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Blackcoat Rebellion - Das Los der Drei

Als Buch hier erhältlich:

Die neue Jugendbuchserie von SPIEGEL-Bestsellerautorin Aimée Carter!

Kitty Doe hat die Wahl: entweder ein Leben als III, in dem alle auf sie herabsehen und sie nur niedere Arbeiten verrichten darf, oder ein Leben als VII, in dem sie Mitglied der einflussreichen Hart-Familie wäre und von allen bewundert würde. Dafür muss sie aber in die Rolle von Lila Hart schlüpfen, der Nichte des Premierministers. Kitty zögert nicht lange, weil sie auf eine bessere Zukunft für sich und ihren Freund Benji hofft. Doch sie gerät mitten in ein gefährliches Intrigenspiel. Wer hat die echte Lila Hart auf dem Gewissen? Kitty kann eigentlich niemandem trauen und hat in der Hart-Familie nur noch ein Ziel: überleben.

»Carter hat mit Kitty eine bezaubernde Heldin erschaffen, mit der man sich gut identifizieren kann. Ein Pageturner voll überraschender Wenden und Entwicklungen.«
Booklist

»Das Tempo ist hoch, die Spannung geht ins Mark, die Heldin ist eine tolle Identifikationsfigur, und die Bösen sind glatt und furchteinflößend.«
School Library Journal

»Die Action und überraschenden Entwicklungen freuen den Leser und lassen ihn zum nächsten Teil greifen.«
Library Journal


  • Erscheinungstag: 24.03.2020
  • Aus der Serie: Blackcoat
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 320
  • Altersempfehlung: 14
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783748800378

Leseprobe

Für Caitlin Strow,

weil sie jedes Wort gelesen hat

I

PECH GEHABT

Natürlich war es dumm, mein Leben für eine Orange aufs Spiel zu setzen, aber an einem Tag wie diesem waren mir die Konsequenzen egal. Mit etwas Glück würden die Shields mich zu Boden werfen und mir dann eine Kugel durchs Gehirn jagen.

Tot mit siebzehn Jahren. Es wäre eine Erleichterung.

Während ich über den überfüllten Markt hastete, fasste ich in meinen Nacken und versuchte, nicht zusammenzuzucken. Am Morgen war meine Haut noch blass und glatt gewesen, mit nur einer einzigen Sommersprosse unter meinem Haaransatz. Jetzt zur Mittagszeit, nach der Prüfung, war meine Haut von nicht abwaschbarer schwarzer Tinte entstellt, darunter drei Erhebungen, die ebenfalls nie wieder weggehen würden.

III. Wenigstens keine II, was aber kein großer Trost war.

»Kitty«, rief Benjy, mein Freund. Er strich sich das lange rote Haar hinter die Ohren, während er auf mich zuschlenderte, größer und muskulöser als die meisten anderen auf dem Marktplatz. Mehrere Frauen musterten ihn, und ich runzelte die Stirn.

Ich wusste nicht, ob Benjy sie nicht bemerkte oder ob er einfach immun gegen meine schlechte Laune war, aber so oder so gab er mir hastig einen Kuss und sah mich verschmitzt an. »Ich habe ein Geburtstagsgeschenk für dich.«

»Wirklich?« Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. Er hatte die Orange in meiner Hand nicht gesehen und keine Ahnung, dass ich gerade ein Verbrechen beging. Eigentlich sollte er jetzt in der Schule sein und nicht hier bei mir, aber er hatte darauf bestanden. Ich hatte genau diese eine Chance gehabt, zu beweisen, dass ich der Gesellschaft nützlich sein konnte, und ich hatte sie vermasselt. Nun war ich bis an mein Lebensende dazu verdammt, weniger wert zu sein als alle anderen hier auf diesem Markt, und das alles nur wegen der Markierung in meinem Nacken. Ein Stück Obst zu stehlen, das nur für Vieren und Höhere gedacht war, würde mein Leben nicht einfacher machen, aber ich hatte noch einen letzten Moment gebraucht, in dem ich die Kontrolle über etwas hatte, auch wenn die Shields mich dafür verhaften würden. Auch wenn sie mich dafür letztendlich töten würden.

Benjy öffnete seine Hand, in der eine winzige lilafarbene Blüte lag, nicht größer als mein Daumennagel. »Das ist ein Veilchen«, sagte er. »Es ist mehrjährig.«

»Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet.« Ich spähte umher, um herauszufinden, wo er es gefunden hatte. Drei Tische weiter, neben einem Stand mit Bildern der Familie Hart, quoll einer über von bunten Parfümflaschen. Winzige violette Blumen bedeckten die Tischplatte. Sie waren nur als Dekoration gedacht, nicht zum Verkauf. Anders als bei meiner Orange würde man ihn deswegen nicht umbringen oder verhaften und nach Anderswo schicken. Wahrscheinlich hatte der Verkäufer ihm sogar erlaubt, sich eine zu nehmen.

»Mehrjährig bedeutet, dass sie eingepflanzt Jahr für Jahr weiterwachsen.« Er legte die Blume auf meine Handfläche und strich zart mit seinen Lippen über meine. »Sie gibt nie auf, genau wie jemand, den ich kenne.«

Ich küsste ihn zurück und zwang mich, mich etwas zu entspannen. »Danke. Es ist wunderschön.« Ich roch an dem Veilchen, aber falls es nach etwas duftete, ging das in all den Gerüchen um uns herum unter.

Trotz des kühlen Herbsttages war es auf dem Markt drückend heiß. Die vielen aneinandergedrängten Leute verursachten einen Gestank nach brutzelndem Fleisch, frischem Obst und Hunderten anderer Dinge, die die Verkäufer an den Mann bringen wollten. Sonst fiel mir das kaum auf, doch heute drehte sich mir der Magen um.

»Wir müssen los.« Ich schloss die Finger zum Schutz um die Blume. Die Orange in der anderen Hand schien mit jeder Sekunde schwerer zu werden, und bestimmt würde es nicht lange dauern, bis uns jemand bemerkte. Benjy ragte aus der Menge heraus.

Er blickte auf die Orange, sagte aber nichts, als er mir zum Ausgang folgte und dabei seine Hand auf meinen Rücken legte. Bei seiner Berührung verspannte ich mich, weil ich damit rechnete, dass er mein Haar zur Seite streichen und meine Tätowierung entdecken würde. Bisher hatte er mich noch nicht danach gefragt, aber er würde nicht ewig so rücksichtsvoll sein.

Natürlich hatte ich die Plakate gesehen und die Reden gehört. Das hatten alle. Wir alle hatten unseren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft, und es lag an uns, zu entscheiden, wie dieser aussehen sollte. Fleißig lernen, gute Noten schreiben, so viel lernen wie möglich und beweisen, dass wir etwas Besonderes waren. Und mit siebzehn, wenn wir die Prüfung bestanden hatten, würden wir mit einem guten Job belohnt werden, mit einer schönen Wohnung und mit der Genugtuung, zum Gemeinwohl beizutragen – mit allem, was ein Leben sinnvoll machte.

