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Julia Extra Band 378
Erscheinungstag: | Di, 11.03.2014 |
Erscheinungstag: | Di, 11.03.2014 |
Bandnummer: | 378 |
Bandnummer: | 378 |
Seitenanzahl: | 448 |
Seitenanzahl: | 448 |
ISBN: | |
ISBN: | 9783733703936 |
E-Book Format: | ePub oder .mobi |
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Ein Teil von ihr
Mutter. Heldin. Lügnerin. Mörderin?
Im Bruchteil einer Sekunde kann sich dein Leben für immer verändern….
Du hast die Nachrichten gesehen, über die Gewalt in dieser Welt den Kopf geschüttelt und weitergemacht wie immer. Nie könnte dir so etwas passieren, dachtest du.
Andrea Oliver erlebt das Entsetzlichste. Einen Amoklauf. Was sie noch mehr schockiert: Ihre Mutter Laura entreißt dem Angreifer ein Messer und ersticht ihn. Andrea erkennt sie nicht wieder. Offenbar ist Laura mehr als die liebende Mutter und Therapeutin, für die Andrea sie immer gehalten hat. Sie muss einen Wettlauf gegen die Zeit antreten, um die geheime Vergangenheit ihrer Mutter zu enthüllen, bevor noch mehr Blut vergossen wird …
Laura weiß, dass sie verfolgt wird. Und dass ihre Tochter Andrea in Lebensgefahr ist …
»Dieser Thriller wird Sie um den Schlaf bringen. Für Slaughter-Fans ist „Ein Teil von ihr“ ein absolutes Lese-Muss.«
ok!
»Wie immer hat Slaughter … keine Scheu, Verbrechen in all ihrer Brutalität und Grausamkeit zu schildern. […] Daneben aber beweist sie ebenso viel Gespür für die Zerrissenheit, für Sehnsüchte und Ängste, für starke Gefühle und damit verbundene innerliche Eruption, kurz: für die Komplexität ihrer Charaktere.«
dpa
»Karin Slaughters „Ein Teil von ihr“ liest sich als moderne Geschichte über komplizierte Vereinigte Staaten von Amerika, in der charakteristische Merkmale des American Way of Life ebenso aufscheinen wie der Mythos vom Grenzland.«
krimi-couch.de
»Provokanter und raffinierter als alles, was sie zuvor geschrieben hat.«
vol.at
»Eine spannende Lektüre bis zum Schluss.«
SpotOnNews
»Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.«
Magazin-frankfurt.com
»Karin Slaughter gilt völlig zu Recht als eine der besten Krimi-Autoren der USA. Ihre Geschichten fesseln von Anfang bis Ende.«
IN
»Karin Slaughter zählt zu den talentiertesten und stärksten Spannungsautoren der Welt.«
Yrsa Sigurðardóttir
»Jeder neue Thriller von Karin Slaughter ist ein Anlass zum Feiern!«
Kathy Reichs
»Karin Slaughter bietet weit mehr als unterhaltsamen Thrill.«
SPIEGEL ONLINE über »Pretty Girls«
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Im Sturm der Leidenschaft
1. KAPITEL
Sebastiano Christou – im Freundeskreis kurz Bastian genannt – betrachtete missmutig den grandiosen Smaragdring in seiner Hand. Sein regelmäßiges Gesicht mit den goldbraun schimmernden Augen nahm plötzlich einen hochmütigen Ausdruck an. Immerhin war dies der Verlobungsring der Christous, der bis vor Kurzem noch die Hand seiner Braut Lilah Sianna geziert hatte.
Paradoxerweise hatte Lilah kein Wort des Vorwurfs über den Ehevertrag verloren, der ihrem Anwalt zugegangen war. Unterzeichnet hatte sie das Dokument aber auch nicht. Stattdessen hatte sie sich rar gemacht und war ihm ausgewichen. Schließlich hatte Lilah ihre brennende Verachtung nicht mehr unterdrücken können. Sie hatte die Verlobung öffentlich für gelöst erklärt und zeigte sich seitdem auf jeder Party – stets an der Seite eines reichen Schönlings.
Bastian war sich durchaus bewusst, dass Lilah ihm den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen hatte. Offensichtlich wollte sie ihn eifersüchtig machen. Doch er empfand keine Eifersucht und schon gar nicht so überwältigendes Begehren, dass er bereit gewesen wäre, den Ehevertrag zu zerreißen, um Lilah umzustimmen. Pech gehabt, Lilah, dachte er.
Wie wichtig so ein Ehevertrag war, hatte er schon als kleiner Junge gelernt.
Sein Vater hatte viermal geheiratet. Seine drei Scheidungen waren teuer gewesen und hatten das Familienvermögen der Christous erheblich dezimiert. Bastians Großvater hatte seinem Enkel schon von klein auf gepredigt, dass eine erfolgreiche Ehe sich eher auf gemeinsame Ziele und Grundsätze als auf Liebe gründete.
Verliebt war Bastian noch nie gewesen, aber er hatte schon viele Frauen begehrt.
Lilah, eine zierliche bildhübsche Brünette, hatte seinen Jagdinstinkt geweckt. Bastian musste sie unbedingt haben, aber mit Liebe hatte das nichts zu tun. Vor dem Heiratsantrag hatte er sorgfältig abgewogen, welchen Wert Lilah für ihn darstellte, als handelte es sich um eine Investition. Ihr gesellschaftlicher Hintergrund war auch seiner, sie war pragmatisch, sehr gebildet und bewegte sich sicher auf gesellschaftlichem Parkett. Das war die positive Seite. Gegen Lilah sprach ihre Habgier. Die hatte er eindeutig unterschätzt.
Bastian steckte den Ring wieder ins Schmuckkästchen und platzierte es im Safe, ärgerlich, dass er so viele Monate mit Lilah verschwendet hatte, die sich nun als für ihn ungeeignete Ehefrau entpuppt hatte. Mit seinen dreißig Jahren war er nur zu bereit, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Auf unverbindliche Affären hatte er keine Lust mehr. Allerdings hatte er es sich leichter vorgestellt, eine passende Frau zu finden. Zudem überlegte er, wie sich auf der Hochzeit seiner Schwester Nessa in zwei Wochen unschöne Szenen mit Lilah vermeiden ließen. Lilah gehörte nämlich zu den Brautjungfern und würde ausgesprochen wütend reagieren, wenn Bastian keinen Versuch unternahm, sie zurückzugewinnen. Wahrscheinlich würde sie warten, bis alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war und ihm dann eine fürchterliche Szene machen. Das wollte er seiner kleinen Schwester natürlich gerade an ihrem Hochzeitstag unbedingt ersparen. Eigentlich gab es nur eine Möglichkeit: Lilahs Stolz würde es nicht zulassen, Bastian zu konfrontieren, wenn er mit einer anderen Frau am Arm zur Feier erschien.
Aber wo sollte er auf die Schnelle eine Frau finden, die bei der Familienfeier ein ganzes Wochenende lang überzeugend seine Freundin spielen würde, ohne zu versuchen, ihn tatsächlich an sich zu binden?
„Bastian?“ Er wandte sich sofort um, als einer seiner Direktoren mit einem Laptop unterm Arm näher kam. „Ich muss dir etwas Amüsantes zeigen. Bist du dazu aufgelegt?“
War er nicht, aber er wollte seinen guten Freund Guy Babington nicht enttäuschen und lächelte daher zustimmend. „Aber sicher!“, behauptete er.
Also klappte Guy den Laptop auf dem Schreibtisch auf und drehte ihn so, dass Bastian den Bildschirm sehen konnte. „Sieh mal! Erkennst du sie?“
Bastian betrachtete das Foto einer bildhübschen Blondine mit hellblauen Augen, die ein Cocktailkleid trug und in die Kamera lachte. „Nein. Sollte ich sie kennen?“
„Schau genauer hin! Sie arbeitet für dich.“ Gespannt wartete Guy auf die Reaktion seines Freundes und Vorgesetzten.
„Das kann nicht sein. Sie wäre mir sofort aufgefallen“, widersprach Bastian, der ein Auge für schöne Frauen hatte. „Wie kommt das Bild überhaupt ins Internet? Bist du bei Facebook?“
Lachend schüttelte Guy den Kopf. „Das ist eine Website, auf der für Exclusive Companions geworben wird. Mit anderen Worten: eine Escortagentur. Sehr exklusiv. Du weißt schon.“ Anzüglich verdrehte er die Augen.
Abfällig verzog Bastian die sinnlichen Lippen. „Hast du das nötig?“
„Bei der Blondine hier könnte ich schon schwach werden“, antwortete Guy ausweichend.
„Sagtest du, sie arbeitet für mich?“ Fragend zog Bastian eine schwarze Augenbraue hoch.
„Ja, und zwar als Praktikantin auf dieser Etage. Sie hat einen Dreimonatsvertrag und erledigt Recherchen für deine persönliche Assistentin.“
Erstaunt warf Bastian nun einen weiteren Blick auf den Monitor und sah ungläubig auf. „Ist das etwa Emmie?“ Eine entfernte Ähnlichkeit mit der jungen Frau, die hier arbeitete, bestand tatsächlich. Nur dass diese ihr Haar stets zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden hatte, eine Brille trug und sich ausgesprochen unscheinbar kleidete. Doch der Leberfleck auf der Wange verriet sie.
