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Vorsicht, viel zu verführerisch!
Erscheinungstag: | Di, 03.12.2013 |
Erscheinungstag: | Di, 03.12.2013 |
Bandnummer: | 1797 |
Bandnummer: | 1797 |
Seitenanzahl: | 144 |
Seitenanzahl: | 144 |
ISBN: | |
ISBN: | 9783733720131 |
E-Book Format: | ePub oder .mobi |
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Ein Teil von ihr
Mutter. Heldin. Lügnerin. Mörderin?
Im Bruchteil einer Sekunde kann sich dein Leben für immer verändern….
Du hast die Nachrichten gesehen, über die Gewalt in dieser Welt den Kopf geschüttelt und weitergemacht wie immer. Nie könnte dir so etwas passieren, dachtest du.
Andrea Oliver erlebt das Entsetzlichste. Einen Amoklauf. Was sie noch mehr schockiert: Ihre Mutter Laura entreißt dem Angreifer ein Messer und ersticht ihn. Andrea erkennt sie nicht wieder. Offenbar ist Laura mehr als die liebende Mutter und Therapeutin, für die Andrea sie immer gehalten hat. Sie muss einen Wettlauf gegen die Zeit antreten, um die geheime Vergangenheit ihrer Mutter zu enthüllen, bevor noch mehr Blut vergossen wird …
Laura weiß, dass sie verfolgt wird. Und dass ihre Tochter Andrea in Lebensgefahr ist …
»Dieser Thriller wird Sie um den Schlaf bringen. Für Slaughter-Fans ist „Ein Teil von ihr“ ein absolutes Lese-Muss.«
ok!
»Wie immer hat Slaughter … keine Scheu, Verbrechen in all ihrer Brutalität und Grausamkeit zu schildern. […] Daneben aber beweist sie ebenso viel Gespür für die Zerrissenheit, für Sehnsüchte und Ängste, für starke Gefühle und damit verbundene innerliche Eruption, kurz: für die Komplexität ihrer Charaktere.«
dpa
»Karin Slaughters „Ein Teil von ihr“ liest sich als moderne Geschichte über komplizierte Vereinigte Staaten von Amerika, in der charakteristische Merkmale des American Way of Life ebenso aufscheinen wie der Mythos vom Grenzland.«
krimi-couch.de
»Provokanter und raffinierter als alles, was sie zuvor geschrieben hat.«
vol.at
»Eine spannende Lektüre bis zum Schluss.«
SpotOnNews
»Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.«
Magazin-frankfurt.com
»Karin Slaughter gilt völlig zu Recht als eine der besten Krimi-Autoren der USA. Ihre Geschichten fesseln von Anfang bis Ende.«
IN
»Karin Slaughter zählt zu den talentiertesten und stärksten Spannungsautoren der Welt.«
Yrsa Sigurðardóttir
»Jeder neue Thriller von Karin Slaughter ist ein Anlass zum Feiern!«
Kathy Reichs
»Karin Slaughter bietet weit mehr als unterhaltsamen Thrill.«
SPIEGEL ONLINE über »Pretty Girls«
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1. KAPITEL
Festliche Lichter funkelten am Reunion Tower und überall in der Metropole Dallas. Nick Rafford jedoch nahm den Ausblick kaum wahr. Zwar bewirtete er Gäste zur Feier seiner Rückkehr nach drei Wochen an der Côte d’Azur, doch seine Aufmerksamkeit galt allein Grace Wayland, seinem Caterer.
Vor dem heutigen Abend hatte er sie niemals zuvor gesehen. Seine Sekretärin hatte sich um den Partyservice für diese Weihnachtsfeier gekümmert. Schon auf den ersten Blick hatte Grace Wayland ihn überrascht.
Erneut musste er daran denken, wie sein Butler Grace’ Ankunft verkündet und sie in das Arbeitszimmer seines Penthouses geführt hatte.
Als er in diese meergrünen Augen geschaut hatte, war er regelrecht zusammengezuckt. Für einen Moment schien sie ebenso perplex zu sein wie er, denn sie wurde blass und sah ihn erstaunt an. Doch gleich darauf hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen.
In ihrem schlichten schwarzen Kleid hätte Grace Wayland eigentlich nicht weiter auffallen dürfen. Nick war trotzdem hingerissen, als sie durch den Raum auf ihn zuging, um ihre schmale Hand in seine zu legen.
Als sie ihm die Hand schüttelte, verspürte er ein elektrisierendes Kribbeln und fühlte sich sofort heftig zu ihr hingezogen. Nur Sekunden oder höchstens eine Minute – er wusste einfach nicht, wie lange – schauten sie sich in die Augen. Dann brach sie den Bann, indem sie sagte: „Ich bin Grace Wayland.“
Ihr Name riss ihn aus seiner Benommenheit und sorgte für die zweite Überraschung des Abends. In ihren leuchtend grünen Augen spiegelte sich sein eigener Zorn wider. Er hatte eine andere Reaktion erwartet, vielleicht dass sie sich bei ihm einschmeichelte und alles tat, damit er mit dieser Party zufrieden war. Neugierig wegen ihrer kühlen Reaktion, musterte er sie.
