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Panda Kingdom - Gefährliche Abgründe

hier erhältlich:

Band 2 der packenden Fantasy-Saga

Die beiden Pandas Blättchen und Regen sind froh, einander gefunden zu haben. Aber während Blättchen ihre Aufgabe als Drachenzunge annimmt, um den anderen Tieren zu helfen, flieht Regen vor der Verantwortung und gerät kurz darauf in Gefangenschaft. Währenddessen ahnt ihr Bruder Geist immer noch nichts von ihnen. Aber er lernt einen wortgewandten Anführer kennen, der ihn in die Gruppe der Südwaldpandas aufnehmen will … Die drei Pandageschwister müssen gefährliche Abgründe erkennen und dürfen nicht hineintappen.


Die neue Reihe von der Autorin des Mega-Bestsellers "Warrior Cats"


  • Erscheinungstag: 27.12.2022
  • Aus der Serie: Panda Kingdom
  • Bandnummer: 2
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505150807

Leseprobe

Für Rowan

Wer sind die wichtigsten Personen im Bambusreich?

AUS DEM SÜDWALD

Glücksberg-Pandas:

Regen Glücksberg, ihre Mutter Pfingstrose, ihr bester Freund Kiesel Glücksberg
außerdem: Blüte Glücksberg, Horizont Glücksberg, Morgenrot Glücksberg und viele mehr

Drachenzunge: Sonnenrot Schattenforst

AUS DEM NORDWALD

Rankforst-Pandas:

Blättchen Rankforst, ihre Tante Pflaume, Blättchens bester Freund Flitzer (Roter Panda)
außerdem: Sturmwind Rankforst, Hyazinthe Rankforst, Holzapfel Rankforst und viele mehr

AUS DEM WEISSKAMMGEBIRGE

Die Kinder von Winter: Geist, Frost, Schneesturm, Schauer

Prolog

Küstenruhe, ein Schwarzhalskranich, segelte auf den lebhaften Windströmungen dahin, die über den Gipfeln und Tälern des Bambusreichs herrschten. Seine Gefährtin, Stillwasser, berührte im Flug mit ihren schwarzen Flügelspitzen die seinen.

Es wäre so schön, zu ihrem Nest in den seichten Flachgewässern des großen Flusses zurückzukehren. Der Sommer neigte sich langsam seinem Ende zu, und die nördlichen Uferbereiche waren der perfekte Ort, um dort auszuharren, während es im Winter in den Bergen bitterkalt wurde.

Sie folgten dem glitzernden Flusslauf, der das Bambusreich durchschnitt, überquerten Stromschnellen und dichte Wälder, bis Stillwasser schließlich ein leises Krächzen ausstieß.

»Wir sind fast da. Sieh mal, dort ist der Wasserfall. Die bemoosten Felsen sind gleich hinter dieser Biegung.« Sie beschrieb in der Luft einen Bogen und suchte mit ihren scharfen Augen das Ufer nach dem Nistplatz ab. Doch als sie die Kehre des Flusses überflogen, sah Küstenruhe nach unten aufs Wasser und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.

»Wo sind die Felsen?«, rief er.

Der Nistplatz sah ganz anders aus, als er es in Erinnerung hatte. Er und Stillwasser hatten nach der großen Flut lange Zeit suchen müssen, um einen geeigneten Platz zu finden, an dem sie ihr Nest bauen konnten. Als sie im Frühjahr davongeflogen waren, hatten sie einen sanften Hang hinter sich gelassen, der zum flachen Wasser führte, umgeben von bemoosten Felsen – ein perfekter Ort, um kleinere Fische zu fangen und gleichzeitig vor der Strömung des Flusses geschützt zu sein. Doch jetzt war der Abhang zum Flussufer viel steiler …

»Sieh nur!« Stillwasser ging in den Sturzflug über und landete auf der bemoosten Spitze eines hohen Felsvorsprungs. Küstenruhe ließ sich neben ihr nieder und schnappte entsetzt nach Luft. Hier, ganz oben auf dem Felsen, lag ihr altes Nest: ein gemütlicher Kreis aus Zweigen, Bambus und Moos. Er brauchte einen Moment, um es zu begreifen. Warum war das Nest nicht mehr am Wasser? Doch dann verstand er, dass sich nicht das Nest bewegt hatte – sondern der Fluss! »Küstenruhe«, hauchte Stillwasser. »Die Flut weicht endlich zurück!«

Küstenruhe hüpfte von dem Felsen hinunter zur neuen Uferlinie des Flusses. In der Nähe ragte ein knorriger, von Algen bedeckter Baum aus dem Wasser, der zuvor ganz von der Flut überspült gewesen war. Daneben wuchs bereits ein Bambussprössling aus dem Schlick, der ein erstes hellgrünes Blatt besaß. Die Sonne schien auf alles herab, trocknete die Felsen und brachte die Wasseroberfläche des Flusses zum Glitzern. Selbst die Strömung wirkte ein wenig ruhiger als zuvor. Andere Vögel hüpften neugierig am Ufer entlang, pickten im Schlamm herum, während sich über ihren Köpfen zwei Flughörnchen von Ast zu Ast schwangen und aufgeregt keckerten.

