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Romana Exklusiv Band 177
Erscheinungstag: | Fr, 12.09.2008 |
Erscheinungstag: | Fr, 12.09.2008 |
Bandnummer: | 0177 |
Bandnummer: | 0177 |
Seitenanzahl: | 144 |
Seitenanzahl: | 144 |
ISBN: | |
ISBN: | 9783863495626 |
E-Book Format: | ePub oder .mobi |
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Die gute Tochter
"Lauf!", fleht ihre große Schwester Samantha. Mit vorgehaltener Waffe treiben zwei maskierte Männer Charlotte und sie an den Waldrand. "Lauf weg!" Und Charlie läuft. An diesem Tag. Und danach ihr ganzes Leben. Sie ist getrieben von den Erinnerungen an jene grauenvolle Attacke in ihrer Kindheit. Die blutigen Knochen ihrer erschossenen Mutter. Die Todesangst ihrer Schwester. Das Keuchen ihres Verfolgers.
Als Töchter eines berüchtigten Anwalts waren sie stets die Verstoßenen, die Gehetzten. 28 Jahre später ist Charlie selbst erfolgreiche Anwältin. Als sie Zeugin einer weiteren brutalen Bluttat wird, holt ihre Geschichte sie ganz ungeahnt ein.
"Die gute Tochter" ist ein Meisterwerk psychologischer Spannung. Nie ist es Karin Slaughter besser gelungen, ihren Figuren bis tief in die Seele zu schauen und jede Einzelne mit Schuld und Leid gleichermaßen zu belegen.
"Die dunkle Vergangenheit ist stets gegenwärtig in diesem äußerst schaurigen Thriller. Mit Feingefühl und Geschick fesselt Karin Slaughter ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite."
Camilla Läckberg
"Eine großartige Autorin auf dem Zenit ihres Schaffens. Karin Slaughter zeigt auf nervenzerfetzende, atemberaubende und fesselnde Weise, was sie kann."
Peter James
"Karin Slaughter ist die gefeiertste Autorin von Spannungsunterhaltung. Aber Die gute Tochter ist ihr ambitioniertester, ihr emotionalster - ihr bester Roman. Zumindest bis heute."
James Patterson
"Es ist einfach das beste Buch, das man dieses Jahr lesen kann. Ehrlich, kraftvoll und wahnsinnig packend - und trotzdem mit einer Sanftheit und Empathie verfasst, die einem das Herz bricht."
Kathryn Stockett
„Die Brutalität wird durch ihre plastische Darstellung körperlich spürbar, das Leiden überträgt sich auf den Leser.“
(Hamburger Abendblatt)
„Aber es sind nicht nur die sichtbaren Vorgänge und Handlungen von guten oder schlechten Individuen, die die (…) Autorin penibel genau beschreibt. Es sind vor allem die inneren, die seelischen Abläufe, die überzeugen.“
(SHZ)
„Das alles schildert Slaughter mit unglaublicher Wucht und einem Einfühlungsvermögen, das jedem Psychotherapeuten zu wünschen wäre.“
(SVZ)
„Die aktuelle Geschichte um die Quinns ist eine Südstaaten-Saga der besonderen Art, von der ihr nicht weniger erfolgreiche Kollege James Patterson sagt, sie sei ‚ihr ambitioniertester, ihr emotionalster, ihr bester Roman. Zumindest bis heute‘.“
(Focus Online)
„Die Autorin hat hier ein ausgezeichnetes Buch vorgelegt, dass mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat.“
(Krimi-Couch.de)
„Es gibt Bücher, bei denen man das Atmen vergisst. Die Romane der amerikanischen Schriftstellerin gehören dazu. So auch dieser Pageturner. (…) Karin Slaughter versteht es meisterhaft, glaubwürdige Charaktere zu erschaffen und ihre Leser fortwährend zu überraschen.“
(Lebensart)
„Atmosphärisch dichter Thriller über die sozialen Gespinste einer Kleinstadt, psychologisch sehr stimmig, mit vielen Schichten und Überraschungen.“
(Bayrischer Rundfunk)
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1. KAPITEL
Ich hätte es nicht tun sollen, dachte Jaime, als sie in dem elegant ausgestatteten Raum wartete, der so gar nicht den allgemeinen Vorstellungen von einem Büro entsprach.
Doch trotz der üppigen Chiffonvorhänge vor den hohen Fenstern, der Seidentapeten und der Originalgemälde berühmter Maler war es das Arbeitszimmer von Catriona Redding, der erfolgreichen Romanschriftstellerin.
Jaime atmete tief ein und aus.
Schon allein der Schreibtisch, auf dem Unterlagen, Bücher, Bleistifte und Kugelschreiber herumlagen, war bestimmt ein kleines Vermögen wert. Wie Jaime wusste, schrieb Catriona Redding ihre Manuskripte mit der Hand, was in diesem lichtdurchfluteten Raum mit Ausblick auf den Swimmingpool und die herrliche Copperhead Bay im Hintergrund bestimmt viel angenehmer war, als am Computer zu arbeiten.
Jaime war auf die Bermudas gekommen, um sich bei der Autorin vorzustellen. Obwohl Catrionas Agent in London gemeint hatte, Jaime sei für den Job geeignet, lag die endgültige Entscheidung bei Catriona selbst.
Während sie das Zimmer betrachtete, überlegte sie, ob man sie vielleicht absichtlich warten ließ, um sie einzuschüchtern. Sie wusste viel zu wenig über die Frau, der sie jetzt begegnen würde, und ihre Zweifel wurden immer größer.
Was erhoffe ich mir eigentlich davon? fragte Jaime sich. Sie war Dozentin für Englisch und an selbstständiges Arbeiten gewöhnt. Wollte sie wirklich Catriona Reddings Sekretärin spielen, wenn auch nur vorübergehend?
Ja, natürlich, denn ich will Catriona Redding kennenlernen und die Beweggründe für ihr Handeln von damals herausfinden, beantwortete sie sich die Frage selbst.
In London hatte man Jaime erklärt, Catriona Redding würde sich unmittelbar nach dem Vorstellungsgespräch entscheiden, ob sie sie zwei Wochen zur Probe einstellen wolle oder nicht. Deshalb hatte man Jaime empfohlen, vorsichtshalber alles mitzubringen, was sie für einen zweiwöchigen Aufenthalt benötigen würde. Sie hatte den Rat befolgt.
Nach dem relativ langen Flug zu den Bermudas fühlte sie sich plötzlich so müde, als wäre es bereits Mitternacht. Dabei war es hier erst später Nachmittag. Wahrscheinlich musste sie nur gut und lange schlafen, dann würde es ihr schon wieder viel besser gehen, und die Zweifel, mit denen sie sich auf einmal herumquälte, wären verschwunden.
Ein Geräusch von draußen schreckte sie aus den Gedanken auf. Durch die angelehnte Terrassentür hörte sie das Wasser im Swimmingpool plätschern. Am liebsten wäre Jaime aufgestanden und hätte hinausgeschaut. Sie blieb jedoch sitzen, weil sie befürchtete, Catriona Redding würde jeden Augenblick hereinkommen, und sie wollte nicht neugierig wirken. Sie durfte nicht vergessen, dass sie nur zu einem Vorstellungsgespräch hier war. Es wäre bestimmt unklug, gleich zu Anfang alles aufs Spiel zu setzen.
Dennoch drehte sie sich um und blickte hinaus. Wer immer auch jetzt im Pool herumschwamm, er war zu beneiden. Obwohl die Klimaanlage eingeschaltet war und eine angenehme Temperatur im Raum herrschte, war Jaime so angespannt und nervös, dass ihr viel zu warm wurde.
Als sie vor den Fenstern eine Bewegung wahrnahm, wurde ihr bewusst, dass jemand aus dem Pool gestiegen war. Und dann sah sie den großen dunkelhaarigen Mann, der geschmeidig wie eine Raubkatze den gefliesten Beckenrand entlangging. Jaime war froh, dass er ihr den Rücken zukehrte, denn als er sich bückte und nach dem Badetuch griff, das auf einem der Liegestühle lag, bemerkte sie, dass er nackt war.
Ihr wurde der Mund trocken. Offenbar kennt Catriona Redding ihn gut, überlegte sie und gestand sich etwas ungeduldig ein, nicht damit gerechnet zu haben, dass die Autorin mit einem Partner zusammenlebte. Eigentlich ist es doch ganz normal, dass eine erfolgreiche Frau viele Verehrer hat und nicht allein lebt, sagte sie sich jetzt.
Aber Catriona Redding war ungefähr fünfzig Jahre, und der Mann am Swimmingpool wirkte wesentlich jünger, zumindest auf die Entfernung hin.
Jaime schluckte. Ihr war unbehaglich zumute, und sie hoffte, er würde nicht durch das Arbeitszimmer ins Haus kommen. Sie wusste selbst nicht genau, weshalb sie sich so krampfhaft wünschte, diesem Fremden nicht zu begegnen. Als er in die andere Richtung davonging, atmete sie erleichtert auf.
Und in dem Augenblick wurde die Tür geöffnet. Sogleich erinnerte Jaime sich daran, warum sie hier war, und stand höflich auf.
„Miss Harris?“ Der Name sagte Catriona Redding offenbar nichts. Sie reichte Jaime kühl die Hand. An den schlanken Fingern trug sie einige elegante Goldringe, aber keinen Ehering, wie Jaime sogleich bemerkte.
