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Die Sekretärinnen

Als Buch hier erhältlich:

Wiederentdeckung eines schwedischen Klassikers: das 1908 erschienene Debüt der Feministin Elin Wägner

Stockholm, Anfang des 20. Jahrhunderts. Vier junge Frauen haben es sich in den Kopf gesetzt, eigenständig in der Großstadt zu leben, was zu dieser Zeit unerhört ist. Ihr Gehalt reicht kaum zum Überleben, sie teilen sich eine kleine Wohnung und leben an vielen Tagen von kaum mehr als trockenem Brot. Jeder Versuch, dieses Unrecht zu ändern, stößt auf Unverständnis, immer wieder wird ihnen nahegelegt, sich einfach einen Mann zu suchen und zu heiraten. Aber gemeinsam setzen die vier ihren Traum um.

Mit viel Witz und auch heute noch moderner Sprache wird vom Leben junger Frauen in der Großstadt erzählt, die sich auch durch Widerstände nicht einschüchtern lassen.


»Tolle Wiederentdeckung der schwedischen Feministin Elin Wägner und nach wie vor hochaktuell.« hygge

»Was und wie Elin Wägner bereits 1908 schrieb, ist noch heute ein Vergnügen.« Barbara

»Ein hundert Jahre alter Roman mit großem Identifikationspotenzial.« Buchkultur

»Ein kämpferisches, berührendes Buch.« NDR Kultur


  • Erscheinungstag: 24.05.2022
  • Seitenanzahl: 160
  • ISBN/Artikelnummer: 9783753000619
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1

STOCKHOLM, 29. SEPTEMBER

Nichts kommt so, wie man es sich gedacht hat!

Das war nicht das, was ich mir vor zehn Jahren vorgestellt hatte, als ich den Konfirmandenunterricht besuchte, mein erstes langes Kleid bekam und meine erste Packung Haarnadeln kaufte, die mir übrigens sofort wieder aus den Haaren rutschten.

Es war noch weniger als das, was ich mir vor fünf Jahren vorgestellt hatte, als ich zwanzig Jahre alt wurde und zum ersten Mal flammend verliebt war. Ich weiß noch, wie es war, als ich mich eines Abends genauso glücklich wie verstohlen durch die Seitenstraßen zu unserem ersten Rendezvous schlich und an unserem Laternenpfahl stehen blieb, um auf die Uhr zu schauen, während er in einem Park auf mich wartete. Nie wieder würde es in meinem Leben einen Alltag geben, das schwor ich mir. Entweder Himmel oder Hölle, vor allem Himmel, rauf und wieder runter, eine ständige Berg- und Talbahn. Und das funktionierte auch eine Weile, aber dann war es auch schon wieder vorbei, bevor ich michs recht versah, und da saß ich dann, im tiefsten Tal. Nicht auszudenken, wenn jemand damals gewagt hätte, mir zu sagen, dass ich Sekretärin werden würde, ich, die doch immer so lebte, als würde sie Mitte nächster Woche sterben! Aber jetzt bin ich es doch.

Es ließ sich nicht vermeiden. Das heißt, es hätte sich wohl schon vermeiden lassen, aber es war das Nächstliegende. Und manchmal, wenn man sehr müde ist, greift man nach dem Nächstliegenden.

Ich meine, vor meinen Augen justament eine riesige Armee von Twillblusen und mich selbst als neueste Zwangsrekrutierte zu sehen. Am ersten Oktober beginnt das Exerzieren.