»Das ist wunderbar«, krähte Stillwasser. »Endlich wird alles wieder normal.«

Sie neigten einen Moment lang die Köpfe zueinander und trennten sich dann, um den besten Ort für ein neues Nest zu suchen. Küstenruhe entdeckte ein schattiges Plätzchen im neuen Flachwasser, wo die Strömung einen großen, glatten, weißen Felsen umspülte. Sie sammelten Zweige und Blätter und begannen, sie ineinanderzuwinden und Schicht um Schicht aufzubauen. Ein großer Karpfen huschte vorbei, und Küstenruhe hielt inne, um ihn dabei zu beobachten, wie er sich einen Weg durch den Wald aus Wasserpflanzen bahnte.

Stillwasser nahm ihm den Zweig aus dem Schnabel und fügte ihn an der richtigen Stelle ein. Dann stieg sie ins Nest und wieder hinaus und betrachtete ihr Werk mit geschultem Blick. Küstenruhe krächzte leise in sich hinein und zupfte sich eine lose Feder unter dem Flügel aus. Sie war einfach so gut darin, ein Nest zu bauen. Der rote Fleck auf ihrem Scheitel fing das Licht ein, während sie arbeitete, und seine charakteristische Form, die an ein Ginkgoblatt erinnerte, schimmerte im hellen Sonnenschein.

Er verwob die Feder in das Geflecht des Nestes, stakste dann ein wenig tiefer ins Wasser und spürte, wie diese besondere neue Strömung seine spindeldürren Beine umspülte. Der Fluss hatte sie schon immer gewarnt, wenn Ärger im Anzug war, doch im Moment fühlte sich das Wasser auf undefinierbare Weise unruhig an. Es war nicht das laute Platschen eines sich nähernden Angreifers. Es war das Gefühl einer großen Veränderung, die weitere Veränderungen mit sich bringen würde …

Hinter sich hörte er ein leises Platschen, und er drehte sich um. Stillwasser stand neben dem Nest, der Zweig, den sie eben noch im Schnabel gehalten hatte, dümpelte nun im Wasser zu ihren Füßen.

Ihr Schnabel war leicht geöffnet, und ihr sonst so scharfer Blick wirkte verschwommen.

»Hast du das gespürt?«, gurrte sie leise.

Küstenruhe konzentrierte sich auf die Strömung, doch er konnte keine Veränderung wahrnehmen. »Was denn?«, fragte er.

»Irgendetwas war hier.« Die Federn in Stillwassers Nacken stellten sich auf, und sie hüpfte nervös von einem Fuß auf den anderen. »Hast du es denn nicht bemerkt? Es hat sich angefühlt, als ob … etwas mich angeatmet hätte.« Sie hielt einen Moment inne und lief dann in den Fluss, mit jedem ihrer Schritte spritzte Wasser gegen Küstenruhes Beine. Er beobachtete verwirrt, wie seine Gefährtin im seichten Wasser auf und ab marschierte, wobei sie einen weiteren Karpfen aufschreckte, der sich an einer sonnigen Stelle ausgeruht hatte.

»Was ist los?«, wollte Küstenruhe wissen, und seine eigenen Nackenfedern stellten sich auf. »Ich habe nichts gespürt.«

»Ich … ich glaube … ich muss gehen.« Stillwasser hörte auf herumzuwandern und sah Küstenruhe in die Augen. »Es tut mir so leid.«

»Gehen?« Küstenruhe verstand gar nichts mehr. »Wir sind doch gerade erst angekommen. Aber wir können das Nest auch versetzen, wenn du –«

»Nein, das ist es nicht«, unterbrach ihn Stillwasser. »Das Nest ist perfekt. Es liegt an mir. Ich spüre etwas … Etwas ruft nach mir. Da gibt es etwas, das ich tun muss.« Sie platschte durch das Wasser neben ihm und drückte ihren Hals an seinen. »Ich komme so schnell ich kann zurück.«

»Warte doch, Still…«, setzte Küstenruhe an, aber Stillwasser wartete nicht. Sie hob mit einem Satz ab, eine funkelnde Spur aus Wassertropfen hinter sich durch die Luft ziehend. Mit ein paar kraftvollen Schlägen ihrer schwarz-weißen Flügel schwebte sie Richtung Nordwald und wurde von den verwobenen Blättern des Bambus verschluckt.

Küstenruhe schüttelte sich und hob ebenfalls ab, verzweifelt hinter ihr her flatternd, doch sie war bereits verschwunden, als hätte ein starker Wind sie auf und davon getragen. Er kreiste in der Luft und suchte nach seiner Gefährtin oder der Strömung, die sie mitgenommen hatte, doch vergeblich.

Was war gerade geschehen? Wo wollte sie hin? Wann würde sie zurückkehren?

Würde sie jemals zurückkehren?

Mit einem leisen Knacken brach plötzlich ein Stück des Nestes unter ihm von dem Felsen ab, auf den es gebaut war, und schon rutschte das gesamte Geflecht in den Fluss. Küstenruhe gab ein erschrockenes Krächzen von sich und flog hinterher, tauchte ins Wasser und packte das Nest mit dem Schnabel, um es zurück und in Sicherheit zu ziehen.

Was hat das für einen Sinn? Ohne Stillwasser …

Aber diesen Gedanken wollte er nicht zulassen.

Sie wird zurückkommen, und wenn es so weit ist, wird sie ein wunderschönes Nest vorfinden. Unser Nest.

