1.
Kapitel
Ihr
Mann. Sie hatte ihn geliebt. Sie hatte ihn gehasst. Und jetzt war er
tot. Schuldgefühle und Schmerz erfüllten Lynn Riggan. Sie
hatte ihre Ehe beenden wollen, aber nicht auf diese Weise. Ganz
sicher nicht auf diese Weise.
Sie
dachte nur noch daran, sich endlich die drückenden Schuhe und
das enge Kleid auszuziehen, als sie die Tür hinter dem letzten
Besucher schloss und erschöpft dagegen sank. Gott, wie sehr sie
dieses Kleid hasste, aber es war das einzige schwarze Kleid, dessen
Ausschnitt nicht zu tief war für eine Beerdigung, und außerdem
hatte Brett es gemocht. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass
sie sich heute das letzte Mal angezogen hatte, um andere Menschen zu
beeindrucken.
"Bist
du okay?" Die tiefe Stimme ihres Schwagers ließ sie
zusammenzucken.
Lynn
biss die Zähne zusammen, schluckte mühsam und machte die
Augen auf. Sie richtete sich auf, verschränkte die Hände
und zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn ihr gar nicht danach
war. Ihre Lippen zitterten, und sie wusste, dass sie Sawyer nichts
vormachen konnte, als er besorgt die Stirn runzelte.
Er
ging über den kühlen Marmorfußboden und blieb vor ihr
stehen. "Lynn?"
"Ich
dachte, du wärst schon gegangen." Sie wollte nicht, dass er
sie in einem solchen Zustand sah, so schwach und hilflos. Eine ganze
Welt war um sie herum zusammengebrochen, und sie besaß nicht
die Kraft, sich vorzumachen, dass alles wieder in Ordnung kommen
würde – nicht einmal Sawyer zuliebe.
"Ich
war nur einen Moment draußen." Der Verlust seines jüngeren
Bruders hatte ihn schwer getroffen. Trauer erfüllte seine
kobaltblauen Augen und betonte die Fältchen um seine Augen. Ein
Muskel an seinem festen Kinn zuckte. Sein männliches,
attraktives Gesicht wirkte abgespannt und war blass, und das
glänzende dunkle Haar sah aus, als hätten die
Frühlingsbrise oder rastlose Finger es zerzaust. Die
angespannten Schultern unter dem dunklen Anzug ließen erkennen,
wie viel Kraft es ihn kostete, die Nerven zu behalten.
"Du
solltest jetzt nach Hause gehen und dich ausruhen, Sawyer. Bitte geh,
bevor ich zusammenbreche."
"Ja,
wahrscheinlich. Aber ich fühle mich so verdammt … leer."
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und zerzauste es damit nur
noch mehr. Mit der Locke, die ihm in die Stirn gefallen war, sah er
jetzt eher wie ein Junge aus, aber nicht wie der zweiunddreißig
Jahre alte Besitzer einer Computersoftwarefirma. "Ich warte
immer noch darauf, dass Brett jeden Augenblick durch die Tür
kommt, uns auslacht und ruft: 'Reingelegt!'"
Ja,
Brett liebte kleine, grausame Scherze. Und dafür war Lynn oft
seine Zielscheibe gewesen. Sein schlimmster Scherz war der
finanzielle Schlamassel, den er ihr hinterlassen hatte. Aber selbst
er hätte nicht diesen katastrophalen Autounfall vortäuschen
können, der ihn das Leben gekostet hatte.
Sawyers
Blick ruhte eindringlich auf ihr. "Wirst du denn zurechtkommen,
ganz allein?"
Allein.
Schon jetzt schienen die Wände dieses Mausoleums sich um sie zu
schließen. Im Augenblick brauchte sie eine Umarmung mehr alles
andere, aber sie hatte schon vor langem gelernt, ohne diesen
schlichten Trost klarzukommen. Sie biss sich auf die Unterlippe,
schlang die Arme um ihre Taille und wich seinem forschenden Blick
aus. "Ja, sicher."
