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Julia Collection Band 63
Erscheinungstag: | Fr, 06.12.2013 |
Bandnummer: | 63 |
Seitenanzahl: | 384 |
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Ein Teil von ihr
Mutter. Heldin. Lügnerin. Mörderin?
Im Bruchteil einer Sekunde kann sich dein Leben für immer verändern….
Du hast die Nachrichten gesehen, über die Gewalt in dieser Welt den Kopf geschüttelt und weitergemacht wie immer. Nie könnte dir so etwas passieren, dachtest du.
Andrea Oliver erlebt das Entsetzlichste. Einen Amoklauf. Was sie noch mehr schockiert: Ihre Mutter Laura entreißt dem Angreifer ein Messer und ersticht ihn. Andrea erkennt sie nicht wieder. Offenbar ist Laura mehr als die liebende Mutter und Therapeutin, für die Andrea sie immer gehalten hat. Sie muss einen Wettlauf gegen die Zeit antreten, um die geheime Vergangenheit ihrer Mutter zu enthüllen, bevor noch mehr Blut vergossen wird …
Laura weiß, dass sie verfolgt wird. Und dass ihre Tochter Andrea in Lebensgefahr ist …
»Dieser Thriller wird Sie um den Schlaf bringen. Für Slaughter-Fans ist „Ein Teil von ihr“ ein absolutes Lese-Muss.«
ok!
»Wie immer hat Slaughter … keine Scheu, Verbrechen in all ihrer Brutalität und Grausamkeit zu schildern. […] Daneben aber beweist sie ebenso viel Gespür für die Zerrissenheit, für Sehnsüchte und Ängste, für starke Gefühle und damit verbundene innerliche Eruption, kurz: für die Komplexität ihrer Charaktere.«
dpa
»Karin Slaughters „Ein Teil von ihr“ liest sich als moderne Geschichte über komplizierte Vereinigte Staaten von Amerika, in der charakteristische Merkmale des American Way of Life ebenso aufscheinen wie der Mythos vom Grenzland.«
krimi-couch.de
»Provokanter und raffinierter als alles, was sie zuvor geschrieben hat.«
vol.at
»Eine spannende Lektüre bis zum Schluss.«
SpotOnNews
»Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.«
Magazin-frankfurt.com
»Karin Slaughter gilt völlig zu Recht als eine der besten Krimi-Autoren der USA. Ihre Geschichten fesseln von Anfang bis Ende.«
IN
»Karin Slaughter zählt zu den talentiertesten und stärksten Spannungsautoren der Welt.«
Yrsa Sigurðardóttir
»Jeder neue Thriller von Karin Slaughter ist ein Anlass zum Feiern!«
Kathy Reichs
»Karin Slaughter bietet weit mehr als unterhaltsamen Thrill.«
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Unsere Ehen sind die besten
1. KAPITEL
„Keiner in Bliss braucht dringender eine Frau als Owen Chase.“ Ella Bliss, stolze Ehestifterin und Nachkomme von Horace Bliss, dem Stadtgründer, warf die Kreuzzwei auf den Spieltisch. Sie und ihre Schwester Louisa hatten an diesem Donnerstag, dem ersten Tag des traditionellen Heiratsfestivals, zum Kartenspielen eingeladenen. „Er sollte unsere erste Wahl sein.“
„Ich weiß aber auch noch ein paar andere, auf die das zutrifft“, antwortete Louisa.“
„Ja, es gibt viele junge Männer hier, die es verdienen, eine gute Frau zu finden“, erklärte Miss Perkins, allgemein nur Missy genannt. „Ich denke, wir werden uns schon auf einen Kandidaten einigen, um den wir uns besonders kümmern werden. Bis jetzt war es immer so.“ Missy war die Friedfertigste des Quartetts, und mit ihren sechsundsiebzig Jahren war sie auch die Jüngste.
„Aber Owen sollte unsere erste Wahl sein.“ Ella wollte nicht aufgeben. Sie war besonders an ihm interessiert, da sie schon die Großmutter und die Mutter des Jungen gekannt hatte. „Ich glaube, es gibt kaum einen einsameren Rancher in Montana als ihn.“
Grace Whitlow, pensionierte Hauswirtschaftslehrerin, nahm den Stich mit ihrem Kreuzass und legte ein niedriges Pik ab. „Der arme Owen. Er ist zwar nicht der schönste Mann der Stadt, aber die Kinder brauchen wieder eine Mutter.“
„Aber nicht irgendeine“, warnte Ella. „Für die Familie Chase kommt nur die beste infrage. Louisa und ich sind mit seiner Großmutter aufgewachsen.“
„Wir sind mit allen älteren Bürgern in Montana aufgewachsen“, murrte Louisa. „Das heißt aber nicht, dass wir für alle Enkel Frauen suchen müssen.“
„Aber darum geht es doch bei diesem Festival“, meinte Missy und legte eine Karte ab. „Entschuldigung, die Dame war mein einziges Pik.“
„Macht nichts.“ Ella brauchte die zusätzlichen zwölf Punkte nicht, also legte auch sie ein Pik mit niedriger Punktzahl ab. Louisa verzog den Mund. Sie war nur siebeneinhalb Minuten jünger als Ella, aber wenn sie ihren Lippenstift vergaß, wirkte sie siebeneinhalb Jahre älter. Und sie war rundlich, während Ella hager war, und die Unähnlichkeit der Zwillinge hörte nicht bei körperlichen Merkmalen auf. Louisa hatte die Sanftheit ihrer Mutter geerbt, während Ella ihrem Vater ähnelte, einem großen Mann, der drei Geschäfte in der Stadt geleitet hatte, ehe er vor sechzehn Jahren starb. „Haben wir denn jemanden in Aussicht?“
„Wie wäre es mit der jungen Frau, die die Bäckerei übernommen hat?“, fragte Grace.
„Und kochen kann sie auch“, fügte Missy hinzu.
Ella schüttelte den Kopf. „Die Bäckerin hat selbst zwei kleine Mädchen und dazu noch den Laden. Bei so viel Verantwortung weiß ich nicht, ob sie die Richtige für Owen ist.“
„Wie wäre es, wenn wir eine Rothaarige aussuchen?“, schlug Missy vor. „Das Baby hat rote Haare. Es wäre doch nett, wenn ihre neue Mutter auch rote Haare hätte.“
„Eine Rothaarige“, überlegte Ella laut. „Gibt es denn eine alleinstehende Rothaarige in der Stadt? Vielleicht ist es wichtiger, dass sie Kinder mag und häuslich ist.“
„Jemand wie Maggie Moore, nur jünger“, sagte Grace.
Missy seufzte. „Und was machen wir mit Maggie?“
Ella wollte nicht, dass sie abschweiften. „Zuerst braucht Owen Chase eine Frau. Wenn es noch keine passende Kandidatin gibt, dann vielleicht später. Wir können ja am Freitag schauen, wenn wir eine nette Gruppe zur Auswahl haben.“
„Das Essen ist für mich das Schönste am ganzen Festival.“
„Für mich auch“, meinte Grace. „Obwohl ich auch den Tanz mag. Ich habe mir ein neues Kleid gekauft.“
„Alles nur Blödsinn“, meinte Louisa. „Genau das ist es.“
„Ist was?“
„Diese Kuppelei. Das Festival. Eben alles.“ Sie starrte in ihre Karten und sah deshalb nicht die erschrockenen Blicke ihrer Freundinnen und ihrer Zwillingsschwester.
„Haben wir aber heute eine schöne Stimmung“, meinte Ella.
„Was?“
Missy beugte sich vor. „Kriegst du wieder deine Kopfschmerzen, Lou? Wenn du dich lieber hinlegen willst, anstatt Karten zu spielen, ist uns das recht.“
Lou legte ihre Karten verdeckt auf den Tisch und sah ihre Zwillingsschwester an. „Irgendwas stimmt nicht dieses Jahr.“
„Was stimmt nicht? Wovon redest du?“ Bei Ella kam Panik auf. War das Festival ohne ihr Wissen abgesagt worden? Oder war ein Schneesturm angekündigt?
„Egal. Es ist nur so ein Gefühl.“ Lou presste die Lippen zusammen.
Ella wandte sich an Grace. „Louisa hat heute schon den ganzen Morgen schlechte Laune. Ihr Lieblingstee ist uns nämlich ausgegangen.“
„Ich habe ihn schon vor Wochen per Katalog bestellt. Er sollte längst da sein.“
„Die Jasmin-Mischung?“, fragte Missy.