Und das war es, was ich immer gewollt hatte: mich selbst zu beweisen, zu beweisen, dass ich mehr war als ein Extra. Zu beweisen, dass ich es verdient hatte, zu existieren, obwohl ich als zweites Kind geboren worden war. Zu beweisen, dass die Regierung keinen Fehler gemacht hatte, als sie mich nicht nach Anderswo geschickt hatte.

Jetzt hatte ich meine Chance gehabt und noch nicht einmal eine durchschnittliche IV erreicht. Anstatt das sinnvolle Leben zu führen, das man mir von Anfang an versprochen hatte, hatte ich es gerade einmal zu einer III geschafft. Nichts an mir war besonders – ich war nur ein weiterer Extra, der eigentlich nie hätte geboren werden dürfen.

Ich war Abfall.

Sosehr ich die Regierung für meine III auch hassen wollte, niemand außer mir konnte etwas dafür. Und das war das Schlimmste. Jeder bekam dieselbe Chance, und ich hatte meine in den Sand gesetzt. Jetzt musste ich mit der Scham leben, den permanenten Beweis meines Unvermögens als Tätowierung für jeden sichtbar in meinem Nacken zu tragen, und ich wusste nicht, ob ich damit leben konnte.

Benjy und ich hatten schon fast den Ausgang erreicht, als ein dürrer Mann in grauer Shields-Uniform vor mich trat und mit ausgestrecktem Arm nach meiner Beute verlangte.

»Die habe ich auf dem Boden gefunden«, log ich, als ich ihm die Orange überreichte. »Ich wollte sie dem Händler gerade zurückgeben.«

»Aber natürlich«, sagte der Shield. Er ließ seinen Finger kreisen, als Zeichen, dass ich mich umdrehen sollte.

Benjy ließ seine Hand sinken, und die weiß glühende Panik, die in mir aufstieg, drängte mich dazu, wegzurennen. Doch wenn ich abhauen würde, würde er dafür vielleicht Benjy die Schuld geben, und im Moment wollte ich nur noch, dass meine dumme Entscheidung nicht auch noch ihn in Schwierigkeiten brachte. Benjy wurde erst in einem Monat siebzehn, und bis dahin würde man ihn nicht für seine Taten verantwortlich machen. Hatte man mich bis zu diesem Morgen auch nicht.

Schließlich drehte ich mich um und strich mir mein schmutziges blondes Haar aus dem Nacken. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich die Markierung oder den sie umgebenden entzündeten roten Fleck nicht verbergen können. Die Stelle schmerzte noch immer von der Nadel, mit der man meinen Rang in meine Haut geätzt hatte.

Benjy versteifte sich, als er meine III sah. Und ich starrte mit vor Scham brennendem Gesicht geradeaus. Ich hatte ihn enttäuscht. Ich hatte uns beide enttäuscht. Und nun würde sich alles ändern.

Der Mann drückte seine Fingerspitzen auf die Markierung und tastete über die drei darunter liegenden Erhebungen, die bewiesen, dass nicht an ihr herummanipuliert worden war. Zufrieden ließ er die Hand sinken. »Sagt sie die Wahrheit?«, fragte er, und Benjy nickte, ohne zu zögern.

»Ja, Sir. Wir waren gerade auf dem Weg zum Stand.« Benjy drehte sich um, um ihm einen Blick auf seinen noch nicht gekennzeichneten Nacken zu ermöglichen. »Wir wollen uns nur ein bisschen umsehen.«

Der Shield grunzte, warf die Orange in die Luft und fing sie wieder auf.

Ich blickte finster. Würde er mich gehen lassen oder auf die Knie zwingen, um mich zu erschießen? Weniger als einen Meter von uns entfernt war noch immer das getrocknete Blut eines anderen Diebes auf dem Boden zu sehen. Ich schaute weg. Vielleicht würde er mich stattdessen auch nach Anderswo schicken, was ich aber bezweifelte. Der Mistkerl sah ziemlich schießwütig aus.

»Ich verstehe.« Er beugte sich vor, und als ich seinen sauren Atem roch, rümpfte ich die Nase. »Wusstest du, dass deine Augen dieselbe Farbe haben wie die von Lila Hart?«

Ich biss die Zähne zusammen. Lila Hart, die Nichte des Premierministers, war so beliebt, dass kaum eine Woche verging, ohne dass mich jemand darauf aufmerksam machte, wie sehr sich unsere ungewöhnlich blauen Augen ähnelten.

»Nein«, stieß ich hervor. »Das habe ich noch nie in meinem Leben gehört.«

Der Shield richtete sich auf. »Wie ist dein Name?«

»Kitty Doe.«

»Doe?« Er musterte uns beide. »Ihr seid Extras?«

»Ja«, antwortete ich und versuchte, nicht zu bissig zu klingen. Denn niemand mit einem Fünkchen Verstand sprach so mit einem Shield, aber nach allem, was an diesem Morgen geschehen war, gelang es mir einfach nicht, ihm den Hintern zu küssen.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Benjy die Stirn runzelte, und ich konnte seine stumme Frage fast hören. Was tust du da bloß?

Ganz idiotisch mein Leben riskieren, das tue ich.

Der Shield strich über seine Pistole. »Rühr dich nicht vom Fleck. Eine Bewegung und ich töte dich, kapiert?«

Ich nickte stumm. Doch kaum hatte er sich abgewandt, stieß Benjy mich mit dem Ellbogen an, und unsere Blicke trafen sich.

Ohne zu zögern, rasten wir los.

Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge und jagten durch die Tore hinaus auf die feuchte Straße. Dort sprinteten wir zwischen den alten Gebäuden hindurch und gingen in Gassen in Deckung, und als wir an einem verblassten Wandbild von Premierminister Hart vorbeikamen, der wohlwollend auf uns herablächelte, hätte ich am liebsten darauf gespuckt.

Nachdem wir durch ein Labyrinth aus Seitenstraßen gerannt waren, erreichten wir die Grenze der Heights, dem östlichsten Vorort des District of Columbia. Und dem ärmsten. Ich hielt nach Zweien Ausschau, die diese Gegend beherrschten, nach jemandem, der bereit wäre, uns für einen frischen Laib Brot zu verpfeifen, aber tagsüber arbeiteten alle an den Docks oder in den Fabriken, und so lag die Straße verlassen vor uns.

Am Ende eines jeden Arbeitstages strömten Erwachsene und Kinder in die Straßen und bettelten um Essen. Sonst musste ich mich hier auf dem Gehweg immer mit den Ellbogen zwischen Männern und Frauen hindurchdrängen, die höchstens zwanzig Jahre älter waren als ich, aber deren Haar bereits grau und deren Haut ledrig war – das Ergebnis jahrzehntelanger schwerer Arbeit und des ständigen Überlebenskampfes. Mein Leben würde nicht viel besser verlaufen. Als Vier hätte ich davon ausgehen können, sechzig zu werden. Jetzt, als eine Drei, konnte ich mich glücklich schätzen, die Vierzig zu erreichen. Wenn ich nicht aufpassen würde, würde auch ich auf der Straße landen, um nach mehr zu betteln, als ich nach Ansicht der Regierung wert war.

Als wir um eine Ecke rasten, entdeckte ich in ein paar Metern Entfernung einen Kanaleingang und seufzte erleichtert auf. Wir waren in Sicherheit.