„Setzen Sie sich doch, Miss Harris“, forderte sie mit angenehm klingender Stimme Jaime auf und ließ sich in den grauen Lederschreibtischsessel sinken. „Hatten Sie einen angenehmen Flug?“
Jaime rang nach Worten. Sie ärgerte sich, weil sie so nervös und betroffen war. Ich habe ein abgeschlossenes Studium hinter mir und bin seit fünf Jahren Dozentin an der Uni, mahnte sie sich und verstand sich selbst nicht mehr. Aber es half alles nichts, Catriona Reddings Auftreten verschlug ihr die Sprache.
Die Frau sah einfach umwerfend gut aus mit dem silberblonden Haar, das wahrscheinlich gefärbt war, dem jugendlich wirkenden Gesicht und den dunkelblauen Augen mit den geschwärzten Wimpern. Ihre makellose Haut war leicht gebräunt.
Was ist nur mit mir los, weshalb bin ich so überrascht? fragte Jaime sich. Sie hatte Catriona Reddings Fotos auf den Schutzumschlägen der Bücher gesehen und hätte sich eigentlich ein Bild von ihr machen können. Das hatte sie auch, aber in Wirklichkeit sah die Autorin ganz anders aus.
„Ist Ihnen nicht gut?“, fragte Catriona.
Ich muss mich unbedingt zusammennehmen, sonst denkt sie noch, ich sei dumm und naiv, sagte Jaime sich ärgerlich.
„Es tut mir leid“, erwiderte sie deshalb rasch. „Ich bin nur so schrecklich aufgeregt, Ihnen persönlich zu begegnen. Ich habe all Ihre Bücher gelesen, Miss Redding.“ Das stimmte sogar. „Ich bewundere Ihre Arbeit sehr“, fügte sie nicht ganz wahrheitsgemäß hinzu.
„Wirklich?“ Offenbar war die Frau an Bewunderung gewöhnt. Sie lächelte kühl. „Welches Buch gefällt Ihnen am besten? Es interessiert mich immer, welches meiner Werke die Leser am meisten berührt.“
Jaime schluckte. Sekundenlang fiel ihr kein einziger Titel mehr ein. Die Erinnerung an die ungefähr zwanzig Bücher, die sie in kurzer Zeit hintereinander gelesen hatte, war wie ausgelöscht. Doch dann begann ihr Verstand wieder zu arbeiten.
„Ich denke, Herzlos hat mir am besten gefallen“, antwortete sie aufs Geratewohl und überlegte, ob es vielleicht irgendetwas bedeutete, dass sie ausgerechnet diesen Roman genannt hatte. Ihr Vater hätte wahrscheinlich gesagt, dass der Titel zu Catriona passe, aber Jaime wollte jetzt nicht über Robert Michaels nachdenken.
Glücklicherweise schien die Autorin mit Jaimes Antwort zufrieden zu sein. Sie machte einige Bemerkungen zu dem Roman, sodass Jaime etwas Zeit hatte, die Frau eingehender zu betrachten. Wenn sie nicht genau gewusst hätte, wie alt Catriona Redding war, hätte sie sie auf höchstens Ende dreißig geschätzt. Irgendwie wirkte sie zeitlos, und dieser Eindruck wurde verstärkt durch das maßgeschneiderte, elegante Kostüm, das sie trug.
„Soweit ich informiert bin, haben Sie in London gearbeitet, Miss Harris“, sagte sie jetzt.
„Ja“, erwiderte Jaime, während Catriona Redding sie prüfend betrachtete. „Ich habe als wissenschaftliche Assistentin an der Universität gearbeitet.“
„Das habe ich Ihrer Bewerbung entnommen.“ Catriona blätterte in den Unterlagen, die sie aus einem Stapel Akten, die auf dem Schreibtisch lagen, gezogen hatte. „Als Sekretärin sind Sie eigentlich überqualifiziert.“ Sie blickte auf. „Würden Sie mir verraten, warum Sie die Stelle trotzdem haben wollen?“
Jaime war auf die Frage vorbereitet. Sie atmete tief ein. „Ich spüre schon eine ganze Zeit lang eine innere Unruhe und bin unzufrieden“, erklärte sie. „Ehe ich mein Examen ablegte, habe ich an einem Sekretärinnenkurs teilgenommen und dann neun Monate in einem kleinen Verlagshaus gearbeitet. Dort sind mir zum ersten Mal Ihre Bücher aufgefallen, Miss Redding. Eine meiner Kolleginnen hat mir Harvest Moon geliehen – und seitdem bin ich begeisterte Leserin Ihrer Romane.“
„Und deshalb haben Sie Ihre Tätigkeit an der Uni aufgegeben? Ich meine, weil Sie sich so sehr für meine Romane interessieren?“ Catriona klang skeptisch.
„Das ist ein Grund“, antwortete Jaime vorsichtig. „Aber ich war insgesamt mit meiner Lebenssituation unzufrieden, wie ich eben schon sagte. Die Beschäftigung mit alten Sprachen wird auf Dauer langweilig, Miss Redding. Ich suchte etwas ganz anderes, und als ich Ihre Anzeige las, hatte ich das Gefühl, diese Tätigkeit könnte momentan genau das Richtige für mich sein.“
„Ah ja.“
Catriona betrachtete sie immer noch skeptisch, und Jaime musste sich sehr zusammennehmen, um nicht vor lauter Nervosität die Hand zu heben und sich zu vergewissern, dass ihre Frisur – sie hatte das lange Haar zu einem Zopf geflochten – noch in Ordnung war. Sie kann unmöglich wissen, dass ich nicht als wissenschaftliche Assistentin gearbeitet habe, versuchte sie sich zu beruhigen. Ihr Vorgesetzter an der Uni war ein guter Freund, und er würde sie nie verraten.
„Erzählen Sie mir doch mehr über sich“, forderte Catriona sie schließlich auf. „Mein Agent hat Ihre Qualifikation überprüft und mit Ihnen über das Gehalt geredet. Ich möchte gern einige persönliche Details erfahren, Miss Harris, zum Beispiel über Ihre Familie.“
Jaime befeuchtete die trockenen Lippen. „Ich habe keine Familie mehr, Miss Redding.“ Sie zögerte kurz und fügte dann mutig hinzu: „Mein Vater ist vor einigen Monaten gestorben, ich habe sonst keine Verwandten.“
„Keinen Ehemann?“ Catriona blätterte wieder in den Bewerbungsunterlagen. „Aus Ihrem Lebenslauf entnehme ich, dass Sie beinah dreißig sind, Miss Harris. Wollen Sie nicht irgendwann heiraten?“
„Jetzt noch nicht.“
Jaime überlegte, ob es Catriona Redding überhaupt etwas anging. Nur weil sie Liebesromane schrieb, hatte sie nicht das Recht, sie über ihr Privatleben auszufragen. Wenn sie, Jaime, sich aus rein professionellen Gründen für den Job interessieren würde, hätte sie sich bestimmt dagegen gewehrt, so intime Fragen beantworten zu müssen. Doch so, wie die Dinge lagen, beschloss sie, sich darüber nicht aufzuregen.
„Aber Sie wollen doch sicher eines Tages heiraten, oder?“, erkundigte sich Catriona hartnäckig.
Was hat sie denn, will sie etwa nur eine Karrierefrau einstellen, die keinen einzigen Mann anschaut?, überlegte Jaime. Oder steckte vielleicht etwas ganz anderes dahinter?
„Ja, das ist durchaus möglich“, räumte Jaime schließlich ein. Und weil sie glaubte, erklären zu müssen, warum sie noch ledig sei, fuhr sie fort: „Durch meine Tätigkeit hatte ich nur wenig Freizeit und kaum Gelegenheit, auszugehen.“
Catriona runzelte die Stirn. „Hoffentlich machen Sie sich keine Illusionen, Miss Harris. Um es gleich zu sagen, das wird kein Urlaub für Sie. Ich bin nicht leicht zufriedenzustellen. Ich arbeite täglich viele Stunden und ohne Pausen und Unterbrechungen, ich stelle hohe Anforderungen und habe Termine, die eingehalten werden müssen.“
„Ich habe auch gar nicht vor, mich auszuruhen, Miss Redding“, versicherte Jaime ihr rasch. „Die Möglichkeit, in so herrlicher Umgebung zu arbeiten, war nicht der Grund für meine Bewerbung. Natürlich ist es angenehmer, hier zu arbeiten als in London. Aber ich lasse mich von der Umgebung nicht beeinflussen oder ablenken. Ich würde Ihnen gern beweisen, was ich kann, und ich bin sicher, Sie wären nicht enttäuscht.“
„Sie sind also nicht auf der Suche nach einem reichen Ehemann, Miss Harris?“ Und ehe Jaime ihrer Empörung Luft machen konnte, fügte Catriona hinzu: „Sie wären nicht die Erste. Ich musste kürzlich meine Sekretärin entlassen, weil sie sich ziemlich unpassend benommen hat. Sie wirken jedoch viel … vernünftiger. Kristin hat gern geflirtet und großen Wert auf ihr Aussehen gelegt. Die Arbeit hat sie weniger interessiert.“
Mit anderen Worten, sie hält mich für unattraktiv und sieht in mir keine Konkurrenz, dachte Jaime und verstand nicht, wie eine Frau, die so feinfühlige Romane schrieb, so unsensibel sein konnte. Sie biss sich auf die Lippe. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie die Frau schon gleich zu Anfang nicht mögen.