Ella seufzte. „Trinkt sie denn überhaupt was anderes?“
„Von Kaffee bekomme ich Kopfschmerzen.“ Louisa nahm einen Schluck Tee. „Und dieser Kräutertee schmeckt nach gar nichts.“
Ella fand dieses nachmittägliche Treffen nicht so unterhaltsam wie sonst. Vielleicht lag es daran, dass es so ein dunkler Tag war. Oder an der kühlen Luft als Vorboten des Winters. Vielleicht war es auch der Schmerz in ihren Knochen, der Ella sich nach ihrem Bett sehnen ließ – und nach einem Whiskey. Sie sah auf die Uhr. „Gegen vier wird Owen da sein. Er kommt zum Tee.“
Louisa seufzte. „Glaubst du, er bringt das Kind mit?“
„Was soll er sonst mit der Kleinen machen?“
„Ich hoffe, er bringt sie mit“, sagte Louisa, denn sie mochte Babys, was auf Ella nicht zutraf.
„Wir werden uns für ihn anstrengen. Das Baby braucht eine Mutter“, meinte Ella. „Wir müssen die Köpfe zusammenstecken und sehen, was möglich ist. Nach unserem Kaffeetrinken machen wir eine Liste.“
Missy räusperte sich. „Owen war seit Jahren nicht mehr auf dem Festival.“
„Dieses Jahr kommt er aber. Er muss doch schon ganz verzweifelt sein.“ Ella sah ihre Schwester an. „Und wenn wir schon von Verzweiflung reden, ich möchte Karten spielen, du auch?“
„Ich denke schon.“ Lou nahm ihre Karten auf und warf den Pik-König ab. „Mir ist dieses Jahr nicht nach Romantik.“
„Du bist einundachtzig, Lou. Wie romantisch möchtest du dich denn fühlen?“
„Ich dachte … Ach, egal.“
„Nun mach schon“, drängte Missy. „Du dachtest was?“
„Wenn vielleicht …“
„Wenn was?“ Ella war neugierig.
„Vielleicht bin ich zu alt zum Kuppeln“, meinte ihre Zwillingsschwester. „Weißt du noch 1987? Ich war so sicher, dass es mit Dick Babcock und Sally Martin funktionieren würde, und letzten Monat wurden sie geschieden. Mich bedrückt das.“
„Fehler kommen vor“, meinte Missy. „Stimmt es nicht? Es lag an uns allen. Ich habe auch geglaubt, dass Dick und Sally es schaffen würden. Wer konnte denn ahnen, dass sie mit einem anderen durchbrennen würde?“
„Dick Babcock war ein Idiot.“ Für solche Leute hatte Ella keine Geduld. Sie hatte zu viele davon gekannt und sich sogar einmal in einen verliebt. „Gut für Sally, sage ich euch. – Vielleicht sollten wir jetzt unseren Nachtisch haben.“
Louisa würde in diesem Jahr keine Hilfe sein, weshalb es wie meistens an Ella Bliss hängen blieb, eine Frau für Owen Chase zu finden.
Suzanne Greenway, eine verlassene Braut und dazu Zynikerin, musste sich bei ihrer Arbeit für die Zeitschrift „Romantisches Leben“ nicht anstrengen. Man hatte sie damit beauftragt, nach Montana zu fahren und Informationen für eine Titelgeschichte über die romantischste Stadt im Westen sammeln. Ihre Chefin hatte ihr gesagt: „Finde einen Mann, der eine Frau sucht, und folge ihm überallhin.“
Suzanne hielt das für töricht und bei einigem Nachdenken auch erschreckend. Verzweifelte Cowboys und noch verzweifeltere Frauen in einer langweiligen Kleinstadt – das klang nicht sehr romantisch. Suzanne zog Kerzenschein und Champagner vor … bisher jedenfalls. Und jetzt war sie noch lieber mit einer Zeitschrift und einer Tüte Kekse allein – beides war leichter zu kriegen als ein Mann und am Ende auch viel verlässlicher.
Am Flughafen von Great Falls mietete sie einen Sportwagen und fuhr Richtung Norden nach Bliss, Montana.
Suzanne wusste nicht, was sie dort vorfinden würde. Frauen mit Hütchen, die darauf warteten, versteigert zu werden? Männer mit dicken Bäuchen, die jemanden zum Kochen und Warmhalten suchten? Oder würde sich die Sache als eine Art Frühjahrsfest entpuppen, mit Horden von sexuell erregten Studenten, die so viele One-Night-Stands wie möglich haben wollten?
Eigentlich hatte Suzanne über Erntedankfeiern schreiben wollen. Aber im Novemberheft sollte ein Artikel über hübsche Restaurants in New England erscheinen. Dazu noch ein Artikel – mit Farbfotos, die Suzanne selber aufnehmen würde – über das romantische alljährliche Heiratsfestival in Bliss. Ihren Freunden in New York hatte Suzanne von der „Cowboyorgie“ erzählt.
„Sind Sie zum ersten Mal hier?“ Der Mann an der Tankstelle schien zu alt, um bei so einem Wetter draußen zu arbeiten. Suzanne brauchte eigentlich kein Benzin, wollte aber vor der Stadt eine Pause einlegen. Sie hatte das Gefühl, dass sie in der Falle säße, wenn sie erst in Bliss wäre.
„Das erste Mal?“, wiederholte sie.
„Zum Fest. Sind Sie eine Braut oder jemand, der andere verkuppeln möchte?“
„Keines von beiden.“ Sie gab dem Mann ihre Kreditkarte.
„Sie werden schon Aufmerksamkeit erregen, junge Frau. Sie werden sich noch die Männer mit einem Stock vom Leibe halten müssen.“
„Ich …“, fing Suzanne an. Aber der Mann war schon verschwunden.
Als der Mann zurückkam, gab er ihr die Quittung und die Kreditkarte und wünschte ihr Glück bei der Suche nach einem Mann. „Ich suche selber eine Frau. Meine frühere ist seit vier Jahren weg, und da fühlt ein Mann sich schon einsam.“
„Ich wünsche Ihnen auch Glück, aber ich bin geschäftlich hier und nicht, um zu heiraten. Ich arbeite für eine Zeitschrift …“
„Sie werden einen Mann finden. So ein hübsches Ding wie Sie wird es nicht schwer haben. Bleiben Sie von den harten Trinkern weg und lassen Sie sich von den ganz Wilden nicht umgarnen. Behalten Sie einen klaren Kopf, und dann finden Sie einen guten Mann.“
„Ich würde lieber 311 Elm Street finden“, sagte Suzanne. „Ist es noch weit?“
„Aha, die Bliss-Schwestern erwarten Sie, stimmt’s? Okay, an der zweiten Ampel links und dann nach dem größten Haus Ausschau halten. Es ist sehr auffällig, Sie können es nicht verpassen.“
„Vielen Dank.“
„Viel Glück bei der Männerjagd, junge Frau. Ich bin sicher, ich sehe Sie wieder.“ Der Mann winkte ihr zum Abschied nach, Suzanne winkte zurück, bog auf die Hauptstraße ein und fuhr langsam durch die Stadt. In der Dunkelheit wirkte sie wie der Schauplatz eines Westerns. Über die Straße war ein Transparent gespannt: „Willkommen zum Heiratsfestival in Bliss.“
Morgen früh würde sie ein Foto davon machen.
Suzanne hielt an der ersten Ampel. Überall waren Männer – große, kleine, stämmige und schlaksige, junge, alte und mittelalte. Sie trugen Hüte und schwere Mäntel mit Kragen aus Lammfell, sie gingen allein oder zu zweit. Sie zündeten sich Zigaretten an und beobachteten dabei die Frauen, die vorübergingen.
Und es gab viele Frauen in Bliss, wie Suzanne bemerkte, als die Ampel auf Grün sprang. Die Stadt bereitete sich eindeutig auf eine Party vor, trotz der Kälte. Suzanne sah fasziniert, wie zwei große Cowboys auf eine Gruppe junger Frauen zugingen und sie grüßten, indem sie kurz die Hand an den Hut legten. Erstaunlich, dachte Suzanne, so unverfroren zu sein, nur weil man auf Freiersfüßen ist.
Was brachte die Menschen in diesem Teil von Montana nur dazu, heiraten zu wollen? Es war Suzannes Aufgabe, das herauszufinden, aber sie glaubte, sie würde es dann immer noch nicht verstehen.
Melanie Chase McLean hatte Oberschenkel wie ein Sumoringer in Miniaturformat und den süßesten Schmollmund der Welt, wie ihr Onkel fand.
