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Feuerblut - Der Schwur der Jagdlinge

Als Buch hier erhältlich:

Im gefrorenen Wald lauern die Schatten der Vergangenheit

»Ich widme mein Leben dem Kampf gegen die Dunkelheit und werde allen sieben Clans gleichermaßen dienen« - das hat Zwölf geschworen, um vom Jagdbund aufgenommen und als Jagdling ausgebildet zu werden. Nicht einmal ihre Mentorin Silber ahnt, dass Zwölf ganz andere Pläne hat. In ihrem Herzen brennt der Wunsch nach Rache an dem Clan, der ihre Familie auslöschte, lichterloh. Doch bevor Zwölf zur Jägerin aufsteigt, überfallen Kobolde den Bund, töten Silber und entführen das wunderliche Mädchen namens Sieben. An der Seite des magischen Steinhundes, der den Bund seit jeher beschützt, begibt sich Zwölf in den gefrorenen Wald. Kann sie Sieben aus den Fängen der Entführer befreien? Um den Gefahren zu trotzen, die auf sie warten, muss Zwölf sich ihrer Vergangenheit stellen und endlich Frieden mit sich selbst schließen.

Packende Fantasy-Action: Ein Mädchen entdeckt die Feuermagie, die in ihr schlummert!

»Fantasy-Action mit Botschaft.« »[die Kinderstimme] freut sich schon auf Band zwei.« Heilbronner Stimme, 27.11.2021

»Ein packender Fantasyroman, in dem ein Abenteuer auf das nächste folgt.« Susanne Wieshofer, Bibliotheksnachrichten Magazin, 12.2021

»Durch die düstere und mysteriöse Stimmung wird in der Geschichte viel Spannung aufgebaut. Gleichzeitig ist sie voller Emotionen [...].« Westfälische Allgemeine, 22.01.2022


  • Erscheinungstag: 23.11.2021
  • Aus der Serie: Feuerblut
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 288
  • Altersempfehlung: 12
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783748850465

Leseprobe

Für Ben,
meine stärkste Stütze und Inspiration

Ich weihe mein Leben der Jägerloge.

Ich schwöre, allen Clans zu dienen wie meinem eigenen,

sie vor den Gefahren zu beschützen, die um uns drohen.

Ich entsage jeglichen Blutsbanden und Blutsfehden,

gebe meinen Namen auf und meine Vergangenheit.

Allein die Jäger sind nun auf ewig meine Familie.

Hiermit gelobe ich feierlich:

Niemals werde ich die Waffen strecken

im Angesicht der Finsternis,

niemals zulassen, dass ein Tyrann sich erhebt.

1. KAPITEL

Der Himmel über der Jägerloge war düster und bedrohlich und es roch nach Schnee. Zwölf sah mit ihren sturmgrauen Augen zu den tief dahinziehenden Wolken auf, wickelte sich enger in ihr Fell und stampfte mit den Füßen, um sie warm zu halten. Die Luft dampfte vom Geplapper ihrer Mitschüler. Zwölf betrachtete sie missmutig und versuchte, ihre Ungeduld zu zügeln.

»Meine Güte!«, rief Waffenmeisterin Sieg und ließ den Blick über die Gruppe schweifen. »Wenn ihr noch nicht mal in der Lage seid, sie hochzuheben, wie um alles in der Welt wollt ihr sie dann schwingen? Alle, die ihre Waffe nicht über den Kopf heben können, gehen bitte sofort zurück in die Waffenkammer und holen sich eine leichtere!«

Mehrere Schüler huschten davon und Zwölfs Stirnrunzeln vertiefte sich. Allerdings verlor man im Kampfunterricht besser nicht die Beherrschung. Sieg war unter allen Jägern diejenige, die die Schüler am ehesten mit Nachtwachen oder dem gefürchteten Kerker bestrafte. Außerdem versprach der Unterricht interessant zu werden, sobald sie endlich anfangen würden: Aufrecht stehende Baumstümpfe waren auf dem schneebedeckten Kampfplatz verteilt und ließen auf etwas Außergewöhnliches hoffen.

»Beim frierenden Frost!«, rief Sieg, als die Schüler nach und nach zurückkehrten. »Wenn das nicht schneller geht, werdet ihr leichte Beute für jedes Wesen zwischen hier und dem Frostigen Forst.«

Nervöses Schweigen legte sich über die versammelte Klasse.

»Die Pfiffigeren unter euch haben vielleicht schon erkannt, worum es heute geht«, fuhr Sieg fort und der Zweifel in ihrer Stimme war kaum zu überhören. »Ihr kämpft paarweise auf den Stümpfen stehend, um euer Gleichgewicht und die Beinarbeit zu trainieren. Ich will keine Füße auf dem Boden sehen.«

Zwölf lächelte beinahe, als Vorfreude sie durchzuckte. Das würde eine Herausforderung werden.

»Wenn ihr die Übungen von letzter Woche noch nicht beherrscht, werdet ihr Schwierigkeiten haben.« Sieg sah einige der jüngeren Schülerinnen und Schüler, denen man ihre Nervosität anmerkte, scharf an. »Also, dann sucht euch einen Partner und fangt mit der gestrigen Angriffsfolge an. Und denkt daran: Immer wachsam bleiben!«

Wie üblich wurde Zwölf bei der Partnersuche von allen gemieden. Sie verdrehte die Augen. Wenn die anderen Angst hatten, gegen sie zu kämpfen, war das deren Problem. Sie ließ den Blick über die vertrauten Gebäude rundherum schweifen. Das Küchenhaus, der Speisesaal, die Ställe, die Waffenkammer und die Schlafsäle umgaben den achteckigen Kampfplatz, auf dem sie standen. Es waren alles stabile Bauwerke, die über Jahrhunderte den Elementen getrotzt hatten, aber nichts gegen die Wehrmauer, die hinter ihnen aufragte. Selbst das Logenhaus mit seinen hübsch gemeißelten Pfeilern, das mit Abstand das größte Gebäude war, wirkte vor dieser Mauer fast wie ein Spielzeughaus. Hoch über Zwölfs Kopf wölbten sich zwischen den Befestigungswällen anmutig die beiden Bögen der Himmelsbrücke, die den darauf patrouillierenden Jägern eine weite Fernsicht ermöglichten.

»Zwölf«, sagte Sieg stirnrunzelnd, »schon wieder ohne Partner?« Man hörte vereinzeltes Kichern. Mit finsterer Miene trat die Waffenmeisterin näher und senkte die Stimme. »Allein zu trainieren bringt dich nicht weiter. Du brauchst einen vernünftigen Gegner, der dich fordert.« Mit ihren blauen Augen musterte sie Zwölf durchdringend und erwartungsvoll.

Bevor Zwölf antworten konnte, spürte sie eine Hand auf ihrem Arm.

»Ich t…t…trainiere mit dir«, bot Sieben an, wobei sie darauf bedacht war, dem Blick der Waffenmeisterin auszuweichen.

Siegs Seufzer, den sie beim Weggehen ausstieß, sprach Bände.

»Irre unter sich«, murmelte jemand. Zwölf fuhr mit glühenden Wangen herum, um den Sprecher zur Rede zu stellen, aber er oder sie war bereits in der Menge verschwunden.