Ihre
Augen brannten, weil sie so lange nicht geschlafen hatte, und alle
Muskeln taten ihr weh vom ewigen Auf und Ab gestern Nacht. Sie
wünschte, sie hätte nie den Schlüssel in der
Plastiktüte mit Bretts persönlichen Dingen gefunden, die
das Krankenhauspersonal ihr gegeben hatte. Wenn sie nicht den
Schlüssel gefunden hätte, hätte sie auch den Safe
nicht geöffnet. Und wenn sie den Safe nicht geöffnet hätte
… Sie holte zitternd Luft und kämpfte gegen die
aufsteigende Panik an.
Was
sollte sie nur tun?
Sie
hatte nach einer Lebensversicherung gesucht, um die Beerdigung
bezahlen zu können, aber sie hatte nur Auszüge leerer
Bankkonten gefunden, und ein Tagebuch, in dem ihr Mann geschrieben
hatte, dass er sie nie geliebt hatte, dass sie im Bett die reine
Niete war und dass er sich Befriedigung bei einer anderen Frau geholt
hatte. Und er hatte ihre Fehler in qualvoller Länge
ausgebreitet.
"Lynn?"
Sawyer hob ihr Kinn leicht an. "Möchtest du, dass ich heute
Nacht bleibe? Ich könnte im Gästezimmer schlafen."
Nein,
das konnte er nicht. Sie war selbst schon vor Monaten ins Gästezimmer
umgezogen, und wenn er ihre Sachen darin sah, würde er wissen,
dass im Haus der Riggans nicht alles so harmonisch war, wie es
schien. Sie wollte ihm nicht verraten, dass sie und Brett seit
Monaten zerstritten waren, weil sie geahnt hatte, dass es eine andere
Frau gab. Lynn hatte sogar einen Anwalt konsultiert, aber Brett hatte
ihre Probleme mit seiner anstrengenden Arbeit abzutun versucht und
sie um eine neue Chance gebeten. Gegen besseres Wissen hatte Lynn
sich davon überzeugen lassen, dass ein Baby sie einander wieder
näher bringen würde, und sie hatten ein letztes Mal
miteinander geschlafen – nur ein paar Augenblicke, bevor sie
einen Beweis für seine Untreue gefunden und ihn aus dem Haus
geworfen hatte. Keine Stunde später war er bei dem Autounfall
ums Leben gekommen.
"Nein,
es geht mir gut." Ihre Stimme brach beim letzten Wort, und es
durchlief sie ein Zittern. Sie hatte kein Geld, keinen Job und keine
Möglichkeit, dieses luxuriöse Haus abzubezahlen, das Brett
unbedingt hatte haben wollen. Die Hausund Autoraten waren fällig,
und Lynn hatte keine Ahnung, woher sie das Geld nehmen sollte. Und
als wäre das nicht genug …
Sie
drückte eine Hand auf den Bauch und betete insgeheim, dass die
Nacht mit ihrem Mann keine Folgen haben würde. Sie liebte
Kinder, und sie hatte sich schon immer eine große Familie
gewünscht, aber sie wusste im Augenblick nicht einmal, wie sie
sich um sich selbst kümmern sollte, geschweige denn um ein Baby.
Sawyer
nahm sie in die Arme. Nach einem kurzen Moment lehnte Lynn den Kopf
an seine Schulter und erlaubte sich ein wenig Schwäche, um die
Wärme seiner starken Arme zu genießen. Ein Schluchzen
entfuhr ihrer Kehle, aber Lynn presste die Lippen aufeinander und
atmete durch. Sie war kein Feigling. Sie würde ihre
Schwierigkeiten schon irgendwie bewältigen.
"Schon
gut", murmelte er an ihrer Schläfe. Sein Atem berührte
ihre Haut, und er strich ihr besänftigend über den Rücken.
Lynn atmete tief den männlichen Duft seines Aftershave ein und
reagierte auf eine völlig unzulässige Weise. Entsetzt
versuchte sie sich von ihm zu lösen, aber er ließ sie
nicht los. Sie fühlte, wie er erzitterte, und dann wurde es
feucht an ihrem Hals. Sawyer weinte.
Ihre
Kehle war plötzlich wie zugeschnürt, und ihr Herz zog sich
voller Mitleid zusammen. Sawyer hatte bei der Identifizierung von
Bretts Leiche neben ihr gestanden, und er hatte sie auch bei den
Vorbereitungen für die Beerdigung keinen Augenblick allein
gelassen. Dass er die ganze Zeit seinen Schmerz verborgen hatte und
so stark gewesen war, machte seinen Zusammenbruch jetzt noch viel
herzzerreißender. Lynn konzentrierte sich auf seinen Schmerz,
um ihren eigenen zu vergessen. Ihre Gefühle waren ein
Durcheinander aus Enttäuschung, Scham, Wut und
Schuldbewusstsein.