„Das ist ja ein Ding! Sie verdient sich wirklich als Escortgirl Geld dazu?“
„Zumindest hat es den Anschein. Ich würde zu gern wissen, warum sie sich hier als hässliches Entlein verkleidet“, sagte Guy nachdenklich.
„Hier steht, dass sie Emerald heißt.“
Sebastiano klappte seinen eigenen Laptop auf und ging auf die Personalliste seiner Firma. Tatsächlich! Emmie war nicht die Abkürzung für Emily, wie man gemeinhin hätte vermuten können, sondern für Emerald. Es handelte sich also eindeutig um ein und dieselbe Person.
„Sie macht wirklich etwas her.“ Guy grinste lüstern.
Als hässliches Entlein hätte Bastian seine blonde Mitarbeiterin nun auch nicht gerade bezeichnet. Bisher war sie ihm eher dadurch aufgefallen, dass er sich ständig über sie ärgerte.
„Zucker ist schlecht für die Zähne“, hatte sie beispielsweise mahnend gesagt, als sie ihm seinen Kaffee serviert hatte, schwarz und süß, wie er ihn mochte.
„Benehmen ist Glückssache.“ Vorwurfsvoll hatte sie ihn angefunkelt, als er ihr an der Tür nicht den Vortritt gelassen hatte, was fast zu einer Kollision geführt hätte.
Trotz der blickdichten schwarzen Strumpfhosen, die sie ständig trug, waren ihm ihre schier endlos langen Beine aufgefallen. Wohl jeder Mann stellte sich vor, wie die sich um seine Taille schlangen … Ein Escortgirl. Man konnte ihre Gesellschaft also käuflich erwerben. Wenn sie sich so aufmachte wie auf dem Foto, würde sie alle Blicke auf sich ziehen. Allerdings war ihr Nebenjob nicht mit dem Vertrag vereinbar, den sie als Praktikantin unterschrieben hatte. Eine Klausel lautete nämlich, dass sie die Firma unter keinen Umständen in Verruf bringen durfte. Genau dies tat sie aber in ihrer Rolle als käufliche Begleiterin reicher Männer. Er hatte solche Dienste noch nie in Anspruch genommen und würde es normalerweise auch nie tun, aber in diesem speziellen Fall war er geneigt, eine Ausnahme zu machen.
Diese Frau musste ihn zur Hochzeit seiner Schwester begleiten. Dann brauchte er keine Bekannte um diesen Gefallen zu bitten und Interesse an ihr vortäuschen, das nicht bestand. Missverständnisse konnten also gar nicht erst aufkommen. Er bezahlte Exclusive Companions für eine Leistung, die Emerald genau nach seinen Anweisungen erbringen würde. Die Idee gefiel ihm immer besser! Er würde seine Begleiterin kontrollieren können wie einen Roboter …
Emmie unterdrückte ein Gähnen, während sie versuchte, sich auf die vielen Details zu konzentrieren, die Bastian Christous persönliche Assistentin als Hintergrundmaterial über eine Firma benötigte. Unbewusst rieb sie sich das schmerzende rechte Bein. Offensichtlich hatte sie es zu stark belastet.
Im Alter von zwölf Jahren war das Bein bei einem Verkehrsunfall so schwer verletzt worden, dass Emmie zunächst auf einen Rollstuhl angewiesen gewesen war und später auf Krücken. Erst durch eine komplizierte Operation war sie wieder völlig hergestellt worden. Dafür nahm sie gelegentliche Schmerzen gern in Kauf. Leider verhinderte Müdigkeit ihre Konzentrationsfähigkeit, sosehr Emmie sich auch bemühte, alle Details aufzunehmen. Inzwischen fragte sie sich, wieso sie eigentlich gedacht hatte, ein unbezahltes Praktikum wäre die Lösung, wieder eine Festanstellung zu bekommen.
Nach Monaten als Aushilfe in der Bücherei hätte Emmie nach jedem Strohhalm gegriffen, der sie aus der Sackgasse befreite. Inzwischen war ihr leider bewusst geworden, dass sie vom Regen in der Traufe gelandet war. Im Gegensatz zu ihren Freunden, die auch ohne Bezahlung als Praktikanten arbeiteten, weil das auf dem Lebenslauf besser aussah als Zeiten der Arbeitslosigkeit, erhielt Emmie keine finanzielle Unterstützung von ihren Eltern.
Trotz ihres hervorragenden Studienabschlusses in Wirtschaftswissenschaften hatte sie keinen entsprechenden Job gefunden. In Zeiten der allgemeinen Wirtschaftskrise stellten Firmen – wenn überhaupt – nur Bewerber mit Berufserfahrung ein. Nach zahllosen vergeblichen Bewerbungen hatte Emmie eingesehen, dass sie ohne entsprechende Erfahrung nie einen ihrer Ausbildung angemessenen Job finden würde. Also hatte sie ein hartes Auswahlverfahren im Assessment-Center durchlaufen und war überglücklich gewesen, als Praktikantin bei Christou Holdings anzufangen. Das Praktikum bei einer der erfolgreichsten Softwarefirmen in London musste sie doch weiterbringen.
In ihrem Enthusiasmus hatte sie nicht bedacht, wie teuer das Leben in London war. Ihre Mutter Odette, die sich jahrelang nicht um sie gekümmert hatte, hatte sich dann unverhofft bei ihr gemeldet und Emmie ein Zimmer bei sich angeboten. Natürlich hatte Emmie sofort zugegriffen. Ohne eine günstige Unterkunft hätte sie sich das unbezahlte Praktikum nicht leisten können. Auf die Idee, Odette könnte Hintergedanken haben, war Emmie nicht gekommen. Sie hatte sich über die Gelegenheit gefreut, ihre Mutter endlich besser kennenzulernen, denn im Alter von zwölf Jahren hatte sie Odette zuletzt gesehen.
Nach dem Unfall damals hatte Odette sie und ihre beiden Schwestern in eine Pflegefamilie abgeschoben. Kat, ihre älteste Schwester, hatte alle drei Schwestern dann glücklicherweise in ihrem Haus im Lake District aufgenommen. Kat war zwar alles andere als begeistert gewesen von Emmies Entschluss, bei Odette zu wohnen, hatte jedoch keinen Riegel davorgeschoben, sondern Emmie nur gewarnt, dass ihre Mutter sehr schwierig sein konnte.
Schwierig? Das war sehr milde ausgedrückt. Hoffentlich kommt es nicht wieder zum Streit, wenn ich nach Hause komme, dachte Emmie.
Kurz nach dem Einzug bei ihrer Mutter hatte sie erfahren, womit Odette ihr durchaus luxuriöses Leben finanzierte: mit einer Escortagentur im Internet! Der nächste Schock folgte auf dem Fuße, als ihre Mutter doch tatsächlich vorschlug, Emmie sollte als Escortgirl arbeiten, um für Kost und Logis zu bezahlen. Odette war fuchsteufelswild geworden, als Emmie dieses Angebot kategorisch abgelehnt und stattdessen einen Job als Kellnerin angenommen hatte. Sie arbeitete an fünf Abenden in der Woche und lieferte ihren bescheidenen Lohn bei Odette ab. Doch damit gab die sich nicht zufrieden.
Am schlimmsten war für Emmie jedoch die Erkenntnis gewesen, dass ihre Mutter sie nicht liebte. Odette zeigte kein Interesse daran, sie besser kennenzulernen und bedauerte keineswegs, sie und ihre Schwestern damals weggegeben zu haben. Emmie war völlig am Boden zerstört. Ihre Hoffnung, eine liebevolle Beziehung zu ihrer Mutter aufzubauen, wurde bitter enttäuscht. Odette war kein mütterlicher Typ. Für sie waren ihre Kinder lediglich lästige Nebenprodukte von gescheiterten Beziehungen.
„Ach, Marie …“ Eine vertraute dunkle Stimme mit leichtem Akzent erklang an der Tür. „Die Konferenz beginnt gleich. Emmie kann das Protokoll für uns führen.“
Überrascht wirbelte Emmie herum und erblickte die eindrucksvolle Gestalt von Bastian Christou.
Immer wieder erschienen Artikel in Wirtschaftsmagazinen über den griechischen Unternehmer. Emmie hatte sie alle verschlungen, und zwar schon lange bevor sie als Praktikantin bei ihm angefangen hatte. Er war sehr fotogen, sah aber in natura noch umwerfender aus. Mit seinem hochgewachsenen athletischen Körper, dem seidig schimmernden kurzen schwarzen Haar, dem ausdrucksvollen markanten Gesicht und dem goldenen Teint des Südländers fiel er überall sofort auf. Emmie war selbst einen Meter sechsundsiebzig groß, aber Bastian überragte sie um schätzungsweise zwanzig Zentimeter. Seiner charismatischen Ausstrahlung konnte wohl kaum eine Frau widerstehen. Mit seinem ebenmäßigen Gesicht erinnerte er an einen gefallenen Engel … Irgendwo hatte Emmie gelesen, seine Mutter, die sie von Fotos kannte, wäre ein berühmter italienischer Filmstar gewesen. Bastian war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, besonders zeigte sich die Ähnlichkeit in den gold schimmernden dunkelbraunen Augen, mit denen er sie jetzt eingehend musterte.