„Hier, mein Engel“, sagte Owen und schob den Sauger des Fläschchens in einen Mund, der eigentlich seinen Hunger in die Welt hatte herausschreien wollen. Owens Welt war groß – eine Viehranch, die einen ziemlich großen Teil des Bezirks einnahm. Owen lebte auf der Chase-Ranch wie schon seine Vorfahren. Onkel und Tanten waren hier alt geworden und gestorben, Cousins waren von hier fortgezogen, um in der Stadt zu leben. Sein Vater war im Schlaf gestorben, hier auf der Ranch, in demselben Zimmer, in dem Owen geboren worden war. Und Owens Mutter war ihrem Mann fünf Monate nach dessen Tod ins Grab gefolgt.
Und nun war der in Montana ansässige Teil der Familie auf Owen und zwei Mädchen zusammengeschrumpft. Sie waren die letzten der Familie, es sei denn, Owen würde eines Morgens aufwachen und eine Frau neben sich in dem großen Bett finden.
Wozu nur geringe Chancen bestanden, wie er sich sagte, als er den Gurt von Melanies Kindersitz löste. Ihre Finger griffen nach der Flasche. Die Bliss-Schwestern hatten ihn in die Stadt bestellt, und er hatte zu viel Respekt vor ihnen, um die Einladung abzulehnen. Außerdem musste er Gemüse einkaufen und Darcy vom Basketballtraining abholen.
Owen wusste, was die Bliss-Schwestern wollten. Wieder würde er auf ihrer Liste stehen, zusammen mit den anderen unverbesserlichen Junggesellen, die die alten Damen als eine Herausforderung für ihr Talent als Ehestifterinnen betrachteten. Es gab keine Möglichkeit, das Treffen mit Ella und Louisa zu vermeiden, aber wenn er Melanie mitnehmen würde, war das eine Garantie, dass der Besuch nicht zu lange dauern würde.
Owen wartete, bis das Baby sein Fläschchen geleert hatte, obwohl Geduld nicht zu seinen Tugenden gehörte. Alle Männer seiner Familie arbeiteten hart, waren verlässlich und ungeduldig. Immer gab es etwas zu tun. Owen wollte das Leben auch nicht anders haben, außer vielleicht an diesem Nachmittag. Er hatte eine Menge wichtigerer Dinge zu tun, als Tee zu trinken und höfliche Konversation über das diesjährige Festival zu machen.
So saß er in seinem Pick-up, und als Melanies Hunger gestillt war und sie das Fläschchen auf den Boden warf, waren die Scheiben von seinem Atem beschlagen. Owen sah seine Nichte an, die ihn endlich anlächelte. Über ihr Kinn lief Milch, weshalb Owen ein Papiertaschentuch nahm und Melanie das Gesicht abwischte. Er hatte sich daran gewöhnt, das kleine Mädchen überallhin mitzunehmen. Es machte ihr nichts aus, sich alte Willie-Nelson-Kassetten anzuhören, und sie fuhr gern Auto. Und fast überall gab es ein oder zwei Frauen, die sich bereitwillig um sie kümmerten, während Owen andere Dinge erledigte.
Frauen waren sehr nützlich. Zumindest die älteren, wie er entdeckt hatte. Er nahm Mel auf den Arm und schützte ihr Gesicht vor dem Wind, indem er es an seine Brust drückte.
Manchmal konnten Frauen aber auch zu nützlich sein, wie er sich erinnerte, als er die Treppe zur großen Veranda emporstieg. Wenn Ella und Louisa die Tür öffnen würden, würde er mit der gewohnten Frage begrüßt werden: „Warum haben Sie noch keine Frau gefunden, Owen Chase?“
Weil ich zu alt bin. Zu ruhig. Und ich sehe nicht so gut aus. Und ich verbringe die meiste Zeit auf einer Ranch und habe immer nur meine Nichte dabei.
Und er wünschte sich, als er die Hand hob, um an die Tür zu klopfen, er könnte sagen: Ich will keine Frau. Ich will eine Geliebte.
2. KAPITEL
„Warum hat ein Mann wie Sie noch keine Frau gefunden, Owen?“
Suzanne lehnte sich in ihrem Sessel nach vorn, um zu sehen, wen Ella an der Tür begrüßte. Sie erwartete, dass ein älterer, reiferer Mann das Zimmer betrat. Die Damen hatten gesagt, dass ein Mann kommen würde, um sie um Rat zu bitten. „Der arme Mann hat so viel Verantwortung“, hatte Louisa noch gemeint.
„Es ist keine gewöhnliche Situation“, hatte Ella gesagt. „Aber haben wir Herausforderungen nicht immer besonders genossen, Louisa?“
Und dann hatten das Klopfen an der Tür und Ellas Aufregung, als sie ihren Gast begrüßte, Suzanne neugierig gemacht. Sie konnte es kaum erwarten, zu erfahren, was es mit der „ungewöhnlichen Situation“ dieses Mannes auf sich hätte.
Suzanne hatte nicht erwartet, dass ein großer Rancher in Wildlederjacke ins Zimmer kam, ein Baby auf dem Arm. Sie machte noch rechtzeitig den Mund zu, als man ihr den Mann vorstellte.
Der Besucher dachte nicht daran, die Frage der Frau zu beantworten, sondern schob den Hut in den Nacken, als er das Zimmer betrat. Suzanne sah braunes Haar, dunkle Augen und ein gut rasiertes Gesicht mit klaren Zügen, und seiner Miene nach zu urteilen, war er eher resigniert als verärgert über Miss Bliss’ Frage. Sein Alter schätzte Suzanne um die dreißig.
„Owen, begrüßen Sie unseren Gast“, sagte die größere der Schwestern. „Miss Suzanne Greenway aus New York ist hier, um für ihre Zeitschrift über unser Festival zu schreiben. Miss Greenway, dies ist Owen Chase. Er ist ein geeigneter Junggeselle für Ihre Geschichte.“
„Hallo“, sagte Suzanne zu dem riesigen Cowboy, aber die Aufmerksamkeit des Mannes war auf das Baby gerichtet, das nach seiner Hutkrempe fasste.
„Nein, wie ist die Kleine nur gewachsen!“, rief die kleinere der Schwestern aus.
Suzanne erhob sich, obwohl sie nicht wusste, warum. Vielleicht, weil sie nur so diesen Mann ganz ansehen konnte, ohne sich das Genick zu brechen. Das Baby lächelte sie an und streckte die Arme aus. Suzanne nahm das Kind auf den Arm, ohne nachzudenken.
„Sie hat also keine Angst vor Fremden“, meinte Ella. „Haben Sie Kinder, Miss Greenway?“
„Nein. Nur Nichten und Neffen.“ Das Baby griff nach Suzannes Haar.
„Melanie“, sagte der Mann mit leiser, rauer Stimme, „sei vorsichtig.“
„Sie ist sehr lieb“, meinte Suzanne. Sie setzte sich und nahm das Kind auf den Schoß, wobei sie den Schneeanzug öffnete, damit es dem Kind nicht zu heiß würde.
Die hagere Miss Bliss setzte sich neben sie auf das Sofa. „Sie sind doch nicht verlobt oder verheiratet?“
„Nein.“ Nicht mehr.
„Treffen Sie sich ab und zu mit jemandem?“
„Nein.“
„Aha.“ Ella schien angenehm überrascht zu sein. „Vielleicht finden Sie hier einen Mann.“
„Ich bin aber nicht auf der Suche, Miss Bliss.“
„Na ja, Sie ändern vielleicht ihre Meinung, wenn Sie einige von unseren …“
„Ella“, schaltete sich die andere Schwester ein, „sei bitte für einen Moment ruhig. Miss Greenway ist geschäftlich hier, wie du weißt.“ Sie wies auf einen großen Ohrensessel. „Bitte setzen Sie sich, Owen. Möchten Sie einen Tee? Für einen Earl Grey ist er nicht schlecht, obwohl ich Jasmin vorziehe.“
„Oh“, meinte Owen, er sah so aus, als wäre er lieber woanders. Mitten in einem Schneesturm oder vielleicht bei seinen Tieren, wie Suzanne sich vorstellte. „Ich sollte eigentlich nicht …“
„Lange bleiben?“, beendete Ella den Satz. „Natürlich sollten Sie. Dieses Jahr stehen Sie ganz oben auf unserer Liste. Wir haben viel zu besprechen.“
„Ganz oben auf der Liste“, wiederholte Owen. „Genau das habe ich befürchtet.“
„Und Miss Greenway braucht einen Junggesellen“, erklärte Louisa. Sie reichte Owen einen Tee.
„Für meinen Artikel.“ Suzanne wünschte sich, er würde sie ansehen. Sie fragte sich, ob er die Situation genauso komisch fand wie sie. „Ich hätte ganz gern einen persönlichen Ansatz, indem ich jemandem durch das Festival folge, während er oder sie auf Partnersuche ist. Die Damen meinten, Sie wären der perfekte Kandidat.“
„Das bezweifle ich“, sagte Owen, wobei er das Baby ansah, das Suzannes Wange tätschelte.
