy wollte sicherlich nur höflich sein. Das war vermutlich alles.
„Unsere Wege haben sich auf der Schule nicht gerade gekreuzt.“ Sie hatte stets an jedem größeren Ereignis teilgenommen, das in der Schule stattfand, während Jason immer für sich geblieben war und sich auf seine Ziele konzentriert hatte. „Aber immerhin warst du in einem Jahr in meinem Mathe- und meinem Volkswirtschaftskurs.“
Er war überrascht, dass sie das noch erinnerte, aber er bezweifelte, dass sie ahnte, dass er immer sehr früh in das Klassenzimmer gegangen war, nur um sie durch die Tür kommen zu sehen. Wie sehr hatte er sich damals gewünscht, dass er der einzige Junge in ihrer Nähe gewesen wäre.
Flirten war nicht seine Stärke. Er war kein Mann, der Risiken einging, seine Art von Risiken waren kalkulierte Aktionen. Sich einer Frau preiszugeben und sich dadurch in eine verletzliche Position zu bringen, das waren Dinge, die nicht zu seiner Vorgehensweise gehörten.
„Wirklich? Ich erinnere mich gar nicht daran.“
Natürlich würde sie ihm nicht gestehen, dass sie sich sogar noch an die Sachen erinnern konnte, die er damals getragen hatte. Dabei sah sie noch heute den schwarzen Rollkragenpullover vor ihrem geistigen Auge, der sein Lieblingspullover gewesen war, und diese verwaschene enge Jeans, die seinen knackigen Po und seine langen Beine mit den durchtrainierten Oberschenkeln betont hatte.
Um ihr Gesicht zu wahren, zuckte Mindy nur beiläufig mit den Schultern. „Man konnte dich kaum übersehen“, bemerkte sie. Damit er nicht auf falsche Gedanken kam, fügte sie rasch hinzu: „Du hast vor Terry Malone gesessen.“
Terry Malone. Groß. Blond. Reich. Perfekt. Hätte er ein Foto von diesem Kerl gefunden, hätte er es als Zielscheibe zum Pfeilwerfen auf der Rückseite seiner Schlafzimmertür angebracht.
„Richtig. Dein Freund.“
Mindy sah ihn scharf an. Woher wusste Jason das, wenn er sie so wenig beachtet hatte, wie er sie glauben lassen wollte?
Eine Welle der Genugtuung durchlief sie. Sie lächelte. „Das alles liegt schon so lange zurück.“
„Ja, nun …“
Jason straffte sich und schaute zum Ausgang hinüber. Er sollte gehen. Jetzt. Bevor er noch etwas Dummes sagte, was er nicht wieder zurücknehmen konnte.
Er wird gehen, dachte Mindy. Zurück in das Leben, das er außerhalb der Firma führte. Während sie an ihren Abenden und den kommenden Wochenenden versuchen würde, ihr winziges Apartment in ein Heim zu verwandeln.
Plötzlich hatte sie gar keine Lust mehr, nach Hause zu gehen, hatte keine Lust mehr, allein zu sein.
Ich kann ja zu den Manhattan Multiples gehen, dachte sie. Da gab es immer jemanden, mit dem sie reden konnte. Sogar noch um zehn Uhr abends. Sie könnte auch Lara Mancinis Angebot annehmen, sollte die Frau heute Abend noch dort sein.
Oder sie könnte ihre Eltern besuchen. Ihre Eltern gaben ihr immer das Gefühl, willkommen und geliebt zu sein.
Sie wollte jedoch heute Abend weder die Patientin noch die Tochter sein. Sie wollte sich so fühlen, wie sie sich früher mal gefühlt hatte. Früher, als sie noch geglaubt hatte, dass die Welt ihr zu Füßen läge, wenn sie nur wollte. Und nicht wie eine Frau, deren Mann ihr Selbstvertrauen zerstört und sie betrogen hatte und der sein eigen Fleisch und Blut nicht annehmen wollte. Wie sehr sehnte sie sich nach dem unbeschwerten glücklichen Leben, das sie geführt hatte, als sie die Highschool verließ.
Ohne es zu wollen, entfuhr Mindy ein Seufzer. Mindy mochte ihn nicht beachtet haben, aber dafür hatte Jason es getan. Er blieb stehen, drehte sich um und sagte etwas, was er eigentlich nie hatte sagen wollte.
