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Die Magischen Sechs - Wendel Wispers unheimliche Puppe

hier erhältlich:

Theo Stein-Meyer liebt es, Teil der Magischen Sechs zu sein und ist mit seinen Schwebekünsten, dem magischen Geigenbogen und seiner unerschütterlichen Ruhe eine wunderbare Ergänzung für die Gruppe. Ein Mädchen namens Emily, das seit Kurzem immer mehr Zeit mit den Freunden verbringt, entwickelt eine besondere Verbindung zu dem nachdenklichen Jungen und versteht Theos innere Spannung zwischen Musik und Magie, Familie und Freunden. Eines Tages taucht plötzlich ein berühmter Bauchredner mit seiner unheimlichen Puppe in Mineral Wells auf und die Magischen Sechs sind sich schnell einig, dass dieser sicher nichts Gutes im Schilde führt. Als dann auch noch Mr Vernon fortgerufen wird und sich die Gruppe mit einem weiteren schurkischen Mitglied des Smaragd-Rings konfrontiert sieht, wird ihre Freundschaft auf die Probe gestellt und vor allem Theo muss sich entscheiden, wohin er gehört.


  • Erscheinungstag: 05.12.2019
  • Aus der Serie: Die Magischen Sechs
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 352
  • Altersempfehlung: 9
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505142383

Leseprobe

Bücher von Neil Patrick Harris bei Schneiderbuch:

Die Magischen Sechs, Band 1: Mr Vernons Zauberladen

Die Magischen Sechs, Band 2: Madame Esmeraldas Geheimnis

Die Magischen Sechs, Band 3: Wendel Wispers unheimliche Puppe

 

Weitere Bücher von Neil Patrick Harris sind bei Schneiderbuch in Vorbereitung.

 

© 2019 Schneiderbuch.digital

verlegt durch Egmont Verlagsgesellschaft en mbH

Alte Jakobstraße 83, 10179 Berlin

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Die englische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel

»The Magic Misfits – The Minor Third« bei Little, Brown and Company

Text and illustrations copyright © 2019 by Neil Patrick Harris

Cover art and story illustrations by Lissy Marlin. How-To illustrations by Kyle Hilton.

Cover art copyright © 2019 by Neil Patrick Harris

Cover copyright © 2019 by Hachette Book Group, Inc.

Aus dem Englischen von Katrin Segerer

Umschlaggestaltung: Karina Granda

Umschlagadaption: Johannes Wiebel, punchdesign | München

Satz: Achim Münster, Overath

eBook: PPP Pre Print Partner GmbH & Co. KG, www.PPP.eu

978-3-505-14239-0

www.schneiderbuch.de

Die Rückkehr der Magischen Sechs

Psst!

Hier drüben!

Nein, nicht hinter dem Möbelstück da.

Hier drüben!

Nein, nicht im Nebenzimmer.

Das andere »Hier drüben«.

Guck genau hin. Genauer. Noch genauer …

Ja! Da bin ich.

Mitten in den Seiten dieses Buchs.

Die Tinte ist meine Stimme, und die Buchstaben sind Botschaften aus meinem Kopf.

Geheimnisvoll!

Hallo, übrigens. Wie schön, dass du auch bei dieser Reise dabei bist. Du kommst doch mit, oder?

Bitte entschuldige das Versteckspiel. Aber wenn du mit dem Buch hier – dem dritten Abenteuer der Magischen Sechs – erst einmal angefangen hast, wirst du mich verstehen. Die Ereignisse sind nämlich ein wiiinziges bisschen tückischer als in den vorherigen beiden Bänden, und du solltest genauso vorsichtig sein wie unsere Zauberfreunde. Überleg dir genau, wer die Guten und wer die Bösen sind. Und wenn du dir jede Seite sorgfältig anschaust, findest du vielleicht sogar Antworten auf Fragen, die du gar nicht gestellt hast.

Genial!

Ich gehe davon aus, dass du dich an alle Einzelheiten über unseren Nachwuchszauberclub – die titelgebenden Magischen Sechs – erinnerst. Da hätten wir zunächst einmal Carter (den Verschwindibus) Locke … Leila (die ­Entfesselnde) Vernon … Theo (den Schwebegeiger) Stein-Meyer … Ridley (die Verwandlerin) Larsen … und natürlich die Zwillinge Olly und Izzy (die Spaßkanonen) Golden.