Er war auch sehr fotogen, fand Suzanne. Er war sehr männlich und hatte den rauen Western-Look, der manchen Frauen gefiel. Und ihr auch, wie sie zugeben musste. Dieser Junggeselle wäre ein weitaus besserer Aufhänger für ihre Story als ein Angeber von einundzwanzig Jahren mit einem Bier in der Hand. Vielleicht bekäme sie sogar die Titelgeschichte, besonders dann, wenn sie den Lesern auch die zukünftige Mrs Chase präsentieren könnte.
„Sie wollen also nicht heiraten?“, fragte Suzanne. Sie überlegte, ob seine Frau wohl gestorben war. Oder weggelaufen. Oder vielleicht hatte er die Mutter des Kindes nie geheiratet, hatte aber aus irgendeinem Grund für die gemeinsame Tochter zu sorgen.
Owen sah sie lange an, bevor er anfing zu sprechen, und seufzte. Es schien, als wäre seine Geduld erschöpft. „Ich gebe zu, dass ich ein wenig Hilfe bei meinen Nichten brauche“, sagte er schließlich.
Suzanne hielt den Atem an. Nichten – es gab also mehr als eine.
„Aber …“ Er runzelte die Stirn und betrachtete das Baby, das sich unruhig auf Suzannes Schoß wand.
„Aber?“ Suzanne drehte die Kleine in Ellas Richtung.
„Aber?“, drängte auch Louisa.
„Ich habe keine Zeit, mich zu verabreden, Miss Louisa“, erklärte Owen. „Und auch wenn ich mich verabreden würde – es gibt nicht viele Frauen, die bei der Heirat eine komplette Familie geliefert bekommen wollen.“
„Nicht?“, schaltete Ella sich ein. „Das ist doch lächerlich, Owen. Jede Frau wäre stolz, solch hübsche Mädchen großzuziehen. Es sind schließlich echte Chases, was nicht zu verachten ist.“
„Chases?“ Suzanne ließ das Kind zu der Frau hinkrabbeln.
„Eine der ältesten Familien des Landes“, erläuterte Ella.
„Und in letzter Zeit eine der unglücklichsten“, ergänzte Louisa seufzend. Owen sagte nichts und sah auf die Teetasse vor ihm.
Der Mann hatte die größten Hände, die Suzanne je gesehen hatte, und sie war fasziniert, wie der Rancher den zarten Henkel anfasste. Er nahm einen Schluck und setzte die Tasse sorgfältig wieder ab. „Danke für den Tee, aber Mel und ich müssen jetzt gehen.“
„So früh?“ Ella berührte ihn am Arm. „Wie haben ja noch nichts besprochen.“
Suzanne nahm sich Stift und Papier und wartete, dass Owen seine Wünsche vorbringen würde.
„Das wollen Sie mitschreiben?“, fragte er.
„Ja, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
„Doch, das tut es“, sagte er. „Auch wenn es gar keine Liste gibt. Und keine Frauen. Und es wird auch keine potenziellen Bräute beim Festival geben.“
„Ach, Owen“, seufzte Louisa. „Seinen Sie nicht so schüchtern. Erzählen Sie doch einfach Ella, was für eine Frau Sie sich wünschen.“
„Ja“, stimmte die Schwester zu. „Wir machen dann von uns aus weiter. Alles, was Sie tun müssen, ist, beim Festessen aufzutauchen.“
„Wann ist das?“, wollte Suzanne wissen.
„Morgen. Es steht in dem Prospekt, den ich Ihnen gegeben habe.“
Suzanne ging ihre Unterlagen durch und fand das Blatt mit den Veranstaltungen. „Sie sind sehr gut organisiert.“
„Wir haben es in all den Jahren perfektioniert“, meinte Ella. „Unser Vorfahr Horace Bliss brachte die erste Wagenladung Bräute in die Stadt. Er hatte erstaunlich viel Erfolg damit.“
„Es gab nämlich fünfzig Männer für jede Frau. Die Männer waren sehr glücklich.“
„Sicher.“ Suzanne versuchte, nicht zu lachen. Sie stellte sich vor, wie Hunderte von Junggesellen den Wagen mit den Frauen belagerten. „Wonach sind die Frauen denn bei ihrer Wahl gegangen?“
„Die Männer haben gewählt“, sagte Owen und stand auf. Er trat hinter Suzanne und hob das Baby vom Sofa. „So sagt man zumindest.“
„Na ja, wie dem auch sei. Sie ist ein liebes kleines Mädchen.“ Ella winkte dem Baby zu. „Jede Frau würde sich glücklich schätzen, ihre Mutter zu sein, meinen Sie nicht, Suzanne?“
Beinahe hätte Suzanne die Frage bejaht, obwohl sie das nichts anging. Den Versuch, sie zu verkuppeln, konnte sie übergehen – oder in ihren Artikel einbauen.
„Wir müssen jetzt los“, sagte Owen. Das Baby lachte und schlang die Arme um seinen Hals. „Darcy ist in der Schule und wartet darauf, dass ich sie abhole.“ Er sah Suzanne an, wobei er überraschend freundlich lächelte. „Es war schön, Sie kennengelernt zu haben. Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit in Bliss.“
„Danke“, sagte sie; sie hatte plötzlich wenig Lust, diesen Mann gehen zu lassen. „Wir bleiben in Verbindung.“
„Wieso?“
„Sie sind mein Junggeselle. Ich meine für meinen Artikel.“
Owen verzog die Stirn. „Ich will aber nicht …“
„Sie sind ideal“, bekräftigte Suzanne. „Die Leser möchten gern wissen, was mit Ihnen während des Festivals passiert.“
„Das glaube ich kaum. Ich denke, Sie finden noch jemand Besseren.“
„Unsinn.“ Ella stellte sich ihm in den Weg. „Wenn Sie uns keine Liste von Eigenschaften geben, die Ihre Frau haben soll, müssen wir eben eine aufstellen. Häuslich, mütterlich und geduldig. Es soll ihr nichts ausmachen, auf einer Ranch zu leben und mit Tieren zu tun zu haben.“
„Und sie muss mit Pferden umgehen können“, ergänzte Louisa. „Außerdem sollte sie auch einen Pick-up fahren können.“
„Das kann Owen ihr später beibringen“, meinte Ella, die Owens lautes Seufzen zu überhören schien. Suzanne fragte sich, wie lange seine Geduld noch reichen würde. Das Baby war schon unruhig und griff nach seinem Hut.
„Nochmals danke für den Tee. Und viel Glück für das Festival.“
„Wir sehen uns morgen beim Essen?“, fragte Ella.
Er zögerte. „Na ja, eine Weile vielleicht. Und dann …“
„Und beim Tanz?“, hakte Ella nach.
„Vielleicht.“ Owen wandte sich zur Haustür, drehte sich jedoch noch einmal um. „Sie haben etwas auf der Liste vergessen, Miss Ella“, fügte er so demonstrativ ernst hinzu, dass Suzanne wusste, er machte Spaß.
„Wirklich? Dann sagen Sie es uns, und wir tun unser Bestes.“
Er sah Suzanne an und lächelte. „Na ja, ich mag besonders Rothaarige.“ Damit war er aus der Tür. Als Ella sie hinter ihm schloss, hörte man Owens Stiefel auf der Treppe.
„Soso“, murmelte Ella und wandte sich Suzanne zu. „Haben Sie das gehört? Er mag Ihre roten Haare.“
„Sie sind nicht richtig rot. Eher blond mit roten Strähnen und …“
„Ich schwöre es“, verkündete Louisa und fasste Suzanne am Arm. „Er hat mit Ihnen geflirtet. Wie nett!“
„Owen Chase flirtet nicht.“ Ella musterte Suzannes Haar. „Ihr Haar ist rotblond“, meinte sie. „Glauben Sie mir, er ist ihr Mann, Miss Greenway.“
„Bitte nennen Sie mich Suzanne. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Mr Chase in meinem Artikel auftauchen möchte. Er kommt mir sehr zurückhaltend vor.“
„Sie werden Ihn noch überreden“, sagte Ella und führte Suzanne zum Sofa. „Ich habe ein sehr gutes Gefühl, was das angeht.“
„Er hat geflirtet“, wiederholte ihre Schwester und folgte den beiden ins Wohnzimmer. „Er war charmant. Genau so, wie Robert immer geflirtet hat. Weißt du noch, Ella?“
Ella überhörte das. Sie gab Suzanne ihr Notizbuch. „Sie werden natürlich zum Festessen gehen, aber bis dahin ist noch viel zu tun.“
„Wer ist Robert?“ Suzanne sah Louisa an.