Er rang mit dem Bündel aus Zweigen und versuchte verzweifelt, es zu retten, auch wenn schon Teile des Nestes auseinanderfielen und davontrieben. Er brauchte etwas, womit er es auf dem Felsen festklemmen konnte. Hektisch blickte er sich um, bis sein Blick auf etwas Langes, weiß Schimmerndes unter der Wasseroberfläche fiel. Es hatte die gleiche Farbe wie der Felsen. Doch als er den Schnabel ins Wasser tauchte, um es herauszupicken, erwies es sich als viel länger, und schließlich hatte er etwas Dünnes, Gebogenes herausgeholt.

Es war kein Felsen – es war ein Knochen.

Küstenruhe hatte in den Bergen genügend Raubtiere mit ihrer Beute gesehen, um zu wissen, dass es sich um einen Rippenknochen handelte – und dieser hatte einmal zu einem viel, viel größeren Lebewesen als einem Fisch gehört.

Er legte ihn vorsichtig ab und sah sich um.

Die Knochen waren überall. Unzählige ragten aus dem Schlamm heraus oder schimmerten unter der Wasseroberfläche. Es mussten die Knochen all derer sein, die in der Flut gestorben waren.

Es waren so viele. Er hatte die Knochen für Steine gehalten, solche wie der große blasse Felsen, auf dem sie ihr Nest gebaut hatten …

Er machte kehrt und begann, den Felsen langsam zu umkreisen. Dann hielt er inne und erschauderte, als er die beiden großen, runden Einkerbungen auf der anderen Seite entdeckte. Augenhöhlen, und darunter eine Reihe scharfer Zähne.

Ein Kreischen ließ Küstenruhe hochschrecken, während er noch auf das Knochenfeld starrte, in dem er sein Zuhause eingerichtet hatte. Instinktiv erhob er sich in die Lüfte und fand sich inmitten eines Schwarms von Regenpfeifern wieder.

»Flieg, flieg, beeil dich!«, piepsten sie ihm zu. »Raubtier!«

Küstenruhe drehte ab und kreiste über dem Ufer, um herauszufinden, was die Vögel so verängstigt hatte. Er sah, wie die Flughörnchen hastig von Baum zu Baum sprangen und ein paar Fasane panisch den Felsen verließen, auf dem sie sich gesonnt hatten …

Dann wusste er, was sie erschreckt hatte, und Panik ergriff ihn. Das Raubtier kletterte leichtfüßig den Hügel hinab, die schwarzen und orangen Streifen bewegten sich über den Muskeln. Der Schrecken, den es verbreitete, schien ihn nicht zu interessieren. Seine Schnurrhaare zuckten und es hob witternd den Kopf, als es den Fluss erreichte und hineintrat, bis das Wasser seine Brust umspülte.

Selbst von hoch oben konnte Küstenruhe das tiefe Knurren des Tigers hören, das die Luft erfüllte. Er schien flussabwärts zu starren, die Ohren aufgestellt, den Schwanz auf dem Wasser peitschend.

Küstenruhe wusste nicht, wen das Raubtier gerade jagte, doch er war froh, dass nicht er es war.

Schließlich wandte sich der Tiger wieder um und watete zurück zum Ufer.

Im Vorübergehen streifte er das Nest. Es löste sich erneut von dem riesigen Schädel, und Küstenruhe musste schweren Herzens mitansehen, wie sein Zuhause – alles, was ihm von seiner verschwundenen Gefährtin geblieben war – von den Fluten mitgerissen wurde.

1. Kapitel

Blättchen kletterte auf einen flachen Felsen und reckte die Schnauze in Richtung des Drachenbergs. Er war immer noch so weit weg, schimmerte violett hinter dem Nebel aus wirbelnden Wolken, doch Blättchen wusste, dass sie ihren Weg dorthin finden würden. Ein kalter Windstoß zerzauste ihr den Pelz und sie sah schaudernd den steinigen Pfad entlang, den sie als Nächstes erklimmen mussten, und auf die Schneewehen, die am Horizont zu erkennen waren.

Sie waren so weit gekommen – sie und ihr bester Freund Flitzer, der Rote Panda –, hatten Berg um Berg erklommen, vor Graupelschauern Schutz gesucht und das heftigste Erdbeben überstanden, das Blättchen je erlebt hatte. Sie waren dem Pfad des Großen Drachens gefolgt und hatten sich sogar mit einem Tiger verbündet. Und der Tiger hatte sie hierhergeführt.

Sie drehte sich um und sah hinab zu dem Platz zwischen den Bäumen am Hang des Berges, wo Flitzer Blätter von dem lilafarbenen Heilbambus zupfte, damit Tante Pflaume sie fressen konnte. Es ging ihr bereits besser, die Entzündung zog sich aus der Wunde zurück. Es sah allerdings so aus, als würde sie eine hässliche Narbe zurückbehalten.

Neben ihnen saß ein anderer junger Panda, der das Bambusrohr für Flitzer festhielt. Das Pandamädchen sah genauso aus wie Blättchen, nur, dass es besser genährt schien – seine Gestalt war ein wenig runder und der Pelz etwas glänzender. Regen Glücksberg, Blättchens Schwester.

Danke dir, Großer Drache, dachte Blättchen, dafür, dass du Pflaume aus den Fängen des weißen Monsters gerettet hast und dass du meine Schwester und mich zusammengeführt hast.