„Ich bin nicht daran interessiert, einen Ehemann zu finden, Miss Redding“, erklärte sie nachdrücklich. „Ich möchte nur einmal ganz etwas anderes tun und meinen Horizont erweitern.“
Jaime klang sehr überzeugend, und sie war sich dessen auch bewusst. Sie lächelte insgeheim. Selbst wenn Catriona Redding in der Einsamkeit Alaskas oder in den Slums von Kalkutta leben würde, hätte Jaime sich bei ihr beworben.
„Sehr gut.“ Catriona stand auf und ging langsam und mit graziösen Bewegungen zum Fenster, wo sie den Vorhang zurückschob und auf die Terrasse und den Swimmingpool schaute. Offenbar gefiel ihr, was sie sah, denn als sie sich wieder zu Jaime umdrehte, wirkte ihre Miene viel freundlicher und entspannter.
„Mein Agent hat Ihnen bereits mitgeteilt, dass ich auf einer Probezeit von zwei Wochen bestehen muss. Danach werde ich mich entscheiden, ob ich weiterhin an Ihrer Mitarbeit interessiert bin. Dasselbe gilt natürlich auch für Sie.“ Sie lächelte so gönnerhaft, als hätte sie Jaime soeben ein großzügiges Angebot unterbreitet. „Wir werden bestimmt rasch herausfinden, ob wir miteinander auskommen. Sind Sie einverstanden?“
Ich habe es geschafft, ging es Jaime durch den Kopf.
„Ja, natürlich“, erwiderte sie und war erstaunt, wie normal ihre Stimme klang. „Danke“, fügte sie hinzu, weil sie dachte, es würde von ihr erwartet.
„Gut.“ Catriona ging wieder zum Schreibtisch und rief über die Haussprechanlage: „Sophie?“
Als nicht sogleich geantwortet wurde, blickte sie Jaime an und erklärte: „Sophie ist meine Haushälterin.“
Schließlich meldete sich die Frau.
„Sophie, ich habe Miss Harris eingestellt. Sie wird morgen anfangen zu arbeiten. Können Sie bitte kommen und ihr das Apartment zeigen?“Das Apartment befand sich im Nebengebäude, das man durch ein Spalier von Weinreben erreichte. Jaime bemerkte die exotischen Blumen, die im Garten blühten und herrlich dufteten, und den Swimmingpool, der neben der weiß getünchten Mauer des Hauptgebäudes gerade noch zu erkennen war.
Eine wirklich idyllische Umgebung, überlegte sie und freute sich über ihren Erfolg. Ihre gute Stimmung wurde jedoch getrübt durch die herablassende und etwas unfreundliche Art der Haushälterin, die Jaime durchs Haus führte.
In der Tür zum Apartment steckte ein Schlüssel, wie Jaime erleichtert feststellte. Die Tür war nicht verschlossen, und Sophie stieß sie auf.
„Hier finden Sie alles, was Sie brauchen“, erklärte sie und knipste die Lampen an. „Miss Spencer hatte nichts daran auszusetzen, sie war glücklich und zufrieden.“
„Ach ja?“ Langsam dämmerte es Jaime, warum Sophie sie nicht mochte. Miss Spencer war offenbar Kristin, von der Catriona Redding so geringschätzig gesprochen hatte, während Sophie sehr viel von Kristin zu halten schien.
Jaime hielt es für klüger, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und schaute sich im Wohnzimmer um, das ihr sehr gut gefiel.
„Haben Sie den hingestellt, Sophie?“, fragte sie und wies auf den hübschen Blumenstrauß, der in einer Vase auf dem niedrigen Tisch stand. „Er ist wunderschön“, sagte sie und betrachtete bewundernd die dunkelgrünen Blätter, die wie Wachs aussahen, und die knallroten und orangefarbenen Blüten.
„Die sind von einem Blumengeschäft in Hamilton geliefert worden, dem Miss Redding einen Dauerauftrag erteilt hat“, dämpfte Sophie ihre Freude. Dann öffnete sie die Tür zum angrenzenden Schlafzimmer. „Das Bad ist dort hinten.“
„Danke.“ Jaime war entschlossen, sich nicht entmutigen zu lassen.
Mit einem letzten Blick vergewisserte Sophie sich, dass alles in Ordnung war. „Miss Redding wird Ihnen morgen beim Frühstück mitteilen, wann und wo gegessen wird“, verkündete sie schroff. „Samuel wird Ihnen in einer Viertelstunde das Abendessen bringen.“
Am liebsten hätte Jaime dankend abgelehnt. Sie wollte aber nicht unhöflich erscheinen. Außerdem war sie immer noch sehr aufgeregt und angespannt und würde wahrscheinlich noch nicht schlafen können, obwohl sie sehr müde war.
„Mein Koffer …“, begann sie, als Sophie gehen wollte.
Sogleich drehte sich die Haushälterin wieder um und schaute sie vorwurfsvoll an. „Er steht im Schlafzimmer. Samuel hat sich bereits darum gekümmert. Auch wenn Miss Redding Sie nicht eingestellt hätte, hätten Sie natürlich hier übernachten können.“
„Oh.“ Jaime fühlte sich zurechtgewiesen. „Danke.“
„Miss Redding hat es so angeordnet“, erklärte Sophie. „Gute Nacht, Miss Harris. Ich hoffe, Sie schlafen gut.“
Wirklich?, fragte Jaime sich insgeheim, während sie erleichtert die Tür hinter der Haushälterin schloss. Sie war sich ziemlich sicher, dass die Frau ihr überhaupt nichts Gutes wünschte. Nachdenklich biss sie sich auf die Lippe und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Was auch immer geschieht, über mangelnde Bequemlichkeit werde ich mich nicht beschweren können, überlegte sie.
Draußen war es beinah schon dunkel. Der Tag ging hier viel schneller in die Nacht über als in England, wo die Dämmerung sich allmählich über dem Land ausbreitete. Da Sophie die Lampen angeknipst hatte, konnte man von draußen ins Zimmer hineinschauen. Doch ehe Jaime die Vorhänge zuzog, ging sie hinaus auf den Balkon, auf dem ein Tisch und zwei Rattansessel standen.
Sie bewunderte den Ausblick auf die Bucht im Hintergrund und das Meer, das so kurz nach Sonnenuntergang goldfarben schimmerte.
Nachdem sie die Vorhänge geschlossen hatte, wirkte das Zimmer noch gemütlicher. Vor dem Marmorkamin standen zwei Sofas mit rosafarbenen Samtbezügen und dazwischen der lange niedrige Tisch. In einem Schränkchen entdeckte Jaime das Fernsehgerät. In der Ecke vor der kleinen Küche standen ein Esstisch aus Mahagoni und einige Stühle aus demselben Holz, die auch mit Samt überzogen waren.
Jaime zog die Schuhe aus und ging ins Schlafzimmer, dessen flauschiger cremefarbener Teppich sich weich unter ihren Füßen anfühlte.
Das breite Bett im Kolonialstil war das auffallendste Möbelstück in diesem Raum. Ihr Koffer stand auf dem niedrigen Sofa am Fuß des Betts. Jaime öffnete ihn, um ihre Sachen auszupacken. Doch plötzlich klopfte jemand an die Apartmenttür. Wahrscheinlich das Abendessen, dachte sie und öffnete.
Ein großer dunkelhäutiger Mann trug ein Tablett herein. Er ist sicher Sophies Mann, überlegte sie, obwohl er im Gegensatz zu der Haushälterin ziemlich freundlich war. Nachdem er das Tablett auf den Esstisch gestellt hatte, hob er die Deckel von den Silberschüsseln und erklärte Jaime die einzelnen Gerichte. Dann wünschte er ihr eine gute Nacht und zog sich wieder zurück.
Sie schloss die Tür hinter ihm und lehnte sich dagegen. Jetzt fühlte sie sich schon nicht mehr ganz so unwillkommen und unerwünscht wie nach der Begegnung mit Sophie. Es war schließlich nicht ihre Schuld, dass Kristin Spencer entlassen worden war. Sie war aber froh über die Chance, die sich ihr dadurch bot.
Nachdem sie ihre Sachen ausgepackt und im Schrank untergebracht und das luxuriös ausgestattete Badezimmer benutzt hatte, setzte sie sich etwas widerstrebend an den Tisch. Sie hatte eigentlich gar keinen Hunger, war aber immer noch viel zu aufgedreht, um jetzt schon ins Bett zu gehen. Sie aß einige der wirklich köstlich schmeckenden Garnelen.
Dann schenkte sie sich von dem Wein ein, den man ihr mit dem Essen serviert hatte, und stellte sich mit dem Glas in der Hand wieder auf den Balkon. Das Meer war nicht mehr zu sehen, dazu war es jetzt zu dunkel, aber Jaime hörte die Wellen rauschen. Sie lehnte sich ans Geländer und atmete die nach Salz und Wasser duftende Luft tief ein.
Ich bin hier, ich habe es geschafft und werde für Catriona Redding arbeiten, ging es ihr durch den Kopf. Sie konnte es immer noch nicht glauben.
„Verzeih mir, Dad“, sagte sie leise in die Dunkelheit hinein, „aber ich muss mich selbst vergewissern, was sie für ein Mensch ist.“
2. KAPITEL
Dominic wachte mit einem seltsamen Gefühl im Magen auf. Und als er sich aufrichtete, verspürte er heftige Kopfschmerzen. Eigentlich wundert mich das gar nicht, dachte er, denn er hatte am Abend zuvor eine ganze Flasche Scotch geleert.