Er sieht mich an, als würde er mich am liebsten anknabbern, dachte Emmie verwundert, hob herausfordernd ihr Kinn und warf Bastian einen fragenden Blick zu. Noch nie zuvor hatte er sie so angesehen. Marie hatte sie allerdings vor den Launen des Chefs gewarnt, die wohl mit seiner in die Brüche gegangenen Verlobung zusammenhingen, über die hinter vorgehaltener Hand spekuliert wurde.
„Selbstverständlich“, antwortete Marie gelassen. Die schlanke Brünette Anfang vierzig stand auf und begleitete ihren Boss aus dem Büro.
Bastian musterte sein Opfer und überlegte, wie sie wohl aussah, wenn sie mal lächelte. Er war es gewohnt, von Frauen angelächelt zu werden. Emmie jedoch funkelte ihn entweder ärgerlich an oder musterte ihn verächtlich. Seit sie hier angefangen hatte, überlegte er, wo er sie schon mal gesehen hatte, kam aber nicht drauf. In seinen Kreisen verkehrte sie jedenfalls nicht. Außerdem hatte sie bis vor Kurzem in einer abgelegenen Gegend in Nordengland gewohnt, wo er noch nie gewesen war. Möglicherweise hatte sie aber mal einen Bekannten begleitet. Verächtlich verzog Bastian das Gesicht. Wieso arbeitete eine junge hübsche Frau in einem so anrüchigen Job? Wahrscheinlich, weil er ihr einen guten Lebensstandard einbrachte. Und wenn sie einen reichen Mann kennenlernte und heiratete, hätte sie ausgesorgt.
Schon früh hatte Bastian gelernt, dass die meisten Frauen ihre Schönheit einsetzten, um sich Vorteile zu verschaffen. Seine eigene Mutter war das beste Beispiel gewesen. Warum sollte Emmie Marshall eine Ausnahme sein?
Er beobachtete, wie sie sich während der Konferenz Notizen machte, bemerkte die Schatten unter den müden Augen und bewunderte den makellosen Porzellanteint, den eigentlich nur Kinder hatten. Das Kinn hatte sie auf eine Hand aufgestützt, was ihren schlanken Hals und ihr schmales Gesicht wunderbar zur Geltung brachte. Eine goldblonde Strähne hatte sich aus dem strengen Pferdeschwanz gelöst und fiel ihr ins Gesicht. Seltsam, wieso war ihm ihre Schönheit nicht eher aufgefallen? Wahrscheinlich, weil Emmie sie sorgfältig unter weiten Blusen, wadenlangen Röcken und dem strengen Brillengestell verbarg. Da machte kein Mann sich die Mühe, zweimal hinzuschauen.
Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte man die vollen rosa Lippen und die strahlend blauen Augen. Erstaunt bemerkte Bastian, dass er bei der Vorstellung, Emmie würde nur für ihn einen sexy Schmollmund ziehen, erregt wurde. Wie oft hatte sie diesen verführerischen Trick wohl schon eingesetzt, seit sie als Escortgirl arbeitete? Energisch erstickte Bastian seine Erregung im Keim. Mit Jungfrauen ging er grundsätzlich nicht ins Bett, und gegen käufliche Liebe hatte er eine Aversion. Und dass Emmie ihren Preis hatte, wusste er nun …
„Emerald ist sehr begehrt und daher selten frei“, informierte ihn die Stimme am anderen Ende der Leitung, als Bastian die Nummer der Escortagentur gewählt hatte. „Ich kann Ihnen Jasmine empfehlen oder …“
„Es muss Emerald sein“, beharrte er. „Nur sie kommt infrage. Ich werde sie gut dafür bezahlen, mich als Kunden zu wählen.“
Und dann hatte Bastian über den Preis verhandelt. Darin war er sehr gewieft. Wieder einmal hatte sich seine Theorie bestätigt, dass man alles haben konnte, wenn man bereit war, den richtigen Preis zu zahlen. Sogar die bereits völlig ausgebuchte und selten zur Verfügung stehende Emerald, die ihm nun gerade am Tisch gegenübersaß und immer wieder einzuschlafen drohte. Er hatte ihre Dienste für das kommende Wochenende gebucht und sie sich eine astronomische Summe kosten lassen. Es amüsierte ihn, dass sie davon offensichtlich noch keine Ahnung hatte. Gleichzeitig wunderte es ihn schon, wie eine Frau so verantwortungslos sein konnte, ihre Dienste an wildfremde Männer zu verkaufen. Woher wollte sie denn wissen, dass diese Männer nicht ihr Vertrauen missbrauchten?
Wie ein Fächer lag der Wimpernkranz auf Emmies Wangen. Die schlanken Schultern sackten hinunter. Bastian streckte eins seiner langen Beine unterm Tisch aus, tastete nach Emmies Füßen und stupste sie heftig mit der Schuhspitze. Erschrocken riss sein Gegenüber die Augen auf und schaute ihn verwirrt an, die sinnlichen Lippen leicht geöffnet, die Wangen verlegen gerötet.
Bastian fragte sich, wer ihr in der vergangenen Nacht den Schlaf geraubt hatte. Ob sie wohl Sex gehabt hatte? Die meisten Männer, die eine so horrende Summe für die Dienste eines Escortgirls bezahlten wie er, erwarteten, dass Sex im Preis inbegriffen war. Wäre Emmie bereit dazu? Wäre er bereit dazu? Nein, niemals! Kommt nicht infrage, dachte Bastian angewidert.
Emmies Blick kollidierte mit einem glühenden Blick aus goldbraunen Augen, die an die eines sich anpirschenden Tigers erinnerten. Sofort stockte ihr der Atem. In ihrem Schoß begann es, heiß zu pulsieren. Die erotische Reaktion schockierte Emmie. Normalerweise misstraute sie attraktiven Männern, weil die meistens eingebildet waren und nur an sich dachten. Sie war ausgesprochen wählerisch. Deshalb hatte sie bisher auch noch nie einen Lover gehabt. Während des Studiums hatte sie sich zwar in Toby verliebt, doch als es ernst wurde und er gesagt hatte: „Ich kann kaum glauben, dass ich tatsächlich mit einem Mädchen ins Bett gehe, das genauso aussieht wie Sapphire“, hatte sie ihm tief verletzt den Laufpass gegeben. Ihr Selbstbewusstsein und ihr Glaube an die Liebe hatten einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Der eineiige Zwilling eines weltberühmten Supermodels zu sein machte es Emmie schwer, eine eigene Identität aufzubauen. Besonders wenn Männer in ihr immer nur die zweite Wahl sahen. Um ständigen Vergleichen mit ihrer perfekten Schwester zu entgehen, versteckte Emmie ihre eigene Schönheit lieber – und sie mied Sapphires Gesellschaft.
Jetzt fragte sie sich aufgeregt, wieso sie ausgerechnet auf Bastian Christou flog. Unauffällig musterte sie ihn. Warum hatte er sie so angesehen? Seine Verlobung war ja gelöst, er konnte sich also ohne schlechtes Gewissen wieder für andere Frauen interessieren. Aber doch nicht für sie in ihrer unvorteilhaften Aufmachung, oder? Normalerweise schenkte kein Mann ihr einen zweiten Blick. Außerdem war sie das genaue Gegenteil seiner Verlobten, die klein, brünett und stets perfekt zurechtgemacht war. Herausfordernd hob Emmie das Kinn und begegnete ruhig Bastians Blick.
Bastian musste sich das Lachen verkneifen. Die traut sich was, dachte er anerkennend.
„Ich möchte Sie in fünf Minuten in meinem Büro sehen“, versetzte er kühl, schob den Stuhl zurück und blickte zu ihr hinab.
„Wahrscheinlich will er das Protokoll lesen“, meinte Marie, als Bastian Christou gegangen war. „Hoffentlich sind Sie gut mitgekommen. Zwischendurch hatte ich mal den Eindruck, Sie würden gleich einschlafen.“
Emmie verzog das Gesicht. „Das wäre ich auch fast.“ Es war ihr schrecklich peinlich, dass Bastian Christou ihre Müdigkeit bemerkt hatte. Vielleicht wollte er darüber mit ihr reden. Bisher hatte er sie jedenfalls kaum beachtet, und seine Anordnungen erhielt sie von Marie.
„Können Sie das Kellnern nicht aufgeben?“, erkundigte Marie sich besorgt.
„Leider bin ich auf das Geld angewiesen. Aber mein Praktikum hier ist ja sowieso bald beendet“, antwortete Emmie. Sie war froh, Bastians Assistentin reinen Wein über den Nebenjob eingeschenkt zu haben.
„Hoffentlich lohnt sich der Einsatz hier für Sie“, meinte Marie trocken.
Damit will sie wohl andeuten, dass sie wenig Hoffnung auf meine Festanstellung hier hat, dachte Emmie geknickt. Damit hatte sie zwar auch nicht gerechnet, aber Hoffnungen hatte sie sich insgeheim trotzdem gemacht. Doch warum sollte ein Unternehmen Geld für eine fest angestellte Mitarbeiterin ausgeben, wenn es genug junge, arbeitswillige Praktikantinnen gab, die unentgeltlich arbeiteten?