Sie hatte sich immer gewünscht, den Fluss zu überqueren und ihre Mutter zu finden – und ihre Schwester. Und jetzt hatte nicht nur Regen sie gefunden, sondern sie hatten auch erfahren, dass sie noch ein drittes Geschwister hatten, einen Drilling, irgendwo im Bambusreich.

Und wir sind Drachenzungen.

Sie glaubte, was der Tiger Schattenjäger ihr über ihr Schicksal erzählt hatte, aber es war immer noch sehr, sehr seltsam. Sie war immer davon ausgegangen, dass der Drache die Pandas hören konnte, wenn sie ihm für das Mahl dankten und ihn um Hilfe baten. Doch zu wissen, dass der Drache etwas erwidern könnte, ließ sie ihre Worte überdenken.

Danke, dass du uns hilfst. Sie schaute wieder zum Drachenberg hoch. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um eine gute Drachenzunge zu sein und im Bambusreich alles wieder in Ordnung zu bringen.

Sie hoffte, die richtigen Worte gefunden zu haben.

»Regen, Liebes, erzähle mir bitte alles über die Glücksberg-Pandas«, bat Pflaume, die sich aufgesetzt und an einen Baumstamm gelehnt hatte. »Wie viele sind es? Es klingt so, als würde dort viel mehr Bambus wachsen.«

»Ja. Haufenweise«, erwiderte Regen. Pflaume und Blättchen sahen sie erwartungsvoll an, doch sie ging nicht näher darauf ein.

Sie muss das immer noch alles verarbeiten. Blättchen konnte das gut verstehen – Regen war fast im Fluss ertrunken. Als sie dann wieder zu sich gekommen war, hatte sie sich weit von zu Hause entfernt wiedergefunden, wo eine fremde Pandabärin ihr erklärt hatte, dass sie ein Drilling war und dass der Panda, den sie Mutter nannte, gar nicht ihre leibliche Mutter war – und dass sie selbst eine Drachenzunge war. Blättchen konnte es ihrer Schwester nicht verübeln, dass sie alles für einen seltsamen Traum hielt.

»Und … erzähl mir noch einmal«, verlangte Pflaume mit gerunzelter Stirn, »von Sonnenrot. Ist es nicht möglich, dass du dich geirrt hast?«

Regen lachte verächtlich. »Was, du meinst, ich habe mir vielleicht nur vorgestellt, dass er mich unter Wasser gedrückt hat?«

Pflaume wirkte gekränkt. »Ganz und gar nicht, Liebes. Ich meinte nur … Ich habe ihn getroffen, vor der Flut, und er war eine freundliche, weise Drachenzunge. Er hat mir keinen Anlass gegeben, ihn für einen Lügner zu halten.«

Regen legte den Kopf schief und kratzte sich hinter dem Ohr. »Also, nichts für ungut, ehrlich – aber alle Glücksberg-Pandas denken genau wie du. Sie sagen, er ist weise, nur, weil er gut darin ist, vage Prophezeiungen aufzustellen, die einfach eintreten müssen. Und sie sagen, er ist freundlich, weil sie nicht miterlebt haben, dass er mit den Goldstumpfnasen einen Pakt eingegangen ist, damit sie wehrlose Junge verprügeln. Sie denken nicht darüber nach, dass seine Ideen keinen Sinn ergeben: Sie nehmen sie einfach für bare Münze. Sie wollen an ihn glauben, also tun sie es einfach. Sogar meine Mutter! Selbst mein bester Freund, Kiesel …«

Sie brach ab, und ihr mürrischer Gesichtsausdruck verwandelte sich in einen traurigen.

»Wir werden der Sache auf den Grund gehen«, sagte Pflaume sanft. »Ich weiß nicht, was mit ihm geschehen ist, während er als vermisst galt, aber wir werden herausfinden, warum er sich so verändert hat.«

»Falls er sich verändert hat«, murmelte Regen. »Wir wissen nicht, ob er jemals ein guter Panda gewesen ist. Mir ist es eigentlich auch egal. Ich muss ihn einfach aufhalten.«

»Hey, das sollte nicht zu schwer sein«, schaltete sich Flitzer ein. »Nicht, wenn die erst mal merken, dass die echten Drachenzungen hier sind!«

Tante Pflaume seufzte schwach, aber erleichtert. Ihr Blick suchte Blättchens, und Blättchen war es etwas unangenehm, die Ehrfurcht in ihren Augen zu erkennen. »Mein kleines Blättchen – eine Drachenzunge«, sagte sie. »Und die erste, die jemals diese Ehre mit ihren Wurfgeschwistern teilt. Ich könnte nicht stolzer auf dich sein, Liebling. Auf euch beide«, fügte sie mit Blick auf Regen hinzu.

Regens Gesichtsausdruck war wieder misstrauisch.

»Ich weiß, es ist viel für dich«, sagte Blättchen zu ihrer Schwester. »Aber Flitzer hat recht. Natürlich würdest du am liebsten zurückgehen und deinen Freunden helfen, aber wir haben jetzt eine Aufgabe. Und diese Aufgabe wird uns helfen, sie zu retten! Wir können Sonnenrot herausfordern und dem ganzen Bambusreich damit helfen!«

»Und ich werde euch helfen, das zu schaffen«, erklärte Pflaume. Mühsam rappelte sie sich auf. Blättchen rannte zu ihr, um sie mit der Schulter zu stützen, doch Pflaume lachte leise und schob sie mit der Schnauze von sich. »Ich bin stark genug, um zu laufen – dank Flitzer und seines heilenden Bambus«, fügte sie hinzu und leckte dem kleinen Roten Panda dankbar das Ohr. »Ich weiß, was ihr als Nächstes tun müsst. Wir sollten weitergehen zum Drachenberg. Alle neuen Drachenzungen unternehmen diese Reise, um das Ritual auszuführen und vom Drachen selbst akzeptiert zu werden.«

»Was denn für ein Ritual?«, wollte Regen wissen.