Das blasse rothaarige Mädchen neben ihr strahlte, während Zwölf stöhnte. Mit Sieben zu kämpfen war schlimmer, als mit einer Strohpuppe zu trainieren. Ihre Aufmerksamkeitsspanne war kürzer als die eines Splatzes und ihre Waffenkünste bestenfalls zweifelhaft. Darüber hinaus war ihr Körperbau, obwohl sie wie Zwölf ungefähr dreizehn Jahre alt sein musste, der eines viel jüngeren Mädchens. Zwölf kam sich neben ihr wie eine Riesin vor. Dadurch passten sie überhaupt nicht zusammen und doch waren sie oft aufeinander angewiesen. Alle anderen gingen ihnen aus dem Weg; Sieben war seltsam und Zwölf unheimlich.

Die meisten Baumstümpfe waren bereits besetzt, daher bahnten sich die Mädchen einen Weg über den Kampfplatz zu einer weniger belebten Stelle.

»W…w…wo ist Winnie?«, fragte Sieben im Gehen. »Den habe ich heute noch gar nicht gesehen.«

Winnie war Zwölfs Eichhörnchen, aber eigentlich hatte Sieben ihn gefunden, als er als Junges aus dem Nest gefallen war. Anstatt ihn zu behalten, hatte sie ihn Zwölf geschenkt, die sich bis heute nicht den Grund dafür erklären konnte.

»Ich weiß nicht genau«, erklärte Zwölf achselzuckend. »Er kommt und geht, wann er will.« Dann biss sie sich auf die Zunge, um nicht noch mehr zu sagen.

Sieben nickte, während sie schwerfällig ihr Schwert zog. Zwölf griff über die Schulter und packte ihre beiden Äxte am Schaft. Sie in den Händen zu halten, ließ ihr Selbstvertrauen wachsen und sie sprang leichtfüßig auf den nächstgelegenen Baumstumpf.

»Wollen wir?«, fragte sie.

Sieben prustete vor Lachen, als sie probeweise von einem Stumpf zum nächsten hüpfte. »Ganz schön kippelig, was?«

»Darum geht es ja gerade.« Zwölf konnte sich einen schnippischen Unterton nicht verkneifen. »Können wir anfangen?«

Gelächter, überraschte Rufe und das Klirren von Metall tönten über den Kampfplatz, aber sobald Zwölf auch nur mit der Axt nach Sieben ausholte, ließ diese schon ihre Waffe fallen oder kippte vom Baumstumpf. Schließlich trainierte Zwölf allein, während Sieben nur dasaß und ihr zusah.

Drehen, Schlagen, Ducken, Abblocken, Springen, Ausweichen. Immer schneller führte Zwölf die Übungen aus, bis ihre schwingenden Äxte glitzernd verschwammen. Sie schwitzte fürchterlich unter ihrem Fell, aber sie unterbrach den Fluss ihrer Bewegungen nicht und genoss die Herausforderung, auf den wackeligen Stümpfen das Gleichgewicht zu halten.

»Pass auf!«, rief Sieben plötzlich hinter ihr, dicht gefolgt von einem Schrei und einem Krachen.

Als Zwölf herumfuhr, sah sie einen großen dunkelhaarigen Jungen ausgestreckt auf dem Boden liegen. Sein wütendes Gesicht war rot angelaufen und er spuckte einen Mundvoll dreckigen Schnee aus. Es war Fünf – der, den Zwölf von allen in der Loge am wenigsten leiden konnte.

»Er hat sich an d…d…dich angeschlichen«, sagte Sieben, blass im Gesicht, aber mit trotziger Miene.

Fünf erhob sich und war nun deutlich größer als sie. »Wir sind hier im Kampfunterricht, du dumme Nuss. Da geht es schließlich ums Kämpfen.« Vielsagend ließ er den Blick über ihr schwächliches Aussehen und die fehlerhafte Schwerthaltung wandern. »Zumindest für die, die dazu in der Lage sind.«

»Ach, so wie du?« Zwölf schnaubte.

»Wir alle wissen, dass ich hier der beste Schwertkämpfer bin«, erklärte Fünf achselzuckend. »Ich dachte, ich könnte dir helfen, Zwölf. Deine Reaktionen testen und so. Schließlich kündigen sich die dunklen Wesen da draußen auch nicht an.«

»Du hast nicht versucht zu helfen«, sagte Sieben mit höherer Stimme als sonst. »Du w…w…wolltest sie verletzen, ich habe deinen Gesichtsausdruck gesehen.«

»Ach ja?« Fünf verdrehte die Augen. »Und hast du mir auch in den Kopf geschaut? Wusstest du genau, was ich vorhatte? Wer hätte gedacht, dass wir ein solches T…t…talent unter uns haben.«

Die anderen Schüler um sie herum prusteten vor Lachen und rückten näher, während Siebens Gesicht sich schmerzlich verzog. Unerwartet wurde Zwölf von dumpfer, pulsierender Wut durchzuckt. Ihre Äxte fest in den Händen haltend, stieg sie vom Baumstumpf.

»Apropos Talent.« Sie versuchte, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. »Hast du eigentlich irgendeins abgesehen davon, unausstehlich zu sein?« Fünf runzelte die Stirn, aber Zwölf sprach weiter: »Du bist nicht der beste Schwertkämpfer hier und du bist längst nicht so witzig, wie du …«

Fünf trat einen halben Schritt auf sie zu, als sich ein stämmiger Junge mit sandfarbenem Haar durch die Menge drängte. »Jetzt beruhigt euch beide mal«, sagte Sechs mit fester Stimme und zog Fünf am Arm weg. Sechs war Fünfs bester Freund, stiller und nicht ganz so unausstehlich, aber trotzdem bedachte Zwölf ihn mit einem finsteren Blick.

»Ich bin vollkommen ruhig!«, erklärte sie lauter als beabsichtigt.

Sechs grinste sie amüsiert an. »Klar, das sehe ich.«

»Was ist denn hier los?«, erklang Siegs Stimme scharf und laut, während sie schnellen Schrittes auf die versammelten Schüler zukam. »Macht euch sofort wieder ans Training!«

Selbst ein Winterwolf hätte die Gruppe nicht schneller auseinandergetrieben.

»Danke«, sagte Sieben, als Fünf und Sechs davonhasteten.

»Wofür?«, fragte Zwölf.

»Dass du d…d…dich für mich eingesetzt hast.«

Zwölf verkniff sich eine scharfe Erwiderung – Siebens Gesichtsausdruck war voller Wärme, ein Lächeln ließ Grübchen in ihren Wangen erscheinen. Einen Augenblick sah sie fast genauso aus wie … Zwölf verscheuchte den Gedanken – es war nie gut, an das Leben vor der Loge zu denken. Trotzdem spürte sie, wie ihre Lippen sich unwillkürlich zu einem Lächeln verzogen.

Schnell wandte sie sich ab, erschrocken über sich selbst, und sprang wieder auf den Baumstumpf.

»Du hast dich ja zuerst für mich eingesetzt«, sagte sie über die Schulter zu Sieben. »Außerdem sollte Fünf dankbar sein. Dieses Riesenego mit sich rumzuschleppen muss ganz schön anstrengend sein. Wenn es durch meine Hilfe ein kleines bisschen geschrumpft ist …«

Bevor Sieben etwas erwidern konnte, kam Sieg mit bedrohlicher Miene auf die beiden zu. »Warum stehst du bloß rum, Zwölf?«, fuhr sie sie an. »Mach weiter.«

Die Waffenmeisterin stand mit verschränkten Armen und gerunzelter Stirn da, während Zwölf fehlerlos ihre Übungen ausführte, bis ein Kieselstein sie schmerzhaft an die Schläfe traf.