„Da lerne ich tatsächlich mal einen der Raffords kennen“, sagte sie.
„Sie wussten, wer ich bin, bevor meine Sekretärin Sie wegen dieser Party angerufen hat?“
„Selbstverständlich“, erwiderte sie und zog die Hand zurück. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie auch schon von mir gehört haben. Wir haben etwas gemeinsam – Michael. Um den geht es hier doch, oder?“
Nick ließ sich nicht anmerken, wie verblüfft er von ihrer Direktheit war. „Ich dachte, ich würde derjenige sein, der Michael zur Sprache bringt. Meine Party ist weder der geeignete Ort noch der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch dieser Art. Werden Sie da sein, wenn ich Sie Montag in Ihrem Büro aufsuche?“
„Ich werde ab neun Zeit haben. Passt das?“
„Ich kann um neun da sein“, erwiderte er und hatte in Gedanken schon sämtliche Termine am Montag verschoben, um sie treffen zu können.
„Ich nahm an, Michael ist der Grund, weshalb Sie diese enorme Summe gezahlt haben, um meinen Partyservice heute Abend in Anspruch nehmen zu können. Sie hätten sich das Geld sparen und selbst zu mir kommen können, um die Party direkt bei mir zu buchen.“
Er zuckte die Schultern. „Sie wurden mir wärmstens empfohlen, und ich hielt es für einen guten Weg, sich kennenzulernen. Heute Abend gilt meine ganze Aufmerksamkeit der Party“, erklärte er, wohl wissend, dass es schwierig werden würde, sich auf die Party oder die Gäste zu konzentrieren, solange Grace da war. Schon während er ihr antwortete, registrierte er ihre rosigen vollen, einladenden Lippen.
„Wenn es um Michael geht, um mein Kind, glaube ich nicht, dass wir irgendetwas zu besprechen haben“, stellte sie klar.
Sein Erstaunen über ihre Reaktion nahm zu. Er hatte gemischte Gefühle. Einerseits wollte er sie daran erinnern, dass die Bemerkung über „ihr Kind“ unrichtig sei. Aber er verzichtete darauf, sie unnötig vor den Kopf zu stoßen. Seine Verärgerung lag im Widerstreit mit der Anziehungskraft, die sie ausstrahlte. Erneut trafen sich ihre Blicke, und auch dieser knisternde Moment zog sich in die Länge.
„Ich habe Ihre Anweisungen für die Party“, erklärte sie schließlich. „Meine Helfer warten im Van und sind bereit, das Essen hereinzubringen und alles vorzubereiten.“
„Ich spüre, dass es Ihnen widerstrebt, den Partyservice für mich zu machen“, bemerkte er.
„Dieser Auftrag wird meinem Unternehmen guttun“, entgegnete sie, noch immer kühl und distanziert.
„Holen Sie Ihre Helfer. Jemand wird Ihnen alles zeigen“, sagte er, während er gleichzeitig über ihre unverbindliche, professionelle Antwort nachdachte. Nick ging zur Gegensprechanlage und gab seinem Butler eine kurze Anweisung, worauf dieser innerhalb von Sekunden reagierte. Als Grace mit ihm verschwand, schaute Nick ihr hinterher und betrachtete unverhohlen ihre langen Beine und die schmale Taille.
Während die Gäste eintrudelten, überprüfte er beiläufig die Arrangements. Alles war tadellos, sowohl das Essen als auch die gesamte Vorbereitung.
Später am Abend stand er mit seinen zwei engsten Freunden zusammen. Er hörte ihrer Unterhaltung nur mit halbem Ohr zu und beobachtete, wie Grace eine Schüssel auf seinem Esstisch auffüllte.
„Ich kann es dir nicht verübeln, dass du uns keinerlei Aufmerksamkeit schenkst“, meinte Tony Ryder, ein großer Kerl mit lockigem Haar. „Wo hast du sie entdeckt? Die Horsd’œuvres sind ausgezeichnet, aber ich nehme an, es ist egal, wie das Essen schmeckt, solange sie dabei ist. Ist sie die Managerin?“
„Managerin und Besitzerin. Es ist ein kleines Unternehmen, von dem ich gehört habe, deshalb wollte ich es mal ausprobieren.“
„Klar“, sagte Jake Benton und richtete seine blauen Augen von Grace auf Nick. „Wann gehst du mit ihr aus?“
Nick winkte ab. „Vermutlich gar nicht. Also, wie lief das Basketballspiel, als ich nicht da war?“
„Das Team hat dich vermisst“, antwortete Jake. „Ich hoffe, du bist nach einem Monat Pause nicht allzu sehr aus der Form.“
„Da wir bloß Amateure sind und höchstens zweimal im Monat spielen, werden die paar verpassten Spiele wohl nicht ins Gewicht fallen, außer vom Punktestand her“, konterte Nick, und seine Freunde lachten.
„Großartige Party, Nick“, bemerkte ein großer Mann mit blauen Augen, der sich zu ihnen gesellte. „Hab dich beim letzten Spiel vermisst.“
„Siehst du, Gabe gibt uns recht. Das Team braucht dich“, warf Jake ein.