„Hast du Lust, irgendwo mit mir einen Kaffee zu trinken?“ Seine Stimme klang zaghaft.
Er sah, wie Mindy ihren Kopf hob und wie ein Leuchten in ihr Gesicht trat. „Gern.“
Du hast gerade einen fatalen Fehler gemacht, stellte er fest.
Die Warnung hallte in seinem Kopf wider. Doch seine eigenen, ausgesprochenen Worte übertönten sie. „Also gut, gehen wir.“
Sie war aufgestanden und griff nach ihrer Handtasche. „Gehen wir.“
4. KAPITEL
Sie saßen draußen an einem Zweiertisch in einem der Cafés in der Nähe des Büros, und Jason betrachtete das schimmernde Muster, das die Sonnenstrahlen auf seinen Kaffee zeichneten. Der Lärm der Großstadt umgab sie. Aber Mindy und er waren sich nur allzu sehr des Schweigens bewusst, das zwischen ihnen herrschte.
Er musste sich eingestehen, dass er nicht nachgedacht hatte.
Seine Einladung war einzig und allein aus dem Wunsch entstanden, Mindys Gesellschaft zu genießen. Er hatte nicht daran gedacht, dass er, um das zu tun, auch mit ihr reden musste.
Doch zu reden, wenn es nicht um Aktien, Investmentfonds oder die Börse ging, fiel ihm nicht leicht. Das war schon immer so gewesen. Er war einfach kein guter Unterhalter. Auch jetzt wollte ihm nicht einfallen, was er ihr sagen könnte.
„So“, war alles, was er hervorbrachte. Das einsilbige Wort schien wie ein Stein auf den Grund seiner Kaffeetasse zu fallen.
Mindy sah ihn über den Rand ihrer Cappuccinoschale hinweg an und lächelte. „So“, wiederholte sie und wartete darauf, dass er die Unterhaltung begann.
So komme ich nicht weiter, dachte er bedrückt. Am besten ist, ich stelle Fragen, damit wird das Interesse von meiner Person abgelenkt, überlegte er sich eine Strategie, wie er es immer tat. Er nahm einen Schluck von dem guten, starken Kaffee und wagte sich dann vor. „Willst du nicht die Lücken füllen?“
Sie legte den Kopf leicht schief und sah ihn fragend an. „Wie bitte?“
Ich muss anfangen, verständlicher zu reden, ermahnte er sich. Sonst verheddere ich mich noch und rede mich um Kopf und Kragen.
„Na, die Lücken zwischen deinem Collegeabschluss und deinem Erscheinen bei Mallory & Dixon.“ Er rechnete rasch nach. „Das sind ungefähr elf Jahre, nicht wahr?“
Elf Jahre. Diese Bemerkung bestürzte sie. Du meine Güte, war es tatsächlich schon elf Jahre her? Waren tatsächlich elf Jahre vergangen, seit sie das College verlassen hatte, fest entschlossen die Welt zu erobern?
Es schien fast nicht möglich.
Sie hatte das Gefühl, dass nicht mehr als ein Augenblinzeln zwischen jener Zeit und dem Jetzt lag. Ein Jahr, vielleicht zwei, aber auf keinen Fall mehr als drei. Elf Jahre? Wo war die Zeit geblieben?
„Elf Jahre“, bemerkte sie mit einem wehmütigen Lächeln. „Ich komme mir plötzlich ziemlich alt vor.“
Das war nicht seine Absicht gewesen. „Jemand hat mal gesagt, jeder muss älter, aber deswegen nicht unbedingt alt werden.“
Sie erinnerte sich, das ebenfalls irgendwo gelesen zu haben. Mindy dachte einen Moment nach, und schließlich leuchteten ihre Augen auf. „George Burns, nicht wahr?“
Er war überrascht, dass sie das wusste. Aber warum wunderte er sich noch? Hatte sie ihn nicht bereits die ganze Woche in Erstaunen versetzt? Er nahm einen weiteren Schluck Kaffee und wünschte sich, eine Fee hätte ihm ein Zaubermittel hineingetan, das ihm die Gabe des Erzählens schenkte. Er begann zu verstehen, dass manche Menschen Dichter engagierten, um an ihrer Stelle in gewählten Worten zu ihrer Liebsten zu sprechen.