In den Bänden eins und zwei haben unsere Freunde einem verbrecherischen Rummelbesitzer, dem ominösen B. B. Bosso, das Handwerk gelegt und wenig später die Pläne von Sandra Santos alias Madame Esmeralda und ihrer Betrügerbande durchkreuzt – die wollten ein geheimes Kassenbuch an sich bringen, das Dante Vernon gehört, dem Besitzer des örtlichen Zauberladens und einem von Leilas beiden Vätern (aber das wusstest du natürlich längst). Außerdem haben die Magischen Sechs einen Affen und zwei Mäuse adoptiert und sind (zweimal!) im prächtigen Theater des Berghotels auf­getreten, das über ihrem idyllischen Heimatstädtchen Mineral Wells thront.

Klingt, als wäre ziemlich viel passiert, was? Ist es auch! Aber keine Sorge, wenn du nicht mehr alles im Kopf hast. Das dritte Abenteuer dürfte die Gedächtnislücken schließen.

Grandios!

Nach diesem langen Vorgeplänkel juckt es dir bestimmt in den Fingern, direkt zum ersten Kapitel zu blättern. Aber vorher muss ich auf einem weiteren Schlenker bestehen und dir erklären …

 

Du ahnst wahrscheinlich schon, was jetzt kommt: eine langatmige Erklärung, dass Teile dieses Buchs die Geschichte der Magischen Sechs und andere kurze Zauberlektionen enthalten und dass du diese Lektionen gern auslassen und nur die Geschichte lesen darfst. Du darfst das Buch natürlich auch in die Spüle legen, das Wasser aufdrehen und die Seiten sieben Stunden lang einweichen. Aber mal ehrlich: Es gibt viele Dinge im ­Leben, die wir tun dürfen, aber auf gar keinen Fall tun sollten.

Außerdem erinnerst du dich bestimmt (weil du ziemlich schlau bist, oder?), dass du, um die Tricks aus den Zauberlektionen zu lernen, üben, üben und nochmals üben musst. Und dann ein Nickerchen machen, zur Schule gehen, zu Abend essen und weiterüben. Und das Ganze noch einmal von vorn. Und noch einmal. Und noch einmal. Denn um deine Freunde von deinen Zauberkünsten zu überzeugen, solltest du praktisch perfekt sein.

Nun denn! Da du das alles längst wusstest – und wenn nicht, weißt du es jetzt –, ist es wohl das Beste, wenn du den Rest des Kapitels einfach überspringst. Das hätte mir auch früher einfallen können …

Ach, du bist immer noch da? Wie aufmerksam, wie gewissenhaft von dir! Aber die Zeit drängt. Na los. Hol tief Luft. Konzentrier dich. Und blättere um …

EINS

Theo Stein-Meyer träumte oft davon, fliegen zu können.

Die Träume fingen immer damit an, dass er in seinem Bett lag, während seine Eltern am anderen Ende des Flurs schnarchten. Plötzlich – wie von Zauberhand – erhob er sich mehrere Zentimeter in die Luft. Er schwebte zum Fenster hinüber, öffnete es und zog sich mit dem Kopf voraus in die Nacht hinaus. Über den Himmel zu gleiten und zu kreisen und zu wirbeln, fiel ihm so leicht wie seinen Tauben hinterm Haus. Er aktivierte einfach irgendetwas in seinem Kopf, und sein Körper flog los.

Höher, höher, immer höher!

Fliegen fühlte sich für ihn genauso an wie Geige spielen – wie schwirrende, springende, schneidende Melodien zu produzieren. Oder wie mit seinem magischen Geigenbogen vor den Augen staunender Zuschauer Gegenstände durch die Luft tanzen zu lassen. Musik und Magie waren nämlich Theos liebste Leidenschaften. Und am allerliebsten frönte er beiden gleichzeitig.

In letzter Zeit jedoch waren seine nächtlichen Flugträume unheimlich geworden. Ein Schatten schlich unter ihm durch die Stadt, ein großer Mann mit Umhang und Zylinder, dessen Gesicht die Dunkelheit verbarg. Er huschte durch die Straßen und lugte in die Häuser. Von hoch oben hörte Theo ihn geheimnisvolle Zauberformeln sprechen, die Menschen zu bösen Dingen verleiteten.