"Alles
wird wieder gut." Sie wiederholte die bedeutungslosen Worte, wie
schon unzählige Male in den vergangenen drei Tagen. "Wir
werden es durchstehen, Sawyer. Wir machen einfach weiter."
Sie
wollte ihm den Trost geben, den sie selbst so sehr brauchte, und so
schlang sie die Arme um seine Taille, schmiegte sich an ihn und
klopfte ihm beschwichtigend auf den Rücken. Gleichzeitig
flüsterte sie ihm irgendeinen beruhigenden Unsinn ins Ohr, aber
nichts, was sie sagte oder tat, konnte die Wirklichkeit verändern.
Sie konnte Brett nicht zurückbringen.
Sawyer
drückte sie noch fester an sich. Er senkte den Kopf und vergrub
das Gesicht an ihrem Hals. Lynn erschauerte. Sie versuchte, es zu
ignorieren, aber es war Jahre her, seit jemand sie zärtlich im
Arm gehalten hatte, und sie war durch das gefühllose Verhalten
ihres Mannes innerlich erstarrt. Es war nicht Sawyers Schuld, dass
ihr Körper seine tröstende Geste missverstand.
Sein
Atem kam unregelmäßig und heftig, als müsste Sawyer
sich anstrengen, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Er lockerte den
Griff um sie, richtete sich auf und lehnte sich leicht zurück,
fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und zog eine Grimasse.
"Entschuldige."
"Schon
gut." Es traf sie zutiefst, diesen starken Mann zusammenbrechen
zu sehen. Impulsiv stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um ihm
einen Kuss auf die Wange zu geben, und er drehte plötzlich den
Kopf. Ihre Wangen und Nasen berührten sich, und Lynns Puls fing
an zu rasen. Sie atmete tief ein und wich zurück. Die Aufschläge
seines Anzugs strichen über den dünnen Stoff ihres engen
Kleids, und ihre Brüste prickelten. Lynn war entsetzt. Wie
konnte sie nur so auf Sawyer reagieren und nicht auf ihren Mann?
Bretts
letzte verdammende Worte wollten ihr nicht aus dem Kopf gehen:
frigides Miststück. Sie war nicht frigid gewesen, bevor er ihr
wehgetan hatte und sich einfach egoistisch nahm, was er wollte, ohne
sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern. Danach war etwas in
ihr gestorben, jedes Mal wenn er sie berührte. Lynn hatte
begonnen, die intime Seite ihrer Ehe zu fürchten, weil es ihr
Versagen als Frau zeigte.
"Ich
möchte vergessen." Sawyers verzweifeltes Flüstern
brach ihr das Herz und ließ die Mauern zerbröckeln, die
sie um ihre verletzten Gefühle aufgebaut hatte.
"Ich
weiß. Ich auch." Sie fuhr ihm zärtlich mit der Hand
über die von seinen Bartstoppeln rauen Wangen und erschauerte.
Nur
wenige Zentimeter trennten ihre Lippen. Ihr Atem vermischte sich. Der
Schmerz in Sawyers Augen verwandelte sich langsam in Erstaunen und
dann etwas anderes – etwas, das Lynn bis ins Innerste erwärmte,
ihr Angst machte und ihr Herz hämmern ließ, aber sie
konnte den Blick nicht von ihm nehmen. Sie fuhr sich mit der Zunge
über die Lippen und suchte vergebens nach Worten, die diesen
seltsamen, verbotenen Augenblick beenden könnten.
Sawyer
schloss die Augen. Bevor Lynn zurückweichen konnte, hatte er
ihre Arme gepackt und sie wild auf den Mund geküsst. Erst
erstarrte sie vor Schreck, aber was sie dann noch mehr schockierte
als der unerwartete Kuss war ihre Reaktion darauf. Eine Welle
berauschender Leidenschaft durchfuhr sie und erinnerte sie an jene
Nacht, als sie und Sawyer das letzte Mal miteinander ausgegangen
waren, als Lynn noch geglaubt hatte, dass sie in ihm endlich den
Richtigen gefunden hatte. Damals hatte er ihr noch nicht das Herz
gebrochen, damals war Brett noch nicht in ihrem Leben, und damals
hatte sie sich noch schön und begehrenswert gefühlt, statt
hässlich und uninteressant, und sie hatte noch hoffnungsvoll in
die Zukunft geschaut.