Nick wandte sich an Jakes jüngeren Bruder. „Ich glaube nicht, dass ich so wichtig bin. Jedenfalls werde ich meine Reisen nicht dafür aufgeben, mit euch drei Basketball zu spielen“, fügte er hinzu, und die anderen grinsten.
Das Gespräch drehte sich nun um ihr gemeinsames Hobby, und Nick gab sich Mühe, ihnen zuzuhören. Die anderen kannten ihn lang genug, um es sofort zu bemerken, falls er Grace weiterhin beobachtete. Tony und Jake standen ihm nahe wie Brüder. Gabe stand ihm ebenfalls nah, da er mit ihm aufgewachsen war. Nick wusste, dass er allen dreien vertrauen konnte, wenn er ihnen von Grace erzählte, nur wollte er mit niemandem über Michael sprechen.
Auch mit Grace wollte er nicht über seinen Neffen sprechen, doch ihm blieb gar nichts anderes übrig. Irgendwann im Verlauf der Party traf er sie in der Küche, wo sie ein Tablett mit Horsd’œuvres auffüllte.
Nach einem kurzen Blick auf ihn widmete sie sich wieder ganz ihrer Tätigkeit. „Ich hoffe, alles ist zu Ihrer Zufriedenheit.“
„Bestens“, erwiderte er und schaute zu, wie sie geschickt Bruschetta, Mini-Quiches und andere köstliche Häppchen arrangierte. Sie trug keinen Ring, aber er wusste ohnehin, dass sie Single war. Ein ihm unbekannter exotischer Parfümduft stieg ihm in die Nase. Sie war so verlockend, dass er seine Mission zeitweise ganz vergaß.
Wann hatte er sich jemals so von einer Frau ablenken lassen?
„Sie sind sehr gut in Ihrem Job, obwohl Sie das erst seit ein paar Jahren machen“, sagte er und nahm sich eine köstliche Käseteigtasche, die sie gerade erst auf dem Silbertablett platziert hatte. Grace ersetzte sie sofort und arbeitete weiter.
„Wie nicht anders zu erwarten, haben Sie Erkundigungen über mich eingeholt“, sagte sie, ohne aufzusehen. Das Licht hob goldene Strähnen in ihrem seidigen brauen Haar hervor, das sie zu einem lockeren Knoten hochgesteckt hatte. „Ich habe seit der Highschool in Restaurants oder bei verschiedenen Partyservice-Unternehmen gearbeitet.“ Ihre Augen blieben hinter den langen Wimpern verborgen.
„Dann ist dieser Partyservice also ein Kindheitstraum von Ihnen?“
„Nicht ganz, aber es kommt der Sache schon ziemlich nahe“, antwortete sie und warf ihm ein weiteres Mal einen Blick aus ihren großen grünen Augen zu – einen unterschwellig feindseligen Blick. Er musste sich eingestehen, dass ihre Schönheit seine Mission komplizierter machte, auch wenn sie mit dem Problem zwischen ihnen nichts zu tun hatte.
„Sie haben heute Abend exzellente Arbeit geleistet. Meine Freunde waren beeindruckt.“
„Danke“, sagte sie.
Nick verließ die Küche, obwohl er am liebsten mit Grace geflirtet hätte. Aber die Katastrophe wäre vorprogrammiert. Ihre reservierte Art erstaunte ihn nach wie vor. Damit hatte er nicht gerechnet und sah sich veranlasst, seine bisherige Einschätzung von ihr zu überdenken. Ihr Selbstbewusstsein täuschte über ihre Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen hinweg. Sie zeigte keinerlei Dankbarkeit für seinen Auftrag, doch der Service war perfekt. Offenbar war sie ein härterer Gegner, als er vermutet hatte.
„Ich habe keine Ahnung, was da los ist, Nick“, bemerkte Jake, der auf ihn zukam. „Jeder sieht, dass es zwischen dir und der Dame vom Partyservice mächtig funkt. Doch die Art, wie sie dich ansieht, sagt etwas anderes.“ „Ich habe dir doch von meinem Bruder und dem Baby erzählt, dessen Vater er angeblich ist“, erklärte Nick.
„Ja, ich erinnere mich“, sagte Jake und schaute erneut zu Grace. „Und diese Frau ist also der Vormund?“
„Ja. Ich hoffe einfach weiterhin, dass Dad wieder der Alte wird und seinen unsinnigen Wunsch nach einem Enkelkind in der Familie vergisst. Bisher ist das leider noch nicht passiert. Er will, dass das Baby unseren Namen trägt und an seinem Leben teilhat. Das volle Sorgerecht erwartet und will er gar nicht.“
„Er ist älter geworden und beginnt, sich mit dem Sterben zu beschäftigen. Das kann einen Mann verändern.“
„Es ist trotzdem so vollkommen untypisch für ihn. Dads Verstand ist nicht mehr so klar wie vor dem letzten Herzanfall.“
Jack nahm einen Schluck von seinem Drink und fragte skeptisch: „Nur in diesem Punkt oder auch in anderen?“
„Hauptsächlich in diesem. Aber ich wiederhole – dieses Interesse an dem Baby passt überhaupt nicht zu ihm.“
Als ein gemeinsamer Freund zu ihnen trat, wechselten sie das Thema und sprachen über Golf. Nick blieb sich Grace’ Gegenwart jedoch weiter sehr bewusst. Hin und wieder sah er in ihre grünen Augen, und jedes Mal durchzuckte es ihn. Seine Recherche hatte ergeben, dass es keinen Mann in ihrem Leben gab. Das erstaunte ihn.