Dieser Mann hieß Kalagan, und er war für einen Löwenanteil der Scherereien verantwortlich, mit denen Theo und seine Freunde sich in diesem Sommer herumgeschlagen hatten. Der echte Kalagan war ein Hypnotiseur, der vor langer Zeit in Mineral Wells gelebt hatte, und seine Handlanger waren schon mehrmals in der Stadt aufgetaucht und hatten versucht, seine finsteren Pläne in die Tat umzusetzen – nur um von den Magischen Sechs ausgebremst zu werden. Theo fürchtete, dass Kalagan bald selbst zurückkehren und sich um die Störenfriede kümmern würde.

In seinem Traum flog er tiefer, um Kalagan zu belauschen, der in eine dunkle Gasse geschlüpft war. Die Schatten zwischen den Häusern wurden immer schwärzer, immer gefährlicher, und Kalagans Flüstern wurde lauter.

»Muss … Magische … Sechs … aufhalten …«

Kalagan sprach über Theo und seine Freunde!

Plötzlich wirbelte der Hypnotiseur herum, packte den fliegenden Theo, der erschrocken aufschrie, und zerrte ihn zu Boden.

»Muss! Magische! Sechs! Aufhalten!«

Nach Luft ringend, schreckte Theo aus dem Schlaf. Er kämpfte sich aus der verhedderten Bettdecke und atmete langsam ein und aus, um sich zu beruhigen. Mit wackeligen Beinen trat er ans Fenster und starrte zu den Bäumen am Horizont, zwischen denen gerade das erste Licht des Spätsommermorgens hervorlinste. War Kalagan irgendwo da draußen und starrte zurück? Alles war ruhig, aber Theo wusste, dass das nicht ewig andauern würde. (So funktioniert die Welt nun einmal nicht.) Aber fürs Erste ließ er sich von der Ruhe einhüllen und wieder in den Schlaf wiegen.

 

 

Ein paar Stunden später war Mineral Wells hellwach und geschäftig. Autos kurvten durchs Stadtzentrum, vorbei an pittoresken Geschäften und Verkaufsständen, auf der Suche nach einem der wenigen freien Parkplätze. Familien schlenderten über die Bürgersteige, während Männer in Anzügen und Frauen in schicken Kostümen durch die Türen von Rathaus und Gericht eilten.

Ein angenehmer Wind kühlte dann und wann die warme, leicht feuchte Luft ab. Und wenn die Bewohner und Besucher des Städtchens ganz genau horchten, hörten sie in dieser Brise eine Melodie, einen fröhlich gegeigten Walzer. Der stammte von einem Jungen im Frack, der sich mit seinen Freunden im Pavillon auf dem Marktplatz versammelt hatte, um für die anstehende große Talentshow zu üben.

Theo ließ den Bogen über die Saiten tanzen. Leila, Carter, Ridley, Olly und Izzy saßen und standen neben ihm. Zu seinen Füßen hüpfte ein Teddybär herum, wie magisch zum Leben erweckt. Wenn Theo schneller spielte, hüpfte auch der Bär schneller, und wenn die Musik langsamer wurde, wiegte sich der Bär träumerisch lauschend.

Während die Melodie sich dem Höhepunkt näherte, stieg der Bär vor Theo in die Luft. Einen halben Meter hoch, einen ganzen, zwei! Nach dem letzten Ton riss Theo Geige und Bogen mit einer Hand zur Seite und streckte die andere nach dem Bären aus. Doch kurz bevor er ihn fangen konnte, entdeckte er aus dem Augenwinkel eine dunkel gekleidete Gestalt in der Ferne, und seine Finger griffen ins Leere.

Die Gestalt sah genauso aus wie der Mann aus seinen Träumen.

»Theo!«

»Theo?«

Schaudernd drehte er sich zu seinen Freunden, die ihn anstarrten, und blinzelte. Hatten seine Augen ihm einen Streich gespielt?

»Was war los?« Ridleys rote Locken hopsten hin und her, als sie den Kopf schüttelte. »Bis auf das Ende warst du richtig gut!«

»Bitte entschuldigt.« Theo wurde rot. »Meine Gedanken sind auf Wanderschaft gegangen.«

Leila drückte ihm tröstend den Arm. »Das passiert uns allen in letzter Zeit.«

»Meine Gedanken gehen nicht nur auf Wanderschaft, sie erklimmen Berge«, meinte Olly.