»Kein anderer Panda weiß, was tatsächlich in der Höhle geschieht«, erklärte Pflaume. »Es bleibt ein Geheimnis zwischen der Drachenzunge und dem Drachen. Aber jede Drachenzunge muss es tun.«

»Dann lasst uns besser aufbrechen«, meinte Blättchen. »Aber nur, wenn du wirklich sicher bist, dass du laufen kannst.« Sie sah ihre Tante an und zuckte beim Anblick der frischen Wunden zusammen, die das weiße Monster auf ihrer Nase und an einer ihrer Flanken hinterlassen hatte. Sie waren nicht tief, aber noch offen, das weiße Fell um sie herum bräunlich verfärbt vom Blut.

»Solange wir für die Mahlzeiten rasten, werde ich zurechtkommen«, erwiderte Pflaume. Sie probierte, ein paar Schritte zu laufen, und dann noch ein paar mehr. Blättchen blieb dicht hinter ihr, für den Fall, dass sie ins Stolpern geraten sollte, doch nachdem sie einige Bärenlängen gegangen waren, entspannte sie sich. Sie drehte sich zu Regen um.

Ihre Schwester hatte sich nicht bewegt. Sie saß immer noch unter einer der knorrigen Kiefern, die Nase witternd in die Luft gereckt, die Stirn gerunzelt. Als sie bemerkte, dass Blättchen sie ansah, kam sie auf die Pfoten, doch ihre Schritte waren zögernd. Sie kickte einen Haufen Kiefernnadeln beiseite.

»Ich bin mir nicht sicher, ob wir das Richtige tun«, meinte sie. »Was, wenn du falschliegst? Dann wärt ihr den ganzen Weg zum Berg umsonst gelaufen. Ihr könntet sterben. Ihr könntet erfrieren oder von Leoparden gefressen werden. Oder dieser Tiger könnte zurückkommen – was, wenn er sich die ganze Sache nur ausgedacht hat, um sicherzugehen, dass ihr schwach und allein seid, ehe er wiederkommt, um euch zu fressen?«

Blättchen hätte Regen gern gesagt, dass das lächerlich war, aber sie erinnerte sich selbst daran, dass Regen noch keine Zeit gehabt hatte, sich an all das zu gewöhnen. »Schattenjäger ist auf unserer Seite, das verspreche ich«, erklärte sie, zum Teil an Flitzer gewandt, der erschrocken gewirkt hatte bei der Vorstellung, dass der Tiger sie möglicherweise hinterging. »Es wird alles gut gehen, solange wir zusammenhalten. Und wenn wir den Drachenberg erreicht haben und nichts geschieht, nun, dann wissen wir es wenigstens sicher, oder nicht?«

Regen seufzte und sah über ihre Schulter. Blättchen folgte ihrem Blick und bemerkte, dass sie nach Süden schaute, wo der Berg zum Fluss hin abfiel, in die Richtung, in der auch Glücksberg lag. Sie stellte sich auf eine erneute Diskussion mit Regen ein, doch Regen wandte den Blick ab und sah sie an.

»Alles klar, ich komme mit. Ich schätze, dann werde ich eben herausfinden, dass ich doch keine Drachenzunge bin«, fügte sie mit einem Grinsen hinzu.

Blättchen grinste zurück.

Du neckst mich. Wie eine richtige Schwester!

Als die vier die Lichtung verließen, um dem steinigen Pfad zu folgen, der zu dem violett schimmernden, nebelverhangenen Drachenberg führte, spürte Blättchen ihre wachsende Anspannung. Wenn sie den Drachenberg erreichten … was würde dann geschehen? Würden sie wirklich den Drachen sehen? Würde er mit ihnen sprechen?

Was auch immer geschehen würde, für den Moment war sie zufrieden damit, darauf zuzugehen. Ihre Schwester war bei ihr, und bald würde Regen es auch annehmen können.

2. Kapitel

Geist hielt seine Beute zwischen den Krallen und versuchte, sie unter Kontrolle zu bekommen, genau wie Winter es ihm beigebracht hatte, damit er einen sauberen, tödlichen Biss ausführen konnte. Aber das Ding wollte einfach nicht stillhalten – es sträubte sich und zappelte, obwohl er es auf dem Boden festgenagelt hatte. Die wedelnden Glieder trafen ihn im Gesicht und brachten ihn dazu, zurückzuweichen, was bedeutete, dass er den Griff lockerte und sich von Neuem auf die Beute stürzen musste.