„Ein ehemaliger Verehrer.“
„Nicht direkt“, stellte Ella klar. „Lasst uns jetzt über das Festival reden und wie wir Frauen für unsere Männer finden wollen. Wir werden natürlich mit Owen anfangen. Es könnte leichter sein als gedacht.“
Sicher nahmen die alten Damen nicht an, dass sie eine Frau für diesen Mann finden könnten. Und sie konnten auch nicht der Meinung sein, dass Suzanne die geeignete Kandidatin wäre. Suzanne versuchte, nicht laut zu lachen, sondern setzte sich auf das Sofa und sah Ella an.
„Okay. Erzählen Sie mir von dem Cowboy“, meinte sie und nahm den Stift zur Hand. Er war ein Idiot gewesen. Er hatte Suzanne Greenway angestarrt und nichts gesagt außer der dummen Bemerkung über ihre Haare. Was hatte er sich dabei gedacht? Oh ja, er wusste es sehr gut. Ein Blick auf diese Frau und er hatte sofort an Sex denken müssen und an lange Nächte mit vielen Unterbrechungen.
Er verfrachtete Melanie in ihren Sitz, und die Kleine grinste ihn an, als wüsste sie, wie dumm sich ihr Onkel vorkam.
„Keine Sorge“, sagte er und legte ihr die rosa Decke um den Kopf. „Du bist gleich zu Hause, ehe Onkel Owen sich noch vor einer anderen schönen Frau zum Narren macht.“
Und Suzanne war schön, das stand fest. Das lange Haar, die langen Beine in der schicken Hose und die weiblichen Kurven, die sich unter ihrem grünen Pullover abzeichneten, konnten jeden Mann zum Träumen bringen.
Owen wollte viel mehr tun als nur Tee trinken und die Fragen der beiden alten Schwestern beantworten. Und er saß hier mit einem Baby im Wagen. Und dann gab es noch die Schwester der Kleinen, die er von der Schule abholen musste. Seitdem Judy gestorben war, hatte er nichts als Verantwortung und Pflichten. Diese Pflichten schlossen auch ein, dass er an der Schule auf das Ende des Basketballtrainings wartete, statt mit einer Reporterin von der Ostküste anzubändeln …
Er fuhr auf den Parkplatz der Schule und stellte den Motor aus.
„Hey.“ Gabe, sein Nachbar, ging vorbei und gab ihm ein Zeichen, das Fenster herunterzulassen.
„Was machst du denn hier?“
„Probe für die Schulaufführung“, antwortete Gabe. „Lass uns bei Sam’s zu Mittag essen.“
„Da wird es voll sein.“ Voll mit möglichen Bräuten, ein richtiger Club der einsamen Herzen mit Pommes frites. „Wir passen da nicht rein.“
„Okay, dann …“ Sein Freund zuckte mit den Achseln. „Wir können ja zugucken und an die Zeit denken, als wir selber noch jung waren.“
„Besser als kochen.“ Vor allem, wenn man dabei ein Baby im Arm hat.
„Alles ist besser als kochen“, erwiderte Gabe. „Wir sehen uns da in ein paar Minuten.“
Owen nickte und kurbelte das Fenster hoch. Er und Gabe O’Connor waren in der gleichen Situation, obwohl Gabe schon sehr viel länger allein war und seine Kinder mit einer selbstverständlichen Sicherheit erzog, um die Owen ihn nur beneiden konnte. Er fragte sich, ob Gabe je eine Frau getroffen hatte, der er nicht widerstehen konnte – wobei seine verstorbene Frau nicht mitzählte.
Owen wusste, dass ein Junggeselle sich nicht nach einer Rothaarigen mit langen Beinen sehnen sollte, die nichts anderes wollte, als über ihn schreiben.
„Sie will dir also folgen“, wiederholte Gabe zwanzig Minuten später, als sie in einer Ecke bei Marryin’ Sam’s saßen. „Und das ist ein Problem?“
„Es ist für ihre Zeitschrift.“
„So?“
„Sie ist schön. Die Frau, meine ich.“
„Schau nicht so unglücklich“, lachte Gabe. „Du brauchst eine Frau, mein Freund. Wie lange wird die hübsche Rothaarige in der Stadt sein?“
„Weiß ich nicht. Lange genug, um ein paar Fotos zu machen und sich ihr Geld zu verdienen, denke ich mal.“ Er sah über den Tisch hinweg, wo die Kinder zufrieden ihre Hamburger mit Pommes aßen. Darcy lächelte, was schon ein kleines Wunder war, angesichts dessen, was die Kinder im letzten Jahr durchgemacht hatten. Die Mutter und Stiefvater zu verlieren hatte Darcys Welt erschüttert. Trotzdem hatte sie gute Noten in der Schule und half ihm, auf Melanie aufzupassen. Melanie schlief in ihrem Kindersitz, der neben Owen auf dem Boden stand.
„Sag ihr, dass du ihr weiterhilfst, Chase. Was ist schon dabei?“
„Sie braucht einen Junggesellen, den sie bei dem Festival begleitet. Ich würde so tun müssen, als wollte ich heiraten. Die Bliss-Schwestern haben das eingefädelt.“
Gabe stöhnte. „Sag mir jetzt nicht, dass sie dich zum Tee eingeladen haben und du ganz oben auf ihrer Liste stehst.“
„Doch. Und du bist mit Sicherheit Nummer zwei.“
Der Rancher zuckte zusammen. „Das Letzte, was ich will, ist wieder zu heiraten.“
„Du weißt das und ich weiß das, aber Ella und Louisa haben da wohl andere Vorstellungen.“
Gabe fluchte leise. „Nicht mit mir, Kumpel. Aber du, du brauchst eine Frau.“ Er deutete mit dem Kopf auf das schlafende Baby. „Sobald sie gehen kann, kannst du die Arbeit vergessen. Ich staune sowieso, dass du überhaupt noch etwas schaffst.“
„Ich werde mir jemanden nehmen, wenn es so weit ist.“
„Eine Hilfe findet man nicht leicht. Nicht hier draußen. Am besten suchst du dir eine nette Frau und heiratest.“ Gabe sah zu den Mädchen am Nachbartisch. „Es ist nicht leicht, Mädchen großzuziehen.“
„Ich war bei Frauen noch nie besonders gut“, gestand Owen.
„Vielleicht mag deine Rothaarige ja Cowboys.“
„Sie ist ein Stadtmensch, durch und durch.“
„Aber tief im Innern? Das weiß man nie.“
„Nein.“ Louisa stellte die Tasse so heftig auf die Untertasse, dass das Porzellan beinahe in tausend Stücke zersprang.
„Louisa, sie passt perfekt zu ihm. Du hast selber gesagt, er hätte mit ihr geflirtet. Und dann noch seine Bemerkung über ihre roten Haare …“
„War eben nur eine Bemerkung, Ella. Ich habe noch mal nachgedacht.“
„Worüber?“
„Über das Verkuppeln. Ich glaube …“, Louisa holte tief Luft, „ich glaube, ich höre damit auf.“
„Aufhören? Womit?“
„Damit, andere Leute miteinander zu verkuppeln. Ich denke, ich habe nicht mehr die richtige Begeisterung dafür.“
„Du schienst aber begeistert genug, als Owen hier war und die Journalistin das Baby so hielt, als wäre sie dazu geboren. Na ja, die Haarfarbe passte ja auch. Ich hatte eine Gänsehaut, Lou. Und du hast es auch gespürt, das habe ich gemerkt. Du hattest diesen gewissen Blick.“
„Wenn ich den hatte – und ich gebe gar nichts zu, Ella –, aber wenn ich ihn hatte, dann nur kurz.“ Louisa stand auf und drehte ihrer Schwester den Rücken zu, während sie das Teegeschirr abräumte.
„Was ist mit morgen?“
„Morgen?“
„Du weißt sehr wohl, dass wir das Fest mit einer Ansprache anfangen, über Horace und die Tradition dieser Stadt. Und du musst den Gewinner verkünden.“
„Das wirst du für mich machen.“
„Aber die Tradition …“
„Die Tradition kann ohne mich auskommen“, erklärte Louisa und eilte aus dem Zimmer, als hätte sie noch eine Million Sachen zu erledigen, ehe „Das Glücksrad“ anfing. Ella liebte diese Sendung. Sie wusste, es würde ihren Geist scharf und lebendig erhalten und auf diese Art einige Gefahren des Alters abwehren. Und es gab viele Gefahren, wenn man so alt war wie sie. Zum Beispiel, dass man vergaß, seine Medikamente einzunehmen. Oder hinzufallen und sich eine Hüfte brechen.
