×

Ihre Vorbestellung zum Buch »Blaubeerzeit: Das Hotel am einsamen See«

Wir benachrichtigen Sie, sobald »Blaubeerzeit: Das Hotel am einsamen See« erhältlich ist. Hinterlegen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse. Ihren Kauf können Sie mit Erhalt der E-Mail am Erscheinungstag des Buches abschließen.

Blaubeerzeit: Das Hotel am einsamen See

hier erhältlich:

Laura ist überzeugt: Lars Södergren ist ein Heiratsschwindler. Sie wird ihm das Handwerk legen! Als sie jedoch undercover in sein zauberhaftes Landhotel in Südschweden eincheckt, beginnt sie an ihrem Urteil zu zweifeln. Ist dieser charmante Mann wirklich kriminell - und wenn ja, warum träumt sie selbst in hellen schwedischen Nächten nur von Lars?


  • Erscheinungstag: 10.05.2014
  • Seitenanzahl: 140
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956493256
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Pia Engström

Blaubeerzeit: Das Hotel am einsamen See

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2014 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Deutsche Originalausgabe

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Bettina Lahrs

Titelabbildung: Thinkstock/getty Images, München

ISBN eBook 978-3-95649-325-6

www.mira-taschenbuch.de

Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder
auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

PROLOG

Seufzend strich Ingrid mit den Fingern über die Umschläge, die vor ihr auf dem Tisch lagen – zusammen mit einem Schriftstück, das mit den Worten „Mein letzter Wille“ überschrieben war.

Sie wusste, dass sie nicht mehr allzu lange zu leben hatte. Die Ärzte gaben ihr im besten Fall noch ein paar Monate. Doch Ingrid war weniger besorgt um sich selbst als über das Schicksal der drei jungen Männer, die sie wie ihre eigenen Söhne liebte, auch wenn es sich nur um ihre Neffen handelte.

Nichts wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass die drei endlich ihr Glück fanden. Doch während sie beruflich überaus erfolgreich waren, blieben die Jungs, wie Ingrid sie stets nannte, auf privater Ebene furchtbar unterkühlt. Dabei bereitete ihr Mattias, der Jüngste, noch am wenigsten Kopfzerbrechen. Er würde seinen Weg gehen, daran zweifelte sie nicht. Erst recht mit dem kleinen Schubs in die richtige Richtung, den sie den dreien zu versetzen gedachte.

Bei Lars, der mit seinen vierunddreißig Jahren der Mittlere der drei Männer war, lagen die Dinge ein wenig anders. Im Gegensatz zu seinen Cousins hatte er schon einmal eine Frau geliebt und verloren. Das machte es ihm umso schwerer, der Liebe noch eine Chance zu geben.

Ingrid hoffte sehr, dass ihr Plan am Ende aufgehen würde. Es hieß, dass man niemanden zu seinem Glück zwingen konnte. Doch genau das wollte sie versuchen, indem sie ihrem Testament eine gewisse Klausel hinzufügte.

Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen.

Lebhaft konnte sie sich die erste Reaktion der Jungs vorstellen. Überraschung, Wut, Entsetzen. Doch am Ende würden sie hoffentlich einsehen, dass dies alles nur zu ihrem Besten geschah.

Auch Lars …

1. KAPITEL

Der Mann auf dem Foto besaß die eindrucksvollsten blauen Augen, die Laura Rodriguez je gesehen hatte. Umrahmt wurden sie von dunkelblonden Wimpern, so lang und dicht, dass ihn so manche Frau darum beneidet hätte. Doch wenn ein Attribut ansonsten überhaupt nicht auf ihn zutraf, dann war es „weiblich“.

Nein, ganz und gar nicht.

Seine Gesichtszüge waren scharf und markant. Die Wangenknochen wirkten wie aus Marmor gemeißelt, ebenso wie die dominante Nase. Seine Lippen hingegen waren so sinnlich, als würden sie regelrecht zum Küssen einladen.

Zum Küssen einladen? Was für ein absurder Gedanke!

Laura klappte den Deckel der Aktenmappe zu, die auf ihrem Schoß lag, und schaute aus dem Fenster des Flugzeugs, das sich bereits im Sinkflug auf den Flughafen von Växjö befand. Unter ihr breitete sich die Landschaft wie ein bunter Flickenteppich aus. Weite Wiesen wechselten sich ab mit Weiden, goldenen Weizenfeldern, sattgrünen Wäldern und Seen, die wie Spiegel im hellen Sonnenlicht glitzerten.