Sawyer
hob den Kopf, und sie sahen sich für einen langen Augenblick an.
Mit leicht zitternder Hand strich er ihr eine Locke aus der Stirn und
berührte ihre Wange. Langsam fuhr er mit dem Daumen über
ihre Unterlippe, und Lynn stockte der Atem. Noch langsamer, als
wollte er ihr Zeit geben zu protestieren, wenn sie wollte, beugte er
sich wieder vor und verteilte kleine Küsse auf ihrer Stirn und
ihren Wangen.
Hör
auf mit dem Wahnsinn, dachte sie. Aber ihr Körper war so lange
wie betäubt gewesen, dass Sawyers Berührung ihn wie aus
einem tiefen Schlaf erweckte, der vier lange Jahre gedauert hatte.
Eine wundervolle Glut erfüllte sie und schmolz das Eis um ihr
Herz, das ihr Mann mit seinen beißenden Bemerkungen
hinterlassen hatte.
Sawyer
küsste sie auf den Mund, dieses Mal sanfter und länger,
bevor er wieder den Kopf hob. Sein Atem strich warm und süß
über ihre Haut wie eine verführerische Brise, und dann
küsste er sie wieder voller Ungeduld.
Lynn
rauschte das Blut in den Ohren, und ihr Atem wurde vor Aufregung
unregelmäßig. Ihre Zungen fanden sich in einem langen
Kuss. In ihrer Ehe hatte sie sich mit Bretts erstickenden,
rücksichtslosen Küssen abgefunden, aber sie wusste nicht,
wie sie mit Sawyers sanfter Überredungskunst umgehen sollte.
Alles an ihm brachte ihren Körper zum Prickeln, vor ihm wich sie
nicht voller Abscheu zurück. Sie erwiderte vorsichtig seinen
Kuss, und sein Griff wurde fester, aber Sawyers Umarmung war nicht
schmerzhaft. Lynn würde keine blauen Flecken davontragen, wenn
dieser Kuss vorbei war. Und das musste er bald. Jetzt sofort. Aber
Lynn fand nicht die Kraft, sich von Sawyer zu lösen.
Er
streichelte die Seiten ihrer Brüste und ihre Taille und ließ
die Hände dann auf ihren Hüften ruhen. Lynns Körper
war in Aufruhr, alles um sie schien sich zu drehen.
"Sag
mir, dass ich aufhören soll", flüsterte er wieder an
ihren Lippen, aber seine Hände sprachen eine ganz andere
Sprache, denn gleichzeitig zog er ihre Hüften dichter an sich.
Die
Hitze seines Körpers drang durch den Stoff ihres Kleides, wo er
sie von den Schultern bis zu den Knien berührte. Fast schockiert
spürte Lynn seine festen Muskeln und seine spürbar
wachsende Erregung an ihrem Bauch. Aber gleichzeitig war sie noch nie
so erregt gewesen. Sie hätte ihn nicht von sich stoßen
können, selbst wenn ihr Leben davon abgehangen hätte, und
ohne seine stützenden Arme würden ihre zitternden Knie ganz
sicher nachgeben. Sie packte Halt suchend nach ihm, warf den Kopf
zurück und rang nach Atem.
Kaum
hatte sie Luft geholt, da küsste Sawyer sie schon wieder mit
unbändigem Verlangen, das ihr eigentlich Angst hätte
einjagen müssen. Stattdessen schürte es ihre eigene
Leidenschaft nur noch mehr. Mit den Händen streichelte er die
Unterseite ihrer Brüste, und Lynn stöhnte leise auf, als er
sie verlangend bedeckte und die empfindlichen Brustspitzen mit dem
Daumen neckte. Er schob mit einem muskulösen Schenkel ihre Beine
auseinander, so weit es das enge Kleid zuließ, und sie spürte
ihn an ihrer empfindsamsten Stelle.