Zum ersten Mal betrat Emmie nun Bastians Büro und ließ neugierig den Blick über die minimalistisch-coole Einrichtung und die modernen Kunstwerke gleiten. Hier war ganz offensichtlich nicht aufs Geld geschaut worden. Warum auch? Bastian Christou konnte sich jeden erdenklichen Luxus leisten. Er war ein Genie auf dem Gebiet der Softwareentwicklung und ein ausgesprochen gewiefter Geschäftsmann. Grundstein seines international erfolgreichen Unternehmens war ein Computerprogramm, das er bereits vor seinem Universitätsabschluss entwickelt hatte und zum regelrechten Verkaufsschlager wurde. So hatte Bastian es schon in jungen Jahren zum Millionär gebracht.
„Machen Sie die Tür zu“, wies er sie nun mit seiner tiefen Stimme an, deren Timbre einen prickelnden Schauer über Emmies Rücken jagte. Erneut wurde ihr bewusst, wie unglaublich männlich ihr Boss war. Sein markantes Gesicht, seine klugen Augen, seine natürliche Autorität, sein selbstbewusstes Auftreten – unwiderstehlich. Dazu perfekt gepflegt und immer wie aus dem Ei gepellt. Wie er dort mit aufgekrempelten Hemdsärmeln stand, die den Blick auf muskulöse Arme freigaben und mit offenem Kragen, der den sonnengebräunten Oberkörper erahnen ließ, wusste man sofort, dass man es hier mit einem ausgeprägt maskulinem Typ zu tun hatte, der auch dazu stand. Viele Männer trauten sich das heutzutage gar nicht mehr.
Gehorsam schloss Emmie also die Tür hinter sich und sah Bastian wie gebannt in die wunderschönen, wie Bernstein schimmernden Augen. Gleich reagierte ihr Körper auf die magnetische Anziehungskraft dieses Mannes. Die Brüste wurden schwer, die Nippel versteiften sich. Emmie kam sich plötzlich vor wie ein verknallter Teenager, denn sie wurde abwechselnd rot und blass.
„Miss Marshall“, sagte Bastian gedehnt, fasziniert von diesem Schauspiel. „Oder darf ich Emmie sagen?“
„Kein Problem“, hauchte sie.
„Oder wäre Ihnen Emerald lieber?“, fragte er lauernd.
Erstaunt, dass er wusste, wovon Emmie abgeleitet war, zögerte sie. „Ich mache keinen Gebrauch von dem Namen auf meiner Geburtsurkunde.“
„Nein?“ Skeptisch zog er eine schwarze Braue hoch und beugte sich über den Laptop auf seinem Schreibtisch.
Emmie atmete erleichtert auf, weil sein Blick einen Moment lang nicht auf ihr ruhte. Das durch das Fenster hinter ihr fallende Sonnenlicht verlieh Bastians dichtem schwarzem Haar einen seidigen Schimmer, wie sie fasziniert feststellte.
Was ist denn plötzlich mit mir los? fragte sie sich gleich darauf ungehalten. Sie wünschte, ihre kleinen grauen Zellen würden ihre Arbeit schnell wieder aufnehmen. Ja, der Typ sah gut aus, doch das beeindruckte sie nicht. Schöne Männer waren sich normalerweise ihrer eigenen Schönheit nur zu bewusst und reagierten meist beleidigt, wenn man sie nicht gebührend bewunderte. Allerdings schien Bastian Christou eine Ausnahme zu sein, wie Emmie ihm widerwillig zugestehen musste. Außerdem spielte sie eine so untergeordnete Rolle in seinem Leben, dass es ihm wahrscheinlich sowieso völlig gleichgültig war, wie sie auf ihn reagierte. Nein, sie hatte es sich selbst zuzuschreiben, ihn so überwältigend zu finden. Sehr peinlich, als erwachsene Frau in Gegenwart eines attraktiven Mannes vollkommen den Verstand zu verlieren! Dabei wollte sie doch gerade in der Chefetage, die ja noch immer von Männern dominiert wurde, ernst genommen werden.
Emmie riss sich zusammen. „Nein, ich habe den Namen noch nie verwendet.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. Er musste den Namen auf ihrer Bewerbung gelesen haben, denn bei offiziellen Schreiben musste sie ja ihren amtlich eingetragenen Namen benutzen. Wahrscheinlich hatte er ihn sich gemerkt, weil der Name so ungewöhnlich war.
Bastian lächelte wissend, als er wieder aufsah, und angesichts dieses Lächelns lief Emmie ein ahnungsvoller Schauer über den Rücken. „Das kann nicht stimmen, oder?“
Wie erstarrt stand sie vor dem Schreibtisch und fragte sich, woher ihr ungutes Gefühl rühren sollte. Sie war sich keiner Schuld bewusst. „Wie bitte?“ Jetzt hatte sie völlig den Faden verloren.
„Es stimmt nicht, dass Sie den Namen Emerald nicht benutzen“, behauptete Bastian. Zum Beweis schob er ihr den Laptop hin, damit sie sich selbst vom Wahrheitsgehalt seiner Behauptung überzeugen konnte.
Schockiert betrachtete Emmie den Bildschirm. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Wie kam ein Privatfoto von ihr ins Internet, wo es jedermann zugänglich war? Das Bild war auf der Examensfeier aufgenommen worden. Eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen Emmie sich herausgeputzt und alle Bedenken in den Wind geschlagen hatte. Das Foto befand sich noch in ihrer Digitalkamera. Jedenfalls ging sie davon aus. „Was ist das? Wo haben Sie das Foto gefunden?“, fragte sie entsetzt.
„Auf der Website von Exclusive Companions, der Escortagentur“, vertraute Bastian ihr an und stellte besorgt fest, dass Emmie kreidebleich geworden war. Offenbar traf diese Information sie bis ins Mark. Oder sie war eine ausgezeichnete Schauspielerin.
„Exclusive Co…companions?“, stotterte sie. Das war ja die Agentur ihrer Mutter! Dann musste ihre Mutter auch dafür verantwortlich sein, dass dieses Foto hochgeladen worden war. Das ist ja wohl das Allerletzte, dachte Emmie, die wie benommen auf den Bildschirm starrte. Wie konnte Odette ihr das nur antun? Sie wusste doch genau, dass ihre Tochter nichts mit der Agentur zu tun haben wollte. „Wie haben Sie es gefunden?“
„Ganz sicher nicht, weil ich die Website besucht habe“, versicherte Bastian ihr trocken. „Ein Mitarbeiter hat mich darauf aufmerksam gemacht.“
Emmie wurde es übel. Wer weiß noch davon? fragte sie sich entsetzt. Wie viele Leute hatten ihr Foto schon gesehen? Die Angelegenheit war ihr schrecklich peinlich. Wer befand sich jetzt noch in dem irrigen Glauben, sie arbeite nach Büroschluss als Escortgirl? Wahrscheinlich tuschelten hier schon alle Kollegen hinter ihrem Rücken. Verdammt, das war so erniedrigend! Sie verfluchte den Tag, an dem sie zu ihrer Mutter gezogen war. Wie um alles in der Welt kam ihr Foto auf diese Website, obwohl sie überhaupt nicht für die Agentur arbeitete? Und wer bitteschön würde ihr das jetzt noch glauben?
„Das sind doch Sie, oder?“, fragte Bastian Christou sicherheitshalber nach.
Emmie biss die Zähne zusammen und nickte kurz. Wie sollte sie das abstreiten? „Aber es ist nicht so, wie Sie denken …“
„Woher wollen Sie wissen, was ich denke?“, konterte er aalglatt.
„Jedenfalls geht es Sie nichts an.“ Plötzlich schlug die Verlegenheit in Wut um.
„Da muss ich Ihnen leider widersprechen. In dem Praktikumsvertrag, den Sie unterschrieben haben, gibt es eine Klausel, die Ihnen jedwede Tätigkeit verbietet, die mein Unternehmen diskreditieren könnte. Im Internet für Ihre Dienste als Escortgirl zu werben stellt also einen glatten Vertragsbruch dar.“
Erneut wurde Emmie kreidebleich. Das war ja unfassbar! Durch die Verantwortungslosigkeit ihrer Mutter stand jetzt ihr Job auf dem Spiel! Emmie schnappte nach Luft. „Ich werde mich darum kümmern“, versprach sie ausdruckslos.
„Darf ich fragen, wie Sie das machen wollen?“ Gespannt musterte er sie. Sein Blick blieb an den verführerisch sinnlichen Lippen hängen. Am liebsten hätte er Emmie die hässliche Brille von der Nase gerissen und das wunderschöne Haar aus dem unvorteilhaften Pferdeschwanz befreit. Er wollte sie so sehen, wie es von der Natur beabsichtigt war: die goldblonde Mähne, den makellosen Teint, die faszinierenden Augen. Die meisten Frauen versuchten, ihre positiven Attribute zu betonen. Emmie versteckte sie. Warum? Schämte sie sich ihrer Schönheit? Doch als Escortgirl zeigte sie, wie bildhübsch sie war!
Hatte sie sich im Büro verkleidet, weil sie von Anfang an befürchtet hatte, jemand könnte sie erkennen und ihr Doppelleben auffliegen lassen? Anders konnte Bastian sich die Kostümierung nicht erklären.
„Ich werde das Foto von der Website entfernen lassen. Es hat dort überhaupt nichts zu suchen. Ich arbeite nicht als Escortgirl“, erklärte Emmie mit fester Stimme.