»Aua!« Zwölf stöhnte auf und schwankte zum ersten Mal auf dem Baumstumpf.

Sieg legte kritisch den Kopf schräg und klapperte mit weiteren Kieseln in ihrer Handfläche. »Den hättest du kommen sehen und darauf reagieren müssen. Immer wachsam bleiben, Zwölf.«

Zwölf starrte sie an. Hatte die Waffenmeisterin sie wirklich gerade mit einem Stein beworfen?

»Fünf hatte recht«, sagte Sieg, den Blick fest auf Zwölf gerichtet. »Dunkle Wesen kündigen sich nicht an und geben dir auch keine zweite Chance. Los, weiter jetzt.« Mit einer Kopfbewegung wies sie auf Zwölfs Äxte.

Und warf noch einen Stein.

2. KAPITEL

Zwölf musste ein Dutzend weiterer Steinwürfe ertragen, bevor es ihr gelang, sie so zuverlässig abzuwehren, dass sie nicht mehr das Gleichgewicht verlor.

»Gut! Viel besser.« Der Hauch eines Lächelns erschien auf Siegs Lippen. Sie ließ die Kieselsteine in Siebens Hand fallen und stapfte davon, wobei bereits laute Kritik an der nächsten Gruppe zu hören war.

Sieben blickte mit offenem Mund zu Zwölf auf. »Hat sie d…dich etwa gerade angelächelt?«

Der Himmel über ihren Köpfen verdunkelte sich, als der winterliche Abend hereinbrach. Jägerinnen und Jäger liefen mit knirschenden Schritten auf dem gefrorenen Boden am dunklen Fuß der Mauer entlang und entzündeten die Fackeln, woraufhin ihre Schatten eigenartig in Zwölfs Augenwinkel flackerten. Hoch oben auf den Himmelsbrücken loderten Kohlepfannen auf. Die Temperatur war gesunken und vereinzelte Schneeflocken rieselten herab. Aus den von Kälte geröteten Gesichtern stiegen Atemwolken auf und Fellmützen wurden über kalte Ohrläppchen gezogen. Appetitliche Düfte zogen über den Kampfplatz hinweg und kündigten den Schülern das nahe Abendessen an. Der Elan der Gruppe ließ merklich nach.

»Genug für heute«, rief Sieg und versammelte die Klasse um sich. »Ich kann nicht behaupten, dass mich viele von euch beeindruckt hätten, daher werden wir diese Übung jetzt täglich wiederholen, bis das der Fall ist. Bringt eure Waffen zurück in die Waffenkammer und kommt in einer halben Stunde zum Essen. Und denkt daran: Immer wachsam bleiben.« Sie starrte alle Schüler durchdringend an, als könnte sie sie mit ihren finsteren Blicken zu größerer Aufmerksamkeit anhalten. Den allerfinstersten Blick hob sie sich für Sieben auf. »Sieben, ich will mit dir reden.«

Auf dem Weg zur Waffenkammer warf Zwölf einen Blick über die Schulter zurück und vermutete, dass Sieg Sieben schalt, weil sie sich nicht ausreichend beteiligt hatte. Das Mädchen sah betroffen aus. Einen Augenblick überlegte Zwölf, ob sie auf sie warten sollte, dann schüttelte sie den Kopf und schob den Anblick von Siebens hochgezogenen Schultern und ihrer bedrückten Miene schuldbewusst beiseite.

Die Waffenkammer war ein niedriges lang gestrecktes Gebäude und Zwölfs Lieblingsort. Der Geruch von Eisen, poliertem Holz und den Lederrüstungen, die sie beim Training trugen, hatte etwas Tröstliches an sich. Reihen funkelnder Speere, Schwerter und Streitäxte erstreckten sich bis in die düsteren Ecken, während sich noch weiter hinten die ungewöhnlicheren Waffen befanden: Morgensterne, Flegel und Kriegshämmer.

Zwölf nahm eine der brennenden Fackeln von der Wand im Inneren des Gebäudes und drängte sich zwischen ihren lachenden Klassenkameraden hindurch an den vertrauten Reihen der Langbögen entlang bis zum Platz ihrer Äxte. Als sie an einem hohen Regal mit Pfeilen vorbeikam, hörte sie Fünfs Stimme auf der anderen Seite.

»Das macht mich ganz krank. Jeden Tag stört sie und stiftet Unruhe! Wenn es nach mir ginge, hätte man sie längst rausgeschmissen.« Er schnippte mit den Fingern.

»Tja, es geht aber nicht nach dir«, erklärte Sechs. »Außerdem weißt du ganz genau, dass die Jäger das nicht tun werden. Wo sollte sie sonst hin? Wo sollte irgendjemand von uns hin?« Seine Stimme hatte etwas Schweres an sich, das Zwölf erschaudern ließ. »Außerdem warst du es, der heute angefangen hat, und ich glaube, dafür bist du ziemlich ungeschoren davongekommen.«

»Uh, du bist dermaßen vernünftig«, beklagte sich Fünf. »Macht dir das denn gar nichts aus? Wir haben unsere Familien, unser Zuhause, sogar unsere Namen aufgegeben, um hier zu sein. Und im Gegenzug müssen wir uns mit ihr rumschlagen? Dem schrecklichsten Mädchen in ganz Embra. Selbst, wenn sie noch eine Familie hätte, würden die sie bestimmt nicht wollen. Sie ist furchtbar, die reinste Höhlenkriecherin.«

»Fünf!« Sechs keuchte.

Das Waffengestell hinter ihnen knarrte, als Zwölf mit angespannter Miene und zornig zuckenden Kiefermuskeln so fest dagegendrückte, wie sie konnte. Sie würde es Fünf heimzahlen. Das Regal wackelte und neigte sich quietschend so weit zur Seite, bis es umkippte und gegen ein anderes Gestell mit Speeren stieß.

Fünf und Sechs sprangen gerade noch rechtzeitig zur Seite. Herabregnende Pfeile und schwere Regalbretter verfehlten sie nur um Haaresbreite. Warnrufe und überraschte Schreie erklangen überall, als ein Gestell gegen das nächste kippte. Waffen klirrten, Holz splitterte und Schüler schrien.

In der entsetzten Stille, nachdem das letzte Regal umgestürzt war, war Zwölfs Schlucken deutlich zu hören. Vor ihr erstreckte sich eine lange Reihe der Verwüstung.

»Beim frierenden Frost, Zwölf!«, zischte Sechs und rappelte sich auf. »Was stimmt nicht mit dir?«

»Zwölf war das?« Neben Sechs erschien Fünfs Gesicht im flackernden Fackelschein. Er grinste hämisch. »Ha! Du wirst dermaßen Ärger kriegen!« Sein triumphierender Ausdruck war mehr, als Zwölf ertragen konnte. Sie trat vor und wollte sich über die zerstörten Regale hinweg auf ihn stürzen.