Ihm fiel wieder ein, warum er so viel getrunken hatte. Am liebsten hätte er sich gleich wieder in die Kissen fallen lassen und die Decke über die Ohren gezogen. Diese verdammte Catriona machte ihm das Leben schwer. Manchmal wünschte er sich, sein Vater hätte die Frau nie geheiratet oder wäre zumindest nicht so früh gestorben.
Jedenfalls befand er, Dominic, sich in einer Situation, die ihn viel zu sehr belastete. Er schob die Decke weg und stützte sich auf den Ellbogen. Wie unkompliziert wäre alles, wenn Lawrence Redding noch lebte!
Schließlich streckte Dominic die Beine aus dem Bett und stand auf. Sekundenlang drehte sich alles um ihn her, doch dann nahm er sich zusammen, schwor sich, so etwas würde ihm nie wieder passieren, und durchquerte langsam das Zimmer.
Durch die Ritzen der Jalousien sah er die aufgehende Sonne. Der Garten mit den üppig blühenden Pflanzen und Blumen wirkte zu dieser Jahreszeit tropisch und exotisch, und Dominic gestand sich ein, dass er das herrliche Anwesen an der Copperhead Bay immer noch gern als sein Zuhause betrachtet hätte.
Im Hintergrund erstreckten sich die Dünen bis hinunter zum weißen Sandstrand des Atlantischen Ozeans mit den leise rauschenden Wellen. Dominic konnte sich nicht satt sehen an der herrlichen Aussicht aufs Meer und die Bucht.
Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich einmal gezwungen sein würde, so eine schwierige Entscheidung zu treffen, überlegte er. Er war erst sechzehn gewesen, als sein Vater Catriona geheiratet hatte. Und jetzt, nicht ganz zwanzig Jahre später, war Lawrence Redding tot.
Dominic dachte gerade darüber nach, wie angenehm und gesund zugleich es sein würde, so früh am Morgen im Ozean zu schwimmen, als er die Frau erblickte, die ums Haus herum zum Pool ging. Sie war sehr groß, trug eine Baumwollhose und ein T-Shirt, und das lange, beinah kupferrote Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der ihr über die Schulter nach vorn fiel. Sie erweckte den Eindruck, als würde sie sich nicht auskennen.
Dominic seufzte. Ihm war klar, sie konnte nur die neue Mitarbeiterin seiner Stiefmutter sein. Offenbar war sie am Tag zuvor eingetroffen. Catriona hatte ihn nicht informiert, dass sie über das Londoner Arbeitsvermittlungsbüro eine neue Sekretärin gesucht hatte. Und sie hatte ihm auch nicht mitgeteilt, dass sie Kristin Spencer entlassen hatte, während er sich geschäftlich in New York aufgehalten hatte, sondern ihn vor vollendete Tatsachen gestellt.
Kristin tat ihm leid. Er hätte sie warnen sollen, dass Catriona keine Konkurrenz vertragen konnte. Offenbar hatte seine Stiefmutter jedoch dieses Mal keine allzu auffallende Schönheit eingestellt, wenn er sich nicht täuschte.
Dominic verzog das Gesicht. Es gefiel ihm nicht, dass er immer zynischer wurde. Daran ist nur Catriona schuld, sagte er sich. Doch sogleich gestand er sich ein, dass er ganz allein für sein Leben verantwortlich war. Vielleicht hätte er seine Zuneigung zu Catriona überwinden können, wenn seine Ehe harmonisch verlaufen wäre. Aber die Dinge hatten sich anders entwickelt. Er machte es sich selbst viel zu leicht, indem er sich meist der Meinung seiner Stiefmutter anschloss. Wenn er nicht aufpasste, würde er eines Tages genauso skrupellos und rücksichtslos sein wie sie.
Er runzelte die Stirn und fragte sich, warum die junge Frau eine offenbar erfolgreiche Karriere in London aufgegeben hatte, um auf den Bermudas zu arbeiten. Natürlich wirkte es zunächst reizvoll, auf der Insel zu leben, auf der andere Urlaub machten. Doch würde sie sich nicht genau wie Kristin nach einigen Wochen langweilen? Das Haus lag sehr einsam. Nach Hamilton waren es zwölf Meilen. Ich könnte es nicht aushalten, das ganze Jahr über hier zu leben, überlegte er.
Catriona hatte ihm erzählt, die Frau sei eine begeisterte Leserin ihrer Bücher und habe sich deshalb um den Job beworben und ihre Stelle an der Universität aufgegeben. Doch Dominic glaubte nicht so recht daran.
Er schüttelte den Kopf und ging ins angrenzende Badezimmer. Nach der kühlen Dusche fühlte er sich schon viel besser, und nachdem er sich abgetrocknet hatte, fuhr er sich mit der Hand übers Kinn. Er musste sich unbedingt rasieren, hatte jedoch jetzt keine Lust dazu. Stattdessen zog er seine Bermudajeans und ein ärmelloses schwarzes Shirt an und verließ das Zimmer.
Im Haus war es sehr still. Trotz der Termine, die sie einhalten musste, ließ seine Stiefmutter sich selten vor acht Uhr sehen. Anders als er konnte sie immer gut schlafen und sah auch morgens schon makellos schön aus. Gewissensbisse waren ihr fremd, während Dominic oft von seinem schlechten Gewissen gequält wurde.
Im Keller des zweigeschossigen Hauses war ein großer Tank untergebracht, in dem Regenwasser gespeichert wurde. Obwohl Grundwasser Mangelware auf der Insel war, gab es so ergiebige Regenfälle, dass die Tanks der Häuser immer gut gefüllt waren. Das Wasser war so rein wie sonst nirgendwo.
Er ging die Treppe hinunter in die Halle, die mit Fliesen ausgelegt war. Dominic war das Haus so vertraut, dass er nicht auf die elegante Umgebung achtete. Er war noch zur Schule gegangen, als sein Vater das Haus gebaut hatte, und er kannte es so gut wie sein Apartment in Manhattan. Er fühlte sich jedoch hier nicht mehr so wohl wie in seinen eigenen vier Wänden, wie er sich leicht ironisch eingestand.
Durch die breite Glastür betrat er das lichtdurchflutete Frühstückszimmer, schlenderte über den weichen Teppich und öffnete die Türen zur Terrasse. Sogar hier im Schatten spürte er die Wärme auf seiner Haut und freute sich darauf, in der Sonne zu liegen. Die Luftfeuchtigkeit war ziemlich gering, sodass die Hitze meist erträglich war, auch wenn es mittags sehr heiß wurde. Der Himmel war klar und blau, wie immer im Juli.
Dominic atmete tief ein, überquerte die Terrasse und ließ den Blick über den Swimmingpool gleiten. Etwas enttäuscht stellte er fest, dass die Frau verschwunden war. Natürlich interessiert sie mich nicht wirklich, versicherte er sich sogleich, denn er wusste, wie eifersüchtig Catriona war. Er war eigentlich nur neugierig und hätte gern erfahren, warum die Frau den Job angenommen hatte.
Er seufzte und schaute auf die Uhr. Es war noch nicht einmal sieben, und außer einem Telefongespräch, das er später mit seinem Büro führen musste, hatte er nichts zu tun. Seltsam, dass es mir gar nicht behagt, dachte er und wünschte, er hätte Catrionas Einladung, seine Bronchitis auf den Bermudas auszukurieren, nicht angenommen und wäre in New York geblieben.
Aber weil seine Stimmung gerade den Nullpunkt erreicht hatte, hatte er sogleich zugestimmt, ohne zu überlegen, auf was er sich da einließ. Sein Vater war vor über einem Jahr gestorben, und er, Dominic, hätte sich denken können, dass Catriona überzeugt war, sie hätte lange genug um ihren Mann getrauert.
Plötzlich bemerkte er eine Bewegung am Pool. Er hatte sich getäuscht, die Frau war nicht verschwunden. Er hatte sie nur in dem Liegestuhl nicht bemerkt. Sie stand auf, und Dominic konnte deutlich erkennen, wie schockiert sie war, als sie ihn erblickte.
Er zögerte. Sollte er sich zurückziehen? Dann brauchte sie ihm nichts zu erklären. Doch irgendetwas an ihr weckte sein Interesse. Deshalb ging er auf sie zu.
„Guten Morgen“, sagte er gut gelaunt. „Ein wunderschöner Tag, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete sie widerwillig. Und als hätte sie das Gefühl, etwas Unerlaubtes getan zu haben, fügte sie angespannt hinzu: „Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe.“
„Das haben Sie nicht“, versicherte er. Sie hatte etwas an sich, das ihm seltsam bekannt vorkam. Sie hatte eine helle Haut und wirkte ziemlich attraktiv. „Sie sind Miss … Harrison, stimmt’s?“
„Harris“, korrigierte sie ihn sogleich. „Jaime Harris“, erklärte sie. „Und Sie sind Mr. …?“
Er wusste selbst nicht, weshalb er zögerte, seinen Namen zu nennen.
„Redding“, sagte er schließlich. „Dominic Redding. Catrionas … Stiefsohn.“
„Oh!“ Ihre Miene hellte sich auf. „Freut mich, Sie kennenzulernen.“
Er musterte sie interessiert. Sie war älter als Kristin und wesentlich zurückhaltender. Ihre großen grauen Augen gefielen ihm genauso wie ihre sinnlichen Lippen.