Ich schlüpfte durch die Öffnung an der Kante des Gehwegs, und eine Minute später kletterte Benjy einen nahe gelegenen Schacht zu mir herunter. Der Kanal war dunkel und roch nach Rost und Fäulnis, doch dies war der einzige Ort, an dem wir uns ungestört unterhalten konnten. Selbst auf den leeren Straßen wären wir nicht sicher gewesen. Shields lauerten einfach überall darauf, sich in dem Moment auf einen zu stürzen, in dem man etwas gegen die Harts oder die Minister der Union sagte. Laut Nina, der Hausmutter unseres Gruppenheims, bekamen sie für jede Verhaftung einen Bonus, und auch sie mussten ihre Familien ernähren. Was nicht hieß, dass ich sie deswegen weniger hasste.

An diesem Morgen, bevor ich gegangen war, hatte sie noch gesagt, dass wir alle unsere Rollen zu spielen hätten. Durch Zufall waren einige eben besser als andere. Nicht alle konnten eine Sechs oder eine Sieben sein, und das Beste, auf das wir hoffen konnten, war ein Essen in unseren Bäuchen und eine eigene Unterkunft. Ein Dach über dem Kopf stellte die Regierung zumindest sicher. Doch jetzt, als Drei, könnte ich von Glück reden, wenn es nicht undicht war.

In den Reden, die wir von der ersten Klasse an zu sehen bekamen, versprach uns Premierminister Daxton Hart, dass wir als privilegierte amerikanische Bürger ein Leben lang versorgt wären, solange wir der Gesellschaft, die uns brauchte, etwas zurückgaben. Wenn wir hart arbeiten und unser Bestes geben würden, würden wir auch bekommen, was uns zustand. Wir waren unseres Schicksals eigener Schmied.

Bis heute hatte ich ihm geglaubt.

»Was hast du da eben gemacht?«, fragte Benjy. »Du hättest getötet werden können.«

»Darum ging es auch irgendwie«, murmelte ich. »Immer noch besser, als für den Rest meines Lebens eine Drei zu sein.«

Seufzend streckte Benjy die Hand nach mir aus, aber ich wich zur Seite. Seine Enttäuschung konnte ich nicht auch noch ertragen.

Er ließ die Schultern sinken. »Ich verstehe das nicht … achtundsechzig Prozent sind nach der Prüfung eine Vier.«

»Ja, nun, dann schätze ich mal, dass ich dümmer bin als achtundsechzig Prozent der Bevölkerung.« Ich trat in eine Pfütze mit gammligem Regenwasser und spritzte ein paar Ratten voll, die protestierend quiekten.

»Eigentlich vierundachtzig Prozent, wenn man die Fünfen und die darüber mitrechnet«, sagte Benjy und fügte dann hastig hinzu: »Aber das bist du nicht. Ich meine, du bist klug. Und das weißt du. Du hast eben einen Shield überlistet.«

»Das war nicht klug, sondern leichtsinnig. Ich habe ihm meinen richtigen Namen verraten.«

»Weil du keine andere Wahl hattest. Wäre er dahintergekommen, dass du lügst, hätte er dich mit Sicherheit getötet«, sagte Benjy. Er blieb stehen, nahm mein Kinn in seine Hand und sah mich an. »Es ist mir egal, was die Prüfung behauptet. Du bist einer der klügsten Menschen, die ich kenne, verstanden?«

»Aber nicht in dem Sinne, der zählt.«

Nicht so wie Benjy. Er las alles, was er in die Finger bekam, und zwang mich, jeden Abend mit ihm Nachrichten zu schauen. Als wir neun Jahre alt gewesen waren, hatte er die gesamte Hausbibliothek bereits zweimal durchgelesen. Ich konnte, Sekunden nachdem er sie mir vorgelesen hatte, ganze Artikel wiedergeben, doch selbst lesen konnte ich sie nicht.

»Nina hat sich geirrt«, fügte ich hinzu. »Man bekommt keine zusätzliche Zeit, wenn einem die Fragen vorgelesen werden. Die Aufgaben waren einfach, aber der Vorleser war langsam, und deswegen bin ich nicht fertig geworden. Und sie haben mir Punkte abgezogen, weil ich nicht lesen kann.«

Benjy öffnete und schloss den Mund. »Du hättest es mir sagen sollen, bevor wir das Prüfungszentrum verlassen haben«, sagte er.

Ich schüttelte den Kopf. »Du hättest sowieso nichts tun können.« Ich hatte einen Kloß im Hals und musste schwer schlucken. Alles Lernen, die Vorbereitung, die Hoffnung – alles war umsonst gewesen. »Ich bin eine Drei. Ich bin eine dumme, wertlose …«

»Du bist nicht wertlos.« Benjy trat näher, so nah, dass ich die Hitze spüren konnte, die von seinem Körper ausging. Er legte die Arme um mich, und ich presste mein Gesicht an seine Brust, weigerte mich aber, zu weinen. »Du bist stark. Du bist brillant. Du bist perfekt, genau so wie du bist, und egal was passiert, ich werde immer bei dir sein, okay?«

»Ohne mich wärst du besser dran, und das weißt du auch«, murmelte ich in seinen Pullover.

Er entzog sich mir so weit, dass er mich mit seinen blauen Augen ansehen konnte. Nach einem langen Moment beugte er sich vor, um mich wieder zu küssen, dieses Mal länger. »Ohne dich bin ich niemals besser dran«, sagte er. »Wir stecken da gemeinsam drin. Ich liebe dich, und das wird sich nie ändern, verstanden? Ich gehöre zu dir, egal welchen Rang du hast. Du könntest eine Eins sein, und ich würde nach Anderswo gehen, nur um mit dir zusammen zu sein.«

Ich versuchte zu lachen, aber es kam nur ein erstickter Schluchzer dabei heraus. Rang Eins wurde nur denen gegeben, die nicht arbeiten oder sonst etwas zum Gemeinwohl beitragen konnten, und sobald sie einmal nach Anderswo geschickt worden waren, sah man sie nicht wieder. »Wenn ich eine Eins wäre, hätten wir uns wahrscheinlich nie kennengelernt.«

»Egal.« Er fuhr mit den Fingern durch mein Haar. »Ich würde trotzdem wissen, dass etwas fehlt. Ich würde wissen, dass mein Leben keinen Sinn hat, auch wenn ich nie ganz begreifen würde, wieso. Selbst wenn wir uns nie getroffen hätten, selbst wenn du nie existiert hättest, würde ich dich ohne jeden Grund für den Rest meines Lebens lieben.«

Ich küsste ihn mit all der Frustration und Wut, die sich in mir aufgestaut hatte. Die Kanalisation war nicht gerade der romantischste Ort, aber mit Benjy bei mir war es mir egal. Er verstand mich. Er verstand mich immer, und in diesem Moment brauchte ich ihn mehr, als ich sagen konnte. Die Regierung glaubte vielleicht nicht, dass ich etwas wert war, aber Benjy war ich etwas wert, und das allein war es, was zählte.