»WAS IST HIER LOS?« Siegs Gebrüll war wie ein eisiger Wind, der sie zum Schweigen brachte. Dann fingen alle gleichzeitig an, wild durcheinanderzureden. Kurz darauf stand die Waffenmeisterin vor Zwölf und bebte vor wortloser Wut.

Zwölf richtete sich auf und schob herausfordernd das Kinn vor.

»Ich frage gar nicht erst«, knurrte Sieg und ließ den Blick über den Schaden schweifen. Eine Ader an ihrer Schläfe pulsierte beunruhigend. Sie schnappte nach Luft und packte Zwölf so fest am Oberarm, dass es schmerzte. »Direkt zu den Ältesten mit dir. Mal wieder.«

»Fünf hat Höhlenkriecherin zu ihr gesagt«, erklärte Sechs mit entschlossener Miene und wandte sich demonstrativ von Fünf ab. »Deshalb hat sie es getan.«

Entrüstetes Gemurmel breitete sich unter den dicht gedrängten Schülern aus und Sieg schnaubte empört. »Stimmt das, Fünf?«

Fünf trat schlurfend vor und warf Sechs einen gekränkten Blick zu, bevor er halb achselzuckend, halb entschuldigend nickend einräumte: »Ja, aber nur weil …«

»Ruhe! Es ist mir egal, warum ihr das getan habt. Folgt mir auf der Stelle und haltet den Mund!«

Sieg ließ Zwölfs Arm los und rauschte davon, was Zwölf und Fünf zwang, ihr würdelos hinterherzutraben.

Vor der Waffenkammer fiel der Schnee jetzt dichter und die Fenster leuchteten orangefarben, wodurch die Gebäude ausgesprochen einladend wirkten.

Etwas landete sanft auf Zwölfs Schulter und ihre Laune besserte sich schlagartig, als sich Winnie, ihr Eichhörnchen, an ihre Wange schmiegte. Sein kastanienbraunes Fell und der buschige Schwanz glänzten wie Kupfer im schwachen Licht, seine Augen strahlten.

»Hallo, du«, flüsterte sie. »Wo warst du denn?« Zur Begrüßung leckte er an ihrem Ohr und quiekte fröhlich, als sie ihm eine Handvoll Nüsse aus ihrer Tasche anbot. Nachdem er sich damit die Backen vollgestopft hatte, schlüpfte er unter ihr Fell und fing augenblicklich an zu schnarchen.

»Los, komm!«, fuhr Sieg sie verärgert an. Der frische Schnee knirschte unter ihren Stiefeln, als sie über den Kampfplatz zum Logenhaus eilte und dabei wütend zur Küche hinübersah. Zwölf knurrte der Magen und mutlos wurde ihr bewusst, dass sie im Unterschied zu Winnie vermutlich kein Abendessen bekommen würde. Seufzend steckte sie die Streitäxte wieder in die Schlingen auf ihrem Rücken und trottete hinter Sieg her.

»Ich weiß gar nicht, was bei Embra es da zu seufzen gibt«, flüsterte Fünf wütend. »Das ist alles bloß deine Schuld.« Er drehte sich um und hob die Stimme. »Und ich weiß auch nicht, was es da zu starren gibt!«

Sieben senkte den Kopf, als sie vorbeieilten, und fiel beinahe von ihrem Baumstumpf. Offensichtlich hatte Sieg ihr befohlen, während des Abendessens noch weiterzutrainieren. Mit einem reuigen Stöhnen sah Zwölf, dass das Mädchen ungefähr tausend Fehler auf einmal machte. Noch dazu imitierte sie Zwölfs Doppelaxtbewegungen, obwohl ihre Waffe ein Schwert war.

Aufrecht halten, beschwor Zwölf sie lautlos und zuckte zusammen, als Sieben schon wieder auf den steinharten Boden fiel. Sie hatte schon den Mund geöffnet, um ihr etwas Ermutigendes zuzurufen, schloss ihn dann aber abrupt wieder. Sie war nicht hier, um Freundschaften zu schließen – das würde alles nur komplizierter machen. Also atmete sie mehrmals zur Beruhigung tief durch, während sie hinter Sieg die Treppe zum Logenhaus hinaufstieg.

Die eindrucksvollen raumhohen Türen waren mit kunstvollen Schnitzereien verziert, die Schlachtszenen legendärer Jagden zeigten. Dahinter lag der große Saal, der größte Raum der Jägerloge. Die holzgetäfelten Wände waren mit antiken Waffen geschmückt und über den Kaminen hingen Trophäen: Die Köpfe von Winterwölfen, Ogern und anderen seltsamen Tieren, die aus glänzenden Glasaugen böse auf sie herabblickten. Zwölf blinzelte, während ihre Augen sich an das Licht gewöhnten, dann schauderte sie. Es war ein beeindruckender Raum, dazu gedacht, den seltenen Besuchern mit der Tapferkeit der Jäger zu imponieren.

Im Unterschied zum Rest der Jägerloge wurde das Logenhaus nicht von Fackeln, sondern von Mondsteinen erhellt. Die kleinen Steine, die in die Decke eingelassen waren, leuchteten im Dunkeln und tauchten alles in ihr geheimnisvolles silbriges Licht. Vor ihrer Ankunft in der Loge hatte Zwölf nicht recht an ihre Existenz geglaubt. Mondsteine waren wie Hexen, man sprach viel über sie, sah sie aber nie. Die Leute, die sie abbauten, verkauften sie selten. Das ließ Zwölf an den Höhlenclan denken und ihr drehte sich der Magen um. Die Vorstellung, dass dieser Clan Zugang zu solchen Wundern hatte, verursachte ihr Übelkeit. Schnell verdrängte sie den Gedanken, bevor unerwünschte Erinnerungen in ihr hochkamen.

Sieg klopfte stampfend den Schnee von ihren Stiefeln und führte sie eine Treppe hinauf. Weiche, hochflorige Teppiche, Geschenke von dankbaren Wüstenkarawanen, dämpften ihre Schritte. Weitere Mondsteine beleuchteten einen langen Flur, auf dem die Zimmer der drei Ältesten lagen. Zwölfs Mut sank, als Sieg sie bis zur letzten Tür führte, zur Ältesten Silber. Um sich abzulenken, betrachtete Zwölf die Geschenke der verschiedenen Clans, die ordentlich an den Wänden aufgereiht hingen: mit Froschhaut verkleidete Stelzen vom Sumpfvolk; ein kunstvolles Ruder des Flussclans; ein pelzweicher Rindenumhang von den Waldbewohnern und bunt gefiederte Gleitflügel des Gebirgsclans.

Zwölf saugte den Anblick in sich auf, bis sie vor Silbers Zimmer stehen blieben. Unter ihrem Fell erwachte Winnie. Er steckte den Kopf aus ihrem Kragen, um die Umgebung zu mustern, und quiekte niedergeschlagen. Zwölf konnte nur zustimmend seufzen, als Sieg anklopfte und die Tür aufschwang.