Nein, diesen Mann zu küssen war das Letzte, was sie im Sinn hatte. Ihm seine umwerfenden Augen auszukratzen, schon viel eher. Denn nichts Besseres hatte er verdient, wenn man bedachte, wie er mit Lauras Freundin umgesprungen war.

Bei dem Gedanken an all die Tränen, die Sofia in den vergangenen Wochen und Monaten wegen dieses Schufts vergossen hatte, wurde Laura erneut wütend. Als gebürtige Andalusierin gehörte sie nicht zu den Menschen, die mit ihren Gefühlen hinter dem Berg hielten. Im Zorn konnte sie wie ein Vulkan sein, der Feuer spie – vor allem, wenn jemand die Menschen verletzte, die ihr am Herzen lagen.

Ein Fehler, den gemacht zu haben ein gewisser Jemand schon sehr bald bitter bereuen würde.

Ein Jemand namens Lars Södergren.

Im Grunde war es reiner Zufall gewesen, dass Laura sein Foto entdeckt hatte. Bei ihren Recherchen über das Hotel, das die Reisegesellschaft Dream Holidays, für die sie arbeitete, für eine künftige Zusammenarbeit in Betracht zog. Danach war für sie klar gewesen, dass sie selbst die abschließende Bewertung vornehmen wollte, die stets inkognito vor Ort durchgeführt wurde und als Grundlage diente für die endgültige Entscheidung für oder gegen eine Kooperation.

Der einzige Haken bestand darin, dass dies eigentlich nicht zu ihren Aufgaben gehörte. Als Sachbearbeiterin war sie unter anderem dafür zuständig, die Beurteilungen der Außendienstmitarbeiter in eine lesbare und nachvollziehbare Form zu bringen – aber keineswegs dafür, den Kollegen selbst Konkurrenz zu machen. Eigentlich hatte es nur einen einzigen Punkt gegeben, der für sie sprach, und das waren ihre Schwedischkenntnisse, die sie sich in ihrer Jugend erworben hatte, als ihr Vater von seiner Firma nach Stockholm versetzt worden war.

Gereicht hatte es am Ende nicht, sodass Laura gezwungen gewesen war, ihren gesamten Jahresurlaub für das Vorhaben zu opfern, den Mann an den Pranger zu stellen, der Sofia das Herz gebrochen hatte. Denn dummerweise war das, was sie hierzu benötigte, nicht so leicht zu bekommen: Beweise.

Sie war dem Mann, der sich Sofia unter falschem Namen als Viktor Martinsson vorgestellt hatte, niemals persönlich begegnet, da ihre Freundin zu dieser Zeit an einem Projekt ihrer Firma in Norwegen gearbeitet hatte. Doch sie hatte definitiv genügend Bilder von ihm gesehen, um ihn auf Anhieb wiederzuerkennen.

Die arme Sofia. Viktor Martinsson – oder Lars Södergren, sofern er wirklich so hieß und es sich nicht nur um eine weitere seiner zahlreichen Tarnidentitäten handelte – hatte sie um ihr gesamtes Vermögen gebracht, und zwar auf die gemeinste und hinterhältigste Art, die man sich nur vorstellen konnte. Zuerst hatte der Kerl sich in ihr Herz geschlichen und es ihr anschließend brutal gebrochen.

Unwillkürlich musste Laura an ihre Mutter denken. Auch Valentina Rodriguez hatte damals, nach dem Tod ihres Mannes, geglaubt, einen neuen Gefährten gefunden zu haben.

Als sie am Ende feststellen musste, dass sie nur belogen und betrogen worden war, hatte diese Erkenntnis sie so tief getroffen, dass sie daran zerbrochen war. Der Schuft, der ihrer Mutter das angetan hatte, war niemals erwischt worden. Und Laura würde nicht zulassen, dass ihrer liebsten und ältesten Freundin dasselbe Schicksal widerfuhr.

Eigentlich, dachte sie, sind die Männer doch alle gleich. Sie musste nur an ihren ehemaligen Verlobten Ramón denken, um das zu wissen!

Sie ballte die Hände zu Fäusten, als das Flugzeug auf der Rollbahn aufsetzte, scharf bremste und dann langsam ausrollte. Es musste einen Weg geben, diesen Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. Es musste einfach!

Und sie, Laura, würde ihn finden – koste es, was es wolle!