Irgendwann löste ich mich von ihm und räusperte mich. Der Kloß war weg. »Du jedenfalls wirst kein Problem mit der Prüfung haben«, versprach ich ihm. »Du wirst früher fertig sein und trotzdem eine VI bekommen.«

»Wenn du keine VI bekommen hast, dann habe ich erst recht keine Chance«, sagte Benjy.

Ich schnaubte. »Von wegen. Eines Tages werden wir alle vor dir katzbuckeln und dich Minister nennen.«

Wenn jemand aus unserem Gruppenheim eine VI erhalten würde, den höchsten Rang für einen Bürger, dann Benjy. Die Prüfung war nicht auf meine Art von Intelligenz zugeschnitten, aber ganz und gar auf seine.

Er schlang einen Arm um meine Taille und schob mich weiter durch die Kanalisation, widersprach aber nicht. Sogar er wusste, wie klug er war. »Wurde dir eine Aufgabe zugeteilt?«

»Kläranlagenwartung.«

»Das ist nicht so schlecht. Wir sind sowieso die ganze Zeit hier unten«, sagte er und schob seine Hand unter den Saum meiner Bluse.

Ich schob sie weg. »In Denver.«

Benjy sagte nichts. Denver war so weit weg, dass keiner von uns wusste, wo es lag. Wahrscheinlich irgendwo im Westen, denn östlich von D. C. gab es nur den Ozean, aber ich hatte auch noch nie eine Karte von etwas Größerem als der Stadt gesehen. Das einzig Positive war, dass Denver unmöglich so überfüllt sein konnte wie diese Stadt.

»Ich werde mit Tabs reden«, sagte ich.

Benjy blieb wie angewurzelt stehen. »Nein. Warte, bis ich meine Prüfung hinter mir habe. Nina lässt dich sicher weiter im Gruppenheim wohnen, und dann kann ich dir helfen.«

»Nina würde meinetwegen keinen Auftragsbetrug begehen, und das würde ich auch gar nicht zulassen«, sagte ich. »Wenn herauskommt, dass du mich versteckst, schicken sie mich nach Anderswo und richten dich öffentlich hin. Also nein.«

»Dann kann Nina mir die Erlaubnis geben, zu heiraten«, sagte er.

Mein Mund klappte auf. »Bist du verrückt?«

»Nein. Ich liebe dich und werde nicht zulassen, dass man uns trennt. Wenn das bedeutet, früher zu heiraten, als ich vorhatte, dann ist es eben so.« Er hielt inne. »Willst du mich denn nicht heiraten?«

»Natürlich will ich dich heiraten, aber du hast noch nicht einmal die Prüfung gemacht. Und was, wenn die Ehe mit einer Drei deinen Rang beeinflusst? Das kann ich dir nicht antun, Benjy. Du hast etwas Besseres verdient.«

»Was habe ich denn verdient, Kitty? Dich zu verlieren? Die Konsequenzen sind mir egal.«

Wenigstens redete er sich nicht ein, dass es keine geben würde. »Du würdest es nie zulassen, dass ich für dich so viel riskiere, und ich kann das auch nicht zulassen.« Ich musste mich anstrengen, meine Stimme ruhig klingen zu lassen. »Ich habe meine Entscheidung getroffen.«

»Kitty.« Er hob den Arm, um mich am Sprechen zu hindern, und als ich an ihm vorbeigehen wollte, legte er ihn wieder um meine Taille und zog mich näher zu sich heran. »Ich lasse nicht zu, dass du dir das selbst antust.«

Ich versuchte, ihn wegzustoßen, aber sein Griff wurde nur fester. »Ich bin es, die für ihren Lebensunterhalt Scheiße schippen muss, nicht du. Du hast hier kein Mitspracherecht.«

»Wir könnten weglaufen«, sagte er. »Wir könnten irgendwohin gehen, wo es warm ist. Wir hätten unsere eigene Hütte und würden unser Essen selbst anbauen …«

»Keiner von uns kennt sich mit Landwirtschaft aus. Außerdem, wenn es so einen Ort gäbe, hätten die Harts ihn schon längst für sich beansprucht.«

»Das kannst du nicht wissen. Es gibt Hoffnung, Kitty. Es gibt immer Hoffnung. Bitte«, sagte er leise. »Tu’s für mich.«

So wie er mich ansah, stumm darum bettelte, dass ich Ja sagte, hätte ich fast meine Meinung geändert, aber das konnte ich ihm einfach nicht antun. Weglaufen hieße, dass er seine Prüfung verpassen würde, und keine Note bedeutete so viel wie eine I.

Ich hatte zwar versagt, aber er hatte noch immer gute Chancen, und ich konnte nicht zulassen, dass er sein Leben für mich wegwarf.

»Es tut mir leid«, sagte ich.

Er verzog das Gesicht, drehte sich um und ließ seinen Arm wieder sinken. Kälte sickerte da ein, wo er mich kurz zuvor noch berührt hatte, und mir wurde das Herz schwer. Ich hätte alles dafür getan, ihn glücklich zu machen, aber wegen meiner dummen III verletzte ich ihn, egal was ich tat. Doch zumindest war so ich es, die alles riskierte, und nicht er.

Alles in mir schrie mich an, mit ihm wegzulaufen und D. C. so weit wie möglich hinter uns zu lassen, aber als wir die Leiter des Schachts hinaufkletterten, der auf eine Straße führte, die einen halben Block vom Gruppenheim entfernt lag, wusste ich zwei Dinge sicher: Benjy würde den ganzen Nachmittag lang versuchen, mich zu überreden, nicht mit Tabs mitzugehen, und ich würde es trotzdem tun.

Nina wartete mit einem Teigspatel in der Hand in der Küche unseres Gruppenheims auf uns. So früh am Tag waren alle anderen noch in der Schule – alle außer mir, da ich jetzt siebzehn war, und außer Benjy, der den heutigen Tag um nichts auf der Welt verpasst hätte. Nina für uns allein zu haben, war ein seltenes Vergnügen, doch ich wollte gerade eigentlich nichts anderes tun, als in mein Bett zu klettern und mich zu verstecken.

»Wie ist es gelaufen?«, zwitscherte sie, aber ihr Lächeln erstarb, als sie Benjy sah. Sie sah mich fragend an, und ich starrte zu Boden und fühlte mich jetzt sogar noch schlechter als in dem Moment, als ich meine Ergebnisse erhalten hatte. Nina war die einzige Mutter, die ich je gekannt hatte, und obwohl sie ihre Aufmerksamkeit auf vierzig von uns verteilen musste, schien sie immer Zeit für mich zu haben. Das Letzte, was ich wollte, war, sie zu enttäuschen.

»Sie haben mir keine zusätzliche Zeit gegeben«, sagte ich schließlich.

Ohne ein weiteres Wort reichte sie Benjy den Teigspatel und nahm mich in den Arm. Alles, was ich tun konnte, war, mein Gesicht in ihr Haar zu drücken und ein Schluchzen zu unterdrücken, das zu entkommen versuchte, seit die Nadel meine Haut berührt hatte.