Und das Interesse am Leben zu verlieren. Etwas stimmte eindeutig nicht mit Louisa. Nie war sie eine so gute Kupplerin wie Ella gewesen, aber ihre Schwester hatte ein echtes Gespür für Menschen und einen scharfen Verstand.
Ihre augenblickliche Missstimmung könnte da kaum mehr bedeuten, als dass Lou einen schlechten Tag gehabt hatte. Vielleicht sollte sie aus der Drogerie ein Abführmittel besorgen.
Oder den verflixten Tee wieder bestellen.
3. KAPITEL
Als die alten Damen aufgehört hatten, ihr von Owen zu berichten, hatte Suzanne beschlossen, ihn nie wieder zu treffen. Ein Mann, der sein Leben damit verbrachte, die Kinder seiner verstorbenen Schwester großzuziehen und dabei eine Ranch zu führen, ein Mann, der sich nicht verabredete – zumindest hatte Ella nie von einer Frau in Owens Leben gehört – und der tatsächlich heiraten und mit seiner Frau glücklich bis an sein Lebensende leben wollte, ein solcher Mann war zu schön, um wahr zu sein.
Und unglaublich romantisch, wenn man schon in solchen Kategorien dachte. Das tat Suzanne, aber natürlich nur für ihre Zeitschrift. Mit den Männern hatte sie abgeschlossen. Vor sechs Monaten, als der Mann, von dem sie glaubte, dass sie ihn liebte, sich nicht die Mühe gemacht hatte, zu ihrer Hochzeit zu erscheinen, hatte Suzanne die Hochzeitsgäste bitten müssen, den Hochzeitskuchen mitzunehmen. Das Essen hatte sie dem örtlichen Obdachlosenheim gegeben und die Blumen einem Pflegeheim.
Ihr älteren Schwestern hatten sie so gut zu trösten versucht, wie sie konnten, und Suzanne hatte sich natürlich zusammengerissen und Haltung bewahrt. Ihre Schwestern hatten die Hochzeitsgeschenke eingesammelt und die Eltern des Bräutigams getröstet, denen das alles schrecklich peinlich war. Tante Nancy und Onkel Ned hatten Suzanne versichert, dass sie schon immer gedacht hatten, Greg wäre nicht gut genug für sie und sie wäre besser dran ohne ihn. Suzanne hatte dem zugestimmt, hatte ihr Hochzeitskleid der Heilsarmee gegeben und den Schleier ihrer sechzehnjährigen Nichte. Wenn etwas vorbei war, dann war es vorbei. Für immer.
„Danke für alles“, hatte sie zu Ella und Louise gesagt, nachdem sie ein paar Fotos von ihnen vor dem Kamin gemacht hatte, wo Horace Bliss vom Gemälde auf dem Kaminsims herabblickte.
Suzanne wollte schlafen. Sie wollte nach Hause und alles über Bliss, Montana, vergessen, auch alles über die dummen Traditionen und Owen Chase, den Tugendbold. Am dringendsten aber wollte sie etwas essen. Das rustikale Restaurant im Stadtzentrum sah ganz vernünftig aus: hell erleuchtet, an der Hauptstraße gelegen. Als nun ein Pick-up, der direkt vor dem Eingang gestanden hatte, wegfuhr, hatte Suzanne auch einen guten Parkplatz.
Auf dem Weg zum Eingang traf sie auf drei Männer und fünf Frauen. Eine fröhliche Gruppe, die an ihr vorbei zum Kino ging. Alle fünf trugen gelbe Buttons mit dem Schriftzug „Bliss“ vor einem roten Herzen.
„Das ist eine Spendenaktion, eine Art Spende, Ma’am“, erklärte ein junger Mann, nachdem Suzanne die Gruppe gefragt hatte, was die Buttons bedeuteten. „Es geht um unser Ärztezentrum.“
„Tragen hier alle so einen Button?“
„Alle, die es wollen“, meinte eine junge Frau. „Auf der Rückseite steht eine Nummer für die Tombola. Sie können sich so ein Ding überall in den Geschäften für fünf Dollar kaufen.“
„Danke.“ Suzanne würde sich das notieren, nachdem sie einen Hamburger und ein Stück Apfelkuchen gegessen hätte. „Marryin’ Sam’s“ war so ein Lokal, das aussah, als gäbe es dort hausgemachten Apfelkuchen. Und wenn die Tür aufging, roch es nach Pommes frites.
Suzanne trat ein und fühlte sich ein bisschen, als wäre sie in einem fremden Land gelandet. Sie stand immer noch unter dem Eindruck der Geschichten, die ihr die beiden Schwestern erzählt hatten. Über die von Horace Bliss begründete Tradition des Ehestiftens, über den Zauber der Liebe und dass sie eine Frau für Owen Chase finden mussten.
Der zufällig direkt vor ihr stand.
„Hi“, sagte sie und blickte auf, um seinem Blick zu begegnen. Er blickte erst überrascht, dann besorgt, weshalb Suzanne sich ein kleines bisschen schuldig fühlte. Wahrscheinlich dachte er, sie jage ihm nach, weil sie hoffte, er würde mit potenziellen Bräuten reden und ihr zu einer guten Story verhelfen. „Keine Sorge“, sagte Suzanne. „Ich verfolge Sie nicht.“ Es schien ihn nicht zu überzeugen, weshalb sie ergänzte: „Wirklich, ich möchte hier nur essen.“
Das Baby ruhte mit dem Kopf auf der breiten Schulter des Mannes; es hatte die Augen geschlossen, und Owen lächelte. „Das Essen ist gut.“
„Kommen oder gehen Sie?“ Sie fragte natürlich nur wegen des Artikels, und nicht etwa, weil Owen so freundliche Augen hatte und der sanfteste Mann man war, den sie je getroffen hatte.
„Ich wollte gerade gehen“, erwiderte er und nahm das Baby auf den anderen Arm, als ein weiterer Mann eine Gruppe von Kindern in ihre Richtung schob. „Sobald meine Nichte … oh, da seid ihr ja.“
„Hi“, sagte ein hübsches junges Mädchen mit Pferdeschwanz und sah dann zu Owen. „Soll ich sie nehmen?“
„Nein, sie schläft. Darcy, das ist Suzanne Greenway. Sie ist Reporterin und ist wegen einer Story hier in der Stadt. Miss Greenway, meine andere Nichte, Darcy.“
„Hi“, meinte Suzanne und reichte dem Teenager die Hand. Das Mädchen sah aus wie dreizehn, mit ihren rotbraunen Haaren und den dunklen Augen.
„Hi. Was für eine Geschichte?“
„Ich arbeite für das Magazin ‚Romantisches Leben‘. Schon mal davon gehört?“
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Meine Chefin hat mich hierhergeschickt, damit ich eine Geschichte über das Heiratsfestival schreibe, das in der ‚romantischsten Stadt des Westens‘ läuft.“
„Das ist doch ein Witz, oder?“, meinte das Mädchen. „Bliss ist doch viel zu klein, um irgendetwas zu sein.“
„Ich schicke dir eine Kopie von dem Artikel, und dann kannst du selber sehen“, meinte Suzanne und wandte sich wieder Owen zu. „Können wir uns morgen treffen? Sie bestimmen Zeit und Ort.“
„Miss Greenway, ich möchte nicht …“
„Suzanne“, korrigierte sie. „Bitte.“
„Suzanne“, sagte er, nun mit leiser Stimme. „Ich möchte nicht, dass über mein Privatleben in einem Zeitschriftenartikel berichtet wird.“
„Owen?“ Ein gut aussehender, sonnengebräunter Mann mit kam von der Theke her und trat neben den Rancher. „Wir sind …“ Er hörte zu reden auf, als er Suzanne sah und lächelte. „Hallo.“
„Hi.“ Sie reichte ihm die Hand. „Suzanne Greenway. Ich bin …“
„Wegen einer Story hier“, erklärte er und schüttelte ihr die Hand. „Das habe ich schon gehört. Gabe O’Connor, Owens Freund und Nachbar.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen. Sind Sie auch einer der Junggesellen, die verkuppelt werden sollen?“
Owen lachte, was Suzanne überraschte. „Richtig. Sie sollten ihn interviewen, nicht mich, Ella Bliss wird ihn diese Woche sicher auch zum Tee einladen.“
„Owen ist derjenige, der eine Frau braucht“, sagte Gabe. „Helfen Sie ihm, Suzanne?“
„Ich versuche es, aber er ist ja sehr stur.“
Darcy rollte mit den Augen. „Onkel Owen ist immer so stur. Aber er sollte sich ab und zu mal verabreden, damit er nicht zu einsam wird.“
„Das reicht jetzt“, sagte Owen. Es gefiel ihm offenbar gar nicht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Sein Blick fiel auf Suzannes Haare, die sie im Nacken mit einer Spange zusammengenommen hatte.