Sie war jedenfalls anders, als er sie sich vorgestellt hatte, und Dominic wünschte, er hätte die Begegnung nicht herbeigeführt. Er wollte sich und Jaime das Leben nicht unnötig schwer machen, denn Catriona wünschte nicht, dass er sich mit ihren Mitarbeiterinnen unterhielt.
„Wohnen Sie auch hier, Mr. Redding?“
Ihre Frage überraschte ihn. Er redete nicht gern über sich. „Manchmal“, erwiderte er ausweichend und spürte förmlich, dass ihr sein leichter Ärger nicht entging. Ich hatte recht, sie ist ganz anders als Kristin, überlegte er und wusste nicht, was er von ihr halten sollte.
„Manchmal?“, wiederholte sie etwas scheu. „Ist das denn nicht Ihr Zuhause?“
„Es war das Haus meines Vaters. Ich lebe in New York“, erklärte er und war irritiert, weil er plötzlich das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen. Kurz entschlossen wechselte er das Thema. „Es würde mich wirklich interessieren, Miss Harris, warum Sie den guten Job an der Uni in London aufgegeben haben, um als Catrionas Sekretärin zu arbeiten. Sie sind doch überqualifiziert, denn immerhin haben Sie Ihr Studium abgeschlossen.“
Sekundenlang stutzte sie.
„Also … ich bin begeisterte Leserin der Romane Ihrer Stiefmutter.“ Sie bemühte sich, enthusiastisch zu klingen. „Ich hielt es für eine gute Gelegenheit, die Autorin kennenzulernen.“
„Ach ja?“
Dominic verzog das Gesicht. Ihre Begeisterung schien echt zu sein, dennoch zweifelte er, ob sie die Wahrheit sagte. Es steckt doch noch etwas anderes dahinter, oder sehe ich etwa Gespenster?, überlegte er.
„Na, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie nicht enttäuscht werden.“ Er hatte es plötzlich eilig, die Unterhaltung zu beenden.
„Danke.“
Sie schien zu spüren, wie irritiert er war, und nickte ihm höflich zu.
„Ihr Vater ist tot?“, fragte sie dann völlig unvermittelt, nachdem sie sich bereits umgedreht hatte.
Er wollte sich gerade ausziehen und ins Wasser springen. „Wie bitte?“ Ärgerlich wirbelte er herum.
„Es tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich sein.“ Ihre Nervosität war nicht gespielt, wie Dominic deutlich merkte. „Aber haben Sie nicht gesagt, es sei das Haus Ihres Vaters gewesen? Ist Miss … Mrs. Redding verwitwet?“
„Ja“, erwiderte er ungehalten. „Warum wollen Sie es wissen?“
„Oh … aus keinem bestimmten Grund.“ Sie deutete ein Lächeln an und wies aufs Haus. „Ich gehe lieber zurück und mache mich fertig fürs Frühstück.“
Dominic zog das Shirt aus. Als er den Reißverschluss der Jeans öffnen wollte, verharrte er jedoch in der Bewegung. Natürlich hatte er keine Hemmungen. Er wusste, dass er sich mit seinem Körper sehen lassen konnte. Aber es behagte ihm nicht, dass Jaime ihn vielleicht beobachtete. Irgendwie brachte die Frau ihn aus dem seelischen Gleichgewicht.
Mürrisch griff er nach dem Shirt und schlenderte über die Terrasse. Als er die Glastür aufstieß und das Haus betrat, sah er sich plötzlich seiner Stiefmutter gegenüber.
Er war noch geblendet vom Sonnenlicht und in seltsam gereizter Stimmung.
„Verdammt, Cat“, sagte er leise und wich zurück, weil sie sogleich die Hände nach ihm ausstreckte. „Warum zum Teufel bist du schon so früh auf?“
Seine Stiefmutter betrachtete ihn kühl und etwas nachsichtig. In dem korallenroten Morgenmantel aus Seidensatin sah sie sehr elegant aus. Trotz der frühen Stunde wirkte sie mit dem dezenten Make-up makellos und perfekt.
„Ich habe Stimmen gehört, mein Liebling“, erwiderte sie einschmeichelnd. „War Sophie draußen?“
„Nein.“ Dominic wünschte, keine Erklärung abgeben zu müssen. Aber Catriona würde ihm keine Ruhe lassen, bis sie erfahren hatte, mit wem er sich unterhalten hatte. „Ich bin deiner neuen Sekretärin begegnet“, antwortete er deshalb.
„Miss Harris?“ Catriona kniff die Lippen zusammen. Dominic machte sich schon auf ihre Vorhaltungen gefasst. „Was hältst du von ihr, mein Liebling? Sie ist ganz anders als Kristin, stimmt’s? Etwas altmodisch, finde ich. Na ja, sie hat studiert.“
Er hätte Jaime am liebsten verteidigt, hielt sich jedoch zurück. Denn solange Catriona in ihr keine Konkurrenz zu fürchten brauchte, würde sie ihr den Job nicht kündigen. Außerdem hatte er selbst zunächst auch gedacht, Miss Harris würde sich etwas altmodisch kleiden. Als er sie jedoch von Nahem betrachtet hatte und sich ihrer sinnlichen Ausstrahlung bewusst geworden war, hatte er seine Meinung geändert.
„Wer weiß“, erwiderte er diplomatisch. „Offenbar ist sie von deinen Romanen begeistert.“
„Ja.“ Catriona hörte gar nicht richtig zu, sondern konzentrierte sich auf Dominics Mund, während sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. „Küss mich, mein Liebling. Dann soll Sophie uns das Frühstück auf der Terrasse servieren. Es ist so eine seltene Gelegenheit, mit dir allein zu sein.“
Er beugte sich zu ihr hinunter, berührte flüchtig ihre Lippen mit seinen und wollte sich sogleich wieder zurückziehen. Catriona legte ihm jedoch die Arme um den Nacken und hielt ihn fest.
„Ich habe eine viel bessere Idee“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Lass uns im Bett frühstücken!“
Dominic schob sie von sich.
„Nein, heute nicht, Cat“, erklärte er gespielt gleichgültig, obwohl er ganz gern mit ihr geschlafen hätte. Er begehrte sie, seit sein Vater sie ihm vorgestellt hatte. Aber er wollte das Andenken seines Vaters in Ehren halten und Catriona nicht zu seiner Geliebten machen, jedenfalls jetzt noch nicht.
„Warum nicht?“, fragte sie verdrießlich. „Wann begreifst du, dass wir lange genug gewartet haben, Dominic? Larry ist schon seit über einem Jahr tot.“
„Ich weiß.“ Er zog sich das Shirt an, um Catriona nicht ansehen zu müssen. Natürlich würde er nie vergessen, wann sein Vater beerdigt worden war und wie irritiert er nach seinem Tod gewesen war.
„Wenn du so weitermachst, muss ich glauben, dass du mich nicht mehr liebst“, warf Catriona ihm ärgerlich vor. „Ich habe gedacht, wir könnten jetzt endlich eine Entscheidung treffen. Ich brauche dich, Dominic. Und ich war überzeugt, du würdest genauso empfinden.“
„Tue ich auch!“ Er hätte sich am liebsten über alle Bedenken hinweggesetzt und sie in die Arme genommen. Doch er beherrschte sich. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, mit ihr zu schlafen.
„Warum willst du dann …“
„Lass uns jetzt zusammen frühstücken, okay?“, unterbrach er sie angespannt. „Für diese Unterhaltung ist es mir noch zu früh. Ich rede mit Sophie, und du ziehst dich an. Hattest du nicht erwähnt, du würdest mit deiner neuen Assistentin frühstücken? Du kannst sie nicht gleich am ersten Morgen enttäuschen.“
„Dir macht es offenbar nichts aus, mich zu enttäuschen“, antwortete sie kühl und zog den Gürtel ihres Morgenmantels fester. „Du bist grausam, Dominic. Manchmal verstehe ich nicht mehr, warum ich dich so sehr mag.“
Er seufzte. „Cat …“
„Sag lieber nichts.“ Mit hochmütiger Miene ging sie zur Tür. „Es ist mir lieber, du setzt dich nicht zu uns. Du hast recht, meine Arbeit – in diesem Fall meine neue Mitarbeiterin – ist wichtiger als alles andere.“
Dominic lächelte, als sie verschwand. Er hatte seinen Willen durchgesetzt, war sich jedoch bewusst, dass sie sich rächen würde. Während der vergangenen zwölf Monate hatte sich die Beziehung zwischen ihnen viel schneller entwickelt, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Und jetzt hatte er das Gefühl, der Sache nicht gewachsen zu sein.
Er erinnerte sich noch sehr gut an den Tag, als er Catriona kennengelernt hatte. Er war damals sechzehn gewesen und in Boston zur Schule gegangen. Die Sommerferien verbrachte er auf den Bermudas im Haus seines Vaters.
Seine Mutter war bei einem Skiunfall ums Leben gekommen, als er erst sechs Jahre gewesen war. Sein Vater hatte sich in seinem Kummer über den tragischen Tod seiner Frau in die Arbeit gestürzt und Dominic meist sich selbst überlassen. In dem New Yorker Verlag, den sein Großvater gegründet hatte, gab es für Lawrence Redding mehr als genug zu tun.
Catriona Markham, wie sie damals noch hieß, war eine junge englische Autorin. Sie hatte einige ziemlich langweilige Kriminalromane geschrieben, die kein Verlag herausgeben wollte. Dann hatte ihr Londoner Agent eins ihrer Manuskripte an Redding in New York geschickt und angefragt, ob man daran interessiert sei.