»Meine klettern auf Bäume!«, trumpfte seine Zwillingsschwester Izzy auf.

»Meine erforschen Höhlen«, konterte Olly.

»Meine schippern auf einem Dampfer in die Antarktis«, erwiderte Izzy grinsend.

»Meine freunden sich mit Eisbären an!«

»Falscher Kontinent«, unterbrach Ridley Olly und drückte auf einen Knopf an der Armlehne ihres Rollstuhls. Ein Leider-verloren-Buzzer ertönte.

»Die Magischen Sechs haben diesen Sommer einiges durchgemacht«, sagte Carter zu Theo. »Da ist es okay, wenn die Konzentration manchmal schwächelt.«

Ridley seufzte. »Aber Konzentrationsschwächen helfen uns nicht dabei, zu gewinnen. Wir müssen am Ball bleiben. Das Preisgeld ist nicht von schlechten Eltern.«

Bis zur Talentshow waren es nicht einmal mehr zwei Wochen, und viele Stadtbewohner hatten sich bereits angemeldet, um Opernarien, Hulatänze, Drahtseilakte, Gymnastiknummern oder Theatermonologe auf die Bühne zu bringen.

»Wer will denn irgendwelche Eltern beleidigen?«, fragte Carter. »So viel Geld habe ich noch nie im Leben besessen. Wenn wir gewinnen, könnte ich mich endlich bei allen für ihre Hilfe revanchieren. Und wenn dann noch was übrig ist, hole ich mir einen von diesen tollen Schränken, mit denen berühmte Zauberer Menschen verschwinden lassen.«

»Du schuldest niemandem was«, versicherte Leila ihrem Cousin. »Außer vielleicht ein Lächeln hin und wieder. Wenn wir gewinnen, kaufe ich mir einen Leila­großen Wassertank, damit ich Luftanhalten üben kann, während ich mich aus meiner Zwangsjacke befreie.«

»Olly und ich besorgen uns die allergoldensten Steppschuhe auf der ganzen Welt«, warf Izzy ein.

»Hab ich da auch ein Wörtchen mitzureden, Schwesterherz? Ich nehme von dem Geld lieber Unterricht im Bühnenfechten, damit ich gut vorbereitet bin, wenn wir das nächste Mal gegen Kalagans Gorillas kämpfen müssen.«

Ridley verdrehte die Augen. »Und warum nicht gleich einen richtigen Fechtkurs? Dann bist du auch für Kämpfe abseits der Bühne gewappnet.«

Ollys Gesicht leuchtete auf. »Gute Idee!«

Ridley nickte ihm zu. »Ich würde meinen Rollstuhl mit ein paar neuen Tricks aufrüsten, an denen ich gerade tüftele. Oder ich baue ihn so um, dass er sich verwandeln kann. In einen Rennwagen. Ein Flugzeug. Einen Panzer! Dann würde sich niemand mehr mit uns anlegen.« Sie schaute zu Theo, der schon wieder in die Ferne starrte. »Und was ist mit dir, Theo? Wofür würdest du das Preisgeld ausgeben?«

Theo riss sich von seinen Gedanken los. »Für einen Fallschirmsprung«, sagte er schlicht. Nachdem er sich noch ein letztes Mal prüfend nach der dunklen Gestalt umgesehen hatte, stieg er die Stufen des Pavillons hinunter und hob den Teddybären auf. »Nun denn, wo waren wir stehen geblieben?«

»Willst du das Ende noch mal üben?«, fragte Ridley. »Du hast es fast geschafft.«

Das kleine Wörtchen hallte in Theos Kopf wider. Es fühlte sich fast wie eine Beleidigung an. Aber Ridley und er waren schon ewig befreundet, und er wusste, dass sie es nicht so gemeint hatte. »Ich habe den Trick schon öfter ganz geschafft. Eben war ich einfach abgelenkt. Wir können gerne weitermachen.«

Ridley rollte vor und holte mit viel Trara ein paar ­Bananen aus der Tasche an der Rückenlehne ihres Rollstuhls. Dann bat sie eine Freiwillige aus dem Publikum – Leila –, eine Banane auszuwählen und zu schälen. Als Leila die Schale öffnete, fiel die Frucht in dünnen Scheiben zu Boden.