„Gute Worte, die man sich zu Herzen nehmen sollte.“ Er erlaubte es sich, ihr Gesicht eine Weile zu betrachten. Er hatte bemerkt, wie Frauen, die an ihnen vorübergingen, sie neidisch betrachteten. „Auf jeden Fall glaube ich, dass du dir deswegen noch lange, lange keine Sorgen zu machen brauchst.“
„Es ist wirklich nett von dir, das zu sagen“, bedankte sie sich und sah ihn mit ihren schönen blauen Augen voller Dankbarkeit an.
Einen Moment lang vergaß Jason zu atmen und wusste plötzlich nicht, wohin er schauen und was er mit seinen Händen machen sollte. Verlegen zuckte er die Schultern. „Ich habe nur die Wahrheit gesagt.“
Nett! Wer hätte geglaubt, dass sie je zu Jason Mallory sagen würde, er sei nett. Mindy dachte nach. Stark, attraktiv, sexy, aufregend … aber nett? Das war neu.
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, genoss diese Insel in der Zeit, die so plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war, und war sich der neidischen Blicke bewusst, die vorbeigehende Frauen ihr zuwarfen. Wahrscheinlich wünschten sich alle, an ihrer Stelle zu sein.
Die Unterhaltung war erneut ins Stocken geraten, und während Jason nach Worten suchte, fiel sein Blick auf ihre Hände. Da seine Neugierde siegte, stellte er gegen seinen Willen zum wiederholten Mal eine persönliche Frage.
„Bist du jetzt geschieden, oder …“
„Oder?“, erwiderte sie und wusste genau, was er meinte. „Sie ist noch nicht rechtskräftig“, sagte sie rasch. Aber es kann jeden Tag passieren, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Ich frage nur, weil du deinen Ehering noch trägst.“
Mindy schaute auf das Goldband mit den eingearbeiteten Diamanten. Sie trug den Ring nicht aus sentimentalen Gründen. Tatsache war, dass ihre Hände in den letzten drei Monaten fast unmerklich angeschwollen waren. Sie konnte den Ring einfach nicht mehr vom Finger bekommen. Sie würde ihn wohl aufschneiden lassen müssen, und dazu war sie im Moment noch nicht bereit.
Irgendwie hätte das den Fehler noch unterstrichen, den sie gemacht hatte, als sie Brad ihr Herz geschenkt und ihn geheiratet hatte. Den Ring aufschneiden zu lassen, das hätte einen symbolischen Bruch mit der Vergangenheit bedeutet, und dazu war sie noch nicht bereit. Denn obwohl sie um ihre Unabhängigkeit kämpfte, war sie noch nicht fähig, alles Vergangene zu begraben. Sie wusste, dass sie noch etwas Zeit brauchte, bis sie dazu in der Lage sein würde. Bald werde ich mit der Sache abgeschlossen haben, tröstete sie sich. Schon bald. Und dann würde sie den Ring Brad zurückschicken.
Aber davon wollte sie Jason nichts erzählen.
Mindy fuhr mit dem Finger über den Ring. „Oh, der. Ich trage ihn nur, um die Wölfe abzuwehren.“
Er spürte so etwas wie Erleichterung und wusste gleichzeitig, dass er nicht so empfinden sollte. „Ich dachte schon, du würdest ihn noch tragen, weil du versuchst, dich mit deinem Mann zu versöhnen.“
Allein der Gedanke rief Übelkeit bei Mindy hervor. „Das wird niemals passieren“, erklärte sie mit ausdrucksloser Stimme. Sie setzte die Tasse ein wenig zu hart auf, und der Cappuccino schwappte über. Rasch wischte sie den Fleck mit ihrer Serviette ab. Wenn mein Leben doch auch so einfach wieder in Ordnung zu bringen wäre, dachte sie. „Ich habe es immer gehasst, Nummern ziehen und warten zu müssen wie am Postamt oder beim Einwohnermeldeamt.“
Er schaute sie prüfend an und überlegte, was ihre Bemerkung mit ihrer Ehe zu tun hatte. „Ich verstehe nicht ganz …“
„Ich begriff es auch nicht, obwohl es genau vor meiner Nase war.“ Die Entschuldigungen, die Tats