„Es hat schon wieder einen gegeben.“ Lässig lehnte Mikael Jansson an der Tür zum Büro seines Chefs. „Und dieses Mal hat unser Langfinger im Sjöstranden-Hotel zugeschlagen.“ Er schüttelte den Kopf. „Wir müssen etwas unternehmen, Lars. Dringend.“

Lars Södergren fuhr sich mit beiden Händen durch sein kurzes, dunkelblondes Haar. Seufzend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. „Du hast recht, so kann es nicht weitergehen. Bisher ist es mir noch gelungen, die Presse rauszuhalten. Aber wenn irgendein Reporter Wind davon bekommt, dass in unseren Häusern ein Dieb sein Unwesen treibt …“

Er brauchte den Satz nicht zu Ende zu führen – sowohl Mikael als auch er selbst waren sich vollkommen darüber im Klaren, was dies für den Ruf von Södergren Hotellen bedeuten würde. Die schlechte Publicity würde ihnen ewig nachhängen. In den Häusern der Hotelkette stieg eine vorrangig wohlhabende Klientel ab, die ihr Eigentum in Sicherheit wissen wollte. Und nun dies!

Ein Dieb, der anscheinend in den Zimmern der Gäste ein- und auszugehen vermochte, wie es ihm beliebte. Eine Security, die mit der neuesten Technik und den besten Geräten ausgerüstet war und der Herausforderung dennoch völlig hilflos gegenüberstand. Ein Schaden in sechsstelliger Höhe, der bereits entstanden war. Wie sollte es weitergehen?

„Irgendwelche Vorschläge?“, fragte Lars.

Mikael schüttelte den Kopf. Er war ein fähiger Mitarbeiter. Ein ehemaliger Polizist, der es leid war, für ein mickriges Gehalt tagtäglich sein Leben zu riskieren. Aber auch er wusste sich nicht mehr zu helfen. Und Lars fing an zu begreifen, was das alte Sprichwort bedeutete, dass guter Rat teuer sei.

Als hätte er nicht auch so schon genug um die Ohren!

„Aber wir stehen trotzdem nicht mit völlig leeren Händen da“, sagte sein Sicherheitschef plötzlich.

Lars horchte auf. „Ach nein?“

„Nej“, entgegnete Mikael. „Ich habe meine alten Kontakte spielen lassen und mich umgehört. Eine bekannte Diebin soll in der Umgebung gesehen worden sein. Vielleicht hast du schon mal von ihr gehört. Ihr Künstlername, wenn man das so sagen kann, lautet schwarzer Engel.“

„Schwarzer Engel?“, wiederholte Lars nachdenklich. „Nej, ich glaube nicht, dass mir das schon mal zu Ohren gekommen ist. Hat es mit dem Namen irgendeine Bewandtnis?“

„Nun, nur höchstens insofern, dass niemand sie je gesehen hat.“ Mikael hob eine Braue. „Es heißt, sie verschmilzt mit den Schatten der Nacht – ganz schön poetisch, was?“

Für Poesie hatte Lars im Augenblick allerdings wirklich keinen Sinn. Ihn interessierte etwas ganz anderes. „Es gibt keine Beschreibung von ihr? Nichts?“ Er runzelte die Stirn. „Und woher weiß man dann, dass sie angeblich in der Gegend sein soll?“

„Sehr gute Frage, Boss“, erwiderte sein Angestellter. „Es gibt ein einziges Bild von ihr, reichlich grobkörnig und in Schwarz-Weiß. Wurde vor ein paar Jahren von einer Sicherheitskamera aufgenommen, die sie bei einem Raubzug übersehen haben muss.“

„Na, dann ist doch alles klar. Besorg uns eine Kopie des Fotos und verteile Ausdrucke davon an all deine Leute.“

Mikael schmunzelte. „Denkst du wirklich, das hätte ich nicht schon längst gemacht? Aber leicht wird es trotzdem nicht.“ Er zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es Lars.

Der nahm es entgegen und betrachtete es mit wachsender Ernüchterung.

Mikael hatte recht, besonders viel war darauf tatsächlich nicht zu erkennen. Ein Gesicht, das vor dem dunklen Hintergrund so hell aussah, dass es fast zu leuchten schien. Wohlgeformte Züge, dunkle Augen und Haar, das entweder kurz geschnitten oder im Nacken zusammengebunden war. Eine schöne Frau, so viel stand fest. Schön und ganz offensichtlich brandgefährlich.