»Ist schon gut«, murmelte sie. »Es ist zwar nicht das, was du dir erhofft hast, aber du hast noch dein ganzes Leben vor dir, und es kommen gute Dinge auf dich zu.«

Sie strich mit den Fingern über meinen Nacken, um meinen Rang zu erfahren, und ich zuckte zusammen. Seufzend hielt Nina mich ein wenig fester, aber ich wusste, was sie dachte: Zumindest keine II. Wenigstens war ich eine Arbeit wert, bei der ich nicht mein Leben riskierte und die mir genug Essen bescherte, um nicht zu verhungern.

Doch war ich dumm genug gewesen, mir mehr zu erhoffen, als für den Rest meines Lebens in der Kanalisation zu schuften, und die Schmerzen in meiner Brust waren nun der Preis, den ich dafür zahlen musste.

Bis heute hatte ich das Rangsystem nie infrage gestellt. Es war dazu da, uns das zu geben, was wir verdienten, damit wir das Beste aus unseren angeborenen Fähigkeiten machen konnten. Die klügsten Mitglieder der Gesellschaft halfen den Menschen auf eine Weise, wie es die Zweien und Dreien nicht konnten, deswegen verdienten sie auch mehr. Das war nur fair, und ohne die Prüfung würde vielleicht niemals das Talent eines Menschen bemerkt werden, der in einer benachteiligten Familie aufgewachsen war. Auf diese Weise würde niemand durch das Raster fallen. Niemand, der eine VI verdiente, musste die trostlose Existenz einer II führen, und wenn jemand mit seinem Rang nicht zufrieden war, konnte er nur sich selbst die Schuld dafür geben.

Benjy hatte allerdings recht. Ich war nicht dumm. Ich konnte komplizierte mathematische Aufgaben im Kopf lösen, Geschichten und Gedichte rezitieren und interpretieren – was ich allerdings nicht konnte, war, einen Sinn in Buchstaben zu erkennen. Wenn die Prüferin sich die Mühe gemacht hätte, mit mir zu reden, hätte sie das erkannt. Vielleicht hatte ich keine VI verdient, aber die wollte ich sowieso nicht. Alles, was ich wollte, war, zu beweisen, dass ich nicht nutzlos war.

Ein langer Moment verstrich, bevor Benjy das Schweigen brach. »Sie schicken sie nach Denver.«

Nina ließ mich los. »Aber dafür musst du ja durchs halbe Land reisen«, meinte sie fassungslos.

Mit anderen Worten: Ich würde Benjy nie wieder sehen, wenn ich in den Zug stieg. Das verstärkte meine Entschlossenheit nur noch.

»Tabs kommt heute Nachmittag vorbei.« Ich räusperte mich. »Ich werde mit ihr reden.«

Ein Muskel in Benjys Kiefer zuckte. »Ich kann das nicht«, sagte er und starrte auf eine Stelle auf dem Boden. »Wenn du deine Meinung noch änderst, weißt du ja, wo du mich findest.«

Er legte den Teigspatel auf die Küchentheke und ging. Das sanfte Klicken der Küchentür ließ mich zusammenzucken. Ich starrte sie an, als könnte ich ihn so zwingen, zurückzukommen, aber die Tür blieb geschlossen.

»Er wird sich schon wieder beruhigen«, sagte Nina und fing wieder an, in ihrer Schüssel zu rühren. »Mach dir keine Sorgen.«

»Ich hoffe, er tut es nicht«, murmelte ich. »Es wäre besser für ihn.«

»Hör auf«, sagte sie. »Du musst dich darauf konzentrieren, was du jetzt machst, und nicht darauf, wie Benjy sich fühlt.«

»Ich werde mit Tabs mitgehen«, sagte ich und hockte mich auf den Rand der abgenutzten Arbeitsplatte. »Es ist kein schlechtes Leben, und ihr scheint es zu gefallen.«

»Tabs ist Tabs. Zu ihr mag dieses Leben passen, aber du bist für so was nicht gemacht. Und lass dich nicht von ihr täuschen – es ist ein schweres Leben. Es mag seine Vorteile haben, aber was man dafür aufgeben muss … das ist es nicht wert. Nicht für dich.«

»Was weißt du denn schon davon?«, fragte ich und versuchte, einen Apfel aus der Obstschale zu stibitzen.

Sie schlug meine Hand weg. »Ich weiß zumindest ganz sicher, dass du besser nach Denver gehen solltest, als mit fremden Männern zu schlafen.«

Mein Magen krampfte sich unangenehm zusammen. »Tabs sagt, dass sie es nicht so oft tun muss. Hauptsächlich geht sie auf Partys und in Clubs und so.«

»Ja? Hat Tabs auch erwähnt, dass sie einen Anteil von deinem Gehalt bekommt, wenn sie dich anwirbt?«

Ich blinzelte. »Das hat sie mir nicht gesagt.«

»Natürlich nicht, Liebes. Und natürlich wird sie so tun, als wäre es ein gutes Leben. Denn das ist nun mal ihr Leben, und sie steckt schon zu tief drin, um es aufzugeben.« Nina berührte meine Wange mit ihren mit Mehl bedeckten Fingern. »Niemand ist mit seinem Schmerz gern allein, Kitty. Vielleicht sagt sie die Wahrheit und es ist meistens gar nicht so schlimm. Aber ab und zu wird es das sein, und diese Männer werden dich nie wie einen Menschen behandeln, nicht so, wie Benjy es tut. Nicht so, wie ich es tue. Du verdienst etwas Besseres als das.«

»Ich verdiene gar nichts«, sagte ich. »Ich bin eine Drei.«

»Du bist mehr als die Tätowierung auf deinem Hals, und das weißt du verdammt gut«, sagte Nina. »Es mag sich wie ein Todesurteil anfühlen, aber du wirst schon noch sehen, dass du, egal mit welchem Rang, ein gutes Leben führen kannst.«

»Du hast leicht reden«, murmelte ich. »Du bist eine Vier.«

»Und sieh mich an.« Sie zeigte um sich. »Das Abendessen für vierzig Kinder zu kochen, die nie genug bekommen. Was für ein großartiges Leben ich doch führe.«

»Ach, bitte. Das gefällt dir doch. Du liebst uns alle.«

»Das stimmt.« Ihre Stimme wurde leiser. »Aber weil ich euch liebe, tut es mir jedes Mal weh, wenn jemand verletzt wird oder enttäuscht ist. Ich verstehe, dass du sauer bist, Kitty. Aber es ist dein Leben und nicht das der Regierung. Du kannst etwas aus dir machen, egal was man dir sagt.«

Ich starrte auf meine Hände und zupfte an einem eingerissenen Nagel. Ich wollte ihr glauben. Wirklich. Doch wie sollte das gehen angesichts dieser Katastrophe? »Benjy wird mich hassen, wenn ich das tue, oder?«

»Ich glaube nicht, dass dieser Junge dich hassen könnte, selbst wenn du ihn töten würdest«, sagte sie. »Wenn du dich allerdings selbst umbringst, dann wahrscheinlich schon.«

Ich runzelte die Stirn. Sie hatte recht. Natürlich hatte sie recht, und das verstärkte das unbehagliche Gefühl in meiner Magengrube nur noch. »Ich habe heute etwas Dummes getan.«

»Dümmer als normalerweise?«, fragte sie mit leicht amüsierter Stimme. Wenigstens fand einer von uns das lustig.