Ein Schriftsteller hat über uns arbeitende Frauen mal gesagt, dass man uns Gerechtigkeit angedeihen lassen muss, dass es nicht die Liebe zur Arbeit ist, sondern die reine Not, die uns in die Arbeitswelt des Mannes zwingt. Das ist sehr wahr und klug gesagt, denn es ist die Not, die Not, und ich bin sicher, dass ich diese Arbeit hassen werde, die ich jetzt antreten soll. Meine Seele zuckt instinktiv zurück vor Kassenbuch und Schreibmaschine, aber wir müssen vielleicht doch irgendwie leben, Putte und ich, besonders Putte, und obwohl Putte ja, wie er es selbst ausdrückt, Witwer und Waise ist, reicht es nicht, sein Schulbesuch ist so unglaublich teuer und Untermieten hier in Stockholm auch. So hab ich also aus Pflichtgefühl eine Stelle in einer Anwaltskanzlei angenommen, Buchhaltung und Korrespondenz, und alle sagen, ich kann mich glücklich schätzen, dass ich die so schnell bekommen habe, ohne Zeugnis, weder von Schartaus noch von Påhlmans Handelsinstitut, und das in meinem Alter. Ich bin nicht älter als fünfundzwanzig, aber ich habe gehört, dass sie gerade so junge Mädchen suchen, die noch im Elternhaus wohnen, das ist billiger. Ich glaube ja in meiner Unschuld, dass ich billig genug bin: achtzig Kronen für sieben Stunden pro Tag und fünfzig Öre für jede Überstunde. Ich werde wohl welche machen, und das Geld soll für Putte sein. Ich selbst muss mit meinen achtzig zurande kommen.

Ich kam um sieben Uhr morgens in die Stadt wie irgendein armes Möbelstück, aber andererseits hatten es die Möbel besser, denn die waren gut verpackt und wurden ins Haus getragen. Ich nicht, nicht eine Menschenseele war da, um mich in Empfang zu nehmen, aber es wäre falsch gewesen, deswegen den Mut zu verlieren. Ich kämpfte den Impuls nieder, eine Droschke zu nehmen, und setzte mich in die Straßenbahn, wobei ich mir versprach, dass das nicht zu oft vorkommen würde, denn eine Fahrkarte kostet so viel wie Brot für einen ganzen Tag, Morgen- und Abend- und Vormittagsbrote, wenn man sie nicht zu groß und nicht zu viele macht.

Die Straßenbahn war voller morgendlich blasser und fröstelnder Arbeiter. Als ich sie sah, versuchte ich meine Stimmung durch ein »Denk an die ganzen Leute, denen es schlechter geht als dir« zu heben. Da ich nicht vor neun Uhr im Büro sein muss, hätte es unglaublich guttun müssen, an die zu denken, die schon um sieben in die Tretmühle müssen, aber das ist wohl nur eine Legende, die sich alte Leute ausgedacht haben, denn der Gedanke an die Sieben-Uhr-Menschen hob meine Stimmung nur unwesentlich.

Und der rote Wagen ratterte die Upplandsgatan hoch, vorbei an Häusern, Häusern und noch mehr Häusern, und als ich mir schon dachte, dass wir jetzt sicher gleich in Uppsala sein müssten, waren wir erst am Odenplan. Die ganze Norrtullsgatan ähnelte bereits einem Möbellager und bot intimste Einblicke in die Lebensumstände der umziehenden Familien. Ich hatte fast Schwierigkeiten, durch die Tür zu kommen. Das Haus, in dem ich wohne, ist ziemlich neu, groß wie eine Burg und dürfte ungefähr Platz für eine kleinere Kirchengemeinde bieten. Man betritt es durch einen Bogengang, der auf den zementierten, von einer Mauer umgebenen Hof mit Aufgängen von A bis F führt. Wenn man sich streckt, sieht man vielleicht ein viereckiges Stück Himmel, so groß wie ein Stück Stoff für ein schmales, ärmelloses Leibchen, aber der Himmel schien nicht weiter weg zu sein als normal. Das Ganze ähnelt einem Brunnen, und ich muss manchmal an Josef und seine unfreundlichen Brüder denken.

Wir wohnen im vierten Stock, aber es gibt keinen Aufzug, denn es ist ein Haus für die Mittelklasse. Die Leute sagen ja, dass Treppensteigen gesund ist, und das sorgt wohl dafür, dass man nie unnötig heimgeht.

Nachdem ich zu guter Letzt mich selbst samt Gepäck alle vier Treppen hinaufbugsiert hatte, ließ ich mich atemlos auf die unterste Stufe der Treppe zum Dachboden fallen. Niemand hörte mich, als ich an die Küchentür klopfte, deswegen hämmerte ich in einem Wutanfall drauflos, dass das ganze Haus aufwachte.

»Bist du das, Elisabeth?«, hörte ich aus dem Inneren der Wohnung.