Ebenso ihre frostige Art. Dabei hatte er geglaubt, sie würde vom Reichtum seiner Familie beeindruckt sein. Sein störrischer Vater würde nicht nachgeben. Wenn sie nicht kooperierte, würde es zur Auseinandersetzung kommen. Und Nick stünde zwischen den Fronten und müsste die Verhandlungen führen. Normalerweise war er immer gern dabei, wenn irgendwo eine schöne Frau im Spiel war. Doch in diesem Fall standen er und sein Vater auf unterschiedlichen Standpunkten. Vielleicht würde Grace selbst für Klarheit sorgen und der alte Mann zum ersten Mal in seinem Leben akzeptieren müssen, dass er nicht das bekam, was er wollte.
Nicks Stimmung wurde nur geringfügig besser. Er hasste es, seinem Vater die Neuigkeiten überbringen zu müssen, da dessen Gesundheit so angegriffen war. Eli würde die Sache nicht gut aufnehmen. Am Montagmorgen würden sie alle wissen, wo sie standen.
Ein Klavierspieler sorgte für Musik, und nachdem alle gegessen hatten, wurden die Gespräche lebhafter und lauter.
Nick behielt Grace, die im Hintergrund half und ihren Mitarbeitern Anweisungen beim Aufräumen gab, weiterhin im Auge. Er sah sie mit einem ihrer Mitarbeiter sprechen, wurde jedoch von einem seiner Gäste abgelenkt. Und als er das nächste Mal hinsah, war sie verschwunden. Alle anderen vom Partyservice auch. Nick entschuldigte sich, bahnte sich einen Weg durch die Menge und betrat die leere Küche.
Auf der Arbeitsfläche entdeckte er einen Umschlag, auf dem in ordentlicher Maschinenschrift sein Name stand. Nachdenklich klopfte er mit dem Umschlag gegen seine Handfläche. Sie war nicht die Frau gewesen, die er erwartet hatte. Was würde das Treffen am Montag mit ihr bringen?
Grace fröstelte in der kalten Winternacht, als sie von dem Hochhaus in der exklusiven, bewachten Wohngegend von Dallas, in der Nicks Eigentumswohnung lag, Richtung Innenstadt fuhr. Sie seufzte erleichtert. Die Erinnerung an diese dunkelbraunen Augen verfolgte sie. Nick Rafford war charismatisch, überwältigend und daran gewöhnt, seinen Willen durchzusetzen. Wann immer sie an diesem Abend in seiner Nähe gewesen war, hatte sie ein beunruhigendes Knistern verspürt. Aber welche Frau würde durch einen so attraktiven Mann nicht in Versuchung geraten?
Sie hatte versucht, den anfänglichen Schock zu verbergen, als sie sein Arbeitszimmer betreten hatte. Es war das erste Mal, dass sie einen der Rafford-Männer persönlich zu Gesicht bekam. Sie hatte Fotos gesehen und wusste, dass Michael das schwarze Haar und die dunklen Augen von ihnen hatte. Doch als sie Nick von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hatte, war ihr noch mehr aufgefallen. Michael und sein Onkel hatten die gleiche gerade Nase und die dicken Wimpern sowie das Grübchen in der rechten Wange. Das sieben Monate alte Baby, dessen Vormund sie war, sah seinem Onkel sehr ähnlich. Michael hatte gute Gene.
Während sie fuhr, dachte sie daran, wie sie Nick immer wieder verstohlen beobachtet hatte. Er hatte mit Freunden gelacht, Hände geschüttelt, sich ernst unterhalten. Und bei alldem sah er verboten gut aus. Sein weißes Hemd mit den funkelnden goldenen Manschettenknöpfen und die dunkelblaue Hose unterstrichen seine Autorität und Arroganz. Der Mann ließ keinen Zweifel daran, dass er es gewohnt war, seine Vorstellungen durchzusetzen.
Was wollte Nick wirklich? Hatte er es auf Michael abgesehen? Sie fröstelte immer noch, doch ihr wurde wärmer, je länger sie an Nick dachte.
Sie wollte nicht, dass die Raffords in Michaels Leben eine Rolle spielten. Ja, sie hatte Angst, man könnte ihr diesen liebenswerten Jungen wegnehmen. Er war bei ihr, seit er kurz nach seiner Geburt das Krankenhaus verlassen hatte, und sie liebte ihn wie ihr eigenes Kind.
Ihre Ängste waren stärker geworden, als sie Nicks Luxuspenthouse mit seinen Glaswänden und dem Panoramablick auf die Stadt, den teuren Möbeln und Lampen betreten hatte. Die Küche war natürlich topmodern. Grace hatte einmal einen Zeitschriftenartikel über seine Wohnung in Dallas gelesen, daher wusste sie von dem importierten Marmor, dem New Yorker Innenarchitekten, den kostbaren Antiquitäten, den echten Ölgemälden. Dieser Luxus unterstrich seine Macht und seinen Reichtum.