»Ich habe versucht, auf dem Markt eine Orange zu stehlen«, sagte ich. »Ein Shield hat uns erwischt und wir sind weggerannt. Ich habe ihm meinen Namen gesagt, also weiß er, dass ich eine Extra bin.«

Alle Extras – die zweiten Kinder von Vieren und drunter, die eigentlich nur ein Kind haben durften – trugen den Nachnamen Doe. So wie Benjy. Und Tabs. Sogar wie Nina. Und weil die meisten Extras nach Anderswo geschickt wurden, wenn ihre Eltern die Strafe nicht bezahlen konnten, gab es in D. C. nur wenige Gruppenhäuser. Ninas war das einzige im Umkreis von fünf Meilen des Marktes.

»Ich bezweifle, dass er wegen einer Orange den ganzen Weg hierher auf sich nehmen wird.« Sie klopfte mit dem Spatel gegen die Seite der Schale. Das war es, was ich an Nina am meisten mochte: Sie hatte schon alles gehört und war nie überrascht von unseren Geständnissen. »Weißt du, es war einmal so, dass jeder auf einen Markt gehen und kaufen konnte, was er wollte.«

Ich schnaubte. »Märchen beginnen mit ›Es war einmal‹, Nina.«

»Es war auch wie im Märchen, was es aber nicht weniger real machte«, sagte sie und senkte die Schüssel, um mich besser ansehen zu können. »Es ist erschreckend, wie sehr sich die Dinge in einundsiebzig Jahren verändern können.«

»Ja, und in weiteren einundsiebzig Jahren wird man Zweien und Dreien gar keine Jobs mehr geben«, sagte ich. »Sie werden uns durch den Hinterausgang bringen und erschießen.«

»Menschen, die niedere Arbeiten verrichten, werden immer gebraucht werden.« Sie ging an mir vorbei zur Spüle und drückte mir dabei einen Kuss auf die Wange. »Die Harts werden nicht ewig an der Macht sein. Auch sie sind aus Fleisch und Blut, genau wie wir. Die Dinge werden sich ändern.«

»Nicht solange ich lebe.« Mir lief ein Schauer über den Rücken. So über die Harts zu reden, war Hochverrat. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, aber vierzig andere Kinder waren auf Nina angewiesen.

»Die Welt existiert nicht, weil du ihr die Erlaubnis dazu gegeben hast«, entgegnete sie. »Die ganze Zeit geschehen Dinge, von denen du und ich und jeder andere Bürger, der den Medien vertraut, nie etwas erfahren. Dinge, von denen die Harts nicht wollen, dass wir sie wissen.«

»Was zum Beispiel? Wenn etwas Wichtiges passieren würde, würden alle darüber reden.«

»Aber nicht die, die gern noch eine Woche länger leben wollen. Nimm doch nur mal den Tod von Yvonne und Jameson Hart zum Beispiel.«

»Die sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«

»Sind sie?«, fragte Nina und zog eine Augenbraue hoch. »Oder ist es nur das, was die Medien behaupten?«

Ich musterte sie. Die Beerdigung der Ehefrau und des ältesten Sohnes des Ministerpräsidenten vor einem Jahr war eine Pflichtveranstaltung gewesen. Zu sehen, wie sich die Harts unter schwarzen Regenschirmen versammelten und dabei zusahen, wie die Särge in die Erde gesenkt wurden, hatte in mir zum ersten und letzten Mal Mitleid mit ihnen ausgelöst. »Willst du damit sagen, dass es kein Autounfall war?«

»Ich sage nur, wenn es so wäre, würden wir es nie erfahren. Aber die Welt da draußen ist groß, und sie weiß, dass echtes Wissen und Freiheit nicht dasselbe sind wie die Illusion davon. Irgendwann wird das hier vorbei sein, und es gibt Leute, die alles dafür tun, dass das besser früher als später passiert.« Sie legte mir die Hände auf die Schultern und sah mir direkt in die Augen. »Hör gut zu, denn ich werde dir das nur einmal sagen. Du hast die Wahl. Du kannst wählen, ob du das schlechte Blatt annehmen willst, das die Harts dir ausgeteilt haben, oder ob du dich zusammenreißt und etwas dagegen unternimmst.«

»Was denn? Rumschreien und protestieren und mich töten lassen? Wäre, verdammt noch mal, ganz bestimmt besser als das hier.«

»Wenn du dich weigerst, die Aufgabe anzunehmen, die die Regierung dir zugeteilt hat, und stattdessen ein Leben im Untergrund führen willst, warum versuchst du dann nicht auch, etwas an den Umständen zu ändern?«

»Ich könnte ja doch nichts tun, damit es besser wird. Meinen Rang habe ich bekommen, und der wird nicht mehr verschwinden.«

»Der bedeutet nur etwas, weil die Harts es so entschieden und wir mitgemacht haben«, sagte sie. »Du bist mehr als die Nummer auf deinem Nacken, Kitty. Vergiss das nie.«

Nie vergessen, dass ich mich mit all dem niemals hätte beschäftigen müssen, wenn ich hundert Jahre früher geboren worden wäre? »Werde ich nicht.«

»Braves Mädchen.« Sie tätschelte mir die Wange. »Ich vertraue darauf, dass du den anderen Kids nichts davon sagst. Nicht einmal Benjy. Auf diese Weise ist es sicherer für ihn, und ich weiß, dass du ihn nicht in Schwierigkeiten bringen willst. Aber du bist jetzt erwachsen, und es war an der Zeit, dass du erfährst, was wirklich vor sich geht. Wenn du etwas Sinnvolles mit deinem Leben anfangen willst, musst du es nur sagen, und ich werde dich mit Leuten in Kontakt bringen, die dir dabei helfen können.«

Ich zögerte. »Wer …«

Ein lautes Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren. Nina wischte sich leise fluchend die Hände an ihrer Schürze ab, und die Spannung, die eben noch in der Luft gelegen hatte, löste sich auf. »Wag es ja nicht, irgendetwas anzufassen«, sagte sie und rannte in den Flur.

Kaum war sie um die Ecke gebogen, tauchte ich schon meinen Finger in die Schüssel und steckte mir einen Klumpen Teig in den Mund. Er zerschmolz geradezu auf meiner Zunge, was mich zufrieden aufseufzen und die Schwere unseres Gesprächs einen Moment lang vergessen ließ. Bei meiner letzten Mahlzeit in dem einzigen Zuhause, das ich je gekannt hatte, würde es meine Lieblingskekse geben. Das war eine nette Überraschung. Und alles, was ich heute noch wollte, waren nette Überraschungen und keine mehr, die mich umbringen konnten. Sobald Benjy seine VI hatte und in Sicherheit war, würde ich vielleicht noch einmal mit Nina sprechen. Doch im Moment konnte ich an nichts anderes denken als daran, wie ich den nächsten Monat überstehen sollte.

»Kann ich Ihnen helfen, meine Herren?« Ninas Stimme schwebte durch den Flur und in die Küche, und an ihrem Tonfall erkannte ich, dass sie die Besucher nicht kannte.

»Nina Doe?«, fragte eine gebieterische Stimme.