»Ja, das liegt wohl nahe, denn anständige Menschen würden wohl nicht solch einen Lärm machen oder um so eine Uhrzeit aufschlagen.«

»Ja, natürlich bin ich Elisabeth«, sagte ich. »Macht die Tür auf!«

Das taten sie am Ende auch, und in dem Moment wurde mir klar, was der Grund für ihr Zögern war – sie trugen alle mehr oder weniger schon ihre Nachthemden und hatten Papilloten in den Haaren. Ich musste lachen: Das war also die Norrtullstruppe, der Vorposten der Zivilisation in Vasastan! Aber ich spürte, dass ich mich bei ihnen wohlfühlen würde. Glücklicherweise hatte ein Mitglied dieser fröhlichen und berühmten Truppe geheiratet und lebte jetzt glücklich auf dem Lande, sodass ein Platz für mich frei geworden war. Wir mieten zwei Zimmer von einer älteren Frau, die angeblich einen Sohn hat, der Assessor ist. Wir dürfen ihre Küche mitbenutzen, und ich vermute, das bedeutet, dass wir uns ausschließlich von Brot ernähren sollen, das wir mit Tee und Kaffee ohne Sahne herunterspülen. Mittags essen die anderen Mädchen auswärts, je nachdem, wann und wo und ob es sich ergibt. Ich gehöre jetzt auch zu dieser Kaste von Menschen, die vom sogenannten trauten Heim nur das mitbekommen, was sie erspähen können, wenn die Nachbarn auf der anderen Straßenseite vergessen haben, die Jalousien runterzulassen. Wenn wir Männer wären, dann wären wir »ausschließlich auf Restaurants angewiesen«. Das könnte ich mir ganz lustig vorstellen, nachdem man von Geburt an als Mädchen im Haus der Eltern (oder anderer Leute) gewohnt hat.

Eva, die Einzige, die ich schon von früher kenne und die auch meine Zimmergenossin werden soll, stellte vor:

»Hier habt ihr das gläubige Frauenzimmer mit eigenem Bettzeug, das wir per Annonce gesucht haben. Ich hoffe, dass der Gepäckträger gleich mit dem Bettzeug kommt.«

Alle nahmen mich in den Arm und küssten mich zur Begrüßung und halfen mir aus Mantel und Jacke, und es war ein einziges lautes Gelächter und Geplauder, bis Eva schließlich einen schrillen Schrei ausstieß, von dem Tote aufgewacht wären.

»Was um Himmels willen ist denn passiert, Eva?«, fragte ich.

»Der Assessor!«

Im Flur hatte eine Tür geknarrt, und im Nu waren alle Mädchen aus der Küche und dem Flur wie weggeblasen, außer Baby, die fast bekleidet war und den Kaffeekessel bewachte, während sie sich die Stiefeletten schnürte. Natürlich war es nicht der Assessor, obwohl es einem Mann ähnlich gesehen hätte, um diese Tageszeit Unruhe im Hühnerstall zu stiften.

Kurz darauf zuckte ich zusammen von einem anderen grellen Notruf:

»Mädels, es ist zwanzig nach acht!«

Ich war sprachlos, als ich die Hektik beobachtete, die daraufhin ausbrach. Es war, als fegte ein Orkan durchs Zimmer. Kaffeetassen und Zuckerdosen kamen aus einer Schublade zum Vorschein, Butter und Brot wurden aus einem Eckschrank in der Küche gerissen, Baby kam mit dem Kaffee angeschwappt, und alle schmierten sich in rasendem Tempo ihre Brote fürs Büro und verbrühten sich am Kaffee, während sie es gleichzeitig unbegreiflicherweise schafften, den Sitz ihrer Hüte vor den Spiegeln zu kontrollieren. Kurz nach halb neun eilten sie hinaus, die zusammengelegten Mäntel über dem Arm und Handschuhe, Taschen und rosarote Pausenbrottüten in den Händen. Es war auf einmal so still, dass ich aufmerkte.

Während ich nun auf den Gepäckträger wartete, machte ich Wasser in einem Kessel heiß und stellte mich in die Küche, um die Frühstückstassen abzuwaschen. Es war das erste Mal und wird wohl nicht das letzte bleiben – mein Schicksal war immer eng mit der Abwaschschüssel verbunden.