3. KAPITEL

»Sieg?« Älteste Silber war eine beeindruckende Frau, groß und schlank. Jede ihrer Bewegungen war von einer fließenden Anmut, die ihr Alter Lügen strafte. Ihre Haare standen in flaumigen weißen Büscheln vom Kopf ab und milderten die Gesichtszüge darunter kaum. Ihre Nase war spitz und recht groß, die Lippen dünn und die Augen beunruhigend blassblau wie ein zugefrorener See. Sie musterte die Gruppe vor sich und ihr Blick blieb an Zwölf hängen. »Oje.«

Die Enttäuschung in der Stimme der Ältesten war nicht zu überhören. Zwölf biss sich auf die Lippe und unterdrückte eine Welle der Scham. Winnie verzog sich wieder außer Sichtweite in den Schutz ihres Fells.

»Ja«, sagte Sieg, ohne ihren Ärger zu verbergen. »Schon wieder Probleme mit diesen beiden. Kann ich reinkommen?«

Silber nickte und trat zur Seite.

»Wartet hier«, knurrte Sieg ihnen über die Schulter zu, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

Fünf lehnte sich gegen die Wand auf der einen Seite der Tür und Zwölf auf der anderen. Beide bemühten sich geflissentlich, den anderen zu ignorieren, während sie vergeblich versuchten, das Gemurmel aus dem Zimmer zu verstehen.

»Kommt rein«, rief Silber schließlich. Fünf drängte sich an Zwölf vorbei und sie verkniff es sich nur mit Mühe, ihn so fest wie möglich zu schubsen.

Das Arbeitszimmer war groß und karg, die Steinmauern fast kahl. Drei Bogenfenster gingen auf den Kampfplatz hinaus und im Kamin brannte ein fröhliches Feuer. An der Wand über dem Kaminsims hing der Kopf eines riesigen Ygrex, dessen schreckliche Hörner und nadelspitze Reißzähne im Lichtschein glänzten. Zwei Ledersessel standen vor dem Feuer, aber Silber saß auf dem ungemütlichen geraden Stuhl hinter ihrem riesigen Schreibtisch. Zwölf kannte die Älteste gut genug, um zu wissen, dass das kein gutes Zeichen war.

»Unglaublich, was Sieg mir da berichtet«, erklärte Silber in schroffem Ton, die Fingerspitzen aneinandergelegt, als Fünf und Zwölf vor sie traten. »Ihr könnt von Glück sagen, dass niemand verletzt wurde, aber Sieg meint, in der Waffenkammer sei großer Schaden entstanden.«

»Es wird Stunden dauern, das alles in Ordnung zu bringen«, bestätigte Sieg grimmig.

»Das war Zwölf«, sagte Fünf schnell. »Ehrlich, ich habe nichts gemacht.«

Zwölf unterdrückte den Drang, laut aufzulachen. Nichts verabscheute Silber mehr, als wenn jemand versuchte, die Verantwortung von sich abzulenken. Das würde Fünf wohl nie lernen.

Silber warf ihm einen eisigen Blick zu, woraufhin seine aufmüpfige Haltung schwand. »Du hast nichts gemacht?«, fragte sie mit gefährlich ruhiger Stimme. »Sieg hat mir gesagt, du hättest offen den Höhlenclan beleidigt.«

Fünf schluckte, sein Gesicht hatte eine milchige Farbe angenommen. »Ja«, krächzte er. »Aber das hatte … äh … Gründe.«

»Und die wären?« Silber saß reglos da und sah Fünf an.

»Zwölf … äh … sie …«

Zwölf erlaubte ihren Mundwinkeln zu zucken. Sie genoss das hier mehr, als sie gedacht hätte.

»Schau sie doch an!« Fünfs Gesicht nahm wieder Farbe an. »Sie verspottet mich! Sie sieht auf alles herab und hält sich für was Besseres. Sie ist unerträglich und …«

»Schweig.« Silber hatte die Stimme nicht erhoben, aber trotzdem standen Zwölf die Haare zu Berge. Fünf stieß ein ersticktes Geräusch aus, als hätte er sich an seinen eigenen Worten verschluckt.

»Nur, damit ich das richtig verstehe: Es war Zwölfs Charakter, der dich dazu gebracht hat?« Hätte Silbers Stimme noch kälter geklungen, wäre die Luft um sie herum wohl zu Eis erstarrt.

Fünf leckte sich über die Lippen und quiekte wie eine Maus, die von einer Katze erwischt wird.

»Sag den Schwur auf«, befahl Silber und ihre Fingerspitzen waren dort, wo sie aufeinandertrafen, ganz weiß.

Fünf blinzelte überrascht, was er durch ein Husten zu überspielen versuchte. Der Schwur wurde jeden Morgen vor dem Frühstück und jeden Abend vor dem Abendessen gesprochen, aber es war ungewöhnlich, ihn zu anderen Zeiten zu hören. Fünf sprach schnell, die Worte kamen nach jahrelanger Wiederholung automatisch.

»Ich weihe mein Leben der Jägerloge.

Ich schwöre, allen Clans zu dienen wie meinem eigenen,

sie vor den Gefahren zu beschützen, die um uns drohen.

Ich entsage jeglichen Blutsbanden und Blutsfehden,

gebe meinen Namen auf und meine Vergangenheit.

Allein die Jäger sind nun auf ewig meine Familie.

Hiermit gelobe ich feierlich:

Niemals werde ich die Waffen strecken

im Angesicht der Finsternis,

niemals zulassen, dass ein Tyrann sich erhebt.«

In dem Schweigen, das auf die letzte Silbe folgte, verrutschte ein Scheit im Feuer und Funken stoben im Kamin auf. Zwölf unterdrückte ein Schaudern.

»Jeglichen Blutsbanden und Blutsfehden zu entsagen«, wiederholte Silber nachdenklich. »Was bedeutet das für dich, Fünf?«

»Zu vergessen, aus welchem Clan wir stammen, und alle als ebenbürtig zu betrachten«, antwortete er mit leicht zittriger Stimme.

»Richtig«, bestätigte Silber knapp. »Dies ist die wichtigste und schwierigste Regel der Loge: nie eure Vergangenheit zu erwähnen und nie über die Clans und Familien zu sprechen, die euch einst am Herzen lagen. Es ist ein großes Opfer, aber zwingend notwendig, um das Vertrauen zwischen der Loge und den Clans zu erhalten. Und das alles setzt du aufs Spiel, nur um eine Mitschülerin, die du nicht magst, zu beleidigen?«

Fünf wollte gerade antworten, aber Silber ließ ihn nicht zu Wort kommen. Ihre Stimme bebte vor unterdrückten Gefühlen.

»Wenn sich das in Embra herumspräche, glaubst du, dann würden uns die Clans weiterhin in ihre Dörfer bitten, um die dunklen Wesen zu jagen, die sie terrorisieren? Würden sie uns für unvoreingenommen halten? Darauf vertrauen, dass wir ihre Streitigkeiten neutral schlichten? Wie lange würde es deiner Meinung nach dauern, bis erneut ein Krieg ausbricht?« Silber schüttelte entrüstet den Kopf. »Du sprichst die Worte des Schwurs gedankenlos, ohne dir klarzumachen, was sie bedeuten. Ich würde vorschlagen, dass du das ab sofort änderst.« Sie atmete tief durch. »Jetzt würde ich gerne einen Moment mit Zwölf allein sprechen. Du kannst draußen warten, bis ich über deine Strafe entschieden habe.«

Fünf schluckte und eilte mit wächserner Miene hinaus.