Dominic wusste nicht, ob sein Vater von Catrionas Fähigkeiten als Autorin überzeugt oder ob er nur von ihrer Schönheit beeindruckt gewesen war. Jedenfalls wurde sie sechs Monate später seine Frau. Und noch einmal sechs Monate später wurde ihr erster historischer Roman unter ihrem neuen Namen Catriona Redding herausgegeben.
Dass das Buch so ein großer Erfolg wurde, lag vor allem am Einfluss seines Vaters. Er hatte sie in jeder Hinsicht unterstützt und eine große Werbekampagne gestartet, sodass Catriona in vielen Talkshows im Fernsehen auftrat und als strahlende Schönheit mit ihrem schillernden Wesen überall einen hervorragenden Eindruck hinterließ. Dominic wusste aus Erfahrung, dass ein Buch nicht immer nur wegen seines Inhalts zum Bestseller wurde. Aber auch ihre weiteren Romane erreichten Rekordauflagen.
Natürlich profitierte auch das Verlagshaus Redding von der Zusammenarbeit. Catriona erwähnte bei fast jedem Interview, dass sie ihren Erfolg in erster Linie ihrem Mann verdankte.
Rückblickend war Dominic gar nicht stolz darauf, wie er auf die Nachricht, eine Stiefmutter zu bekommen, reagiert hatte. Von Anfang an war er überzeugt gewesen, sie sei zu jung für seinen Vater. Mit sechzehn fing er gerade an, sich seiner Sexualität bewusst zu werden. Zweifellos war Catriona nicht unschuldig daran, dass er sich viel zu sehr zu ihr hingezogen fühlte. Denn sie hatte es zugelassen und ihm in keiner Weise geholfen, seine zunächst jugendliche Schwärmerei für sie zu überwinden, auch wenn sie seinen Vater nie betrogen hatte.
Manchmal hatte Dominic sogar überlegt, wie sie reagiert hätte, wenn er seinen Vater weniger geachtet und respektiert hätte. Sie genoss es, hemmungslos mit Dominic zu flirten. Sie war ungefähr zehn Jahre älter als er, tat aber immer so, als hätte sie mit ihm mehr gemeinsam als mit seinem Vater. Nur in Lawrence’ Gegenwart wahrte sie Dominic gegenüber die nötige Distanz.
Die Situation entspannte sich, als er aufs College ging. Er entzog sich Catrionas Einfluss und lernte andere junge Frauen kennen. Mit zweiundzwanzig heiratete er sogar die Schwester eines Freundes. Mary Beth war eine sanfte, hübsche Frau und ganz anders als Catriona. Dominics Vater und Catriona nahmen an der Hochzeit teil, aber Catriona gab Dominic deutlich zu verstehen, dass Mary Beth ihr nicht willkommen war.
Natürlich sprach Catriona es nicht direkt aus, denn es war immerhin das Haus ihres Mannes, und Lawrence Redding mochte seine Schwiegertochter sehr. Aber Catriona konnte Mary Beth von Anfang an nicht leiden und ließ keine Gelegenheit aus, sie in Dominics Augen herabzusetzen und sie feindselig zu behandeln. Mary Beth spürte es und lehnte es schließlich ab, Dominics Eltern zu besuchen.
Die Situation wurde für Dominic immer unerträglicher, was Catriona auch beabsichtigte. Doch statt ihr die Schuld zu geben, machte er seine Frau für alles verantwortlich. Er redete sich ein, Mary Beth hätte seine Stiefmutter wahrscheinlich irgendwann einmal beleidigt. Eines Tages verlangte seine Frau von ihm, sich zwischen ihr und seinen Eltern zu entscheiden.
Ich habe mich schrecklich unfair benommen, überlegte er jetzt leicht verbittert. Er war viel zu sehr in Catriona vernarrt gewesen.
Durch den plötzlichen Tod seines Vaters, der mit vierundsechzig an einem Herzinfarkt gestorben war, änderte sich viel. Catriona war wieder frei und konnte tun und lassen, was sie wollte. Drei Monate nach der Beerdigung erklärte sie Dominic, sie wisse, was er für sie empfinde, und sie erwidere seine Gefühle. Sie behauptete sogar, es sei ein Fehler gewesen, Lawrence Redding zu heiraten, und sie sei froh, diesen Fehler korrigieren zu können.
Das war jedoch für Dominic zu viel. Er fühlte sich völlig erdrückt, besonders auch, weil er die Leitung des Verlags übernehmen musste. Er begehrte Catriona immer noch, wollte aber das Andenken seines Vaters nicht dadurch in den Schmutz ziehen, dass er schon kurz nach seinem Tod mit Catriona ins Bett ging.
Den Verlag musste Dominic übernehmen. Es war der ausdrückliche Wunsch seines Vaters gewesen. Catriona erbte das Haus auf Bermuda und einen großen Teil des Privatvermögens ihres Mannes. Obwohl Dominic Jura studiert und in Boston in einer angesehenen Anwaltskanzlei als Rechtsanwalt gearbeitet hatte, als sein Vater starb, hatte er sich verpflichtet gefühlt, seine Tätigkeit aufzugeben und nach New York zu ziehen.
Das war wahrscheinlich der größte Fehler meines Lebens, gestand er sich jetzt ein und schob die Hände in die Taschen, während er mit finsterer Miene den Swimmingpool betrachtete. Wenn er Catriona verärgerte, würde sie wahrscheinlich den Verlag wechseln. Und der Verlag Redding würde finanziell Einbußen erleiden.
Hat mein Vater nie irgendeinen Verdacht gehabt und geahnt, was ich für meine Stiefmutter empfunden habe? fragte Dominic sich. Oder wollte sein Vater ihm mit seinem Vertrauen zu verstehen geben, dass er und Catriona seinen Segen hatten?
Dominic wusste selbst nicht genau, weshalb er es immer noch hinauszögerte, mit Catriona eine Verbindung einzugehen. Sie hatte recht, sein Vater war schon seit über einem Jahr tot. Er, Dominic, brauchte sich eigentlich nicht mit moralischen Skrupeln herumzuschlagen. Warum ging er also nicht einfach zu Catriona ins Schlafzimmer, wie sie vorgeschlagen hatte?
Er blieb jedoch stehen, denn plötzlich glaubte er, Jaime Harris mit ihren großen grauen Augen, mit denen sie ihn so nachdenklich angeschaut hatte, vor sich zu sehen. Wie würde sie auf das reagieren, was sich hier abspielte? Würde sie es aufregend finden, sich ihn zusammen mit seiner Stiefmutter im Bett vorzustellen? Oder würde sie sich abgestoßen fühlen von der Beziehung, die man in gewisser Weise auch als Inzest bezeichnen konnte, obwohl es nicht ganz zutraf?
Wahrscheinlich wäre sie total entsetzt, sagte er sich und spürte auf einmal, wie sehr sein Verlangen nachließ, mit Catriona zu schlafen. Er war nicht mehr bereit, ihren Wünschen nachzugeben. Er entschloss sich, aufs Frühstück zu verzichten, und ging aus dem Haus. Er war viel zu deprimiert und musste unbedingt allein sein.
3. KAPITEL
„Können Sie Auto fahren?“
Jaime spürte plötzlich, dass jemand im Raum war. Sie schob die Kopfhörer in den Nacken und schaute auf. Den ganzen Nachmittag hatte sie Briefe getippt, die Catriona am Morgen auf Band diktiert hatte. Beim Anblick von Dominic Redding, der sich an den Türrahmen gelehnt hatte, fühlte sie sich seltsam befangen. Wahrscheinlich bin ich nur müde, versuchte sie sich einzureden.
Er sah aus, als hätte er im Garten gearbeitet. Die Baumwollshorts klebten ihm förmlich an den muskulösen Oberschenkeln, und das ärmellose graue T-Shirt war durch und durch feucht. Jaime nahm den Geruch seines Körpers wahr, obwohl Dominic einige Meter von ihr entfernt stand. Es war keineswegs ein unangenehmer Geruch, und sie errötete, als sie darüber nachdachte.
„Haben Sie etwas gesagt?“, fragte sie rasch.
Sie hatte ihn seit der ersten Begegnung nicht mehr gesehen und angenommen, er hätte die Insel wieder verlassen, weil er in New York lebte, wie er erzählt hatte. Mit seiner Stiefmutter hatte er sicher nicht viel gemein.
„Ja, ob Sie Auto fahren können“, erwiderte er.
Ich muss wirklich vorsichtig sein. Er beunruhigt mich viel zu sehr, überlegte sie. Du liebe Zeit, ich bin doch kein Teenager mehr! schalt sie sich irritiert. Was war plötzlich mit ihr los?
„Catriona benutzt den Wagen sehr selten. Ich dachte, Sie würden vielleicht gern die Insel erforschen. Morgen ist Samstag, Ihr freier Tag, oder?“, fuhr Dominic fort.
„Ja.“
„Ja was?“ Er blickte sie mit den dunklen Augen prüfend an. „Haben Sie einen Führerschein? Oder wollen Sie sich die Insel anschauen? Falls Sie nervös sind: Hier gilt ein Tempolimit von zwanzig Meilen pro Stunde.“
„Ich bin nicht nervös. Natürlich habe ich einen Führerschein, ich fahre schon jahrelang Auto.“
„Wunderbar.“ Ungeduldig strich er sich das feuchte Haar aus der Stirn. „Also … wie gefällt Ihnen der Vorschlag? Angeblich kann man in Hamilton gut einkaufen.“
Es ist ja eigentlich nett von ihm, dass er sich um mich kümmert, sagte sie sich und überlegte, wie er es meinte. Nachdem sie zwei Tage mit Catriona zusammengearbeitet hatte, wusste sie, dass Catriona Redding viel zu egoistisch war, um über die Freizeit ihrer Sekretärin nachzudenken.