Als Nächstes war Carter an der Reihe. Er hüllte sich in einen großen Seidenumhang, der ihn vollständig bedeckte. Anschließend bat er die Zwillinge, den Umhang wegzuziehen, und plötzlich fehlte ihm der Kopf! Er stolperte im Pavillon umher, stieß gegen Izzy, die immer noch den Umhang hielt, und wickelte sich erneut darin ein. Als er ihn fortriss, war sein Kopf wieder da.

»Das war super!«, rief Ridley.

»Danke. Daran arbeite ich schon seit ein paar Wochen.«

»Sollen wir das Finale proben?«, fragte Leila.

»Wir proben auf jeden Fall deine Nummer«, antwortete Ridley. »Aber wollen wir sie wirklich als Finale nehmen?«

»Das können wir ja später noch entscheiden«, meinte Leila. »Bis dahin …« Sie deutete auf Theo und gab ihm sein Zeichen.

Er hob die Geige ans Kinn, und ein schriller Ton schallte über die Wiese. Passanten auf der anderen Straßenseite erstarrten erschrocken.

»Immer schön weitergehen«, rief Ridley in ihrer ­typisch schroffen Art. »Hier gibt’s nichts zu sehen!«

Leila zog die Augenbrauen hoch. Ihre Nummer stellte den Einbruch in Vernons Zauberladen vor ein paar Wochen nach, als Kalagans Handlanger, besser bekannt als die Trauerclowns, versucht hatten, ein wichtiges Notizbuch ihres Vaters zu stehlen.

Während Theo eine düstere Melodie spielte, band Leila die Schurken (Carter, Olly, Izzy und Ridley) rasch mit einem weichen weißen Seil aneinander. Die Aushilfsbösewichte postierten sich in einer Reihe und hielten die Arme ausgestreckt vor sich.

»Brave Bürger von Mineral Wells!«, rief Leila. »Unser Zauberclub braucht einen Freiwilligen, der bezeugt, dass diese Knoten fest sind. Würde uns jemand helfen?«

Die Leute rings um den Marktplatz musterten sie unsicher. Schließlich überquerte eine Gruppe von fünf Jungen die Straße, die Theo bekannt vorkamen.

Sein Bogen rutschte ab. Die Saiten kreischten auf.

»Wir helfen euch gern«, meinte der Größte der fünf, als er, flankiert von den anderen, die Pavillonstufen erreichte. Von Nahem war Theo sich sicher, dass diese Bande ihn und seine Freunde am Anfang des Sommers schon einmal schikaniert hatte. Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit, und sein Herz flatterte, als hätte es Flügel.

Carter, Olly, Izzy und Ridley, die mit Leilas weißem Seil gefesselt waren, wirkten ebenso besorgt wie Theo. Doch zu ihrer aller Überraschung winkte Leila den großen Jungen herauf. »Tritt näher«, sagte sie. »Wie heißt du?«

»Trevor, das weißt du ganz genau«, antwortete der. Theo fiel wieder ein, dass Leila in dieselbe Klasse ging wie diese Jungen. Da er auf der Privatschule war, begegnete er ihnen zum Glück seltener.

»Mach keinen Quatsch, Trevor!«, flüsterte Leila dem Fiesling zu.

»Aber ich bin nun mal eine echte Quatschkanone«, flüsterte Trevor zurück, grinste breit und zeigte die Zähne.

»Du meinst wohl, ein echtes Quatschgesicht«, brummte Ridley, und Trevor funkelte sie finster an. Theo hätte den Jungen am liebsten wieder von der Bühne gebeten, aber seine Zunge schien am Gaumen festzukleben.

Leilas Stimme war nur noch ein Quieken. »Bitte überprüf die Knoten, Trevor, und stell sicher, dass ich meine Freunde richtig gefesselt habe.«

»Mit Vergnügen!« Trevor riss heftig am Seil um Carters Handgelenke und kniff ihm dabei in die Haut.

»Aua!«, schrie Carter.

»Hey«, brüllte Ridley. »Hör auf damit!«

Trevor stapfte weiter zu Olly und Izzy und zerrte die Knoten um ihre Fußgelenke fester.

Die Zwillinge ächzten.

»Lass das!« Leila stieß Trevors Hände weg. Trevor schubste sie. Kalte Wut überrollte Theo. Er wollte schon hinübereilen und dem Idioten seinen Geigenbogen überziehen, als ihm plötzlich eine andere Idee kam.