»Dieser Junge!« Sieg seufzte. »Er glaubt, die Welt wäre ihm etwas schuldig.«

»Das erinnert mich an jemanden, den ich kenne«, sagte Silber und ihre Mundwinkel zuckten.

Sieg wirkte gekränkt. »An mich? Ich war ganz anders.« Sie hielt einen Moment stirnrunzelnd inne. »Oder nicht?«

Silber zuckte gutmütig mit den Schultern und sah Zwölf an. Der belustigte Ausdruck verschwand aus ihrem Gesicht. »Du hättest jemanden töten können, Zwölf.«

Zwölf nickte und mied Silbers und Siegs Blick. Sie wusste, dass Silber recht hatte.

Schließlich seufzte die Älteste und strich sich mit der Hand über das Gesicht. »Was machen wir bloß mit ihr, Sieg?«

Die Waffenmeisterin räusperte sich. »Wenn jemand am besten weiß, was das Richtige ist, dann du, Silber. Beim frierenden Frost, du hast schon genug schwierige Jugendliche angeleitet, und dazu zähle ich auch mich selbst.«

»Hmm, allerdings. Du bist mein größter Erfolg.« Die beiden Frauen lächelten sich an, die Wärme zwischen ihnen war geradezu spürbar. »Die hier allerdings …« Silber unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Ach, Zwölf. Was soll ich nur mit dir machen? Strafen, die andere Schüler abschrecken, kümmern dich nicht im Geringsten, und trotzdem bekomme ich täglich mindestens eine Klage über dein Benehmen gegenüber den Jägern oder den anderen Schülern zu hören.«

Zwölf versuchte, sich mit aller Kraft einzureden, dass Silbers Meinung über sie keine Rolle spielte. »Ja, Älteste Silber.« Ihre Stimme klang zittriger als gewollt.

»Ich kann verstehen …«, hob Silber zögerlich an. »Ich kann verstehen, warum es dir schwerfällt, hier Beziehungen zu knüpfen, vor allem angesichts der … na ja … wir wissen beide, welche Umstände dich hergeführt haben …«

Zwölf erstarrte. Silber hatte ihr bei ihrer Ankunft hoch und heilig versprochen, dass sie nie wieder darüber reden würden.

»Aber du bist nicht allein, Zwölf«, fuhr Silber fort. »Du bist längst nicht die einzige Schülerin hier, die ihre Familie verloren hat.«

Zwölf biss die Zähne zusammen. Sie hatte ihre Familie nicht »verloren« – sie waren alle tot, kaltblütig vom Höhlenclan ermordet.

Silber musste ihren Gesichtsausdruck bemerkt haben. Seufzend hielt sie inne und sah sich hilfesuchend nach Sieg um.

»Du bist eine der besten Schülerinnen im Kampfunterricht«, sagte die Waffenmeisterin zu Zwölfs Überraschung. »Wahrscheinlich sogar die beste. Aber du bist auch diejenige, bei der es am unwahrscheinlichsten ist, dass sie die Blutsprüfung besteht.«

»Warum? Du hast doch gerade gesagt, ich sei eine der Besten!«

»Sie weiß, was sie gesagt hat«, erklärte Silber ruhig. »Was glaubst du, warum, Zwölf? Was weißt du über die Blutsprüfung?«

Zwölf wünschte erneut, dass Sieg sie statt zu Silber zum Ältesten Raureif oder zur Ältesten Schneefall gebracht hätte. Ältester Raureif hätte sie angebrüllt, ihr eine Nachtwache auf der Himmelsbrücke aufgebrummt und sie sofort wieder vergessen. Älteste Schneefall hätte sie wahrscheinlich nur in ihre Schranken verwiesen. Warum musste Silber sich da so reinsteigern? Schuldgefühle nagten an Zwölf.

»Ähm …« Sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. »Wenn man sie für bereit hält, muss eine Gruppe Schüler zusammen in den Frostigen Forst hinaus, ähnlich wie eine Gruppe Jäger zu einer echten Jagd in einem Dorf gerufen würde. Sie bekommen eine Aufgabe, die sie erfüllen müssen, und wenn sie zurückkehren, wird entschieden, ob die Schüler zu Jägern werden und sich neue Namen wählen dürfen.«

Falls sie zurückkehren.

Zwölf blickte zu dem Kopf des Ygrex hinauf, dessen Augen sie von oben herab anfunkelten, und schluckte. Er sah sie blicklos an. Ygrexe waren bekanntlich schwierig zu besiegen. Sie schlichen sich in den Verstand ihrer Gegner, verdrehten ihre Erinnerungen, um sie zu umgarnen. Es hieß, dass Silber im zarten Alter von fünfzehn während ihrer Blutsprüfung gegen dieses Wesen gekämpft hatte. Von einer solchen Heldentat hatte man bei jemand so Jungem noch nie zuvor gehört und darauf gründete ihr furchterregender Ruf.

»Und du glaubst nicht, dass du damit Schwierigkeiten hättest?«, fragte Silber, während ihre ausdrucksstarken Augenbrauen Richtung Haaransatz schossen. »Macht dir in diesem Zusammenhang nichts Sorgen?«

»Wenn ich meine Streitäxte habe, kann ich alles schaffen«, sagte Zwölf störrisch, froh über das beruhigende Gewicht ihrer Waffen auf dem Rücken. Keiner der Jäger musste erfahren, dass sie gar nicht vorhatte, jemals an einer Blutsprüfung teilzunehmen.

»Glaubst du, ich hätte den Ygrex ganz allein besiegen können?« Silber wies mit dem Kinn auf den Kopf an der Wand.

Zwölf zögerte. Den Erzählungen zufolge hatte sie genau das getan.

Seufzend schüttelte Silber den Kopf. »Geschichten tendieren dazu, ein Eigenleben anzunehmen. Aber ohne meine Mitstreiter damals säße ich jetzt nicht hier. Das ist die Wahrheit. Und deswegen mache ich mir Sorgen um dich, Zwölf. Wer werden deine Mitstreiter sein?«

Zwölf stöhnte innerlich, als Silber zur Sache kam.

»Das Kämpfen ist nur eine der Eigenschaften, über die eine Jägerin verfügen muss. Natürlich ist das wichtig, um sich gegen die dunklen Wesen im Wald zur Wehr setzen zu können, aber unsere Rolle in der Welt verändert sich. Inzwischen verbringen wir mehr Zeit damit, den Frieden zwischen den Clans zu bewahren, als zu jagen. Und dafür braucht es Zusammenhalt, Geduld, Einfühlungsvermögen und Offenheit. Du verfügst über keine dieser Eigenschaften und scheinst entschlossen, dass das auch so bleibt. Wenn ich mich recht erinnere«, fuhr Silber fort, »hast du mir das letzte Mal, als du hier warst, versprochen, dich bei deinen Mitschülern mehr anzustrengen. Hast du das getan?«

Vor Zwölfs innerem Auge blitzte kurz Siebens Gesicht auf. Schnell schob sie es beiseite und betrachtete stattdessen die Dielen.

Sieg seufzte. »Nein, hat sie nicht. Sie hat in meinem Unterricht so gut wie nie einen Partner.« Enttäuscht hob sie die Stimme. »Eigentlich müsste sie sich da draußen mit den härtesten Gegnern messen. Sie ist sogar talentierter als ich in ihrem Alter.«

Zwölf schämte sich, stark und mächtig überkam sie das bittere Gefühl. Sie hatte beide enttäuscht.