Jetzt kam tatsächlich der Assessor. Ich schoss zur Küchentür und sprang auf die Kiste mit dem Feuerholz, damit ich durch die Fensterscheibe in der Tür kontrollieren konnte, was er tat. Wie ich schon geahnt hatte, ging er nicht direkt in den Flur, sondern machte einen kurzen Abstecher in unsere zwei Zimmer. Er dachte ja, dass alle weg wären, wie immer. Ich kletterte hinunter, ging leise wie ein kleiner Engel in mein Zimmer und kam gerade recht, um ihn zu ertappen, wie er in Babys Bücherregal wühlte. Er floh feige, ohne sich vorzustellen. Er war hochgewachsen und ein bisschen ausgeblichen und nicht mein Typ.

Es ist bereits ein Mann auf der Bildfläche, bevor ich eingetroffen bin. Ich bin ja gespannt, was noch kommt. Ich weiß nicht, was für Männer und andere Unglücksfälle mich hier in Stockholm erwarten, aber zumindest kann ich mir auf empirischem Wege ausrechnen, dass dort, wo ich bin, in den nächsten Jahren noch einige zusammenkommen werden …

2

30. SEPTEMBER

Heute bin ich hochgegangen und habe mich beim Anwalt vorgestellt. Man hatte mich anhand eines Fotos genommen, und er sah aus, als wäre er erleichtert, als er sah, dass ich auch eine hübsche Haut habe. Morgen fängt die Arbeit an, und gestern habe ich mich in der Wohnung eingerichtet. Eva und ich haben ein mittelgroßes Zimmer, jede hat ein Fenster und eine Längsseite. Evas ist sehr charakteristisch für sie und ebenso erfrischend wie sie selbst. Direkt gegenüber steht eine herrliche breite Ottomane, die Eva sich vom Munde abgespart hatte, und darüber hängt eine Art Inschrift, die da lautet: Männer dürfen unter keinen Umständen im Damencoupé Platz nehmen! Rund um diese klösterliche Vorschrift und in tiefem Gegensatz dazu gruppieren sich Reproduktionen von Sindings und Vigelands verwegensten Konzeptionen, und in ungeordnetem Wirrwarr Dichter und Schauspieler und Kokotten, Botticelli-Madonnen und ihre eigenen Tanten. Neben der Ottomane hat sie ein kleines, freches Rauchtischchen, doch am Fenster steht ein großer Schreibtisch, an dem sie ständig Blusen modernisiert oder Röcke säumt oder Kragen bügelt – kurz und gut: Sie tut dort alles, bloß nicht schreiben. Zwischen den Fenstern hängt eine weitere kleine, denkwürdige Inschrift, die insbesondere morgens, wenn das ganze Zimmer ein einziges Chaos ist, einen leicht grotesken Eindruck macht: Ordnung ist das halbe Leben.

Eva hat ein Faible für solche Sprüche, ist mir aufgefallen, denn am Türpfosten im Flur steht in ihrer Handschrift mit blauer Kreide: Nicht die Straße überqueren, wenn der Assessor zu hören oder zu sehen ist!

An meine Wand habe ich das alte, gemütliche und unmoderne rote Sofa aus dem Wohnzimmer zu Hause gestellt, und außerdem habe ich noch ein paar Bilder aufgehängt. Zum Beispiel die Porträtfotos meiner Eltern in ovalen Rahmen, das von Papa umgeben von einem vergilbenden Doktorkranz hinter Glas. Armer Papa, der du dich geweigert hast, die neuesten Rechtschreibregeln umzusetzen, zu denen auch die Schreibweise von »Frau« gehörte; es war schon gut, dass du sterben durftest, bevor Frauen das Recht bekamen, Staatsämter zu bekleiden und das alles. Stell dir bloß vor, du hättest am Ende einen Rock ins Lehrerkollegium bekommen! Außerdem habe ich drei, vier Reproduktionen von Rembrandt, den ich bewundere und verehre: Hendrijke und Saskia, für die ich eine gewisse Sympathie hege, sowie zwei Selbstporträts, das eine aus Saskias Zeit, das andere aus Hendrijkes. Dann habe ich noch einen schönen und leidenschaftlichen Frauenkopf von Rossetti und einen Ausschnitt aus einer Zeitung: die Duse mit gesenktem Kopf und schmerzlich ausgebranntem Profil.