»Ihr haltet euch alle für supertoll«, ätzte Trevor. »Aber ihr seid nicht besser als wir.« Seine Kumpel höhnten zustimmend.

»Das haben wir auch nie behauptet«, meinte Leila. »Wir wollen die Leute bloß zum Lachen bringen.«

»Ziel erreicht«, spottete Trevor. »Ich lache.«

Leilas Bühnenlächeln erlosch. »Nicht mehr lange.« Sie nickte ihren gefesselten Freunden zu, hob die Arme hoch über den Kopf und klatschte einmal in die Hände. Carter, Olly, Izzy und Ridley machten eine schnelle ­Bewegung.

Das Seil verschwand, und sie waren frei wie die Vögel.

Apropos Vögel …

Theo riss die Frackjacke auf und ließ die weißen Tauben fliegen, die er für das große Finale dort versteckt hatte. Sie kreisten unter dem Dach des Pavillons, und als er mit der Zunge schnalzte, gingen sie im Sturzflug auf Trevor los, der taumelnd versuchte, ihren scharfen Schnäbeln und Krallen zu entfliehen. Er stolperte über die oberste Stufe und fiel auf seine Freunde am Fuß der Treppe, die ausgestreckt im Gras landeten.

»Du hattest recht«, rief Olly ihm hinterher. »Du bist wirklich eine Quatschkanone!«

»Ein richtiger Hobbyclown«, fügte Izzy hinzu.

Während die Tauben aus dem Pavillon schossen und über dem Marktplatz kreisten, rappelte Trevor sich hoch und richtete den Zeigefinger auf Theo. »Das wirst du noch bereuen!«

Theo zog sich die Frackjacke zurecht, streckte Trevor die Zunge raus und prustete lang und melodisch. Dabei wedelte er mit dem Geigenbogen, als würde er ein Spuckkonzert dirigieren. Seine Reaktion kam für die Fieslinge so überraschend, dass sie ihn entgeistert anstarrten.

Wie du Schlaufuchs bestimmt längst erraten hast, war das Prusten eine Irreführung, eine klassische Zaubertechnik, die die Jungen innehalten ließ, bis die Tauben Theos Kommando – den wedelnden Geigenbogen – ­bemerkten.

Schon regneten dicke weiße Tropfen auf die Fieslinge herab.

Platsch! Platsch! Platsch!

»Iiih«, schrie einer und hob den Kopf, nur um gleich einen Spritzer auf die Nase abzukriegen.

»Was ist das?«, fragte ein anderer und wischte sich das schmierige Zeug von den Haaren.

»Das sind die Vögel«, kreischte ein Dritter. »Die … die machen groß auf uns!«

»Igitt«, rief Trevor. »Lauft!«

Die Fieslinge stoben auseinander. Kurze Zeit später ließen sich die Tauben wieder auf dem Dach des Pavillons nieder und warteten auf weitere Anweisungen.

»Geht es euch allen gut?«, fragte Theo seine Freunde.

»Meine Handgelenke tun ein bisschen weh«, meinte Carter. »Aber zumindest hat der Seiltrick funktioniert.«

»Ihr wart super«, jubelte Leila und holte das Seil wieder heraus, das sich automatisch in einem Geheimfach in Ridleys Rollstuhl eingerollt hatte. »Ihr habt unter Druck einen kühlen Kopf bewahrt.«

»Druck?«, fragte Carter. »Kam mir eher wie Folter vor.«

»Aber das war’s wert«, riefen Olly und Izzy im Chor.

Theo wartete darauf, dass jemand seine Tauben erwähnte, aber seine Hoffnungen wurden von unverkennbarem Beifall unterbrochen.

Die Magischen Sechs schauten sich um. Hoffentlich waren die Fieslinge nicht zurückgekehrt! Stattdessen entdeckte Theo ein ganz in Schwarz gekleidetes Mädchen mit langem blondem Haar und einer schief sitzenden Baskenmütze. Sie klatschte langsam, wie ein Uhrwerk. Bei jedem Schlag ihrer Hände bewegten sich auch ihre Füße und brachten sie dem Pavillon näher und näher.

ZWEI

Die Magischen Sechs beobachteten das Mädchen in Schwarz wie hypnotisiert, während es den Marktplatz über­querte. Theo fragte sich, ob es am Ende noch mehr Schwierigkeiten machen würde als die fünf Jungen.