„Es … klingt ganz gut“, antwortete Jaime schließlich. „Aber vielleicht erwartet Miss Redding, dass ich arbeite.“
„Okay.“ Er zuckte die Schultern. „Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Lust haben, durch die Gegend zu fahren. In der Garage steht ein Cabrio, das selten benutzt wird.“
„Danke.“
Jaime war ihm wirklich dankbar und auch froh über die Unterbrechung. Beinah zwei Stunden hatte sie ununterbrochen getippt. Sie war es nicht gewöhnt, so lange am PC zu sitzen, und war erschöpft.
„Gern geschehen.“ Dominics Stimme klang leicht ironisch.
In dem Augenblick wurde die Tür zu Catrionas angrenzendem Büro aufgerissen.
„Du liebe Zeit, Miss Harris!“, rief Catriona aus und stürmte herein. „Muss ich Sie daran erinnern, dass ich in Ruhe arbeiten will? Oh – Dominic!“, fügte sie viel sanfter hinzu, als sie sah, mit wem Jaime geredet hatte. „Hast du mich gesucht?“
„Ich weiß, wo ich dich finden kann“, erwiderte er mit seltsam spöttischer Miene. „Nein, ich wollte nicht zu dir, sondern zu deiner Sekretärin. Ich habe ihr angeboten, dass sie den Toyota benutzen kann.“
Catriona kniff die Lippen zusammen. „Ach ja? Ich kann mich nicht erinnern, dass du mich gefragt hast!“
Er runzelte die Stirn. „Wieso sollte ich dich vorher fragen? Der Wagen wird sowieso nie benutzt.“
„Trotzdem …“
„Er gehört dir, das wolltest du doch sagen, stimmt’s?“, unterbrach er sie ärgerlich. „Okay, vergiss es. Deine Sekretärin kann gern mit mir fahren. Die Harley-Davidson gehört doch noch mir, oder?“
„Das ist nicht nötig.“ Catriona hörte sich plötzlich ziemlich kleinlaut an, und Jaime war überrascht, Tränen in ihren Augen zu sehen. „Wenn ich den Wagen nicht brauche, kann Miss Harris ihn natürlich nehmen. Ich bin ziemlich gereizt, entschuldige. Nachdem du ohne Erklärung verschwunden warst, hatte ich keine ruhige Minute.“
Dominic wirkte sehr ungeduldig, und Jaime fragte sich, warum er so gereizt auf die Launen seiner Stiefmutter reagierte. Catriona benimmt sich wie ein kleines Kind. Erst ist sie gehässig und boshaft und wenige Sekunden später sanft wie ein Lamm, dachte Jaime verblüfft. Offenbar war Catriona die gute Meinung ihres Stiefsohns wichtig. Plötzlich fühlte Jaime sich unbehaglich, hier ging etwas vor, was sie nichts anging und wovon sie nichts wissen wollte.
Auch Dominic wurde sich auf einmal bewusst, dass er und Catriona ihre Auseinandersetzung vor Jaime austrugen. Er verzog das Gesicht.
„Ich gehe lieber duschen“, verkündete er und fügte an Catriona gewandt hinzu: „Wir reden später noch darüber. Sophie soll mir zwei Flaschen Bier bringen.“
„Ich habe Bier in meinem Kühlschrank“, erklärte Catriona sogleich und wies hinter sich auf ihr Zimmer. „Außerdem kann ich es kaum erwarten, zu erfahren, wo du gewesen bist. Samuel meinte, du seist zum Jachthafen gefahren …“
„Später“, unterbrach Dominic sie. „Sonst erkälte ich mich wieder.“
Catriona schwieg, offenbar wollte sie nicht noch eine Auseinandersetzung riskieren. Dominic nickte Jaime kurz zu und zog sich zurück.
Als sie mit Catriona allein war, konzentrierte Jaime sich wieder auf den PC. Es herrschte eine gespannte Atmosphäre, und sie hatte das Gefühl, dass Catriona allzu gern die Gelegenheit wahrnehmen würde, ihren Ärger an ihr auszulassen.
„Sind Sie noch nicht fertig?“, fragte Catriona dann auch prompt.
Jaime hatte keine andere Wahl, sie musste antworten. „Die handschriftlichen Sachen habe ich abgeschrieben, aber ich weiß nicht, wie viele Briefe noch auf dem Band sind.“
Catriona atmete tief ein. „Finden Sie es interessant? Ich meine das Manuskript. Ihre Vorgängerin hat sich immer dazu geäußert.“ Sie verzog die Lippen. „Die arme Kristin hatte wirklich keine Ahnung.“
„Ich finde es sehr interessant“, erwiderte Jaime ausweichend und vorsichtig. Wenn Catriona streiten wollte, musste sie sich jemand anders suchen.
„Sie sind sehr diplomatisch. Und auch sehr tüchtig“, erklärte Catriona ungeduldig. „Ich hoffe, dass es so bleibt.“
Jaime biss sich so fest auf die Lippe, dass es wehtat. „Ja“, sagte sie höflich und musste sich sehr beherrschen, nicht die Kopfhörer hinzulegen und das Zimmer zu verlassen. „Soll ich die fertigen Seiten ausdrucken?“
„Das ist nicht nötig.“ Catrionas Stimme klang jetzt schärfer. „Drucken Sie alles zusammen aus, und korrigieren Sie es, ehe Sie es mir vorlegen. Ich erwarte eine fehlerlose Vorlage. Hoffentlich werden Sie nicht noch einmal abgelenkt.“
Jetzt kommt sie zur Sache, dachte Jaime. Ihr war klar, dass Catriona ihr Verhalten von vorhin unbedingt rechtfertigen wollte.
„Mr. Redding hat nur im Vorbeigehen kurz hereingeschaut“, erklärte Jaime und wünschte sogleich, sie hätte geschwiegen, denn Catriona warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Im Vorbeigehen?“, wiederholte sie. „Wissen Sie, wo Dominic gewesen ist?“
„Nein, natürlich nicht.“ Du liebe Zeit, genau diese Unterhaltung wollte ich vermeiden!, überlegte Jaime. „Ich wollte damit ausdrücken, dass er sich nur wenige Minuten hier aufgehalten hat.“
„Ich weiß genau, wie lange er bei Ihnen war“, gab Catriona kühl zurück. „In dem Moment, als Sie aufhörten zu tippen, haben Sie angefangen, mit ihm zu flirten.“
Jaime rang nach Luft. „Ich habe doch nicht geflirtet“, wehrte sie sich, obwohl die Röte, die ihr in die Wangen stieg, eigentlich das Gegenteil bewies. „Er hat mich nur gefragt, ob ich Auto fahren kann, das war alles.“
„Ach ja?“ Catriona kniff die Augen zusammen. „Sie wären die erste Frau, die nicht mit Dominic flirtet“, erklärte sie verächtlich.
„Es tut mir leid, mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Jaime zuckte die Schultern.
„Oh, es braucht Ihnen nicht leidzutun“, erwiderte Catriona gereizt. „Aber er ist doch außergewöhnlich attraktiv, das müssen Sie zugeben. Oder haben Sie andere Vorlieben?“
„Wie bitte?“ Jaime blickte sie verblüfft an.
„Sie sind immerhin achtundzwanzig, wie Sie in Ihrer Bewerbung geschrieben haben.“
„Neunundzwanzig.“
„Na bitte.“ Catriona machte eine theatralische Handbewegung. „Und Sie sind noch nicht verheiratet. Sie verzeihen mir doch, dass ich neugierig bin?“
Jaime ärgerte sich, ließ sich jedoch nichts anmerken. Sie kennt mich nicht und weiß nicht, wer ich wirklich bin, versuchte sie sich zu beruhigen. Catriona sah in ihr nur eine mögliche Konkurrentin und wollte ihr offenbar vorschreiben, wie sie sich verhalten sollte.
„Es macht mir nichts aus“, antwortete Jaime schließlich betont gleichgültig. „Sie brauchen nichts zu befürchten, Mrs. Redding, Ihr Stiefsohn interessiert mich nicht.“
„Nennen Sie mich Miss Redding“, forderte Catriona sie unfreundlich auf. „Darauf lege ich großen Wert, vergessen Sie es nicht. Außerdem gefällt es mir nicht, dass Sie Dominic als meinen Stiefsohn bezeichnen. Er ist ein Mann, und ich bin eine Frau. Verstehen Sie, was ich meine?“
Plötzlich wurde Jaime ganz übel. Sie spürte, dass sie blass wurde, und hoffte, Catriona würde es nicht merken. Du liebe Zeit, will sie etwa andeuten, dass Dominic ihr Liebhaber ist? überlegte Jaime ungläubig. Aber das ist doch ganz unmöglich. Catriona ist mindestens zwanzig Jahre älter als er, sagte sie sich dann.
„Sind Sie jetzt schockiert?“
Entsetzt stellte Jaime fest, dass Catriona die Situation genoss. Sie hatte ihr schmutziges kleines Geheimnis verraten und rechnete jetzt damit, dass Jaime sie bewunderte, denn Dominic Redding war ein sehr attraktiver Mann, wie Jaime insgeheim zugab.