„Offensichtlich besteht aber eine Verbindung zu dieser Agentur“, beharrte Bastian. Es amüsierte ihn, wie sie versuchte, ihm einzureden, es müsste sich um ein Missverständnis handeln. Weit würde sie damit nicht kommen, denn er hatte sie ja bereits gebucht und für ihre Dienste bezahlt.
Emmie war es peinlich, zuzugeben, dass ihre Mutter Inhaberin der Agentur war. Daher versicherte sie nur ausweichend: „Ich verspreche, das Foto so schnell wie möglich entfernen zu lassen.“
„Das könnte schwierig werden, wenn Sie vertraglich an die Agentur gebunden sind“, gab Bastian zu bedenken und schob eine Visitenkarte über den Tisch. „Sie können sich gern an diesen Anwalt wenden, falls Sie Hilfe brauchen.“
„Es gibt keinen Vertrag. Ich habe Ihnen doch gerade versichert, nicht als Escortgirl zu arbeiten“, erklärte Emmie beharrlich. Sie ärgerte sich, weil er ihr nicht glaubte. Andererseits konnte sie seine Haltung auch verstehen, denn schließlich befand sich ihr Foto auf der Website. Erstaunlich war allerdings, dass Bastian Christou ihr anwaltliche Hilfe bei der Auflösung eines Vertrags anbot, der gar nicht existierte. Die einzige Verbindung zwischen Emmie und der Escortagentur bestand in der Blutsverwandtschaft mit der manipulierenden Inhaberin. „Sagen Sie mal, wieso beschäftigt sich eigentlich nicht die Personalabteilung mit dieser Angelegenheit?“, erkundigte Emmie sich misstrauisch.
„Weil hier sofortiger Handlungsbedarf besteht. Außerdem wollte ich verhindern, dass gleich die ganze Firma davon erfährt.“
„Danke“, stieß Emmie widerstrebend hervor.
„Nehmen Sie sich den restlichen Tag frei, um die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen“, schlug Bastian vor und erstaunte sie nun auch noch mit seiner Großzügigkeit. „Ich klär das mit Marie.“
Dankbar nickte Emmie. Sie konnte es kaum erwarten, sich ihre Mutter vorzuknöpfen. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, murmelte sie.
„Ist das wieder eine Ihrer kleinen Weisheiten?“ Bastian lächelte ironisch.
„Ich habe mit mir selbst gesprochen“, beschied sie ihn knapp und errötete verlegen, weil ihm offensichtlich nicht entgangen war, dass sie ständig weise Sprüche von sich gab, wenn sie nervös war.
So weit, so gut, dachte Bastian zynisch, als Emmie fluchtartig sein Büro verlassen hatte. Er hatte damit gerechnet, dass sie versuchen würde, die Sache zu vertuschen. Das Foto würde von der Website verschwinden, die Verbindung zu der Agentur wurde gekappt. Genau so, wie er es sich erhofft hatte. Niemand sollte auch nur auf die Idee kommen, er könnte sich mit einem Escortgirl abgeben. Dieses Risiko tendierte gegen null, sobald Emmies Foto entfernt worden war. Zufrieden widmete Bastian sich wieder seinen eigentlichen Aufgaben.
2. KAPITEL
Odette saß in ihrem eleganten Wohnzimmer am Laptop, als Emmie die Wohnung betrat. Ihre Mutter war eine hochgewachsene Frau Mitte fünfzig. Eine klassische blonde Schönheit, die sie ihren Zwillingstöchtern vererbt hatte. Sapphire war mit diesem Aussehen bis zum weltberühmten Supermodel aufgestiegen.
„Du bist ja heute früh zu Hause“, staunte Odette. „Ist der Ausbeuterladen abgebrannt?“
Emmies vom schnellen Gehen bereits gerötetes Gesicht färbte sich noch dunkler. Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten. „Du hast ohne mein Einverständnis ein Foto von mir ins Netz gestellt“, warf sie ihrer Mutter zornig vor.
Unbeeindruckt zuckte Odette die Schultern. „Na und? Fotos bildhübscher Mädchen sind gut fürs Geschäft. Viele meiner Kunden fragen gezielt nach dir. Ich behaupte dann einfach, du wärst ausgebucht und vermittele sie an eins der anderen Mädchen. Du könntest ein Vermögen verdienen, wenn du nicht so stur wärst.“
„Du musst das Foto aus meiner Digitalkamera verwendet haben.“ Die gelassene Reaktion ihrer Mutter brachte Emmie leicht aus dem Konzept.
Odette musterte sie kühl. „Ja. Aber ich verstehe nicht, wieso das ein Problem sein soll.“
„Das verstehst du nicht?“ Entrüstet funkelte Emmie sie an. „Du weißt doch genau, dass ich nichts mit deiner Agentur zu tun haben will.“
„Obwohl du von den Einkünften, die ich damit erziele, auch profitierst“, schleuderte Odette ihr eiskalt ins Gesicht.
„Das stimmt nicht“, widersprach Emmie sofort empört. „Ich gebe dir jeden Penny, den ich mit dem Kellnern verdiene.“
Odette schnaubte verächtlich. „Das sind doch nur Almosen. Ich würde dreimal so viel Geld einnehmen, wenn ich dein Zimmer vermieten würde. Aber ich wollte großzügig sein und deiner Karriere auf die Sprünge helfen. Ist das nun der Dank?“
Emmie trat nervös von einem Bein aufs andere. „Ich bin dir sehr dankbar, aber ich möchte, dass mein Foto von deiner Website verschwindet. Ich bin kein Escortgirl und möchte nicht, dass man mich dafür hält.“
Ihre Mutter musterte sie vorwurfsvoll. „Meine Mädchen sind keine Huren. Wie oft muss ich dir das denn noch erklären? Sie sind Begleiterinnen. Professionelle Begleiterinnen, die etwas hermachen und sich zu benehmen wissen. Sex gehört nicht zum Paket.“
„Soweit du weißt. Woher willst du wissen, ob deine Begleiterinnen nicht doch Extrawünsche erfüllen, wenn der Kunde bereit ist, gesondert dafür zu zahlen?“
Odette erhob sich graziös. „Stimmt, davon weiß ich nichts. Ich bin ja keine Glucke, die mit Argusaugen über ihre Kleinen wacht, sondern lediglich die Managerin, die Buchungen organisiert und checkt, ob der Kunde anständig und kreditwürdig ist. Wieso bist du so prüde, Emmie? Warum betrachtest du meine Agentur mit solchem Misstrauen? Die Mädchen in meiner Kartei sind gebildete junge Damen aus der Mittelschicht, die gut verdienen wollen. Einige finanzieren sogar ihr Studium, indem sie für mich arbeiten.“
„Ich verurteile sie ja auch nicht dafür, aber ich selbst möchte eben nicht in diesem Job arbeiten.“ Herausfordernd hob Emmie das Kinn und überlegte, warum sie sich schuldbewusst und undankbar fühlte. „Würdest du jetzt bitte das Foto entfernen?“
„Dass du dich wirklich so anstellen musst …“ Verächtlich schüttelte Odette den Kopf. „Ich wette, du hättest nichts dagegen, dein Foto in einem der sozialen Netzwerke zu veröffentlichen.“
„Das ist was ganz anderes. Du musst das Foto und alle Informationen über mich löschen“, beharrte Emmie. „Es schädigt meinen Ruf, auf deiner Website zu stehen. Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, dass du auch Saffys guten Ruf gefährdest? Was glaubst du wohl, was los ist, wenn sie davon erfährt?“
„Was in aller Welt hat Saffy denn damit zu tun?“, fragte Odette schnippisch.
„Mein Gesicht ist ihr Gesicht. Hast du etwa vergessen, dass wir eineiige Zwillinge sind?“ Langsam riss Emmie der Geduldsfaden. Musste ihre Mutter sich unbedingt dumm stellen? In Wirklichkeit war sie schlau wie ein Fuchs.
„Was kümmert dich Saffy? Sie hat ein Vermögen mit ihrem Gesicht und ihrer Figur verdient. Na ja, sie ist eben intelligenter als du. Übrigens hat Topsy mir erzählt, dass du gar keinen Kontakt zu deiner Zwillingsschwester hast.“
Emmie erstarrte. Offensichtlich hatte Odette ihre jüngste Tochter bei deren gelegentlichen Besuchen über den Rest der Familie ausgequetscht, um diese Informationen bei Gelegenheit gegen die Schwestern zu verwenden. Na super! „Das mag sein“, gab Emmie widerstrebend zu. „Aber ich würde nie etwas tun, was Saffy oder ihrer Karriere schaden könnte. Und ich würde ihr gern ersparen, was mir passiert ist. Ich wurde nämlich heute auf mein Foto auf deiner Website angesprochen. Das war vielleicht peinlich. Jetzt lösch endlich das Foto!“
Odette stieß hörbar den Atem aus. „Also gut, wenn dir so viel daran liegt.“
„Ja, es ist mir sehr wichtig. Danke.“ Verärgert stellte Emmie fest, dass sie nichts von dem hatte anbringen können, was sie sich vorgenommen hatte. Odette hatte es wieder mal geschafft, sie herunterzuputzen und sich selbst als Opfer darzustellen. Dabei war sie an allem schuld! Ihre Mutter hatte sich nicht mal dafür entschuldigt, das Foto aus der Kamera entwendet zu haben! Frustriert zog Emmie sich in ihr Zimmer zurück und zog sich für die Abendschicht im Café um. Solange sie auf das Zimmer hier angewiesen war, konnte sie ihrer Mutter wohl nicht sagen, was sie von ihr und ihren Machenschaften hielt. Gefälligkeiten hatten eben ihren Preis.