Lynns
Bauch zog sich zusammen vor Lust – eine Lust, die sie seit
Jahren nicht mehr gefühlt hatte. Ihre Knie zitterten. Was tat
sie hier nur? War sie verrückt geworden? Sie brachte es nicht
fertig, eine Antwort zu geben. Mit ungeduldigen Fingern schob sie
sein Jackett beiseite und legte die Hände auf den dünnen
Baumwollstoff seines Hemds. Sein Herz klopfte unter ihrer Handfläche,
genauso schnell und genauso unregelmäßig wie ihr eigenes.
Schnell
schlüpfte er aus seinem Jackett, warf es auf den Boden und griff
wieder nach Lynn. Ihre Blicke trafen sich und ließen sich nicht
wieder los. Die heiße Leidenschaft in seinen Augen ließ
Lynn erzittern. Überall.
Geschickt
befreite er sie von den vielen Haarnadeln, mit denen sie ihr Haar
aufgesteckt hatte, so dass es ihr auf die Schultern fiel. Sawyer sog
heftig den Atem ein. "Lynn." Seine raue Stimme klang
flehend, aber Lynn wusste nicht, worum er flehte. Andererseits war
das auch egal, weil ihre Stimme sie – genauso wie offenbar ihre
Vernunft – im Stich ließ. Sie wusste nur noch, dass
Sawyer sie begehrte, und nichts anderes schien im Augenblick von
Bedeutung zu sein.
Sawyer
schlüpfte mit den Händen unter den Saum ihres Kleids, und
Lynn hielt den Atem an. Seine Finger brannten heiß auf den
Rückseiten ihrer Schenkel und dann auf dem dünnen
Seidenstoff ihres Slips. Sawyer drückte die sanfte Rundung ihres
Pos, und gleich darauf spürte sie kühle Luft an ihrer Haut,
als Sawyer kurz entschlossen ihren Rock hochschob und den Slip
herunterzog. Lynn ließ den Kopf nach hinten sinken und stöhnte
leise auf.
Sawyer
küsste ihren Hals, ihr Kinn, ihre Ohren. Er drängte sie
nach hinten, bis sie mit den Fersen gegen die erste Treppenstufe
stieß, und brachte sie dazu, sich zu setzen. Der raue
Teppichläufer rieb unsanft an ihrer zarten Haut. Sawyer befreite
sie endgültig von ihrem Slip, kniete sich zwischen ihre Beine
und griff nach seinem Gürtel. Lynns Herz schlug ihr bis zum
Hals. Sie vergrub die Finger im Teppich und versuchte, sich zu
beruhigen.
Ganz
kurz nur machte sie sich klar, was geschehen würde, wenn sie
diesem Wahnsinn nicht sofort ein Ende machte. Sie musste ihn
aufhalten, aber ihr ganzer Körper brannte vor Verlangen nach
ihm, und zum ersten Mal seit vielen Jahren pochte das Zentrum ihrer
Weiblichkeit mit solcher Sehnsucht. Sie fühlte sich endlich
wieder wie eine Frau und nicht wie ein Stück Holz. Wie hätte
sie ihn da wohl aufhalten können?
Statt
Sawyer von sich zu stoßen, streckte sie die Arme nach ihm aus
und half ihm, die Hose über seine schmalen Hüften nach
unten zu ziehen. Dann packte sie den Saum seines Hemds und berührte
die nackte Haut darunter. Seine Hitze schien ihre Hände zu
verbrennen. Ihr Puls schlug immer schneller, und sie war atemlos vor
Erregung.
Sawyer
legte die Hände auf ihre Schenkel und öffnete sie noch
weiter, schob Lynn auf die Treppe zurück und küsste sie mit
einer Wildheit, die sie berauschte. Als er vorsichtig in sie drang,
schrie Lynn leise auf, aber das Gefühl war vollkommen.
Es
tut gar nicht weh, dachte sie erstaunt, und gab sich dann der
Erregung hin. Sawyer drang weiter vor, streichelte sie und küsste
sie ununterbrochen, bis Lynn das Gefühl hatte, in rasender
Geschwindigkeit einen Gipfel hinaufgehetzt zu werden, und in nie
gekannter Lust aufschrie.
Sie
grub unwillkürlich die Fingernägel in die festen Muskeln
seines Pos, als sich ihr Körper um ihn zusammenzog. Sie spürte
seinen Mund an ihrem Hals, und dann stöhnte auch er ihren Namen.