Sie wünschte, sie müsste nicht ständig an Nick denken, und hoffte, ihn nie wiedersehen zu müssen.
Als sie ihre kleine Erdgeschosswohnung betrat, begrüßte sie ihre Tante, die auf Michael aufpasste.
Clara Wayland, in Nachthemd und Bademantel, strich sich die Haare aus dem verschlafenen Gesicht. „Wie war es?“
„Der Job lief gut. Er schien zufrieden zu sein.“
„Und?“
„Und ich habe am Montagmorgen eine Verabredung mit ihm in meinem Büro. Bis dahin weiß ich genauso wenig wie vorher, was er will. Na ja, möglicherweise weiß ich ein bisschen mehr, nachdem ich ihn kennengelernt habe. Ich erzähle dir davon, sobald ich mich umgezogen und nach Michael gesehen habe. Wie war er heute Abend?“
„Ein Engel. Ein glückliches Baby, das gegen neun eingeschlafen ist.“
„Ich habe ihn vermisst.“
„Das tust du immer“, sagte ihre Tante, während Grace in ihr Schlafzimmer ging, wo sie sich auszog, um in einen Baumwollpyjama zu schlüpfen, über den sie sich einen Bademantel zog. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Wiege und widerstand dem Impuls, das schlafende Baby auf den Arm zu nehmen. Ein kalter Angstschauer überlief sie. Es konnte nichts Gutes bedeuten, dass Nick Rafford sich mit ihr treffen wollte. Am liebsten wäre es ihr, wenn er nicht einmal in Michaels Nähe kam. Sie betrachtete das Baby und war sich der Ähnlichkeit mit Nick bewusst. Trotzdem beugte sie sich hinunter und gab dem schlafenden Kind einen Kuss auf die Wange. „Du gehörst jetzt mir“, flüsterte sie, den Duft nach Babypuder einatmend. „Nicht den Raffords.“
Dann kehrte sie zu Clara zurück, die inzwischen zwei Becher heiße Schokolade zubereitet hatte. „Du kannst deinen Anwalt anrufen, damit er Montagmorgen dabei ist“, schlug ihre Tante vor.
„Für ein Gespräch mit diesem Mann brauche ich keinen Anwalt. Wir sind uns heute Abend ja zum ersten Mal begegnet.“
Clara seufzte. „Lass dich bloß nicht von ihm einschüchtern und zu irgendetwas drängen, was du nicht tun musst.“
„Das wird schon nicht passieren“, erwiderte Grace. „Er war höflich. Offenbar will er mich wegen Michael sprechen. Er hat meinen Partyservice beauftragt, um sich ein Bild von mir zu machen.“
„Beschwöre keinen Ärger herauf“, warnte Clara sie.
„Als Bart Rafford Alicia hinausgeworfen hat, hat er eindeutig klargemacht, dass er nichts mit dem Baby zu tun haben will. Er hat bestritten, dass das Kind von ihm ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Onkel, dieser Jetset-Multimillionär, Interesse an Michael hat. Sein Bruder hatte jedenfalls keines. Bart kam ums Leben, da war Michael drei Monate alt. Hätte er das Kind sehen wollen, hätte er die Gelegenheit dazu gehabt.“
„Hat dieser Onkel Frau und Kinder?“, wollte Clara wissen.
„Nein, Nick ist Single.“ Grace musste wieder an seine dunkelbraunen Augen denken. „Manchmal steht etwas über ihn in der Klatschpresse, deshalb weiß ich das. Er genießt den Ruf, ein kluger Geschäftsmann zu sein. Laut Alicia hatte auch der Großvater kein Interesse an Michael. Nach allem, was ich gehört habe, scheint dieser Großvater in letzter Zeit gesundheitlich angegriffen zu sein. Ein kränkelnder Großvater, ein alleinstehender Onkel – das sind die einzigen Verwandten. Ich weiß zwar nicht, was sie von mir wollen, aber es hat etwas mit Michael zu tun. Na ja, Montagmorgen bin ich schlauer.“
„Bitte ruf mich gleich an, denn ich werde mir Sorgen machen.“
„Musst du nicht“, gab Grace zurück. „Vom Gesetz her gehört Michael zu mir.“
„Die Raffords besitzen ein enormes Vermögen. Du hättest keine Chance gegen sie, wenn …“
„Denk einfach nicht daran“, unterbrach Grace sie.