„Es hat nichts mit mir zu tun.“ Warum lässt sie mich nicht einfach allein?, dachte Jaime. Sie war es leid, sich wie eine Maus in den Krallen einer Katze zu fühlen.
„Natürlich hat es etwas mit Ihnen zu tun“, fuhr Catriona hartnäckig fort, während sie zu Jaimes Erleichterung langsam den Raum durchquerte. „Sie gehören gewissermaßen jetzt mit zum Haushalt, deshalb liegt mir viel daran, dass Sie verstehen, warum ich vorhin so aufgeregt war.“
Obwohl Jaime sich in einem Chaos der Gefühle befand, wusste sie genau, dass Catriona log. Sie hatte das ganze Theater nur inszeniert, um Jaime zu warnen, sich von Dominic fernzuhalten.
„Wollen Sie die Seiten heute Abend noch durchlesen, Miss Redding?“, fragte sie höflich. „In ungefähr einer Stunde habe ich alles korrigiert.“Erst am Abend dachte Jaime wieder über das nach, was sie am Nachmittag erfahren hatte.
Nachdem Samuel ihr das Essen gebracht hatte, trug sie das Tablett auf den Balkon und setzte sich in einen der Rattansessel. Am Vortag hatte Catriona ihr erklärt, dass sie vielleicht manchmal gemeinsam frühstücken oder zu Mittag essen würden, aber abends wünsche sie ihre Gesellschaft nicht. Etwas anderes hatte Jaime auch nicht erwartet.
An diesem Abend jedoch hatte sie das Gefühl, nicht mehr objektiv sein zu können. Nach dem Schock, in den Catriona sie mit ihrer Enthüllung über ihre Beziehung zu Dominic versetzt hatte, befand Jaime sich in einer seltsamen Stimmung. Sie wusste nicht mehr, ob es wirklich vernünftig war, noch länger zu bleiben, und überlegte, vorzeitig nach Hause zurückzukehren. In London hatte alles so einfach ausgesehen.
Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie die Zeitungsausschnitte entdeckt und zunächst nicht beabsichtigt, Nachforschungen anzustellen. Aber Catrionas Inserat hatte sie auf die kühne Idee gebracht, sich um den Job zu bewerben.
Was habe ich schon zu verlieren, wenn es klappt? hatte sie sich gefragt. Sie hatte keine Familienangehörigen mehr und wollte sowieso nicht lange auf der Insel bleiben. Außer einigen Urlaubswochen, was während der langen Sommerferien an der Universität kein Problem war, brauchte sie nichts zu investieren.
Als sie sich dann um die Stelle bewarb, rechnete sie nicht damit, in die engere Wahl zu kommen. Ihre Tätigkeit als Sekretärin lag schon einige Jahre zurück, auch wenn sie seitdem regelmäßig mit einem PC gearbeitet hatte. Es gab bestimmt qualifiziertere Bewerberinnen. Deshalb war sie sehr überrascht gewesen, als das Arbeitsvermittlungsbüro ihr mitgeteilt hatte, wenn Catriona nach dem persönlichen Gespräch einverstanden sei, könne sie bei ihr anfangen.
Jaime war sehr aufgeregt gewesen und hatte sich gefreut. Doch plötzlich kam ihr alles so unwichtig vor. In dem Augenblick, als Catriona mit ihrem kühlen Lächeln und dem abschätzigen Blick ins Arbeitszimmer gekommen war, um Jaime zu begrüßen, hatte sie zum ersten Mal das Gefühl gehabt, dass die Bewerbung ein Fehler gewesen war.
Jaime hatte sich jedoch von dem ersten Eindruck nicht beirren lassen wollen. Aber jetzt überlegte sie, ob die Zweifel, die in ihr aufgestiegen waren, nicht doch so etwas wie eine Warnung gewesen waren.
Was war überhaupt passiert? Weshalb bin ich plötzlich so skeptisch?, fragte sie sich. Etwa nur, weil sie herausgefunden hatte, dass Catriona eine Affäre hatte? Das Liebesleben der Autorin ging sie nichts an.
Die wahren Gründe für Jaimes Unbehagen waren eher persönlicher Art. Sie kannte Dominic Redding nur flüchtig und erwartete auch nicht, dass er sie attraktiv fand. Aber dass er sich mit der Witwe seines Vaters einließ, fand sie geschmacklos und irgendwie unanständig.
Vielleicht bin ich altmodisch und spießig, dachte sie. Denn es konnte ihr eigentlich egal sein, was Catriona und ihr Stiefsohn in den eigenen vier Wänden trieben. War es nicht ziemlich unfair, sie zu verurteilen, ohne die Fakten zu kennen?
Wie auch immer, Jaime fühlte sich nicht mehr wohl, nachdem Catriona über ihr Privatleben gesprochen hatte. Jaime war mit hochgespannten Erwartungen hergekommen und wurde immer mehr enttäuscht. Aber was konnte sie von einer Frau erwarten, die vor siebenundzwanzig Jahren ihren Mann und ihr kleines Kind verlassen hatte? Cathryn Michaels gehörte der Vergangenheit an, und so wäre es am besten auch geblieben.
4. KAPITEL
Dominic ließ sich von der Welle an den Strand tragen. Als er aus dem Meer stieg, strich er sich das nasse Haar aus dem Gesicht. Dann hob er das Badetuch auf, das er achtlos in den Sand geworfen hatte, und rieb sich trocken. Obwohl das Wasser so früh am Morgen doch noch ziemlich kühl war, hätte er um nichts in der Welt aufs Schwimmen im Ozean verzichtet.
An diesem Morgen hatte er es jedoch als Ausrede gebraucht, um sich noch nicht entscheiden zu müssen, wann er die Insel wieder verlassen würde. Am Abend zuvor war ihm klar geworden, dass er seine Entscheidung sehr bald treffen musste.
Catriona war sehr lästig gewesen. Sie hatte ihn beschuldigt, jeder Diskussion über eine gemeinsame Zukunft aus dem Weg zu gehen, und hatte sogar gefragt, ob er ihre neue Sekretärin attraktiv finde.
Er verzog das Gesicht. Du liebe Zeit, ich wollte doch nur höflich zu der Frau sein, sagte er sich jetzt. Catrionas ständige Kritik, was sein angebliches Interesse an anderen Frauen anging, wurde immer unerträglicher.
Er zog die Jeans an und rieb sich das Haar trocken. Verdammt, was soll das für ein Leben werden, wenn sie mir nicht vertraut?, fragte er sich.
Er legte sich das Badetuch um den Nacken und schaute mit finsterer Miene auf die Landzunge. Je mehr Catriona ihn bedrängte, desto weniger Lust hatte er, sie zu beschwichtigen und sich ihren Wünschen zu fügen.
Plötzlich bemerkte er eine Gestalt zwischen den Dünen, und er versteifte sich. Verdammt, es ist wieder Jaime Harris! sagte er sich. Hatte Catriona sie etwa beauftragt, ihn heimlich zu beobachten?
Nein, das ist eigentlich unmöglich, dachte er sogleich und lächelte zynisch. Das würde Catriona schon allein deshalb nicht tun, weil Jaime viel jünger war als sie. Wahrscheinlich hatte Jaime nicht schlafen können, genau wie er.
Auf einmal sah er, dass sie sich zurückziehen wollte. Auch gut, dachte er. Doch dann überlegte er es sich anders. Vielleicht würde es ihn auf andere Gedanken bringen, wenn er mit ihr redete.
Es war bestimmt für sie nicht leicht, den ganzen Tag für Catriona zu arbeiten und die Abende allein zu verbringen. Ihm war aufgefallen, dass Jaime den Wagen, den er ihr angeboten hatte, übers Wochenende nicht benutzt hatte. Catriona hatte sie vermutlich mit Arbeit eingedeckt, denn wenn sie ihre kreative Phase hatte, nahm sie noch weniger Rücksicht auf andere als sonst.
Er verdrängte die trüben Gedanken und blickte Jaime an. Als er bemerkte, wie unschlüssig sie war, lächelte er.
„Guten Morgen“, sagte er und schlenderte ihr barfuß durch den Sand entgegen. „Wir sollten damit aufhören, uns unter solchen Umständen zu begegnen.“
„Es tut mir leid“, erwiderte sie steif. „Ich scheine immer wieder in Ihre Privatsphäre einzudringen.“
„Sie können tun und lassen, was Sie wollen“, antwortete er unbekümmert. Ihm fiel auf, dass sie ihn nicht so freundlich wie sonst begrüßte. War sie etwa beleidigt, weil er sie angeredet hatte? Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie irritiert war, ihn halb nackt zu sehen.
„Sie waren schwimmen“, stellte sie fest.
„Ja.“ Dominic war sich bewusst, dass sie weitergehen wollte. Ihre distanzierte Höflichkeit fand er herzerfrischend, und er betrachtete sie so aufmerksam und bewundernd, dass sie errötete. Mein erster Eindruck von ihr war viel zu oberflächlich, sie wirkt sehr intelligent und sehr empfindsam, ging es ihm durch den Kopf.
Und sie hat eine fantastische Figur, fügte er in Gedanken hinzu. An diesem Morgen trug sie Shorts, sodass er ihre schlanken, langen Beine bewundern konnte. Außerdem hatte sie eine unglaublich schmale Taille. Er stellte sie sich in einem Outfit aus reiner Seide vor, statt in dieser eher zweckmäßigen Kleidung – sie würde bestimmt a