»Bitte sagt mir, dass ihr das alles genau so geplant habt«, rief es jetzt. »Mitsamt Taubendreck.«

»Schön wär’s«, erwiderte Carter. »Aber vielleicht nächstes Mal.«

»Bei unserem richtigen Auftritt suche ich nettere Freiwillige aus«, versicherte Leila mit einer Grimasse.

Ridley räusperte sich. »Und du bist …?«, fragte sie das Mädchen.

»Ach, tut mir leid. Emily Meridian.« Meridian?, dachte Theo. Woher kenne ich diesen Namen? »Ich verbringe die Sommerferien bei meinem Vater. Den Rest des Jahres wohne ich bei meiner Mutter in einer anderen Stadt oben im Norden.«

Leila lief die Treppe hinunter und umarmte Emily freundlich. »Willkommen in Mineral Wells! Ich bin Leila Vernon.«

Emily wand sich in der unerwarteten Umarmung, doch als Leila sie wieder losließ, entfuhr ihr ein überraschtes Kichern.

Ridley steuerte auf die Rampe neben den Stufen zu. »Ridley Larsen. Der mit der Geige heißt Theo Stein-Meyer. Der Blonde mit den blauen Augen Carter Locke. Und die Zwillinge heißen Olly und Izzy Golden. Zusammen mit Leila sind wir die Magischen Sechs.«

»Ich weiß, wer ihr seid«, sagte Emily. »Die ganze Stadt weiß das. Und nach dem zu urteilen, was ihr mit diesen Dumpfbacken angestellt habt, seid ihr wohl auch die Favoriten bei der Talentshow.«

Stolz stieg in Theo auf. »Nimmst du ebenfalls teil?«, fragte er.

Emily schüttelte den Kopf. »Ich habe kein besonderes Ta…«

In diesem Moment sprang Trevor mit einer Handvoll feuchter Erde aus dem Gebüsch neben dem Pavillon. Er holte aus und zielte auf Theo. Mit einem lauten FLOPP traf ihn der Matsch mitten auf der Brust und spritzte über sein weißes Hemd.

Ehe Theo reagieren konnte, stürmte Emily schon auf den Fiesling zu. »Lass sie in Ruhe!«

»Sonst was?« Trevor wollte sie schubsen, aber sie wich ihm geschickt aus, und er stolperte an ihr vorbei. Als er ihren Arm packte, schwang sie ihn herum, und Trevor landete mit dem Gesicht im Gras. »Uff«, stöhnte er gedämpft, bevor er sich auf den Rücken drehte.

»Das war noch gar nichts, Trevor«, knurrte Emily und stellte den Fuß leicht auf seine Brust, damit er sich nicht aufrappeln konnte, was einen ähnlichen Abdruck hinterließ wie der Dreck auf Theos Hemd. »Wenn du nicht willst, dass deine Mum erfährt, wie du meine neuen Freunde behandelst, verkneifst du dir so was in Zukunft lieber. Sie ist gerade bei meinem Vater im Laden. Lust auf einen kleinen Spaziergang?«

»Runter von mir!«, brüllte Trevor, als Emily mehr Gewicht auf seine Brust legte.

»Versprichst du, sie in Ruhe zu lassen?«

»Na schön! Kommt nicht wieder vor.«

Emily nahm den Fuß herunter und half Trevor auf. Er funkelte sie böse an, bevor er sich humpelnd auf die Suche nach seinen Kumpanen machte.

Theo war sprachlos. Er hatte schon sehr viel Zeit in Vernons Zauberladen verbracht und jede Menge Magie gesehen. Aber nichts war so spektakulär gewesen wie dieses Mädchen, das einen fünfzehn Zentimeter größeren und mindestens zehn Kilo schwereren Ochsen außer Gefecht setzte.

»Das war …«, fing Carter an.

»Der Hammer!«, beendete Leila seinen Satz.

»Beeindruckend«, ergänzte Ridley.

Olly und Izzy spielten die Szene sogleich nach, akrobatisch ausgeschmückt und mit klackernden Stepp­schritten untermalt.