„Du hast recht.“ Clara lächelte. „Ich gehe ins Bett. Willst du nicht lieber in deinem Zimmer schlafen und mich die Couch benutzen lassen?“
„Nein, das geht schon. Danke, dass du heute Nacht hierbleibst.“
„Ich freue mich, Michael zu sehen. Du bist für mich wie die Tochter, die ich nie hatte. Meine Jungs sind in alle Winde verstreut und alle noch Single. Chet ist in Deutschland, Miles in Japan. Ich habe die Hoffnung auf eigene Enkelkinder aufgegeben. Umso dankbarer bin ich, mit Michael zusammen sein zu können.“
„Chet hat dir ein Flugticket geschickt. Du wirst ihn Weihnachten in Deutschland besuchen.“
„Das ist nicht dasselbe, wie ihn hierzuhaben“, erwiderte Clara. „Außerdem lasse ich dich und Michael Weihnachten nicht gern allein.“ „Sei nicht albern. Du wirst eine wundervolle Zeit haben. Glenda hält sich schon bereit als Babysitterin. Wenn Michael mit einer von euch beiden zusammen ist, mache ich mir überhaupt keine Sorgen.“
„Ja, sie ist zuverlässig und liebt den Kleinen. Glenda und ich sind seit unserem fünften Lebensjahr befreundet. Sie ist wie eine Schwester für mich.“ Clara wiederholte damit nur, was Grace schon oft von ihr zu hören bekommen hatte.
„Ihre Familie kommt zu Weihnachten, das wäre also geklärt“, fügte Clara hinzu. „Ich bin wirklich froh, dass ich dich und Michael habe.“ Sie umarmte Grace und verschwand in ihrem Zimmer. An der Tür blieb sie noch einmal stehen. „Bart Rafford ist bei einem Skiunfall ums Leben gekommen. Man fragt sich, was passiert wäre, wenn er am Leben geblieben wäre.“
„Ich glaube, dass alles genauso gekommen wäre.“
„Er hat seinen Sohn nie gesehen.“ Kopfschüttelnd zog Clara sich zurück.
Innerhalb weniger Minuten hatte Grace sich unter mehreren Decken auf dem Sofa ausgestreckt. Sie lag im Dunkeln, dachte an Nicks Party und erinnerte sich an den Moment, als sie Nick zum allerersten Mal gegenübergestanden hatte. Es gelang ihr nicht, ihn oder irgendein Detail an ihm zu vergessen. Ebenso wenig konnte sie aufhören, sich wegen seiner Absichten, die hinter der Verabredung am Montag steckten, Sorgen zu machen. Was auch kommen mochte, sie würde Michael nicht mehr hergeben. Die Raffords und besonders Nick galten jedoch als rücksichtslos, wenn es darum ging, ihre Interessen durchzusetzen.
Um neun Uhr am Montagmorgen wurde Nick in Grace’ schlichtes kleines Büro geführt. Er wirkte dynamisch und schien den Raum mit seiner unglaublichen Präsenz komplett auszufüllen. Sein Auftreten ließ Grace’ Herz schneller klopfen.
Als sie ihm in die Augen sah, durchfuhr es sie bis hinunter zu den Zehen. Er sah sündhaft gut aus, und sie hatte am Freitagabend selbst erlebt, wie er seinen Charme spielen lassen konnte. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich von seinem Anblick loszureißen.
Während er sich umsah, schämte sie sich prompt ein wenig für ihr enges kleines Büro und die alten Möbel. Ihr Unternehmen warf nicht viel ab, aber es wuchs.
„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn, ohne ihm die Hand zu geben.
„Guten Morgen.“ Ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Rot steht Ihnen.“
„Danke“, erwiderte sie. Wahrscheinlich machte er ganz automatisch Komplimente. Trotzdem freute es sie. Er reichte ihr den Umschlag, in dem sie ihre Rechnung hinterlassen hatte.
„Hier ist Ihr Geld für die Party. Sie haben einen tollen Job gemacht, es gab viel Lob für Ihr Essen. Wahrscheinlich werden einige meiner Freunde Sie demnächst buchen.“
„Ja, ein paar haben schon während der Party nach meiner Karte gefragt. Aber setzen Sie sich doch.“
Er nahm in einem der kleinen Sessel Platz. Grace zog einen zweiten Sessel heran, sodass sie sich ihm gegenübersetzen konnte. Sie war sich seiner Nähe viel zu bewusst.
„Ich bin gekommen, um mit Ihnen über Michael zu sprechen.“
Sie sog rasch die Luft ein. „Ja, ich dachte mir gleich, dass Sie mich deswegen treffen wollten.“
„Der Gesundheitszustand meines Vaters ist schlecht. Im vergangenen Jahr hat er zwei Herzinfarkte erlitten. Die Krankheit hat seine Lebenseinstellung verändert. Er möchte Sie und Michael kennenlernen.“
Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Die Macht der Raffords wirkte plötzlich bedrohlich. Vermutlich war der Vater noch einschüchternder als der Sohn. Grace versuchte äußerlich ganz ruhig zu bleiben.
„Ihnen ist hoffentlich klar, dass Ihr Bruder per Unterschrift auf seine Rechte an Michael verzichtet hat?“
„So wurde es mir gesagt.“
„Das alles geschah in den letzten Wochen vor Alicias Tod. Sie wollte alles geregelt haben, damit Michael finanziell versorgt ist und einen Vormund hat, bis er erwachsen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Vater nur das Baby sehen will. Ich befürchte, es steckt mehr dahinter.“ Sie hoffte, dass Nick das sofort bestritt. Als er es nicht tat, nahm ihre Angst weiter zu.