Leise schlich ich durch die Küche, und als ich um die Ecke spähte, blieb mir ein Keuchen im Hals stecken.

Ein Beamter in Schwarz und Silber stand in der Tür. Und neben ihm, mit einem finsteren Gesichtsausdruck, der Shield vom Markt.

II

DIE AUKTION

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Nina munter.

Ich presste den Rücken gegen die Wand und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Natürlich könnte ich durch die Hintertür abhauen, doch es bestand die Möglichkeit, dass sie Verstärkung mitgebracht hatten. Außerdem war der Zaun zu hoch, um ohne Benjys Hilfe darüber zu klettern, also hätte ich sowieso vorne herumgehen müssen.

Ich saß in der Falle.

»Ma’am, ich bin Colonel Jeremiah Sampson, und ich suche Kitty Doe«, sagte der Beamte.

Ich zwang mich, tief durchzuatmen. Panik würde mir nicht helfen. Es musste doch einen Ort geben, an dem ich mich verstecken konnte.

Mein Blick fiel auf den Schrank unter dem Waschbecken, und ich stürzte darauf zu. Es würde eng werden, doch die Chancen standen nicht schlecht, dass sie dort nicht nach mir suchen würden. Also schlüpfte ich hinein und schloss die Tür, nur Sekunden bevor ich Schritte in der Küche hörte.

»Tut mir leid, aber sie ist nicht hier«, sagte Nina. »Darf ich fragen, worum es geht?«

»Regierungsgeschäfte«, entgegnete der Shield. Er musste nicht konkreter werden. Nina und ich wussten beide, was das bedeutete: Es gab eine Kugel mit meinem Namen darauf. Aber warum war der Beamte in der seltsamen Uniform hier? Sicherlich war der Shield vom Markt selbst in der Lage, abzudrücken.

Die Schritte kamen näher, und ich hielt die Luft an und versuchte, so still zu halten wie nur möglich. Mein Rücken drückte gegen ein Rohr und ich musste mich zusammenrollen, um nicht die Spüle über mir zu berühren. Der chemische Geruch von Reinigungsmitteln drang mir brennend in die Nase, mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb, als wollte es noch so oft wie nur möglich schlagen, bevor es endgültig damit aufhörte.

Die Schritte hielten vor der Spüle inne, und ich zuckte zusammen, als jemand den Wasserhahn aufdrehte.

»Wenn sie nach Hause kommt, richte ich ihr gern aus, dass Sie hier waren.« Ninas Stimme klang durch das Wasserrauschen verzerrt, aber nicht weit entfernt. Offenbar stand sie vor dem Waschbecken und verstellte damit den Blick auf den Schrank. Wusste sie, wo ich mich versteckte?

»Stört es Sie, wenn wir uns umsehen?«, fragte Sampson.

Nina drehte das Wasser ab. »Seit wann fragt ihr Leute um Erlaubnis?«

Ich hörte weitere Schritte, diesmal von der anderen Seite der Küche. »Nina? Was ist hier los?«

Benjy. Mein Körper wurde taub, und ich tastete um mich auf der Suche nach irgendeiner Art von Waffe. Wenn sie ihn anfassten, wenn sie ihn auch nur schief ansahen …

»Diese Männer möchten wissen, wo Kitty ist«, sagte Nina schroff.

»Das weiß ich nicht«, antwortete Benjy, und seine Schritte wurden lauter, als er sich dem Waschbecken näherte. Ich hörte, wie jemand einen leichten Schlag auf die Hand bekam. Er musste versucht haben, an die Kekse zu kommen. »Wir wurden getrennt.«

»Dreh dich um«, sagte der Shield, und einen schrecklichen Moment lang befürchtete ich, er würde Benjy verhaften. Doch das konnte er gar nicht – Benjy war noch minderjährig.

»Noch genauso unversehrt wie vor einer Stunde«, sagte Benjy. Sein Nacken. Der Shield überprüfte seinen Rang. »Sie wäre nicht so dumm, hierher zurückzukommen. Ich würde Ihnen also empfehlen, am Bahnhof nach ihr zu suchen. Oder vielleicht in den Clubs«, fügte er hinzu. »Darüber denkt sie nämlich auch nach.«

Entsetzt schnappte ich nach Luft. Hasste er die Idee wirklich so sehr, dass er sogar bereit war, mein Leben zu riskieren?

»Sehr gut«, sagte Sampson. »Danke für Ihre Kooperation. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, schauen wir uns um, bevor wir gehen.«

»Aber sicher«, sagte Nina. Die Schritte der Männer entfernten sich aus der Küche und den Flur hinunter, und über mir hörte ich Nina murmeln: »Das ist der höflichste Mistkerl, den ich je getroffen habe. Ist sie hinten?«

Benjy musste den Kopf geschüttelt haben, denn sie seufzte. »Dann können wir nur hoffen, dass sie hier rauskommt, ohne erwischt zu werden.«

Ich verriet ihnen meine Anwesenheit nicht, solange die Männer suchten, denn vielleicht ging etwas vor sich, was ich nicht sehen konnte. Gelegentlich hörte ich ihre Stimmen gedämpft in einem anderen Raum, und wenn es so klang, als kämen sie zurück, erstarrte ich jedes Mal. Doch die Küche durchsuchten sie nicht.

»Miese, hochnäsige Nervensägen«, sagte Nina, nachdem sich die Haustür geöffnet und geschlossen hatte, und ich wusste, dass die Luft rein war. »Versprich mir, dass du, wenn du gekennzeichnet wurdest, nicht zu einem dieser Sechsen wirst, die sich für was Besseres halten.«

»Du meinst, es gibt auch noch andere?«, sagte ich laut und stieß die Schranktür auf.

Benjy stolperte rückwärts, und Nina ließ ihren Spatel auf den Boden fallen.

»Du warst die ganze Zeit da drin?«, fragte Benjy, und ich nickte. »Wie hast du da reingepasst?«

»Ich bin sehr gelenkig«, erklärte ich. »Ich muss hier weg, bevor sie zurückkommen. Tabs meinte, sie würde hier sein, wenn die anderen nach Hause kommen.«

Ich gab Nina einen Kuss auf die Wange und machte mich auf den Weg in einen der beiden großen Räume, in denen die Etagenbetten standen, in denen wir vierzig schliefen. Benjy stürmte hinter mir her, aber ich starrte entschlossen geradeaus.

»Kitty … Kitty. Du hattest das schon vor heute geplant?« Er packte mich am Ellbogen, und ich drehte mich zu ihm um.

»Ja,«, sagte ich hitzig und riss mich von ihm los. »Denn im Gegensatz zu dir haben wir nicht alle ein Superhirn, auf das wir zurückgreifen können.« Ich eilte zu meinem Bett, wo mein halb leerer Seesack auf mich wartete. Ich hatte vorgehabt, damit in irgendeinen besseren Teil der Stadt zu verschwinden. Nicht nach Denver oder gar in den Club, in dem Tabs lebte. Aber ich hatte mich dennoch auch für den schlimmsten Fall gewappnet, auch wenn ich eigentlich geplant hatte, ihr zu sagen, dass ich doch nicht mit ihr mitgehen würde, wenn sie kommen würde, um mich abzuholen. Doch es war ganz anders gekommen als geplant.