Silber nickte und machte eine beruhigende Handbewegung in Siegs Richtung. Mit erhobener Stimme rief sie: »Fünf, komm bitte rein.«

Die Tür ging auf, Fünf kam hereingeschlichen und stellte sich neben Zwölf.

Als Silber weitersprach, klang sie entschieden und wütend: »Ihr habt euch heute Abend beide verabscheuungswürdig benommen und eure Haltung beunruhigt mich, gelinde gesagt. Ich glaube, eine Phase der stillen Selbstreflexion würde euch beiden äußerst guttun.« Nach einer kurzen Pause funkelte sie sie an. »Daher werdet ihr die Nacht im Kerker verbringen.« Fünf riss entsetzt den Kopf hoch und Zwölf hielt den Atem an. Winnie zitterte unter ihrem Fell. »Dort unten werdet ihr ausreichend Zeit zum Nachdenken haben«, fuhr Silber unerbittlich fort, »und in der Folge erwarte ich eine unverzügliche Besserung eures Verhaltens.«

Silber nickte, als müsste sie sich selbst von ihrem Entschluss überzeugen, dann stand sie auf und ging zur Tür. Zwölf und Fünf folgten ihr so entsetzt, dass sie sich noch nicht einmal anrempelten.

4. KAPITEL

Der Eingang zum Kerker lag neben der Waffenkammer. Als Silber die knarrende Tür aufschob, schien ein dunkler Sog herauszudringen und mit lautlosen Fingern nach ihnen zu greifen. Zwölf schauderte und Winnie, der jetzt auf ihrer Schulter saß, quiekte besorgt. Hinter ihr stockte Fünf der Atem und Zwölf versuchte, sich darüber zu freuen, dass er genauso große Angst hatte wie sie.

Sie sah zu Sieben hinüber, die immer noch auf dem Kampfplatz trainierte. Die Blicke der Mädchen trafen sich und Siebens Augen waren voller Mitgefühl, als sie in schweigender Solidarität das Schwert hob. Zwölf nickte kurz und das Gewicht auf ihrer Brust hob sich etwas. Als sie sich wieder dem Kerker zuwandte, kam ihr die Finsternis etwas weniger finster vor.

Silbers Fackel ließ die Schatten an den Wänden tanzen, als die kleine Gruppe eine steile Wendeltreppe zu einem düsteren Labyrinth aus Gängen hinabstieg. Die Älteste führte sie durch einen engen Flur, vorbei an einer in die Erde gegrabenen Zelle nach der anderen. Trotz Winnies Wärme kroch kühle Feuchtigkeit Zwölfs Nacken herab und der Geruch des klammen Bodens stieg ihr in die Nase. Irgendwo in der Nähe hörte man Wasser tropfen.

»Fünf kann hier rein«, sagte Silber, deren Profil vom Fackelschein beleuchtet wurde, zu Sieg. »Ich bringe Zwölf noch ein Stück weiter.«

Hinter sich hörte Zwölf, wie eine Tür zufiel und sich der Schlüssel im Schloss drehte. Zähneknirschend straffte sie die Schultern und holte tief Luft. Dass sie Angst hatte, bedeutete nicht, dass sie es zeigen musste. Ein paar Zellen weiter blieb Silber stehen und zog eine stabile Holztür mit Gitterstäben in Augenhöhe auf.

»Rein mit dir«, sagte sie schleppend.

Beim Eintreten ließ Zwölf den Blick durch den Raum schweifen. Ein Haufen verschimmeltes Stroh lag unter einem ausladenden Baldachin aus Spinnweben, die so groß waren, dass sie von einem Todesspinner hätten stammen können. In der Ecke stand ein fürchterlich stinkender Eimer. Zwölf ballte die zitternden Hände zu Fäusten und wandte sich wieder an Silber. Das Gesicht der Ältesten verdüsterte sich, und in ihrem Blick stand Bedauern.

»Es ist nur eine Nacht, Zwölf.« Ihre Stimme war sanft und mit der Hand berührte sie im Dunkeln Zwölfs Schulter. »Nutze die Zeit mit Bedacht. Bitte. Denk darüber nach, ob du eine Zukunft in der Loge hast. Denk darüber nach, was für ein Mensch du sein willst.«

Dann trat sie zurück und verschloss die Tür. In der gegenüberliegenden Mauer befand sich eine kleine Nische. Silber legte den Schlüssel dort ab und zündete die Kerze an, die darin stand.

»Ich schicke jemanden mit deiner Traummilch runter«, sagte sie im Weggehen über die Schulter. »Ich möchte nicht, dass du mehr als nötig leidest.«

Langsam löste sich Zwölfs Faust. Zwölf trat lautlos vor und drückte das Gesicht an die kalten Gitterstäbe, um Silber und Sieg so lange wie möglich nachschauen zu können. Als sie verschwunden waren, drängte die Stille heran. Zwölf musste unweigerlich an das Riesengewicht der Erde über sich denken, die nur darauf wartete, sie zu zerquetschen. Panik stieg flatternd in ihrer Brust auf wie eine Motte. Das spürte Winnie, der sich an ihren Hals schmiegte und ihre Wange leckte, bis sich ihre Gedanken beruhigten und ihr Atem wieder gleichmäßig ging.

Sie hob eine Hand und kraulte ihn an der Wange, so wie er es mochte. »Tut mir leid«, flüsterte sie. »Das ist meine Schuld. Du hättest etwas Besseres verdient.« Winnie quiekte zustimmend, leckte ihr aber weiterhin die Wange.

Wütend auf sich selbst schloss Zwölf die Augen und ließ das warme orangefarbene Kerzenlicht durch ihre Lider scheinen. Wenn sie so stehen blieb, konnte sie sich fast einbilden, irgendwo anders zu sein.

»Hast du sicher nicht.« Fünfs Stimme riss sie unsanft aus ihren Gedanken. Zwölf schlug die Augen auf und das Grauen des Kerkers überkam sie sofort wieder. Sie reagierte erst, als sie sicher sein konnte, dass ihre Stimme sie nicht im Stich lassen würde.

»Was habe ich nicht?«, fragte sie laut und genoss den eisigen Tonfall ihrer Stimme.

»Eine Zukunft in der Loge natürlich«, rief Fünf. »Wenn es hier jemanden gibt, der nicht dafür gemacht ist, dann du. Du könntest niemals Streitigkeiten zwischen den Clans schlichten. Das ist lachhaft, vollkommen undenkbar.«

Insgeheim war Zwölf ganz seiner Meinung. Die Loge war für sie nur Mittel zum Zweck, das war alles.

»Du hast recht«, sagte sie und freute sich diebisch über das erstaunte Schweigen, das darauf folgte.

»Äh … wirklich? Also, na klar hab ich recht!«, korrigierte Fünf sich schnell. »Natürlich.«

»Mein einziger Trost ist, dass du das noch weniger könntest«, fuhr Zwölf fort und fühlte sich trotz der herankriechenden Dunkelheit plötzlich gut. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie die Clans dein Gejammer ertragen sollen. Es wird keine Woche dauern, bis sie einen Bannmagier anheuern, um dich loszuwerden. Ich würde mindestens zwei Wochen länger durchhalten.«

»Gejammer?« Fünf klang fuchsteufelswild. »Meine Klagen beziehen sich alle auf dich und sind vollkommen berechtigt.«

»Versuch das dem Bannmagier zu erklären.« Zwölf zuckte mit den Achseln.