»Du schaffst das«, feuerte Schauer ihn von ihrem bequemen Platz auf dem sonnigen Felsen aus an. Mit aufmerksamem Blick folgte sie den Bewegungen seiner Beute, und ihr flauschiger Schwanz zuckte. »Schnapp es dir!«

»Dieses Mal hättest du es fast gehabt«, erklang eine andere Stimme von weiter weg. Geist versuchte, die Beute fest im Griff zu behalten, während er den Blick hob und über den breiten Fluss schaute, wo ein Panda ihn vom anderen Flussufer aus anfeuerte. Sein neuer Freund Sonnenrot Schattenforst hatte ihm rufend erklärt, wie er an diesem seltsamen, warmen und feuchten Ort Futter finden konnte. Er hatte gesagt, diese Beute wäre den Aufwand wert, aber Geist war sich nicht sicher, ob er ihm glauben sollte.

Die komische biegsame grüne Pflanze, die Sonnenrot Bambus genannt hatte, sprang wieder aus seinen Pfoten und zischte nach oben, wobei das Rohr Geist ins Gesicht peitschte. Er fuhr zurück und schüttelte den Kopf.

»Pack es mit den Zähnen«, rief Sonnenrot. »Bei der Wurzel!«

Geist holte tief Luft. Vielleicht war er die Sache falsch angegangen, als er die wedelnden Blätter am biegsamen Ende hatte schnappen wollen. Er schob die Schnauze an den Stamm der Pflanze und versuchte zu ignorieren, wie die Zweige seine Nase kitzelten, und biss in das Bambusrohr. Mit einem befriedigenden Knacken brach es entzwei.

Sobald der Duft des kalten Grüns aus dem Inneren des Bambus seine Nase erreichte, verstand Geist, wovon Sonnenrot gesprochen hatte. Es roch frisch und leicht süßlich, ganz und gar nicht wie die Beute, die er in den Bergen gefressen hatte. Es duftete unglaublich lecker.

Er packte mit den Zähnen zu und biss kräftig hinein, sodass das Bambusrohr aufbrach. Es war mühsam, die Streifen der äußeren Rinde abzuziehen, doch das war es wert, um an das schmackhafte grüne Fleisch zu gelangen. Er hielt das Rohr auf den Boden gedrückt und bearbeitete es mit den Zähnen, während er mit den Krallen an der Rinde riss.

»Das ist toll!«, rief er Sonnenrot zu, den Mund voll mit faserigem Bambus.

»Ich bin froh, dass du das so siehst«, entgegnete Sonnenrot. »Aber es gibt eine wesentlich einfachere Art, dranzukommen, junger Geist.«

Er begann, ihm zu erklären, wie er den Bambus am besten fressen konnte, und Geist ließ von der Pflanze ab, fasziniert von der kniffelig klingenden Anleitung. Er folgte Sonnenrots Anweisung und setzte sich auf seine Hinterbeine, anstatt sich über seine Beute zu kauern, wie es ein Leopard tun würde. Er benutzte die Ballen seiner Tatzen, um den Bambus festzuhalten, und zupfte die Blätter mit den Zähnen ab. Er fasste sie zu Bündeln zusammen und nahm einen Bissen, woraufhin er fast laut gelacht hätte wegen des wundervollen Geschmacks – es war eine andere Geschmacksrichtung und eine andere Beschaffenheit als das Innere des Bambusrohrs, jedoch gleichermaßen köstlich. Er sah zu den sich im Wind wiegenden Blättern an den anderen Bambusrohren hoch und dachte, dass er einfach nur den ganzen Tag hier sitzen und fröhlich vor sich hin mampfen konnte.

»Darf ich auch mal probieren?« Schauer sprang von dem Felsen herab und schlenderte zu ihm herüber. Er streckte ihr ein Blatt hin, und sie schnupperte ausgiebig daran, ehe sie es in die Zähne nahm und kaute.

Sie zog die Lefzen zurück und kniff die Augen zusammen.

»Oh! Es ist so … igittigitt!« Sie schüttelte sich und versuchte, das Blatt wieder auszuspucken. »Es ist eine Pflanze!« Ihr Gesichtsausdruck war so lustig, dass Geist losprusten musste, und nach einem weiteren angeekelten Schnauben lachte Schauer mit. Sie säuberte ihre Tatzen und versuchte, den Geschmack aus dem Mund zu bekommen, während sie immer noch kicherte. Geist freute sich, sie so fröhlich zu sehen. So hatten sie nicht mehr gemeinsam gelacht, seit …

Mit einem Mal hatte er die Szene wieder vor Augen: Winter, ihre Mutter, die von dem Felsvorsprung abstürzte. In seiner Erinnerung dauerte ihr Fall immer länger und länger, sodass die Schneeleopardin eine endlos wirkende Zeit durch die Luft zu stürzen schien, ehe sie auf dem Boden des Gähnenden Schlunds aufschlug und sich nie wieder rührte.

Er versuchte, das Bild abzuschütteln und sich auf Schauer zu konzentrieren. Sie alberte immer noch herum, führte sich übertrieben auf, wie fürchterlich sie den Bambus fand.

»Umso mehr für mich!«, entgegnete er und rang sich ein Lächeln ab, während er das Bambusrohr mit einer dramatischen Geste von ihr wegzog.

Er war so froh, dass seine Schwester bei ihm war. Er hätte sie sehr vermisst, wenn sie nicht mit ihm die Berge verlassen hätte. Sie zeigte keine Anzeichen, dass sie ihn für den Tod von Winter verantwortlich machte, wie es seine anderen Wurfgeschwister getan hatten, doch insgeheim wusste Geist, dass es so sein musste. Immerhin war es seine Schuld. Er war derjenige gewesen, der unbedingt über den Schlund hatte springen müssen, obwohl er gewusst hatte, dass er keine Chance hatte. Er war der Grund, warum Winter überhaupt dort hinuntergegangen war.