Sawyer
beschleunigte seinen Rhythmus. Lynn schlang die Arme um ihn und hielt
ihn fest, während die heiße Welle der Leidenschaft sie mit
sich riss. Schwer atmend entspannte sie sich dann, und ihre Schenkel
öffneten sich unwillkürlich noch weiter. Beide Hände
an ihren Wangen vertiefte er auch seinen Kuss, als wäre er am
Verdursten und sie seine einzige Überlebenschance. Lynn spürte,
wie sie schon wieder auf ihn zu reagieren begann. Sie hob sich ihm
entgegen, um ihn noch intensiver zu spüren. Sawyers großer
Körper erzitterte heftig, und auch Lynn erreichte einen weiteren
Höhepunkt der Lust.
Schließlich
sank Sawyer schwer atmend auf sie, so dass sie zwischen der Hitze
seines Körpers und der harten Treppe gefangen war. Beide atmeten
schwer und vernehmlich. Lynn drückte den Mund auf seinen Hals
und genoss den salzigen Geschmack seiner Haut, während sie noch
wie auf einer Wolke dahinschwebte.
Sie
legte eine Hand auf Sawyers wild klopfendes Herz und versuchte,
wieder klarer zu denken. Was war gerade geschehen? Und warum
ausgerechnet mit Sawyer? Jede Faser ihres Körpers war lebendig
wie noch nie. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, und die Betäubung
ihrer Sinne, die sie so viele Jahre hatte ertragen müssen, war
wie weggeblasen. Bretts Art, sie zu lieben – wenn man es so
nennen konnte – hatte sie nie so mitreißen können
wie die fast verzweifelte Vereinigung gerade eben mit Sawyer. Selbst
inmitten dieser Raserei hatte Sawyer darauf geachtet, dass auch sie
auf ihre Kosten kam. Aber noch im Nebel der Lust tauchten auch die
ersten Gefühle der Reue auf.
Lieber
Himmel, was hatte sie nur getan?
Sawyer
war schweißbedeckt, das Hemd klebte ihm am Rücken. Sein
Herz klopfte, und er rang nach Atem.
Lynn
schob ihn von sich. Die Mischung aus Panik und Bedauern in ihren
himmelblauen Augen traf ihn wie ein Schlag, und dann sah sie ihren
Ehering an, schloss die Augen und senkte den Kopf.
Was
hatte er getan? Wie hatte er sich der trauernden Witwe seines Bruders
aufdrängen können? Plötzlich wieder stocknüchtern,
kam er stolpernd auf die Füße, aber seine Beine drohten
unter ihm nachzugeben. Voller Scham über seine Unbeherrschtheit,
zog er seine Hose hoch und steckte das Hemd hinein. In seiner Hast
hätte er sich fast mit dem Reißverschluss verletzt. Er
fluchte leise, und Lynn zuckte zusammen und biss sich auf die
Unterlippe.
"Es
tut mir so Leid, Lynn. Das hätte nicht geschehen dürfen."
Seine Stimme klang belegt, aber er war überrascht, dass er
überhaupt ein Wort über die Lippen bekam, so sehr schnürte
es ihm die Kehle zu vor Scham.
Lynn
vermied es, ihn direkt anzusehen, kam mit Mühe hoch und strich
den Rock ihres Kleids über ihren langen Beinen glatt. Mit
zitternden Fingern fuhr sie sich durch das lange blonde Haar.
Sawyer
ballte die Hände zu Fäusten und musste sich mit aller Kraft
zurückhalten, um ihr nicht dabei zu helfen, ihr seidiges Haar zu
bändigen. Dann folgte er ihrem entsetzten Blick zu dem schwarzen
Seidenslip, der auf dem weißen Marmorboden vor der Haustür
lag. Er hätte sich am liebsten selbst verprügelt. Er hatte
vollkommen die Kontrolle über sich verloren, Lynn einfach das
Kleid hochgeschoben und sie genommen wie ein unerfahrener,
hormongeplagter Erstsemestler.
Du
hirnverbrannter Idiot, Blödmann, Hornochse. Was hast du dir nur
dabei gedacht?