»Gut«, rief er und verschwand im Zimmer der Jungs. Eine halbe Minute später tauchte er mit seinem Rucksack wieder in der Tür auf. »Ich komme mit dir.«

Ich warf mein Hemd in den Seesack. »Was willst du dann im Club machen, Benjy?«

»Wir gehen nicht in den Club«, sagte er. »Wir laufen weg.«

»Nein, tun wir nicht. Ich kann nicht zulassen, dass du dir das selbst antust.«

»Ich habe es dir doch schon einmal gesagt. Wenn du nur eine III bekommen hast, dann habe ich erst recht keine Chance.« Er griff nach einem Sweatshirt, das ich mir von ihm geliehen hatte, und stopfte es in seinen Rucksack. »Du bist genauso klug wie ich. Das weißt du genau.«

»Nein, bin ich nicht.« Mein Gesicht brannte, doch ich versuchte, nicht zu weinen. Ich hatte seit Jahren nicht mehr geweint, nicht seit Tabs in den Untergrund gegangen war und wir sechs Monate lang kein Wort von ihr gehört hatten. Als sie dann endlich in unser Leben zurückgekehrt war, hatte ich mich bereits damit abgefunden, dass sie irgendwo tot in einem Graben lag. »Wie auch immer. Du kannst zumindest lesen.«

Bis heute war ich immer ganz gut zurechtgekommen. Benjy hatte jahrelang versucht, mir das Lesen beizubringen, und obwohl ich das Alphabet beherrschte, ergaben Wörter für mich einfach keinen Sinn. Wir waren sieben Jahre alt gewesen, als unser Lehrer mich verspottet hatte, weil ich meinen eigenen Namen nicht schreiben konnte. Benjy hatte Mitleid mit mir gehabt und war seitdem immer für mich da gewesen. Er hatte sogar zwei unterschiedliche Handschriften: seine eigene und die, die er bei meinen Hausaufgaben verwendete, wenn er die Antworten aufschrieb, die ich ihm gab. Aber das hier war nichts, wovor Benjy mich beschützen konnte, egal wie sehr er es auch wollte.

»Komm her«, sagte er, und ich warf mich in seine ausgestreckten Arme. Er fuhr mit den Fingern durch mein Haar und stand schweigend da, während ich mich weigerte, zu weinen. Denn das würde nichts bringen, und Benjy sollte auf keinen Fall wissen, wie erschüttert ich wirklich war. Solange ich vorgab, stark genug für das hier zu sein, konnte ich ihn davon abhalten, eine Dummheit zu begehen.

»Du kannst nicht mit mir gehen. Ich komme schon klar«, sagte ich, meine Stimme gedämpft von seinem Hemd. Ich wünschte, meinen eigenen Worten glauben zu können.

»Ich will lieber dich und keine Markierung haben, als eine Sechs zu sein und dich zu verlieren«, sagte er. »Es ist mir egal, wenn sie uns jagen. Ich lasse nicht zu, dass du mich verlässt.«

Ich atmete zittrig ein. »Bitte tu mir das nicht an. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du dein Leben ruinierst. Du wirst mich nicht verlieren, versprochen. Ich komme dich jeden Tag besuchen, und wenn du siebzehn bist, kannst du die Prüfung machen, und alles wird gut.«

»Du bist meine Freundin«, sagte er grob. »Ich will nicht, dass diese Schweine dich anfassen.«

»Ich finde die Vorstellung auch nicht gerade toll.« Ich strich ihm über den Rücken. »Aber ich kann nicht zulassen, dass Nina die Kids in Gefahr bringt, indem sie mich versteckt, und ich gehe auch nicht nach Denver.«

»Kannst du nicht versuchen, hier eine Aufgabe zugeteilt zu bekommen?«, fragte Benjy.

»Darum habe ich sie gleich nach der Prüfung schon gebeten. Sie sagten … sie sagten, dass Extras aus D. C. mit wenigen Punkten immer in andere Städte geschickt werden. Die Heights sind schon zu überfüllt, und wir haben keine Familie, die uns hier halten würde.«

»Doch, die hast du«, sagte er. »Du hast mich.«

Ich musste schwer schlucken. »Das interessiert sie nicht. Sie meinten, ich hätte Glück, weil ich als Kind nicht nach Anderswo geschickt worden bin, und dass ich nehmen soll, was ich kriegen kann. Ich gehe da nicht hin, Benjy. Ich weiß, du denkst, dass das besser wäre, aber das wäre es nicht. Nicht ohne dich, okay? Und Tabs ist meine einzige Chance.«

Er schob seine Hand unter mein Hemd und malte ein unsichtbares Muster um meinen Bauchnabel. »Es muss einen anderen Weg geben.«

»Wenn dir etwas einfällt, bin ich ganz Ohr.«

Er küsste mich, seine Lippen waren warm, und er schob mich sanft nach hinten Richtung Bett. »Vielleicht, bevor du gehst …«

Ich setzte mich auf die Kante meines Bettes, drückte ihm aber meine Hand gegen die Brust, um ihn auf Abstand zu halten. »Es tut mir leid«, sagte ich leise. »Tabs hat gesagt, sie würden sich besser um mich kümmern, wenn wir noch nicht …« Ich verstummte.

»Ich sollte dein Erster sein.« Benjy setzte sich neben mich und nahm meine Hand.

»Und das wirst du auch.«

»Nein, werde ich nicht. Nicht, wenn du mit Tabs gehst.«

Ich schüttelte den Kopf. »Die anderen zählen nicht. Sie werden nie zählen. Es gibt nur dich, und es wird immer nur dich geben, okay? Du wirst der Erste sein, den ich liebe, und der Einzige, der zählt.«

Er legte seine Stirn an meine und schloss die Augen. »Wenn dir etwas zustößt …«

»Dafür ist der Club ja da«, sagte ich. »Um mich zu beschützen.«

»Bei Tabs haben sie keine besonders gute Arbeit geleistet.«

»Tabs macht nebenbei noch Extrasachen«, log ich. »Und ich komme schon klar. Nur ein Monat, dann ist es vorbei, und dann gibt es für den Rest unseres Lebens nur noch dich und mich, okay? Vielleicht will mich ja auch niemand.«

Benjy sah mich vielsagend an, seine Augen rot umrandet. »Wer dich nicht will, muss verrückt sein.«

Ich küsste ihn noch einmal, diesmal ganz sanft. »Vergiss das jetzt einfach und denk daran, wie es sein wird, eine VI zu bekommen, ja?«

»Ich kann nicht.« Ihm versagte die Stimme. »Es ist mir gegenüber nicht fair, Kitty, und es ist dir gegenüber nicht fair. Ich liebe dich, und daran wird sich nie etwas ändern, aber ich kann hier nicht rumsitzen und nichts tun, während sie … während sie …« Er schüttelte den Kopf, und die Adern an seinem Hals schwollen an. »Das kann ich nicht.«

»Dann tu es nicht.« Meine Brust schnürte sich zusammen. »Wenn es so leichter ist …«

»Nichts wird es leichter machen. Du hast keine Ahnung, worauf du dich da einlässt.«

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