Die Schuldgefühle nagten an ihm, während er die Rinde von einem Bambusrohr abschälte und sich das frische, knusprige Innere herausholte. Er schaute über den Fluss, dorthin, wo Sonnenrot immer noch saß und sich sein schwarz-weißes Fell von der steigenden Sonne wärmen ließ.

Er ist ein Panda. Ich bin auch einer, sagt er. Also, wie bin ich in den Bergen gelandet? Wer ist meine leibliche Mutter? Wo ist sie jetzt? Wo sollte ich eigentlich leben?

Vielleicht gehörte er an diesen neuen Ort? Es war hier so anders als in ihrem Zuhause in den Bergen – er war sich nicht ganz sicher, ob es besser war. Es war alles bunt, mit leuchtend grünem Moos und goldenen Blättern und Blumen, die Geist noch nie zuvor gesehen hatte. Es war auch sehr warm und sehr feucht, was wohl an dem riesigen Fluss lag, der genau in der Mitte des Tals floss.

Während Geist das sprudelnde Wasser beobachtete, landete ein Vogel mit langem Hals und einem grellroten Scheitel im seichten Wasser direkt neben ihm. Schauer wandte den Kopf und der Vogel erschrak sichtlich. Geist erkannte den Jagdinstinkt im Gesicht seiner Wurfschwester. Doch der Vogel starrte Geist einen Moment lang nur an, schüttelte dann die Federn und hob in einer eleganten Bewegung wieder ab.

Dort, wo der Vogel gestanden hatte, entdeckte Geist etwas orange und weiß Schimmerndes im Wasser, und er betrachtete es genauer.

»Das sind Karpfen«, erklärte Sonnenrot. »Fische.«

»Kommen die nie nach oben zum Luftholen?«, wunderte sich Geist und starrte die schuppigen Kreaturen fasziniert an.

»Nein, nur um die Insekten zu essen, die an der Oberfläche schwimmen«, antwortete Sonnenrot.

Geist sah sich um und fragte sich, was sein neuer Freund ihm wohl noch über diesen Ort erzählen konnte.

»Und was ist das?«, fragte er und zeigte mit der Nase in Richtung eines grau-pinkfarbenen Schattens, der von Ast zu Ast sprang.

»Ein Makak. Das ist ein Affe«, fügte Sonnenrot erklärend hinzu. »Und schau mal flussabwärts – siehst du diese Hörner?«

Geist sah sich um und entdeckte etwas am Ufer des Flusses: ein Tier, das sogar noch größer war als er. Es ähnelte den Bergziegen, die zu den Beutetieren der Leoparden zählten, besaß aber kürzere Hörner und ein langes, goldenes Fell.

»Das ist ein Takin«, sagte Sonnenrot.

»Dieser Ort ist voller Beutetiere«, stellte Geist fest. »Wo sind denn all die Jäger?«

»Es gibt ein paar.« Selbst aus der Entfernung über den Fluss meinte Geist zu erkennen, wie Sonnenrot Schauer ansah. »Aber der Große Drache wacht über uns alle: Raubtier, Beutetier oder Panda.«

»Der Große Drache?« Geist blickte um sich, als rechnete er damit, die Kreatur irgendwo zu entdecken, von der Sonnenrot gesprochen hatte.

»Genau. Aber du wirst den Drachen nicht sehen.« Sonnenrot kam auf die Pfoten, und seine Stimme war mit einem Mal dunkler und klangvoller, als sie über das Wasser zu ihnen drang. »Er ist der Wald und der Himmel und der Fluss. Er ist überall um uns herum, wacht über uns, und nur die Drachenzunge kann seine Stimme vernehmen.«

Geist hörte, wie Schauer neben ihm ein leises, verächtliches Miauen ertönen ließ. »Was für ein Blödsinn. Er meint die Schneekatze«, knurrte sie. »Stimmt’s? Sie ist es, die über uns wacht. Warum glaubt er, dass es ein … was auch immer ein Drache sein soll, ist?«

Geist warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, in der Hoffnung, dass Sonnenrot nicht gehört hatte, wie unhöflich seine Schwester gewesen war.

»Wer ist die Drachenzunge?«, fragte Geist. Sonnenrot verbeugte sich kurz, senkte demütig den Kopf, und Geist verspürte eine Welle der Ehrfurcht. »Oh … du bist es?«

Das musste bedeuten, dass sein neuer Freund ein sehr wichtiger Panda war. Wenn er mit dieser riesigen, unsichtbaren Kreatur sprechen konnte …

Vielleicht hat mich die Schneekatze doch hierhergeführt.

Geist wusste nicht, was er zu jemandem sagen sollte, der mit einem Wesen sprechen konnte, das auch nur ein bisschen so war wie die Schneekatze. Er dachte immer noch darüber nach, als es in den Zweigen über seinem Kopf raschelte und ein paar seltsame gelbe Früchte auf den Boden fielen, die seinen Kopf nur um eine Krallenlänge verfehlten. Er sprang auf und sah nach oben.