„Förbannat!“

„Sag ich doch“, erwiderte Mikael. „Genau deshalb habe ich das Bild noch einmal mit einem Filter bearbeitet. Jetzt sieht es schon besser aus“, sagte er und reichte seinem Chef erneut ein Foto, auf dem man schon wesentlich mehr Details erkennen konnte. „Wir sollten uns aber trotzdem noch etwas anderes überlegen. Ich …“

Er redete noch weiter, doch Lars bekam es gar nicht mehr mit. Er starrte auf den Monitor, der auf seinem Schreibtisch stand und nacheinander die Bilder sämtlicher Überwachungskameras im Hotel anzeigte. Als die Anzeige plötzlich umsprang, kam wieder Bewegung in ihn. Mit einem Tastendruck wechselte er zurück zur vorherigen Kamera.

Sie sah aus wie ein Engel. Lange dunkle Wimpern, die ihre ebenfalls fast schwarz wirkenden Augen beschatteten. Ein herzförmiges Gesicht, umrahmt von schwarzen Locken, die über ihre Schultern fielen und ihr bis über den halben Rücken reichten. Sanft geschwungene Lippen, eine zierliche Nase …

Ganz eindeutig eine Südländerin. Womöglich Italienerin oder Griechin, doch Lars tippte auf eine heißblütige Spanierin. Doch egal, woher sie kam – sie war definitiv eine der attraktivsten Frauen, denen er je begegnet war.

Mikael runzelte die Stirn. „Sag mal, hörst du mir überhaupt noch zu?“

„Schau!“, rief Lars und deutet auf den Bildschirm, der im Moment den Empfangstresen des Hotels zeigte. „Siehst du es denn nicht?“

„Hübsches Ding“, kommentierte Mikael und nickte anerkennend. Dann drehte die junge Frau, die gerade eincheckte, den Kopf so, dass ihr Gesicht von vorn zu erkennen war, und er unterdrückte einen Fluch. „Du meinst doch nicht …?“

„Sieh sie dir doch an!“, forderte Lars ihn auf, dann nahm er den schwarz-weißen Ausdruck der Fotos und hielt ihn gleich daneben. „Ich fresse einen Besen, wenn das nicht ein und dieselbe Person ist!“, sagte er. Instinktiv griff Mikael nach seinem Handy, doch Lars hielt ihn mit einer energischen Handbewegung davon ab. „Was machst du da?“

„Na, ich informiere die Polizei“, entgegnete er energisch. „Ist doch wohl klar, oder? Wenn das wirklich unser schwarzer Engel ist, dann dürfen wir sie nicht entwischen lassen. Diese Frau hat über die Jahre Schäden in Millionenhöhe verursacht!“

„Nein, Mikael“, sagte Lars leise, aber bestimmt.

„Nein?“ Sein Sicherheitschef starrte ihn fassungslos an. „Wie meinst du das – nein?“

„Keine Polizei“, entgegnete er. „Zumindest vorerst nicht. Ich werde die Sache selbst in die Hand nehmen.“

„Hör mal, Lars, das ist keines dieser hirnlosen Püppchen, mit denen du dir üblicherweise die Zeit vertreibst. Wir haben es hier womöglich mit einer Verbrecherin zu tun. Sie könnte bewaffnet sein, um Himmels willen!“

Doch Lars ließ sich nicht umstimmen. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und bei der würde er auch bleiben. Ganz gleich, was Mikael dazu sagte.

„Du bist verrückt.“ Sein Mitarbeiter schüttelte den Kopf. „Vollkommen verrückt.“

„Mag schon sein“, entgegnete Lars mit einem feinen Lächeln. „Aber davon abgesehen bin ich immer noch dein Boss.“ Er erhob sich. „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich mich wieder ein wenig intensiver um unsere Gäste kümmere, was meinst du?“

Mikael schwieg, doch sein Blick sprach Bände.

Lars ging darüber hinweg. Er wusste selbst nicht so genau, warum er ihn davon abgehalten hatte, die Polizei zu informieren. Es ging hier immerhin um den Ruf und die Sicherheit von Södergren Hotellen, und für diesen Zweig des Familienunternehmens trug allein er die Verantwortung. Doch er hatte einfach nicht anders entscheiden können.

Irgendetwas an dieser Frau ließ ihn zögern, den üblichen Weg zu beschreiten. Die Routine, die man normalerweise in Gang setzte, wenn man eine kriminelle Person in seinem Haus zu entdecken glaubte.