„Ach, Emmie?“ Odette stand an der Tür.
Emmie fuhr erschrocken herum. „Ja?“
„Leider ist es damit nicht getan“, sagte Odette leise.
„Was soll das heißen?“
„Ich habe eine Buchung für dich akzeptiert.“
„Du hast was?“ Emmie glaubte sich verhört zu haben.
„Na ja, der Kunde hat mir so viel Geld angeboten, da konnte ich nicht ablehnen.“ Ohne Scham oder Verlegenheit blickte Odette ihrer Tochter ungerührt in die Augen. „Ich brauche das Geld. Und du brauchst es auch.“
Wütend funkelte Emmie ihre Mutter an. „Ohne mich! Du musst das Geld zurückzahlen!“
„So einfach ist das nicht. Der Kunde ist Geschäftsmann und hat per Kurier einen Vertrag geschickt, den ich für dich unterschrieben habe.“
„Der Vertrag kann ja wohl kaum rechtsgültig sein, weil ich schließlich nicht für dich arbeite“, gab Emmie finster zu bedenken.
„Wie willst du beweisen, dass du nicht für mich arbeitest, wenn dein Profil auf der Website steht?“, fragte Odette zuckersüß.
Das war ja Erpressung! Bitterböse musterte Emmie ihre raffinierte Mutter. „Darum muss ich mich gar nicht kümmern“, behauptete sie. „Gib ihm das Geld zurück!“
Odette war inzwischen ins Wohnzimmer zurückgekehrt und hatte sich seelenruhig wieder an den Laptop gesetzt. Emmie folgte ihr auf dem Fuß.
„Das geht nicht, Emmie. Ich habe einen Teil des Geldes gebraucht, um Rechnungen zu bezahlen. Für dich ist aber noch genug übrig.“
„Ich will das Geld nicht!“ Emmie war außer sich vor Wut. „Und wenn du dir einbildest, du könntest mich zwingen, als Escortgirl für dich zu arbeiten und Geld für dich heranzuschaffen, dann irrst du dich gewaltig.“
„Aber ich kann das Geld nicht zurückzahlen“, jammerte ihre Mutter.
„Das ist dein Problem. Seit wann hast du finanzielle Probleme?“, fragte sie misstrauisch.
„Wir kämpfen alle ums Überleben“, behauptete Odette. „Immer weniger Männer haben das nötige Kleingeld für ein Escortgirl. Dieser Typ ist jung, reich und sieht gut aus. Du brauchst dich also gar nicht zu beschweren.“
„Interessiert mich nicht. Ich arbeite nicht als Escortgirl! Weder für dich, Mutter, noch für sonst jemand.“
„Vielleicht änderst du deine Meinung, wenn du hörst, wie viel du ihm wert bist.“ Odette änderte ihre Taktik und nannte eine Summe von einigen tausend Pfund. Emmie schnappte nach Luft. „So viel hat er für ein Wochenende mit dir im Ausland springen lassen.“
„Odette“, sagte sie, als sie sich von dem Schock erholt hatte. „Es spielt keine Rolle, wie viel er dir gezahlt hat oder was du unterschrieben hast. Du kannst mich oder meine Zeit nicht verkaufen wie eine Ware. Ich bin nicht käuflich. Wir haben doch lang und breit darüber diskutiert. Ich verstehe nicht, wieso du trotzdem die Buchung für mich angenommen hast.“
Die Mittfünfzigerin musterte ihre widerspenstige Tochter mit eisigem Blick. „Du stehst in meiner Schuld, Emmie. Und ich werde deine Schulden jetzt eintreiben.“
„Dass ich nicht lache. Wer hat mich denn abgeschoben, als ich zwölf war? Nie hast du angerufen, geschrieben oder mich besucht. Und Unterhalt hast du auch nicht gezahlt“, schleuderte sie ihrer Mutter entrüstet entgegen.
„Ich musste selbst sehen, wie ich über die Runden komme. Und ihr drei seid ja bei Kat sehr gut aufgehoben gewesen. Aber wenn es darauf ankam, war ich für dich da“, behauptete sie dreist.
Nur unter Aufbietung aller Willenskraft gelang es Emmie, ihren Schmerz zu verbergen. „Und wann soll das gewesen sein?“
„Als dein Bein operiert werden musste, weil du wieder normal gehen wolltest. Da habe ich geholfen.“
Im ersten Moment verschlug diese Behauptung Emmie die Sprache. „Soll das heißen, du hast die Operation bezahlt?“, fragte sie dann schockiert.
„Woher hätte Kat denn das Geld sonst bekommen sollen?“ Odette zog vielsagend eine Braue hoch.
Darauf wusste Emmie keine Antwort. Erschüttert kehrte sie in das kleine Zimmer zurück, holte ihre Tasche und machte sich nachdenklich auf den Weg zum Café. Sagte Odette die Wahrheit? Als Teenager hatte Emmie sich nie gefragt, wie Kat das Geld für die teure OP im Ausland aufgebracht hatte. Inzwischen war sie über zwanzig und war noch immer nicht auf die Idee gekommen, mal nachzufragen. Eigentlich unentschuldbar, dachte sie nun geknickt. Wie sehr hatte sie sich damals gewünscht, wieder ganz normal gehen zu können, endlich nicht mehr auf Hilfe angewiesen zu sein. Und ausgerechnet Odette sollte ihr das ermöglicht haben? Emmie konnte es kaum fassen.
Geistesabwesend servierte sie an diesem Abend Getränke und Mahlzeiten. Ihre Schwester Saffy litt noch heute unter einem Schuldkomplex, weil sie bei dem Autounfall damals unverletzt geblieben war. Sie hatte ihren behinderten Zwilling beschützt, wo sie nur konnte, und nicht bemerkt, dass Emmie sehr darunter litt, ihre unversehrte Schwester ständig um sich haben zu müssen. So wurde sie stets daran erinnert, was sie selbst verloren hatte. Natürlich hatte sie das bald deprimiert. Die meisten Menschen hatten verlegen weggesehen, wenn das hübsche Mädchen durch die Straßen humpelte. Gleichzeitig war die makellos schöne, gesellige Saffy der Liebling der ganzen Schule gewesen. Emmie war nicht eifersüchtig auf ihren Zwilling gewesen, doch sie hasste es, wenn die Leute Vergleiche anstellten. Eine Schwester behindert, die andere perfekt. Erschwerend kam hinzu, dass Odette sich ständig beklagte, dass ihr ein Kind völlig genügt hätte. Zwillinge waren definitiv unerwünscht, zumal Emmie bei der Geburt zu wenig gewogen hatte und schon von Anfang an besonderer Fürsorge bedurfte, die Odette nicht zu geben bereit war. Natürlich hatte Emmie das immer gespürt.
Odette lag bereits im Bett, als Emmie schließlich nach der anstrengenden Schicht zurückkehrte. Einerseits war Emmie erleichtert, dass sie so einer weiteren Konfrontation mit ihrer Mutter entging, andererseits hätte sie schon gern geklärt, ob sie es tatsächlich Odette zu verdanken hatte, dass sie wieder ein unabhängiges Leben führen konnte und nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen war. Dann stand sie allerdings tatsächlich in ihrer Schuld. Bedeutete das aber zwangsläufig, dass sie die Begleiterin eines wildfremden Mannes spielen musste? Noch dazu ein ganzes Wochenende lang im Ausland! Sie hielt das für ziemlich riskant. Wer garantierte ihr denn, dass der Typ kein moderner Sklavenhändler war, der sie an irgendeinen reichen Scheich verkaufen wollte?
„Ich würde gern einen Blick auf den Vertrag werfen, den du unterschrieben hast.“ Unnachgiebig musterte Emmie ihre Mutter beim Frühstück. Emmie wollte das Problem lösen. Ein weiterer Streit mit ihrer Mutter würde eher das Gegenteil bewirken.
Wortlos stand Odette auf und kehrte wenig später mit dem Dokument zurück, das sie ihrer Tochter hinhielt.
Emmie blätterte den Vertrag bis zur letzten Seite durch, um zu sehen, wer ihn unterschrieben hatte. Sie musste zwei Mal hinsehen. Selbst dann konnte sie es kaum fassen. Sebastiano Christou? Wie konnte das angehen? Ihr Boss hatte sie als Escortgirl gebucht! Derselbe Mann, der sie darüber informiert hatte, dass ihr Nebenjob einen Vertragsbruch darstellte? Heiße Wut kochte in ihr hoch. Zornig verstaute sie den Vertrag in ihrer Handtasche. „Ich kümmere mich darum“, stieß sie hervor.
Ihre Mutter hatte wohl eine andere Reaktion erwartet und erkundigte sich neugierig: „Überrascht dich der Name des Kunden gar nicht?“
„Wieso sollte er mich überraschen?“
„Weil du für den Mann arbeitest.“
„Ach? Das hast du also gewusst?“ Emmie gab sich betont gelassen.
„Natürlich! Ich habe sofort gedacht, wie romantisch so eine Liebe am Arbeitsplatz sein kann“, erklärte sie spöttisch.