Im zweiten Zimmer mit der Tür direkt zu uns wohnen das jüngste und das älteste Mitglied der Truppe: Baby beziehungsweise Magnhild und Emmy, sie arbeiten bei den Vereinigten Gesellschaften, beide im selben Büro. Bevor ich mich mit Baby unterhielt, dachte ich, dass man ihre kleine Persönlichkeit aus den Gläsern mit Hyazinthenzwiebeln auf dem Fensterbrett ablesen konnte und aus der kleinen Schale mit Erde, in der sie Gras ausgesät hatte. Ihr gehört der großzügige Nähtisch am Fenster mit dem Nähkästchen und einem kleinen Tintenfass ohne Tinte darin. Auf dem untersten Regalbrett liegt ein zerlesener und vergötterter Heine, die Gedichtsammlung von Oscar Levertin und Jenny Blicher-Clausens Roman Violin, der sich am Buchrücken schon auflöst. Auf dem Bett liegt ein Kissen mit einer Abbildung von Thorleif Allum auf grünem Satin, aber sie dreht es immer so, dass sein Gesicht nach unten zeigt. Tagsüber.

Emmy als Älteste sollte innerhalb der Truppe wohl die Erfahrenste sein. Aber ich glaube nicht, dass sie viel mehr vom Leben kennt als seine graue Arbeits- und Entbehrungsseite. Die Quintessenz von allem, was sie gelernt hat, hat sie in Gobelinstich auf dunkelgrünem Hintergrund auf einem Wandbehang über ihrem Bettsofa verewigt. Dort steht ganz lakonisch:

Lerne zu leiden, ohne zu klagen!

Ich machte Eva gegenüber eine Bemerkung dazu, und sie erzählte mit einem mitleidigen kleinen Lächeln, dass Emmy, seit sie zur Truppe gehört, immer wieder genau denselben Spruch als Wandbehang fabriziert. Gunhild, ehemaliges Mitglied der Truppe und eine ganz besonders gute Freundin von ihr, hatte einen als Geschenk zur Hochzeit bekommen. Verständlicherweise war sie einigermaßen entsetzt gewesen, aber Emmy hatte sie so angestrahlt und gehofft, dass er die Wand in der guten Stube schmücken würde.

Gestern war ich zum Abendessen bei meinem reichen Onkel in seinem Haus am Strandvägen eingeladen, und alle Familienmitglieder sagten: Arme Kleine, du kannst gerne immer kommen, dann kümmern wir uns um dich. Görel, meine Cousine, vertraute mir an, dass sie die Summe, die ich im Monat verdiene, allein für Parfums und Handschuhe und Schokolade ausgibt. Aber sie ist auch dick und schwer parfümiert. Als ich wieder ging, war ich trotz allem dankbar und froh, dass ich das Angebot meiner Tante nicht angenommen hatte, mir das Zimmer mit der Haushälterin zu teilen und im Gegenzug auf Görel aufzupassen und mit ihr rumzurennen, damit sie Kleider bei Jankes anprobieren kann. Als ich nach Hause kam, war alles dunkel und still, und wie ich das genoss, den Schlüssel in ein eigenes Schloss zu stecken und dort herumzulaufen und mich zu Hause zu fühlen!

Aber da kamen auch schon Baby und Emmy herein; Baby zwitscherte wie ein Vogel, und Emmy quietschte leise wie immer. Doch danach kam ein Wirbelwind namens Eva, munter, rotwangig und strahlend. Sie war kaum zur Tür herein, da stieß sie einen ihrer Schreckensschreie aus: »Oh Gott, das Petroleum!«

»Ich geh schon«, sagte Baby resigniert.

»Nein, kein Problem, ich hab ja noch meine Straßenkleidung an.«

Und dann wirbelte sie hinaus in die Küche, holte die Petroleumkanne und lief die Treppe hinunter.

Noch bevor ich die Streichhölzer ausfindig gemacht hatte, klingelte es.

»Ich musste mit der Nase auf den Klingelknopf drücken«, versicherte sie ganz ernsthaft, und wirklich hatte sie beide Hände voll. Die Petroleumkanne in der Rechten, eine Pilsflasche unter den Arm geklemmt und ein Paket Kerzen und eine weitere Pilsflasche in der Linken.