»Keine Angst«, rief Sonnenrot. »Das sind nur Flughörnchen, fliegende Eichhörnchen.«

Fliegende Eichhörnchen? Geist wusste eigentlich, was Eichhörnchen waren, und die konnten nicht fliegen! Zumindest nicht in den Bergen. Er linste in die Bäume, konnte jedoch keine Vögel oder schlagende Flügel entdecken – nur zwei kleine, pelzige Tiere, die durch die Zweige huschten. Dann plötzlich sprangen sie, warfen dabei ihre Pfoten zur Seite, und er sah, dass sie lange flügelartige Fellschwingen besaßen, die sich in der Luft aufspannten und sie zum nächsten Ast gleiten ließen.

»Sonnenrot, Sonnenrot«, quiekte eins von ihnen im Flug. »Drachenzunge, der Fluss! Der Fluss!«

»Was ist damit, mein kleiner Freund?«, wollte Sonnenrot wissen.

»Flussaufwärts«, quiekte das andere Eichhörnchen. »Die Flut! Sie zieht sich endlich zurück!«

»Was?!«, einen Augenblick lang klang der Panda erschrocken und ungewöhnlich harsch. Er holte tief Luft und schien seine Gedanken zu sortieren, ehe er wieder sprach. »Wie meinst du das, Freund? Geht das Wasser wirklich zurück?«

»Geht zurück! Wird niedriger! Weniger Wasser!«, keckerte das Flughörnchen, während es auf dem Ast hin und her lief.

»Geht zu den Eierfelsen und seht es euch an. Eure Drachenzungen-Hoheit«, fiepte das andere. »Die Furt ist wieder da! Jedenfalls so, dass ein großer Panda ans andere Ufer kommt.«

Geist verstand das alles nicht so recht, also schaute er zu Sonnenrot hinüber, gespannt, wie der andere Panda reagieren würde. Sonnenrot sah ein bisschen so aus, als hätte ihm jemand mit einem Stein auf den Kopf geschlagen, doch dieser Moment währte nur kurz. Dann senkte er den Blick, und als er ihn wieder hob, leuchteten seine Augen.

»Danke, dass ihr mir Bescheid gesagt habt, meine fliegenden Freunde! Geist, läufst du mit mir flussaufwärts?«

»Gern«, sagte Geist und kam auf die Pfoten. »Aber was ist denn los?«

»Seit der großen Flut hat es keinen Übergang über den Fluss mehr gegeben«, erklärte Sonnenrot. »Aber es klingt, als ob diese Zeit vielleicht endlich vorbei wäre. Komm mit mir flussaufwärts zu den Eierfelsen – folge einfach dem Ufer; du wirst den Ort erkennen, wenn du ihn siehst. Dann kannst du den Fluss überqueren und dich deinen Panda-Kameraden anschließen!«

Geists Herz schlug schneller. Würde er schon bald unter seinesgleichen sein können, zum ersten Mal in seinem Leben?

»Das mache ich!«, rief er und Sonnenrot nickte ihm zu, ehe er von seinem Felsen hinabstieg und in dem satten Grün am südlichen Ufer des Flusses verschwand.

»Komm, los«, forderte Geist Schauer auf. »Wir schauen uns mit eigenen Augen an, was die Aufregung soll.«

Schauer stand auf und ihr Schwanz peitschte nervös hin und her. Die beiden trabten los, folgten dem Flusslauf, platschten durch seichtes Wasser und kletterten über felsige Uferabschnitte, immer wieder ging es auch über bemooste Felsen und Äste halb im Wasser stehender Bäume, wo sich der Fluss durch zerklüftetes Gelände schlängelte. Geist war sich der Tiere bewusst, die sich mit ihnen durch den Wald bewegten, Vögel und Affen und ein kleines rotbraunes Tier mit einem langen gestreiften Schwanz – sie alle waren in dieselbe Richtung unterwegs.

Schließlich erreichten sie eine Stelle, an der das Ufer sehr breit war und so schlammig, als wäre es vor nicht allzu langer Zeit noch vom Fluss überspült gewesen. Das Geräusch herabstürzenden Wassers ließ Geist aufblicken und er entdeckte einen kleinen Wasserfall, wo das Flussbett plötzlich abfiel – etwa um die Höhe eines ausgewachsenen Schneeleoparden. Oberhalb des Wasserfalls befand sich eine flache, ruhige Stelle, wo fünf graue, ovale Felsen, alle ein wenig größer als Geists Kopf, aus dem Wasser ragten. Sie sahen tatsächlich aus wie eine verstreute Ansammlung riesiger Eier. Sie schimmerten feucht und grün, als hätten sie sich bis vor Kurzem unter Wasser befunden.

Zu beiden Seiten des Flusses hatten sich Tiere aller Arten um die Eierfelsen versammelt. Es herrschte ein wildes Gebrüll und Geschrei, während alle das ruhige Wasser und die Lebewesen auf der anderen Uferseite beäugten. Als einige der kleineren Tiere Geist und Schauer bemerkten, sprangen sie erschrocken zur Seite, doch andere waren zu sehr damit beschäftigt, eine Pfote oder Tatze ins Wasser zu setzen und darüber zu spekulieren, was das alles zu bedeuten hatte.

»Hat uns der Große Drache endlich verziehen?«, fragte sich eine Goldstumpfnase mit plattem blauen Gesicht.

»Es wurde auch langsam Zeit«, meinte das rotbraune Tier mit dem gestreiften Schwanz, das sich auf den Ast daneben gehockt hatte. »Wir wissen immer noch nicht, was überhaupt schiefgegangen ist!«

»Goldhorn, bist du das?«

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