„Du wirst doch die Dame jetzt nicht allein lassen, oder, Owen?“ Gabe zwinkerte Suzanne zu, als zwei Kinder zu ihm traten. „Darf ich vorstellen … meine Kinder.“
„Wir müssen nach Hause. Darcy muss noch Hausaufgaben machen, und Mel …“
„Schläft längst. Ich nehme Darcy mit. Du kannst sie auf deinem Heimweg abholen. Bleib hier und leiste Miss Greenway Gesellschaft.“
„Mach schon, Onkel Owen“, meinte seine Nichte. „Ich kann meine Mathe-Aufgaben bei Gabe machen, kein Problem.“
„Na ja …“ Owen blickte so unbehaglich drein, dass er Suzanne leidtat.
„Sie müssen das nicht“, erklärte sie. „Ich bin es gewohnt, allein zu essen“, log sie. „Bringen Sie das Baby ins Bett. Vielleicht können wir uns morgen treffen, wenn Sie nicht so beschäftigt sind.“ Sie trat zur Seite, um die Männer zur Tür gehen zu lassen, aber Owen rührte sich nicht.
„Nein“, sagte er bedächtig, „ich bleibe.“
„Bis später dann“, meinte sein Freund und ging mit den Kindern zur Tür. „Lass dir Zeit.“ Er lächelte Suzanne an. „Ich bin sicher, wir sehen uns wieder. Es ist eine kleine Stadt.“
„Schön, Sie kennengelernt zu haben“, sagte sie.
„Ebenso.“ Und Gabe drehte sich um und folgte den Kindern nach draußen. Ein Hauch kalter Luft wehte um Suzannes Nacken.
Sie drehte sich zu Owen um, der immer noch das Baby an der Schulter hielt. Sie sah, dass er einen Kindersitz in der rechten Hand hielt und dass ein Babyfläschchen aus seiner Jackentasche hervorlugte. Sie fragte sich, ob er wusste, wie süß er aussah. „Ich habe Sie also für ein Interview gefangen“, meinte sie. „Oder ist hier jetzt rein privat?“
„Genau so ist es“, sagte Owen und wies zu einer freien Ecke. Sie warteten, bis die Kellnerin den Tisch abgeräumt hatte, ehe Owen den Kindersitz neben sich auf die Bank stellte. „Sie schläft überall“, meinte er.
„Auch in diesem Lärm?“ Suzanne rutschte in die Nische und sah zum Kind hinüber, das wirkte, als würde es in einem schallisolierten Raum schlafen. „Sie ist so hübsch. Wie schaffen Sie es eigentlich, sie zu versorgen?“
„Zuerst hat mir ihre Großmutter geholfen“, sagte er und reichte Suzanne eine Speisekarte. „Ella und Louisa haben Ihnen aber wohl die ganze Geschichte schon erzählt.“
Suzanne sah sich die Speisekarte an. „Sie hatten viel zu erzählen“, sagte sie und knöpfte sich den Mantel auf. „Was ist denn hier gut?“
„Eigentlich alles. Sie machen die besten Pommes frites in der Stadt, falls Ihnen Fett nichts ausmacht.“
„Ich liebe es. Und erzählen Sie mir jetzt bitte, dass es hier auch Apfelkuchen gibt.“
„Na klar gibt es den hier.“ Wieder war da der Anflug eines Lächelns, und Suzanne dachte, sie hätte auch ein Zwinkern in seinen Augen gesehen.
„Sehr gut.“ Sie studierte wieder die Speisekarte. Als die Kellnerin kam, bestellte Owen Kaffee, nachdem Suzanne einen Deluxe-Burger und Diät-Cola gewählt hatte.
„Das Schreiben macht offenbar hungrig“, bemerkte er.
„Es war ein langer Tag. In den Flugzeugen kriegt man nichts Richtiges mehr zu essen.“ Sie lehnte sich zurück. „Sie haben ja alle Hände voll zu tun. Wie schaffen Sie das?“
„Kein Interview?“
„Klar doch.“
Er knöpfte sich seine dicke Jacke auf. Darunter trug er ein Flanellhemd. „Es war noch nie leicht, aber es war besser, als Doreen – die Großmutter der Mädchen – noch da war, um zu helfen.“
„Wo ist sie jetzt?“
„In Kalifornien bei ihrem Sohn. Sie brauchte ein neues Hüftgelenk.“ Die Kellnerin brachte die Getränke.
„Und gab es außer Ihnen niemanden, der die Kinder nehmen konnte?“
„Nein. Ich habe Judy – meiner Schwester – versprochen, dass ich die Mädchen nehmen würde, aber die letzten Monate waren schon verdammt hart.“
Ein Mann, der zu seinem Wort stand. Wie selten heutzutage, dachte Suzanne und nahm einen Schluck. „Sie hoffen also, dass die Bliss-Schwestern eine passende Frau für Sie finden. Ganz schön erstaunlich.“
„Ich wollte nicht unhöflich sein. Sie sind so nette alte Damen und sie glauben an das, was sie tun. Die Leute hier nehmen die beiden nicht allzu ernst.“
„Aber das Fest …“
„Bringt Geld“, sagte Owen. „Niemand weiß genau, wie und warum die Stadt eine so geringe Scheidungsrate hat, aber jeder, der ein Geschäft hat, ist froh, daraus Kapital zu schlagen. Die beiden Damen glauben, alles hätte mit Horace angefangen, aber …“ Er trank einen Schluck Kaffee.
„Aber was?“
„Hören Sie, das muss jetzt aber unter uns bleiben, denn wir wollen doch Ella und Louisa nicht beschämen. Also man sagt, dass Horace eine Wagenladung mit Prostituierten abgefangen hat, die auf dem Weg in eine Goldgräberstadt nördlich von hier waren, und er versprach den Frauen Grundbesitz, wenn sie heirateten, Kinder bekämen und zehn Jahre verheiratet blieben. Es hat funktioniert.“
„Sie machen Spaß.“
„Nein, das stimmt. Wir erzählen es nicht überall herum, aber …“
„Ich kann doch diese Geschichte in meinem Artikel nicht unterbringen.“ Sie stellte sich schon die Schlagzeile vor: „Die Frauen von Bliss: Tatsachen oder Märchen?“
„Wir sind da etwas empfindsam.“ Wieder lächelte er. Suzanne beugte sich vor, weil sie mehr von ihm erfahren wollte.
„Sie wären wirklich toll für meinen Artikel.“ Sie wäre wahnsinnig, wenn sie sich wieder zu einem Mann hingezogen fühlte. Und schon gar nicht zu einem Riesen mit Kindern, der mitten in Montana lebte.
„Ich bin nicht so verrückt, dass ich mein Privatleben in einer Zeitschrift nachlesen muss.“ Er nahm noch einen Schluck Kaffee. „Und ich will auch nicht, dass die Leute zusehen, wenn ich mich zum Narren mache.“ Er wedelte mit seiner Hand in Richtung der lachenden jungen Frauen, die gerade das Restaurant betraten. „Denken Sie, dass eine von denen einen Mann sucht, der achtzehn Stunden am Tag arbeitet und zwei Mädchen großzieht? Wohl kaum.“
„Ich denke, es gibt viele Frauen, die von Ihnen fasziniert sind.“
„Was für Frauen, und wo sind die?“ Wieder sah er auf das schlafende Kind, dann zurück zu Suzanne. „Wenn Sie eine davon diese Woche treffen, lassen Sie mich das wissen.“
„Mache ich. Sind Sie morgen Abend beim Festessen?“
Die Kellnerin stellte einen großen Teller mit einem riesigen Hamburger und einem Berg Pommes frites vor Suzanne auf den Tisch und gab Owen einen Zettel. „Der Name meiner Nichte und meine Telefonnummer“, erklärte die Kellnerin. „Sie kommt morgen aus Billings. Zum Wochenende. Sie ist geschieden.“
Owen nickte höflich.
„Sie mag Kinder“, sagte die Frau mittleren Alters. „Sie hat selbst zwei Söhne – es sind Zwillinge – und wird gut mit ihnen fertig.“
„Okay.“ Owen nickte höflich.
„Ich dachte nur, falls Sie das wissen wollen. Guten Appetit“, sagte sie, ehe sie ging.
Suzanne sah, wie Owen den Zettel in die Tasche steckte. „Sieht so aus, als hätten Sie einen guten Start. Jetzt müssen Sie morgen jemanden anrufen.“
„Mrs Salters Nichte ist kaum zwanzig Jahre alt“, sagte er leise.