»Vielen Dank, Emily.« Theo legte seine Geige sanft auf den Boden und wischte sich die Erde vom Hemd. »Hattest du gar keine Angst, dass er dir wehtun könnte?«

»Dieser Trottel?« Emily grinste. »Keine Chance. Ich kenne Trevor, seit er noch Erbsenbrei gegessen hat. Und unsere Eltern sind eng befreundet. Er weiß genau, dass ich es seiner Mutter erzähle, wenn er jemanden ärgert. Da braucht es schon mehr, um mir Angst einzujagen.«

»Bei uns auch.« Carter umklammerte seine Hosenträger und schaute sich nervös um. »Normalerweise.«

»Du meintest, dein Vater hätte einen Laden?«, hakte Theo nach. »Welchen denn?«

»Meridians Musik«, antwortete Emily. »Gleich die Straße runter.«

»Natürlich! Da bin ich ständig mit meinem Vater. Bei Meridians hat er mir sogar die Geige hier gekauft. Heißt das, dein Vater ist …«

»Mick Meridian. Der Besitzer. Er ist der Beste in seinem Fach.«

»Das kann ich nur unterschreiben.« Theo hob die Hand, und die Geige stieg in die Luft. Als ihr Hals seine Finger erreichte, führte er den Bogen an die Saiten und spielte eine schnelles, fröhliches Liedchen.

Seine Freunde klatschten, und Emily nickte. »Hübsch.«

»Ich wusste gar nicht, dass Mr Meridian eine Tochter hat«, sagte Theo.

Emily runzelte die Stirn. »Soll das heißen … er hat mich nie erwähnt?«

Theo wurde rot. »Also, das hätte er ganz sicher, wenn …«

Emily grinste. »Ich mach nur Spaß.« Sie knuffte ihm in die Schulter. »Mein Vater hat immer ziemlich viel zu tun im Laden, kein Problem.«

Theo gluckste verlegen. Ihm war plötzlich sehr warm.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite klingelte ein Glöckchen, und die Tür von Vernons Zauberladen schwang auf. Mr Vernon stand im Rahmen und rief: »Leila! Carter! Hokuspokus rast hier herum wie ein Irrer. Es ist ja wunderbar, dass ihr mit euren Freunden probt, aber ich wäre euch dankbar, wenn ihr euren Affen füttert, bevor er noch einmal die Glasaugen umwirft!« Mr Vernons weiße Locken umrahmten sein Gesicht wie eine dicke Schicht Kartoffelpüree, und ein schwarzer Schnurrbart zierte die Oberlippe gleich einem Streifen Olivenpaste. Er trug seinen üblichen schwarzen Frack, glänzende schwarze Schuhe, einen Zylinder und einen langen Umhang. Als Theo Mr Vernon zum ersten Mal getroffen hatte, war er so begeistert vom Outfit des Zauberers gewesen, dass er beschlossen hatte, in Zukunft selbst Frack zu tragen.

Sein Magen knurrte gurgelnd. Es war spät geworden. Er zog eine Taschenuhr aus der Frackjacke. »Ah, gut. Bis zum Abendessen ist noch Zeit. Meine Eltern mögen es gar nicht, wenn ich zu spät komme.«

»Liegt es wirklich am Zuspätkommen?«, fragte Ridley. »Oder wollen sie nur, dass du mehr Geige übst?«

»Vielleicht ein bisschen von beidem.«

»Aber dieser Trick mit den Tauben hätte sie bestimmt vom Hocker gehauen«, meinte Emily lachend.

»Davon erzähle ich ihnen lieber nichts«, erwiderte Theo betreten.

»Sofort, Dad!«, rief Leila ihrem Vater zu. Dann wandte sie sich an ihre Freunde. »Wollt ihr uns beim ­Affenfüttern helfen?«

»Nicht, wenn er mich zuerst füttert«, witzelte Izzy.

Ridley schüttelte den Kopf. »Das … ergibt keinen Sinn.«

»Wie wär’s mit: wenn er dich zuerst futtert?«, schlug Olly vor.

»Hokuspokus würde keiner Fliege was zuleide tun«, sagte Carter.

Izzy zwinkerte. »So ein Pech, die sind nämlich angeblich sehr nahrhaft.«

»Na los«, drängte Ridley. »Mr Vernon hat langsam keine Lust mehr, die Tür aufzuhalten.« Sie hatte recht. Leilas Vater tippte ungeduldig mit dem Fuß, und ein rotes Einstecktuch in der Tasche seiner schwarzen Frack­jacke hüpfte im Takt auf und ab wie eine blinkende Warnleuchte.

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