Mikael hielt ihn für verrückt? Nun, vermutlich war er das. Wie ließ sich sein überaus seltsames Verhalten sonst erklären? Bei dieser Frau handelte es sich schließlich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine gesuchte Verbrecherin. Und zwar um die Frau, die schon in mehreren Hotels der Södergren-Gruppe ihr Unwesen getrieben hatte und bisher unerkannt davongekommen war.

Du kannst nicht zulassen, dass sie damit weitermacht, sagte er zu sich selbst. Ganz gleich, wie hübsch sie auch sein mag – du kennst sie nicht. Du weißt nicht, warum sie das alles tut. Ob sie keinen anderen Ausweg sieht und verzweifelt ist, so wie …

Mit einem energischen Blinzeln drängte er die bösen Erinnerungen zurück, die ihn auch nach so vielen Jahren immer noch ohne jede Ankündigung überfielen.

Es war besser, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren.

„Hören Sie, ich weiß, dass ich nicht reserviert habe“, erklärte Laura der adretten Blondine hinter dem Empfangstresen. „Aber ich habe eine lange und ermüdende Anreise hinter mir. Gibt es denn wirklich keine Chance, noch ein Zimmer zu bekommen?“ Sie legte ein – wie sie hoffte – gewinnendes Lächeln auf. „Ich bin auch mit einer Besenkammer zufrieden. Wirklich!“

Vom Flughafen aus hatte sie ein Taxi genommen. Ein kostspieliges Vergnügen, das ihre Kreditkartenabrechnung am Monatsende ein wenig höher als üblich ausfallen lassen würde. Doch wenn es ihr dabei half, den Mann zu überführen, der Sofia so übel mitgespielt hatte, dann war es jeden einzelnen Cent wert, den sie investieren musste.

„Es tut mir wirklich leid, aber …“, setzte die Empfangsdame zu einer abschlägigen Antwort an, als plötzlich eine tiefe Männerstimme hinter Laura erklang.

„Ich übernehme die Angelegenheit, Jenny, tack så mycket!“

Die Blonde nickte und schenkte Laura noch ein höfliches Lächeln, ehe sie sich dem nächsten Gast zuwandte.

Laura drehte sich um – und erstarrte.

Für einen Augenblick stockte ihr regelrecht der Atem. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann umso heftiger gegen ihre Rippen zu hämmern.

Er war es.

„Lars Södergren“, stellte er sich vor und streckte ihr eine Hand entgegen. „Und mit wem habe ich das Vergnügen?“

Lauras Gedanken rasten. Sein gewinnendes Lächeln ließ ihre Knie weich werden, und sie hatte das Gefühl, sich am Empfangstresen abstützen zu müssen. Noch immer hielt er ihr die Hand hin, und es wäre ziemlich unhöflich von ihr, sie nicht zu ergreifen. Doch im selben Moment fürchtete sie sich davor, was diese harmlose Berührung in ihr auslösen könnte. Doch was blieb ihr anderes übrig?

Sie wagte es.

„Lauredana Gonzales“, nannte sie ihm den Namen einer engen Freundin, die sie schon aus Kindheitstagen kannte und deren Liebesromane auf allen Bestsellerlisten standen – eine vermögende Frau, die genau Södergrens Beuteschema entsprechen dürfte. „Aber die meisten nennen mich Laura.“

„Die Autorin?“, hakte er nach, und als sie nickte wurde sein Lächeln noch breiter. „Sehr erfreut … Wirklich sehr erfreut.“

Wie erwartet, war ihm der Name ein Begriff – und er erkannte, was für eine Chance sich ihm hier praktisch auf dem Silbertablett präsentiert wurde.

Wie lockt man einen hinterhältigen Heiratsschwindler am besten aus der Reserve? Lektion 1: Indem man ihm ein verlockendes Opfer direkt vor die Nase setzt.

Die Idee war ihr ganz spontan gekommen, und sie spürte, wie ihr vor Aufregung ganz schwindelig wurde. Sie war noch nie eine besonders gute Lügnerin gewesen und fürchtete nun, dass er ihr auf Anhieb ansehen würde, dass sie ihm nur etwas vormachte.

Doch sie konnte in seiner Miene weder Argwohn noch Zweifel ausmachen. Nur Interesse.

Professionelles Interesse?