»Bist du so auf die Straße gegangen?«, fragte ich erschrocken.

»Ja, schon oft, aber nicht tagsüber. Es gibt einen Laden für uns arme Seelen unten am Eingang, wo wir alles Mögliche kaufen und wo sie im Großen und Ganzen ganz entgegenkommend sind, wenn man anschreiben lässt. Aber in schlechten Zeiten – zum Beispiel, wenn wir uns die Steuer im Schweiße unseres Angesichts verdienen müssen – passiert es ab und zu, dass wir am Monatsende etwas weiter gehen müssen. Ihr schuldet mir zwölfeinhalb Öre fürs Petroleum und die beiden Pils; was von beidem ihr in euch selbst oder in die Lampen gießen wollt, ist mir egal.«

»Mann, hast du es dir schön gemacht, Elisabeth! Das Vaterherz und Rembrandt! Aber du warst ja schon immer exklusiv.«

»Oh ja, in meiner Wahl der Eltern durchaus«, sagte ich. »Aber wollen wir nicht gleich mal ein bisschen was essen?«

»Wenn du was zu trinken willst, kannst du es sofort bekommen«, sagte Eva, und mit ihrer gewohnten Schnelligkeit nahm sie eine Flasche und goss mir ein Glas ein.

»Warum trinkt ihr nicht lieber Milch?«, fragte ich.

»Oh«, sagte Eva und verdrehte die Augen, »du hast noch viel zu lernen. Glaubst du, wir könnten einfach so Milch trinken? Die ist teuer und außerdem Mangelware, und manchmal kriegt man gar keine für sein Geld. Trink lieber, das ist gut gegen Übelkeit.«

Ich versicherte, dass ich keinerlei Symptome dieser Art verspürte.

»Wirklich nicht? Doch, ganz bestimmt«, sagte sie. »Es wird einem immer übel, wenn man nach Stockholm kommt, bis man sich daran gewöhnt hat. Du hättest mich vor vierzehn Tagen sehen sollen, als ich aus dem Urlaub zurückkam. Ich lief hier rum wie ein ausgenommener Hering und hab geflucht …«

»Also, Eva, wirklich!«, sagte Magnhild.

»Doch, Baby, ich hab geflucht. Die Straßen ekelten mich an, ganz zu schweigen von diesen ganzen hässlichen Häusern. Ich dachte, ich muss mich auf den Odenplan stellen und mich übergeben! Und ich hätte am liebsten eine kleine Bombe unter die Bürotreppe gelegt. Aber jetzt hab ich mich dran gewöhnt. Jetzt finde ich, dass mein Büro das fröhlichste und gemütlichste Bestattungsbüro auf der Welt ist.«

»Ich hoffe, dass ich das eines Tages auch von meiner Anwaltskanzlei sagen kann!«, meinte ich.

»Ganz bestimmt kannst du das. Das Büroleben ist ein wollüstiges, langsam tötendes Gift. Du wirst sicher zufrieden sein mit deiner Welt. Nur in deinen besseren Momenten wirst du spüren, dass Mädchen nicht in ein Büro gehören, sondern verheiratet sein sollten, mit Kindern, mit denen sie auf den Wiesen um die Wette laufen, und dazu Küche und Webstuhl und auf keinen Fall Kultur! Und in solchen Augenblicken wird dir ganz anders, das kann ich dir garantieren.«

»Das ist mir egal, Eva«, erwiderte ich, »denn zwischen meinen besten Augenblicken liegt immer viel Zeit.«

Baby war in der Zwischenzeit in die Küche verschwunden, jetzt kam sie zurück, und das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben.

»Wir haben keine Butter mehr«, flüsterte sie.

»Ich schon«, verkündete ich, und es war rührend zu sehen, wie sie sich freuten, als ich Butter und Brot und Eier vom Land auspackte. Wir hatten ein verschwenderisches Souper, die Stimmung schlug hohe Wellen, Baby holte sogar Levertin aus dem Regal und deklamierte zwischen den belegten Broten seine Verse. Dann löschten wir die Lichter, zündeten eine Kerze in der Hängelampe an und rauchten andächtig jede eine Zigarette.

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