Jetzt reichte es Emmie endgültig. Sie stand auf. „Mit Romantik hat diese Situation rein gar nichts zu tun, Mutter.“
Auch als sie schließlich die Firma erreicht hatte, kochte noch immer die Wut in Emmie. Bastian Christou war so ein Heuchler! Erst warnte er sie, dass ihr Nebenjob einen Vertragsbruch darstellte, weil die Tätigkeit den guten Ruf seiner Firma gefährden könnte, und dann buchte er sie höchstpersönlich! Noch dazu für einen völlig überzogenen Betrag. Wenigstens weiß ich jetzt, warum er mich so merkwürdig angesehen hat, dachte Emmie. Offenbar bildete er sich ein, dass unter der strengen Aufmachung seiner Praktikantin ein heißer Feger steckte. Das werden wir ja sehen, dachte Emmie und biss wütend die Zähne zusammen.
„Mr Christou und ich haben gestern über eine Privatangelegenheit gesprochen. Ich möchte ihn auf den neusten Stand bringen und hätte gern einen Termin bei ihm“, erklärte Emmie, als Marie hereinkam.
Die setzte sich kommentarlos an den Schreibtisch und griff zum Telefon.
„Sie können gleich reingehen, Emmie“, sagte Bastian Christous Assistentin kurz darauf und warf Emmie einen besorgten Blick zu. „Seien Sie vorsichtig, Kind!“
„Vorsichtig?“ Emmie war bereits unterwegs und warf erstaunt einen Blick über ihre Schulter.
„Ja. Vor Lilah hatte Bastian ständig wechselnde Frauenbekanntschaften“, warnte Marie leise.
Wofür hält die mich? dachte Emmie, klopfte entschlossen an die Tür zum Chefzimmer und marschierte hinein.
Bastian stand mit dem Rücken zum Fenster und sah ihr fragend entgegen. Emmie zog den Vertrag aus der Tasche und legte ihn demonstrativ auf den Schreibtisch.
„Sie wissen also Bescheid“, bemerkte Bastian ausdruckslos. Emmies aggressive Körpersprache schien ihn nicht zu beeindrucken.
„Allerdings! Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass daraus nichts wird.“ Sie zeigte auf den Vertrag. „Nicht in diesem Leben“, fügte sie wütend hinzu. „Eins müssen Sie mir aber erklären: Wie kommen Sie dazu, mir Vertragsbruch vorzuwerfen und darauf zu bestehen, dass mein Foto von der Website verschwindet und mich dann im nächsten Moment zu buchen?“
„Mir ist bewusst geworden, dass Sie genau meinem Anforderungsprofil entsprechen“, erklärte er gelassen. Wie ihre Augen leuchten, wenn sie wütend ist, dachte er bewundernd. „Aber wenn Sie nicht wollen, zahlen Sie einfach das Honorar zurück, und wir vergessen die Sache.“
Emmie stutzte. Wie um alles in der Welt sollte sie denn das Geld zurückzahlen? Sie hatte ja keinen Penny in der Tasche. Zudem stotterte sie immer noch ihr Studentendarlehen ab. Außerdem hatte Odette behauptet, einen Teil des Honorars bereits ausgegeben zu haben. Und den Rest würde ihre geldgierige Mutter auch nicht wieder herausrücken, dessen war Emmie sich leider nur zu sicher. „Dass Sie mir überhaupt noch in die Augen sehen können …“, sagte sie schließlich verächtlich, um vom Thema abzulenken.
Unverschämt selbstsicher und völlig unbeeindruckt kam Bastian näher – geschmeidig wie ein Panther, der sich an seine Beute heranschleicht. Im nächsten Moment hatte er Emmie die Brille von der Nase gezogen und begutachtete die Gläser.
„Das ist Fensterglas. Warum tragen Sie die Brille?“, erkundigte er sich gespannt.
„Geben Sie sofort die Brille her!“ Wütend funkelte Emmie ihn an.
Bastian lachte nur süffisant, warf die Brille auf den Schreibtisch und löste den Clip aus Emmies seidigem goldblondem Haar, das nun schwer über ihre Schultern fiel.
„Was fällt Ihnen eigentlich ein?“, brauste sie auf, um zu überspielen, wie sehr Bastians plötzliche Nähe ihr zusetzte.
„Ich wollte mal sehen, wofür ich so viel Geld bezahlt habe“, erklärte er ungerührt.
War das sein Ernst? Ungläubig musterte Emmie ihn und versuchte auszublenden, wie schön dieses markante Männergesicht war. „Wie können Sie es wagen …?“, fauchte sie erbost.
„Tut mir leid, dass Sie die Wahrheit nicht vertragen können“, konterte er trocken und beobachtete, wie ihre Pupillen sich verräterisch vergrößerten. Das Blau dieser wunderschönen Augen war wirklich unglaublich! Und ihr Gesicht war auch aus der Nähe betrachtet völlig makellos: helle, fast durchscheinende Haut, die Lippen voll und rosa und unwiderstehlich. Sein Körper reagierte sofort auf diesen verführerischen Anblick. Bastian war überrascht. Okay, Emmie war wirklich wunderschön, aber er war an Schönheit gewöhnt und fand Frauen abstoßend, die sich für ihre Dienste bezahlen ließen. Leider stellte sich die natürliche Abneigung, die er in Emmies Nähe erwartet hatte, nicht ein.
„Sie haben mich aber nicht gekauft. Das können Sie gar nicht, denn ich stehe nicht zum Verkauf“, schleuderte Emmie ihm entgegen, um das erotische Prickeln zu überspielen, das sie in seiner Nähe empfand.
„Trotzdem ist es mir gelungen, mir für ein ganzes Wochenende Ihre Zeit zu kaufen“, widersprach er selbstzufrieden. Seine bernsteinfarbenen Augen glitzerten verräterisch.
„Nein! Niemals!“
„Dann zahlen Sie das Geld zurück, und wir vergessen den Vertrag. Eine widerspenstige Begleiterin nützt mir nichts“, antwortete Bastian lässig.
Emmie wich zurück, griff nach Brille und Clip, die Bastian achtlos auf den Schreibtisch geworfen hatte und dachte verzweifelt nach. Es war nur zu verständlich, dass er sein Geld zurückforderte, wenn sie nicht bereit war, die vertraglich zugesicherte Leistung zu erbringen. Leider sah sie sich außerstande, den Betrag aufzubringen. Frustriert wurde ihr bewusst, dass sie in der Klemme saß. Hatte Odette diesen Kampf wirklich so leicht für sich entschieden?
Ich könnte abstreiten, irgendetwas mit der Escortagentur zu tun zu haben, dachte Emmie. Dann wäre Bastian Christou gezwungen, das Geld von Odette zurückzufordern. Das wiederum würde ihre Mutter in ernsthafte rechtliche und finanzielle Schwierigkeiten bringen. Das kann ich ihr nicht antun, dachte Emmie verzweifelt. Schließlich hatte Odette die Operation bezahlt, durch die sie wieder ein normales Leben führen konnte. In diesem Moment wurde Emmie bewusst, wie tief sie in Odettes Schuld stand.
„Verraten Sie mir, was diese Verkleidung soll?“, fragte Bastian träge, als Emmie geistesabwesend den Clip befestigte und die Brille wieder aufsetzte. „Haben Sie Angst, erkannt und aufgrund ihres Nebenjobs belästigt zu werden?“
Emmie errötete verlegen. „So was in der Art.“
Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Die hatte sie noch nie jemandem anvertraut. Seit Saffy zum Supermodel aufgestiegen war und ihre Fotos ständig in den Medien präsent waren, hatte Emmie das Gefühl gehabt, ihr Gesicht gehörte nicht mehr ihr. Immer wieder war sie von wildfremden Menschen auf der Straße angesprochen worden, weil man sie für Saffy hielt. Ständig wurde sie nach Fotos gefragt, sollte Autogramme geben, wurde von Männern um ein Date gebeten. Irgendwann hatte sie das nicht mehr ausgehalten. Zumal die Leute richtig aggressiv geworden waren, wenn sie erklärt hatte, es handelte sich um eine Verwechslung. Niemand hatte ihr geglaubt. Emmie hatte Angst bekommen, fühlte sich erniedrigt, wie eine wertlose Kopie ihrer berühmten Schwester, weil sie die Erwartungen der Menschen nicht erfüllen konnte.
Emmie war eher schüchtern und hatte immer viel Wert auf ihre Privatsphäre gelegt. Ständig vor Kameras zu posieren, in der Öffentlichkeit zu stehen, so wie Saffy, nein, das war nichts für sie.
Bastian lehnte sich an den Schreibtisch. „Wenn Sie die Rolle gut spielen, die ich für Sie vorgesehen habe, bin ich gern bereit, einen Bonus zu zahlen“, erklärte er lauernd. „Es handelt sich eher um eine geschäftliche Vereinbarung als um einen Vergnügungsreise.“
War das seine Methode, eine widerspenstige Frau umzustimmen? Köderte er sie mit mehr Geld, Klamotten, Schmuck? Nutzte er seinen Reichtum oft, um Leute zu bestechen?
„Greifen Sie oft auf die Dienste einer Escortagentur zurück?“, fragte Emmie ausdruckslos.
„Nein, es ist das erste Mal. Und das letzte Mal“, fügte er unwirsch hinzu.