"Es
ist schon gut, Sawyer. Es geht uns beiden so schlecht, und wir
wollten – wir mussten unbedingt etwas tun, um wenigstens für
ein paar Momente vergessen zu können. Es wird nicht wieder
passieren." Doch die Anspannung in ihrer Stimme und ihre blassen
Wangen passten gar nicht zu ihren lässigen Worten.
"Du
willst vergessen, was passiert ist?" Das war unmöglich. Wie
sollte er ihre unglaublich zarte Haut vergessen, die Süße
ihrer Lippen und die wundervolle Hitze, die ihn umschlossen hatte?
"Ja,
bitte." Das kaum hörbare Flehen traf ihn wie ein Schlag.
"Wenn
du nicht die Pille nimmst, liegt es vielleicht gar nicht in unserer
Hand, zu vergessen. Ich habe kein Kondom benutzt. Entschuldige. Ich
war noch nie so unvorsichtig, wenn dir das ein Trost sein kann."
Sie
schloss die Augen und schluckte mühsam. Das dünne schwarze
Kleid schmiegte sich so eng an sie, dass jede verführerische
Rundung zu erkennen war und Sawyer auch das Heben und Senken ihrer
Brust nicht entgehen konnte.
Reiß
dich zusammen, Riggan. Sie ist die Frau deines Bruders. "Lynn,
nimmst du irgendwelche Verhütungsmittel?"
Sie
presste kurz die Lippen aufeinander, bevor sie mit zitternder Stimme
antwortete. "Ich bin müde. Möchtest du mich bitte
entschuldigen?"
Sein
Magen zog sich nervös zusammen, und plötzlich stand ihm
Schweiß auf der Stirn. "Lynn?"
Sie
seufzte leise. "Ich kann dir nicht sagen, was du hören
willst. Ich nehme keine Verhütungsmittel, und das Timing …
ist auch nicht das beste."
Er
erstarrte und packte sie dann bei den Armen. "Was willst du
damit sagen? Dass du schwanger sein könntest? Wie kannst du dir
da so sicher sein?"
Jede
Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, so dass die tiefen Schatten
unter den Augen nur noch dunkler wirkten. Sie zitterte leicht, und
der Wunsch, sie in die Arme zu nehmen, war fast unwiderstehlich. Aber
er durfte sich nicht gehen lassen. Sein Versuch, sie zu trösten
und sich von ihr trösten zu lassen, hatte ihn überhaupt
erst in diese verrückte Situation gebracht. Er war viel zu weit
gegangen. Widerwillig ließ er sie los, steckte die Hände
in die Hosentaschen und trat zurück.
Lynn
legte eine Hand schützend an ihre Kehle und die andere unbewusst
über ihren flachen Bauch, wo er und sie womöglich gerade
ein Kind gezeugt hatten. Er fand keine Worte für die Gefühle,
die ihn in diesem Moment überwältigten, und musste mit
aller Gewalt an sich halten, um nicht seine Hand auf ihre zu legen.
"Brett
und ich wollten versuchen, ein Kind zu bekommen, und wir …"
Sie senkte den Blick, und ihre Wangen wurden rot. "Der Tag, an
dem er verunglückte, war der erste Tag meiner fruchtbaren Tage."
Sawyer
wurde blass. Konnte es eigentlich noch schlimmer kommen? Er hatte
seinen jüngeren Bruder beerdigt, die Witwe seines Bruders
geliebt und sie womöglich sogar geschwängert. Dabei hatte
er doch nur versucht, sie zu beschützen, nicht zu verletzen. Und
erst dann verstand er, was sie gerade gesagt hatte. Sie und Brett
hatten versucht, ein Baby zu bekommen, und vielleicht war es ihnen ja
auch schon gelungen. Sawyer klammerte sich an den Gedanken wie an
eine Rettungsleine.
Er
würde vielleicht Onkel werden.
Oder
Vater. Er schluckte mühsam und atmete tief ein. Das eine wäre
ein Segen, das andere ein Fluch. Und obwohl er sich hätte
schämen sollen, gefiel ihm der Gedanke, dass Lynn sein Kind
bekommen könnte. Entschlossen verdrängte er jede weitere
Überlegung. Er würde später darüber nachdenken,
wenn er sich wieder gefasst hatte.
Er
wäre besser verschwunden, bevor er alles nur noch schlimmer
machte.