„Er beabsichtigt nicht, Ihnen Michael wegzunehmen. Aber er will seinen Enkel kennenlernen“, erklärte Nick. „Wie gesagt, die Krankheit hat ihn verändert. Plötzlich ist ihm sein Enkel wichtig. Ich würde gern ein Treffen arrangieren. Für meinen Dad wäre es leichter, wenn es in seinem Haus stattfinden könnte.“
Grace betrachtete seinen sinnlichen Mund. Wie würde es wohl sein, diese Lippen auf ihren zu spüren?
Sie erschrak über ihre eigenen Gedanken und riss sich zusammen. Nicks Worte schürten ihre Hoffnung. „Wenn Ihr Vater so schwach ist, wird er Michael nicht oft sehen wollen. Es hört sich nicht so an, als wäre er in der Verfassung, sich groß um ein Baby zu kümmern.“ „Das nicht, doch kann er es sich leisten, eine Hilfskraft einzustellen. Mal ehrlich“, meinte er und schaute sich noch einmal in ihrem Büro um, das sicher einen ziemlichen Gegensatz zu seinem oder dem seines Vaters darstellte. „Ihr Unternehmen scheint zwar zu wachsen, aber mein Vater kann finanziell viel mehr für Michael tun.“
„Geld ist nicht alles“, konterte sie, doch ihr Unbehagen nahm weiter zu. Nick hingegen saß ganz entspannt da und sah aus, als hätte er hier das Kommando. In seinem Ton schwang eine gewisse Unnachgiebigkeit mit, die andeutete, dass ihr unter Umständen ein bitterer, hässlicher Kampf mit einem mächtigen Mann bevorstand.
„Ich liebe Michael, und wenn ich nicht mit ihm zusammen bin, passt meine Tante oder deren Freundin auf ihn auf. Meine flexiblen Arbeitszeiten ermöglichen es mir, viel Zeit mit Michael zu verbringen. Haben Ihre Eltern viel Zeit mit Ihnen verbracht?“
„Touché“, meinte Nick leicht amüsiert. „Nein, haben sie nicht.“
„Ich habe über Sie und Ihren Vater in den Klatschseiten gelesen. Ihr Vater war mehrmals verheiratet, und es gab eine ganze Reihe von Frauen in seinem Leben. Das Gleiche galt für Ihren Bruder. Haben sich Kindermädchen um Sie gekümmert?“
„Kindermädchen, der Chauffeur, später das Internat“, antwortete Nick. „Wie dem auch sei, Sie sollten mal darüber nachdenken, was Sie da ablehnen. Mein Dad wünscht, dass ich ein Treffen arrangiere, bei dem er mit Ihnen über Michael sprechen kann. Er will nur reden. Dazu sollten Sie bereit sein, denn es ist nichts Bedrohliches daran.“
„Ihr Bruder wollte nichts mit dem Baby zu tun haben“, entgegnete sie aufbrausend. „Wo war Ihr Vater damals?“
„Ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass er nicht mehr derselbe ist.“
„Die Veränderung kommt ein bisschen spät. Mir fällt es auch schwer, zu glauben, dass er sich wirklich verändert hat. Michaels Mutter, Alicia Vaughan, war meine beste Freundin. Vor ihrem Tod hat sie mir von Bart erzählt. Als sie schwanger war, hat er sie grob und kaltherzig behandelt. Am Ende beschimpfte er sie und verkündete, er wolle mit dem ‚Balg‘ nichts zu tun haben. Dann hat er sie in Tränen aufgelöst und in einem schlimmen Unwetter einfach weggeschickt. In jener Nacht geschah das Unglück, das ihrem Leben letztlich ein Ende setzte und das beinah auch Michael umgebracht hätte. Um es kurz zu machen: Nach allem, was passiert ist, sehe ich keinen Grund, Michael Ihrem Vater vorzustellen.“
Nick lehnte sich nach vorn und stützte die Ellbogen auf die Knie. Seine Nähe lenkte Grace mit lauter flüchtigen Gedanken über seine Attraktivität ab. Außerdem fiel ihr Blick unwillkürlich immer wieder auf seinen sinnlichen Mund.
„Mein Vater ist im vergangenen Jahr sehr gealtert. Sein Gesundheitszustand lässt rapide nach, und ich glaube, er klammert sich an die Hoffnung, Weihnachten seinen Enkel zu sehen. Können Sie sich nicht wenigstens mit ihm treffen? Was kann es denn schaden? Denken Sie darüber nach, denn Sie und das Baby würden ganz bestimmt davon profitieren. Mein Vater ist sehr reich. Berauben Sie Michael nicht der Chance auf ein besseres Leben.“
Er sprach so überzeugend, dass sie für einen Moment Sympathie empfand, die jedoch gleich wieder verflog, als sie sich an Alicia erinnerte, wie sie schluchzend in ihrem Krankenhausbett lag, an Schläuche angeschlossen, sich mit letzter Kraft ans Leben klammernd. Michael, der wegen des Autounfalls einen Monat zu früh auf die Welt gekommen war, hatte sich auf der Frühgeborenenstation befunden. Das alles war zum großen Teil Bart Raffords Schuld gewesen.