„Warum haben Sie gestern kein Wort darüber verloren, als Sie mich auf das Foto auf der Website angesprochen haben? Wenn das keine Heuchelei ist, dann weiß ich es auch nicht.“
„Ich würde es eher als gesunden Menschenverstand bezeichnen“, konterte er. „Wenn Sie mich zur Hochzeitsfeier meiner Schwester begleiten, will ich nicht, dass irgendjemand auf die Idee kommt, ich hätte Sie dafür bezahlt. Deshalb war es mir wichtig, dass Ihr Eintrag auf der Website gelöscht wird“, erklärte er kühl. „Und ein Heuchler bin ich ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil, ich bin offen, ehrlich, geradeheraus.“
Emmie hatte gar nicht richtig zugehört. „Ich soll Sie zur Hochzeit Ihrer Schwester begleiten?“, fragte sie verblüfft.
„Ich möchte, dass Nessa einen wunderschönen Tag voller ungetrübter Freude hat“, gestand Bastian. „Sie wird froh sein, nach der geplatzten Verlobung eine neue Frau an meiner Seite zu sehen. Nessa hat ein weiches Herz und war besorgt um mich. Ich möchte ihr zeigen, dass alles in Ordnung ist. Mit Ihnen als Begleitung wird das überzeugender sein. Meine Exverlobte ist nämlich eine der Brautjungfern, und ich möchte auf keinen Fall den Anschein erwecken, ich wäre noch an ihr interessiert.“
„Warum wurde sie nicht einfach ausgeladen?“, fragte die praktisch veranlagte Emmie.
„Das wäre schlechter Stil.“ Bastian lächelte verlegen. „Also, wie ist es? Begleiten Sie mich in meine griechische Heimat?“
Emmie schluckte. Da sie das Geld nicht zurückzahlen konnte, blieb ihr wohl nichts anderes übrig. Und was konnte ihr bei einer Familienfeier schon passieren? „Ja.“ Sie senkte den Blick, um ihre noch immer glimmende Wut zu kaschieren.
„Gut. Dann muss nur noch geeignete Kleidung für das Wochenende her“, bemerkte Bastian pragmatisch.
„Ich habe selbst was zum Anziehen“, wehrte sie ab.
„Ja?“ Abfällig ließ er den Blick über die weite Bluse und den schlecht sitzenden Rock gleiten. „Trotzdem möchte ich, dass Sie sich in die kompetenten Hände eines Stylisten und Personal Shoppers begeben. Die Rechnung geht natürlich an mich. Ich habe ja Ihre Telefonnummer und schicke Ihnen eine SMS, wenn ich die Termine vereinbart habe.“
Ich bin doch keine Kleiderpuppe, dachte Emmie erbost und biss die Zähne zusammen. Bastian Christou behandelte sie wie ein Objekt. Noch nie zuvor hatte sie sich so gedemütigt gefühlt!
3. KAPITEL
Aus dem Augenwinkel bemerkte Emmie, wie die Leute die Hälse nach ihr reckten, als sie das Flughafengebäude durchquerte. Hoffentlich bleibt es dabei, dachte sie gerade, als sich ihr auch schon ein Fotograf mit gezückter Kamera in den Weg stellte.
„Bleib so, Sapphire!“
Ausdruckslos ging Emmie einfach um ihn herum, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, den Irrtum aufzuklären. Man würde ihr ja sowieso nicht glauben. Schon gar nicht die Paparazzi, die viel Geld mit Fotos von Saffy verdienten. In dem Designeroutfit, das sie trug, ähnelte sie ihrer Schwester aufs Haar. Niemand würde auf die Idee kommen, es könnte sich um Saffys Zwilling handeln.
Auch der schicke Rollkoffer, den Emmie hinter sich herzog, war bis obenhin vollgestopft mit exklusiver Designerkleidung. Insgeheim gefiel Emmie sich in der teuren Garderobe, denn sie stand ihr fantastisch und hob ihr Selbstbewusstsein. Trotzdem sah sie dem Wochenende bei Bastian Christous Familie beklommen entgegen.
Bastian sah sie schon von Weitem und erlitt einen Schock. Diese bildschöne, elegante Göttin auf unglaublich hohen High Heels sollte Emmie sein? Auf alle Fälle war sie perfekt für die Rolle, die er ihr zugedacht hatte. Niemand würde bezweifeln, dass er sich in diese unwiderstehliche langbeinige Blondine verliebt hatte, obwohl er bisher eher auf zierliche Brünette gestanden hatte. Sein Körper reagierte prompt auf diesen sexy Anblick. Bastian stöhnte unterdrückt. Ob der sinnliche rosa Mund so gut schmeckte wie er versprach? Völlig in seine erregenden Gedanken versunken, bemerkte Bastian erst mit einiger Verspätung, dass Emmie offenbar von Paparazzi verfolgt wurde. Ärgerlich machte er seinen Bodyguards ein Zeichen, Emmie zu schützen.
„Emmie“, sagte er schließlich fasziniert.
„Hallo, Mr Christou.“ Sie gab sich betont kühl, um zu überspielen, wie sehr Sebastiano Christous Charisma sie in den Bann zog. Der maßgeschneiderte Anzug brachte seinen athletischen Körper perfekt zur Geltung. Starker Bartwuchs verlieh dem markanten Gesicht etwas Verwegenes, und die wunderschönen, wie flüssiger Bernstein schimmernden, dicht bewimperten Augen zogen sie magisch an. Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte sie, als ein heftiges Pulsieren in ihrem Schoß die starke erotische Anziehungskraft verriet, die Emmie in Bastians Nähe empfand.
Das geht vorüber, redete sie sich ein. Bastian Christou wollte ja nichts von ihr. Für ihn war das alles nur Show. Was sollte ihr schon passieren? Zumal seine Familie ja die ganze Zeit anwesend sein würde.
„Sag Bastian zu mir, sonst fliegen wir gleich auf.“ Entschlossen zog er sie an sich und küsste sie. Womit ihre schöne Theorie sich innerhalb von Sekunden als falsch erwies …
Mit seinen festen warmen Lippen liebkoste er ihren Mund und entzündete ein erregendes Feuerwerk in Emmies Körper. Unwillkürlich öffnete Emmie den Mund. Sofort schnellte seine Zunge hinein und nahm ihn schamlos in Besitz. Völlig überwältigt von ungeahnter Lust schwankte Emmie und schmiegte sich an Bastians harten Körper, als heißes Verlangen sie durchströmte und ihr intimster Ort zu pulsieren begann. Gerade als die süße Lust unerträglich wurde, hörte Bastian auf, sie zu küssen, und schob Emmie leicht von sich. Mit vor Verlangen dunklen Augen schaute er sie an. Impulsiv hätte Emmie ihn am liebsten wieder sehnsüchtig an sich gezogen. Fast hätte sie vergessen, dass er ihr Boss war und dass sie sich inmitten eines belebten Terminals befanden. So sehr sehnte sie sich nach seinen erregenden Liebkosungen, die sie innerhalb kürzester Zeit wild vor Lust gemacht hatten.
„Ich … ich war nicht darauf gefasst, dass es zu körperlichem … Kontakt kommen würde“, stieß Emmie mit bebender Stimme hervor. Hinter ihr stritt sich ein Paparazzo lautstark mit einem der Bodyguards.
„Das ist naiv, Emmie. Wir sind doch angeblich ein Liebespaar. Und was hat ein Kuss schon zu bedeuten?“ Betont lässig zuckte Bastian die Schultern.
Für sie war es mehr gewesen als nur ein Kuss. Eine ganz besondere Magie. Ihr war, als hätte sie ihr ganzes bisheriges Leben lang auf dieses unbeschreiblich zauberhafte Gefühl gewartet. Natürlich tat sie das sofort als Teenagerschwärmerei ab und versuchte, den Kuss so nüchtern zu betrachten, wie Bastian es angeblich tat. Aber trotzdem … Vielleicht war es auch einfach an der Zeit, einen Mann zu begehren. Das war doch vollkommen normal in ihrem Alter. Solange sie der Versuchung nicht nachgab, war alles in Ordnung.
Als sie an Bord des Privatjets gingen, haderte Bastian noch immer mit seiner völlig unüberlegten Aktion. Welcher Teufel hatte ihn da nur geritten, ein Escortgirl zu küssen? Unfassbar! Hatte sie es darauf angelegt? Gehörte es zu ihrer Tätigkeitsbeschreibung, die Männer, die sie begleitete, heiß zu machen? Bei ihm war ihr das jedenfalls mühelos gelungen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor so schnell hart geworden zu sein. Peinlich, peinlich! Er durfte seine Selbstbeherrschung nicht noch einmal verlieren. Schließlich hatte er Prinzipien, und ein eiserner Grundsatz war, niemals mit einer Professionellen ins Bett zu gehen.
Emmie verdrehte die Augen und griff nach einer Zeitschrift, als Bastian mürrisch die Bemühungen der Stewardess abwehrte, ihm den Flug so angenehm wie möglich zu machen. Der Mann hat ja eine Laune, dachte sie verwundert und fragte sich, was ihm plötzlich die Petersilie verhagelt hatte. Der Kuss? Den hatte Bastian sich selbst zuzuschreiben. Männer, dachte Emmie. Wer brauchte die schon? Nun, vielleicht Odette. Die konnte einfach nicht ohne Mann leben.
Unglücklich ließ Emmie ihre Kindheit Revue passieren. Von ihrem V