Ein Schlag ertönte, als hätte Fünf gegen seine Zellentür getreten. Dann sagte er spöttisch: »Silber hat was von Traummilch gesagt.«

Zwölf schwieg und ihr Grinsen schwand. Winnie sträubte sich das Fell.

»Hat da etwa jemand Albträume? Die arme kleine Zwölf, die so hart tut, obwohl sie eigentlich ein ganz sensibles Pflänzchen ist.«

Fünfs Gelächter klang schrill und gezwungen. Zwölf biss die Zähne zusammen und zog sich von der Tür zurück, bis sie Stroh unter den Füßen spürte. Sie setzte sich langsam, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und hielt den Blick auf den Lichtschein hinter den Gitterstäben gerichtet. Winnie huschte hinunter auf ihren Schoß, damit sie ihn streicheln konnte. Die gleichmäßige Bewegung beruhigte sie beide.

Ihre Gedanken wanderten wieder zu Silber. Zwölf wollte wütend auf die Älteste sein, aber stattdessen schämte sie sich bloß, dass sie sie enttäuscht hatte … mal wieder. Dasselbe galt für Sieben – Zwölf hätte nach dem Kampftraining auf sie warten sollen. Sieben hätte das bestimmt für sie getan. Wenn Zwölf gewartet hätte, hätte sie nicht gehört, was Fünf gesagt hatte, und dann säße sie jetzt nicht in diesem Schlamassel. Geknickt zog sie die Schultern hoch und versuchte ihre Gedanken auf ungefährlichere Dinge zu lenken.

Es fühlte sich an, als wären Stunden vergangen, als sie vom Geräusch sich nähernder Schritte aus ihren Träumereien gerissen wurde.

»Hallo?« Fünfs Flüstern in der Dunkelheit klang schmerzlich hoffnungsvoll.

Die Schritte tapsten zum Fuß der Treppe und den Gang entlang, vorbei an Fünf bis zu Zwölfs Zelle. Einen Augenblick lang zeichnete sich eine kleine Gestalt mit Kapuze hinter den Gitterstäben ab und ein Glas mit blasser Traummilch wurde dazwischen abgestellt. Daneben legte der Besucher ein rundliches Päckchen, dann huschte er wieder davon.

Winnie sprang mit neugierig zuckender Nase von Zwölfs Schoß auf die Tür zu.

»Danke«, rief Zwölf und rappelte sich eifrig auf. Normalerweise war sie nicht sonderlich erpicht auf Gespräche, aber heute Abend hätte sie vielleicht eine Ausnahme gemacht. Aber die Gestalt eilte bereits davon und ihre Schritte verhallten in der Dunkelheit.

Zwölf griff erfreut nach dem Glas Traummilch und hoffte, das Getränk würde ihren unbändigen Hunger stillen. In ihrer Hast stieß sie gegen das Päckchen daneben. Es fiel außerhalb ihrer Reichweite zu Boden und Zwölf stöhnte auf, nachdem ihr zu spät bewusst wurde, dass es möglicherweise etwas zu essen enthielt.

Ihre Ungeschicklichkeit verfluchend, trug sie die Traummilch vorsichtig ans andere Ende ihrer Zelle und setzte sich wieder. Winnie folgte ihr dicht auf den Fersen, aber sie schob ihn sanft weg.

»Du hast da noch Nüsse«, sagte sie und stupste seine dicken Backen an. »Und außerdem brauchst du das hier sowieso nicht.« Er starrte sie an, erst überrascht, dann erfreut. Kurz darauf hielt er eine Nuss zwischen den Pfoten und knabberte glücklich daran.

Eigentlich wollte Zwölf die Milch langsam genießen, aber dann stürzte sie sie herunter. Der tröstliche Kräutergeschmack linderte ihren Hunger und ihre Angst. Augenblicklich wurde sie ruhiger, die Dunkelheit schien zu weichen und das Atmen fiel ihr leichter. Angenehme Wärme breitete sich in ihren eisigen Gliedern aus und ihr fielen die Augen zu. Winnie kletterte auf ihre Brust und Zwölf gab sich bereitwillig dem Schlaf hin.

Als sie einige Zeit später hochschreckte, raste ihr Herz und sie wusste nicht, warum. Blinzelnd und desorientiert lag sie auf dem groben Stroh und fragte sich, ob sie vielleicht doch einen Albtraum gehabt hatte. Winnie, der auf ihrem Bauch hockte, hatte den Schwanz wie eine Bürste hoch aufgestellt und all seine Muskeln angespannt, während er in die Dunkelheit in der Ecke ihrer Zelle linste.

Dann hörte Zwölf es: Die Mauer wisperte.

Langsam setzte sie sich auf und rückte von der Wand ab, traute dabei kaum ihren Sinnen. Gab es hier unten Geister oder so was? Kurz darauf hörte sie es erneut: ein gedämpftes Gemurmel, dann ein Schlurfen und ein Grunzen. Es kam eindeutig aus dem Inneren der Mauer. Ein Erdklumpen fiel von oben herab, durchschlug die hauchdünnen Spinnweben und landete neben Zwölfs Füßen.

Verwirrt zuckten ihre Augenbrauen hoch. Was immer das war, ein Geist konnte es nicht sein, zumindest nicht ihrem zerfledderten Exemplar von Magische Tierwelt zufolge. Das hatte sie so oft gelesen, dass sie es praktisch auswendig kannte.

Geister sind die verirrten Seelen gewaltsam Gestorbener. Sie sind leicht zu erkennen, denn sie behalten ihre ursprüngliche Gestalt bei, wenn auch in durchscheinender Form. Als geisterhafte Wesen können sie unbeseelte Objekte weder berühren noch verändern, aber sie können mit Wesen interagieren, die selbst eine Seele haben. Durch die Heimsuchung von Tieren und gelegentlich sogar Menschen können Geister großen Schaden anrichten.

Ein Geist kann nicht getötet werden, da er bereits tot ist. Die einzige Möglichkeit, ihn dauerhaft von der Erde zu verbannen, ist, seine sterblichen Überreste zu finden und zu verbrennen.

Aggressionspotenzial: 5/10

Bedrohungsausmaß: 5/10

Schwierigkeitsgrad der Bekämpfung: 7/10

Zwölf starrte die heruntergefallene Erde an. So etwas konnten Geister nicht und schlurfende Geräusche machten sie auch nicht.

Sie schluckte und kroch mit Winnie über den Boden, bis sie direkt an der verschlossenen Tür saß. Angst wallte in ihr auf und sie tastete nach ihren Äxten. Das grunzende, schlurfende Geräusch ertönte erneut und noch mehr Erde fiel herab. Zwölf wurde von so heftigem Entsetzen gepackt, dass ihr übel wurde. Sie war in der Finsternis gefangen. Ihre Äxte würden ihr nicht weiterhelfen, wenn die Decke runterkam; dann würden Winnie und sie lebendig begraben werden. Die Panik schnürte sich wie ein Riemen eng um ihre Brust und sie schnappte mühsam nach Luft, Winnie in der einen Hand, die Äxte in der anderen.

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