„Michael wurde wegen Ihres Bruders zur Waise. Alicia flehte ihn an, seine Vaterschaft anzuerkennen. Er hätte es ablehnen können, ohne verletzend zu sein. Wie gesagt, ich sehe keinen Sinn darin, Michael Ihrem Vater vorzustellen. Er hatte die Chance, Anteil am Leben des Babys zu nehmen. Er hätte sich melden können, als Alicia schwanger war oder gleich nach dieser letzten Begegnung zwischen ihr und Bart.“
Grace stand auf, und Nick tat es ihr gleich. Sie war sich seiner Größe und Ausstrahlung sehr bewusst. Seine Miene war jedoch ausdruckslos, sodass Grace keine Ahnung hatte, ob er verärgert oder enttäuscht war oder ob er seinen nächsten Schritt plante.
„Nur weil mein Bruder verletzend war, sollten Sie es nicht auch sein. Sie müssen wegen Michael nicht besorgt sein. Mein Vater kann Ihnen das Kind nicht wegnehmen, sein Gesundheitszustand lässt das nicht zu.“
„Ich glaube, ich habe meine Einstellung deutlich gemacht“, sagte sie. Weder konnte sie Alicia vergessen noch die Sorge, dass Eli Rafford trotz seines schlechten Gesundheitszustandes mächtig genug war, um seine Ziele zu erreichen.
„Macht Ihnen Ihr Gewissen da nicht zu schaffen?“
„Weniger als wenn ich mich einverstanden erklären würde, Ihrem Vater das Baby vorzustellen. Weiß er überhaupt, wie grausam sein Sohn zu meiner Freundin war? Oder interessiert es ihn vielleicht gar nicht, was mit Alicia passiert ist? Bart hat sie benutzt und dann einfach fallen lassen.“
„Ich glaube, die meisten Frauen haben sich nur allzu gern von meinem Bruder ‚benutzen‘ lassen“, erwiderte er trocken. „Niemand hat Ihre Freundin dazu gezwungen, eine Affäre mit ihm anzufangen.“
„Letztlich musste sie erkennen, was für einen Fehler sie begangen hat.“ Grace ging zur Tür. „Unser Gespräch ist beendet.“
„Werfen Sie Michaels Zukunft nicht leichtfertig weg. Nehmen Sie nur mal an, Ihr Partyservice geht pleite. Was dann?“ Mit diesem Szenario zielte Nick direkt auf ihre tief sitzende Angst ab. „Falls Sie Ihre Meinung ändern, wissen Sie ja, wie Sie mich erreichen können“, sagte er.
„Ich werde meine Meinung nicht ändern.“
Ein kühles, zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als rechne er fest damit, dass sie sich seinen Wünschen doch noch beugte. „Rufen Sie mich an, wenn Sie in Ruhe über Michaels Zukunft nachgedacht haben.“ Nick zögerte, und der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. Ein sinnlicher Schauer überlief Grace.
„Schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen kennengelernt haben“, fügte er hinzu, und diesmal klang seine Stimme ganz tief und sanft.
„Haben wir aber nicht“, murmelte Grace, nachdem er gegangen war. Seine letzte Bemerkung hatte sie verblüfft und sie einen Moment vom eigentlichen Problem abgelenkt. Dass Nick charismatisch und sexy war, machte die Situation nicht unbedingt leichter.
Grace war erschöpft, als hätte sie mit einem mächtigen Feind gerungen. Und sie bezweifelte, dass sie zum letzten Mal von den Raffords gehört hatte. Derartig reiche Männer akzeptierten eine Abfuhr nicht so ohne Weiteres.
Enthielt sie Michael eine Vielzahl wunderbarer Möglichkeiten vor, die Eli Rafford ihm bieten konnte? Genau das hatte Alicia dazu bewogen, sich an Bart zu wenden. Hätte Alicia diese Gelegenheit genutzt und Grace für einen schlechten Vormund gehalten, wenn sie es nicht tat? Grace befürchtete nun einmal, der Patriarch könnte ihr das Kind wegnehmen. Vielleicht sollte sie noch einmal in Ruhe über Nicks Bitte nachdenken, ehe sie den Raffords endgültig die Tür vor der Nase zuschlug. Eli Rafford konnte Michaels Zukunft absichern. Auch in ein paar Tagen würde es noch nicht zu spät sein, Kontakt zu Nick aufzunehmen und sich seinen Wünschen zu beugen.
Der Gedanke ließ sie frösteln.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Eli Rafford sich damit begnügen würde, seinen Enkel bloß ein paarmal zu sehen. Er würde ihm das Leben bieten wollen, das er Nick geboten hatte – eines mit Chauffeur, Kindermädchen und Internaten. Doch mit ihrer Liebe und Aufmerksamkeit konnte sie Michael viel mehr geben.
Grace setzte sich wieder hinter den Schreibtisch und wählte die Nummer ihres Anwalts. In dem bevorstehenden Kampf würde sie Hilfe brauchen. Denn ganz sicher war es noch nicht vorbei, und sie hatte Nick nicht zum letzten Mal gesehen.