„Sie suchen eine ältere Frau?“ Suzanne sah auf ihren Teller. „Wow!“
„Genau das will ich“, hörte sie Owen sagen und griff nach dem Ketchup.
„Einen Burger?“
„Eine Frau, die mich so ansieht, wie Sie Ihr Essen ansehen.“
„Ich kann nicht anders“, meinte Suzanne. „Ich esse so gern. Die beiden Schwestern glauben, dass sie geeignete Kandidatinnen für Sie finden können. Wieso lassen Sie sie nicht einfach etwas arrangieren? Oder nehmen das Angebot der Kellnerin an und treffen ihre Nichte?“
Owen seufzte. „Ich wollte, sie würden mich in Ruhe lassen. Oder …“ Er zögerte; ihm war das Gespräch sichtlich unangenehm.
„Oder?“, fiel Suzanne ein, die gerade eine Fritte in den Mund steckte.
„Die passende Frau finden, sie an der Ranch absetzen – und das wär’s.“
„Also kein großes Theater.“
„Genau.“
„Wie früher, als ein Mann sich eine Frau aus dem Wagen holen konnte, sie mit zu sich nach Hause nahm und sie auf das Bett warf und dann wartete, dass sie endlich an den Herd ging und kochte.“ Sie nahm einen großen Bissen von ihrem Burger und beschloss, morgen wieder hier zu essen.
„Sie necken mich schon wieder.“
Sie nickte.
„Verabreden Sie sich gern?“ Owen beugte sich vor. Suzanne zuckte die Achseln. „Gehen Sie wirklich gern mit einem Kerl aus, den Sie kaum kennen und der Sie zum Essen einlädt, von seinem Job erzählt und versucht, Sie noch vor Mitternacht ins Bett zu kriegen?“
„Manchmal ist das gar nicht so schlecht.“ Mit Greg war es ganz gut gewesen. „Manchmal ist es einfach sehr romantisch.“ Bis zur Hochzeit, ergänzte sie im Stillen.
Owen war nicht überzeugt davon. Er sah sie mit gerunzelter Stirn an und trank seinen Kaffee aus.
„Manchmal“, fuhr Suzanne fort, „macht es sogar Spaß.“
„Spaß.“ Er seufzte. „Wenn Sie Junggeselle in Bliss wären, wäre diese Jahreszeit nicht spaßig für Sie.“
„Alle sehen aber so aus, als würden sie es genießen. Die Leute hier scheinen das Heiratsfestival zu genießen.“
„Und Sie? Sind Sie nach Bliss gekommen, um einen Mann zu finden?“
„Ich habe kein Interesse an einer Ehe.“
Wieder lächelte Owen sie charmant an. „Sie wollen sich also nicht an den Herd stellen?“
„Nein.“ Sie hatte ihren Hamburger aufgegessen, und Owen trank seinen Kaffee, als würden sie jeden Abend gemeinsam essen.
„Ich gehe dann besser“, sagte er.
„Danke für die Gesellschaft. Sind Sie sicher, dass Sie Ihre Meinung nicht ändern?“
„Worüber?“ Er warf eine Zehndollarnote auf den Tisch und nahm das Baby auf den Arm.
„Über den Artikel.“
Seine dunklen Augen sahen in ihre. „Sie können tun, was Sie wollen, Miss Greenway. Aber mir in den nächsten Tagen zu folgen wäre reine Zeitverschwendung.“
Er hatte recht, fand sie. Morgen würde sie die beiden Schwestern bitten, ihr einen anderen Junggesellen zu empfehlen. Sie wusste nicht, was mit diesem Mann los war, aber er schaffte es, in ihr den Wunsch zu wecken, sie könnte zu ihm ins Bett schlüpfen und Babys mit ihm machen.
„Na, Kleine, mögen Sie ältere Männer?“
Suzanne sah den älteren Mann an, der ihr die Restauranttür aufhielt. Owen und sein schlafendes Baby waren fort, aber sie war noch geblieben und hatte die Bedienung um ein Stück Apfelkuchen gebeten, das sie mitnehmen wollte.
„Du lässt die kalte Luft hinein, Pete!“
Der Cowboy überhörte die Klage der Kellnerin. „Ich meine es ernst, ich habe schon mein ganzes Leben von Rothaarigen geträumt.“
„Vielen Dank, aber ich bin nicht …“
„Er ist millionenschwer“, meinte die dicke Kassiererin. „Harmlos und so, aber er ist eine ganz schöne Nervensäge. Also nehmen Sie sich in Acht, Rotschopf.“
Suzanne musste lachen. „Schön, Sie kennengelernt zu haben“, sagte sie zu dem millionenschweren Pete und trat hinaus in die Kälte. „Vielleicht kann ich Sie für meinen Artikel interviewen.“
„Interviewen?“ Er folgte ihr nach draußen, den Hut tief ind die Stirn gezogen. „Fürs Fernsehen? Sind Sie von CNN oder so?“
„Ich schreibe einen Artikel für das Magazin ‚Romantisches Leben‘, erklärte sie.
„‚Romantisches Leben‘? Hey, ich bin Ihr Mann.“ Er stellte sich vor. „Pete Peterson, zu Ihren Diensten. Rufen Sie mich jederzeit an. Ich stehe im Telefonbuch. Ich habe drei Söhne, aber die zählen nicht.“
„Ich werde Sie anrufen, wenn ich Sie brauche“, versprach Suzanne, schloss den Wagen auf und stellte die Schachtel mit dem Apfelkuchen auf den Beifahrersitz.
„Ich habe nichts dagegen, noch mehr Kinder zu kriegen“, rief er, als sie in den Wagen stieg.
Sie winkte ihm zum Abschied zu und schloss die Tür vor der Kälte und der Stimme des alten Mannes. Die Leute hier waren schon komisch, dafür aber unterhaltsam.
Gabe bot Owen eine Tasse Kaffee an, während Darcy sich beklagte, dass er zu früh gekommen wäre, um sie abzuholen. Die Mädchen waren nämlich dabei, sich die Nägel zu lackieren. In dem kleinen Fernseher auf dem Küchenschrank lief ein Footballspiel, und Gabe schaute hin, während er einen Kuchen backte. Wie immer war die kleine Küche voller Bücher, Geschirr, Mäntel, Zeitungen und Lebensmittelkonserven, die noch nicht in die Schränke eingeordnet worden waren. Es sah genau so aus wie in Owens Küche, außer dass seine größer war und es noch mehr Platz für Krimskrams gab.
„Wir können noch nicht gehen, weil ich meine Handschuhe nicht anziehen kann, solange meine Nägel noch nicht trocken sind“, erklärte Darcy.
Owen fragte sich, ob er jemals junge Mädchen verstanden hatte.
„Wie war es mit der Rothaarigen?“
Owen setzte sich an einen Küchentisch, wo Melanie mit großen Augen in ihrem Sitz saß. Sie war aufgewacht, als Owen sie in den Wagen setzte, und hatte unterwegs die ganze Zeit vor sich hin geplappert. Sie sah aus, als wäre sie zufrieden. Owen nippte an seinem Kaffee. „Nicht schlecht.“
„Könntest du nicht etwas mehr ins Detail gehen?“ Gabe nahm sich eine Schachtel mit einer Backmischung und runzelte die Stirn, als er die Anleitung las.
„Nicht unbedingt. Es gibt nicht viel zu erzählen.“ Außer dass sie blaue Augen hatte, die ihn so angesehen hatten, dass er Suzanne am liebsten gleich für zwei oder drei Jahre mit in sein Schlafzimmer genommen hätte. „Sag du mir lieber, was du da gerade machst.“
„Ich backe einen Napfkuchen. Joe hat vergessen, mir zu sagen, dass er versprochen hat, morgen für die Party in der Schule einen Kuchen mitzubringen.“ Gabe schüttete den Inhalt der Schachtel in eine Rührschüssel.
„Ruf Ella Bliss an. Du brauchst die Hilfe mehr als ich“, meinte Owen, als er sah, wie ein Ei vom Tisch rollte und auf den Boden klatschte. Er griff nach der Rolle mit Papierhandtüchern und bückte sich, um das Ei aufzuwischen.
„Danke“, sagte Gabe, und Melanie fing an zu schreien, weil sie Hunger hatte. „Du hast genauso viele Probleme wie ich. Es stimmt, wir brauchen Frauen, aber wer nimmt uns schon?“
Owen seufzte und nahm sich seine Nichte vor. Er wusste jedenfalls, wer ihn nicht wollte: eine Frau mit rotblondem Haar und einer Schwäche für Pommes frites.