Zum Glück gehörte Lauredana zu den prominenten Menschen, die streng abseits der Öffentlichkeit lebten, sodass es keinerlei Fotos von ihr gab, nicht mal auf ihren Buchcovern, geschweige denn in der Boulevardpresse. Es stand also kaum zu befürchten, dass Södergren ihre Lüge auf die Schnelle enttarnen würde. Und Lauredana würde ihr diesen kleinen Identitätsdiebstahl sicher nicht übelnehmen.

Und nun? Hatte er den Köder geschluckt?

„Wie kann ich Ihnen denn helfen, Laura? Gibt es Schwierigkeiten mit Ihrer Reservierung?“

Jetzt war es Laura, die ihm ein warmes Lächeln schenkte. „Ich fürchte, es gibt gar keine Reservierung. Ich bin heute Morgen in aller Frühe aufgebrochen, weil ich … nun, sagen wir, ich brauchte einfach einen Tapetenwechsel. Die Arbeit an meinem neuen Roman gestaltet sich, gelinde gesagt, ein bisschen schwieriger als erhofft.“

„Ich bin sicher, dass Sie hier in Småland die notwendige Inspiration finden werden“, sagte er. „Um das kleine Problem wegen der fehlenden Reservierung machen Sie sich bitte keine Sorgen – ich kümmere mich darum.“

Sie klimperte mit den Wimpern und warf ihm einen Kleinmädchenaugenaufschlag zu. „Würden Sie das wirklich für mich tun?“

„Für meine Lieblingsschriftstellerin würde ich so ziemlich alles tun“, gab er süffisant zurück.

„Würden Sie sie auch heute Abend zum Dinner begleiten?“, nutzte Laura die Chance, die sich ihr so unverhofft bot. „Ich hasse es, allein zu essen. Nichts ist schlimmer, als in einem Raum voller Menschen zu sitzen und sich dabei vollkommen allein zu fühlen.“

Erstaunt hob er eine Braue, wirkte aber erfreut. „Es wird mir ein Vergnügen sein“, sagte er, ehe er sich wieder an die Empfangsdame wandte. „Suite 383 ist frei“, erklärte er. „Bitte sorgen Sie dafür, dass sie für unseren Gast vorbereitet wird, Jenny. Ach, und würden Sie wohl einen Tisch für zwei im Jörgen’s auf meinen Namen reservieren?“

Die Blondine wirkte ein wenig überrascht, fing sich aber rasch. „Selbstverständlich. In spätestens einer halben Stunde können Sie Ihre Suite beziehen, Señorita Gonzales.“

„Darf ich Sie solange auf einen Drink an die Bar entführen?“, fragte Lars und bot ihr seinen Arm.

Laura zögerte. Sie musste sich in Erinnerung rufen, wer er war und warum sie nach Schweden gereist war.

Dieser Schuft hatte Sofia die große Liebe vorgespielt und sie dann um ihr Vermögen gebracht. Ganz gleich, wie attraktiv er auch war, wie charmant und weltgewandt – sie durfte niemals vergessen, was sich hinter der Fassade verbarg.

Niemals!

Trotzdem klopfte ihr das Herz bis zum Hals, als sie sich bei ihm unterhakte und zur Bar führen ließ, die unmittelbar von der Lobby abging. Das Licht im Raum war gedimmt, und aus versteckten Lautsprechern erklang sanfte Pianomusik.

„Was möchten Sie trinken?“, fragte er, nachdem sie in einer kleinen Nische Platz genommen hatten. „Ein Glas Champagner vielleicht?“

Laura winkte ab. Sie trank nur selten Alkohol, und Champagner war ihr in der Regel viel zu teuer, als dass sie ihr hart verdientes Geld dafür ausgeben wollte. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass sie ja die Rolle einer vermögenden Frau spielte, die sich über Geld keine Gedanken machen musste, und sie erwiderte: „Oh nein, für mich keinen Champagner vor dem Dinner.“ Sie zwang ein süffisantes Lächeln auf ihre Lippen. „Davon von wird mir immer ganz schwindelig. Ich hätte gern einfach nur ein Glas Wasser, vielen Dank.“

Erstaunt hob Lars eine Braue. „Wasser? Nun, warum eigentlich nicht?“ Er hob die Hand, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen. „Zwei Gläser Wasser bitte, Carl-Erik.“

Lars musterte sein Gegenüber aufmerksam.

Sie war anders, als er sie sich vorgestellt hatte. Auch wenn es selbst nicht so genau wusste, welche Vorstellung er von einer Frau gehabt hatte, die in Hotelzimmer einbrach und deren Bewohner um ihre Wertgegenstände erleichterte.

Autor