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Dunkle Seele

Als Buch hier erhältlich:

Wer ist Opfer, wer ist Täter?


Detective Inspector Joanna Harper wird zu einem Tatort gerufen. Ein Mann liegt verblutend in der Badewanne, am Hinterkopf eine schwere Wunde. Er fällt ins Koma. Die Nachbarin sagt aus, dass eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm die Treppe hinuntergerannt sei. Die Fahndung nach der Frau mit dem Kind läuft. Was Harper noch nicht weiß: Sie jagt jemanden, der ihr sehr vertraut ist.
Und plötzlich wacht der Patient im Krankenhaus aus dem Koma auf. Ist er wirklich das unschuldige Opfer, das er zu sein scheint? Harper muss einen komplizierten Fall entwirren, in dem nichts so ist, wie es scheint.


  • Erscheinungstag: 25.01.2022
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959674300

Leseprobe

KAPITEL 1

Sie huscht ans Fenster und blickt auf den Sand

Und über den Sand zum Meer,

Und starr wird ihr Blick,

Und ein Seufzer entweicht

Und eine Träne fällt

Aus dem trauertrüben Aug,

Denn das Herz ist schwer,

Und der Seufzer geht

Zu den kalten, fremden Augen einer kleinen Nixe

Und dem Glanz ihres goldenen Haars.

MATTHEW ARNOLD, »DER VERLASSENE MEERMANN«, 1849

JETZT

Leonie

Freitag, 21. Dezember

Leonie drückt die Handfläche von außen gegen das Schaufenster. Die Scheibe ist kalt; das dicke Sternchen ihrer Hand hinterlässt, als sie sie wegzieht, einen Abdruck auf dem feuchten Glas. Sie lacht und klatscht die Hand noch einmal drauf, und noch mal und noch mal, wie beim Kartoffeldrucken am Küchentisch, wo die Kartoffel schnell ausgedient hat, weil Leonie lieber gleich die Hände in den Farbtopf tunkt. Konzentriert zieht sie die Umrisse der Handabdrücke mit der Fingerspitze nach, ehe sie verblassen.

»Mama«, sagt sie. »Guck mal. Ich mach Bild.«

Hinter ihr steht eine Handtasche verlassen auf dem Gehsteig. Sie dreht sich um, tapst rüber und hebt die Tasche auf. Sie schaut die Straße rauf und runter, wobei ihr ganzer Körper sich erst nach links, dann nach rechts dreht. Niemand da. Der kalte Wind bläst ihr ins Gesicht und wirft sie beinah um, reißt ihr fast die rosa Bommelmütze vom Kopf. Zwei Bommeln, wie Teddybärohren.

Leonie runzelt ein wenig die Stirn. Dann stülpt sie die Tasche auf dem Gehsteig um. Windeln und Wischtücher fallen heraus, Windeltüten werden die Straße hochgeweht. Eine Geldbörse liegt da, ein Bündel Kassenbons, ein Schlüsselbund an einem glatten kleinen Stein mit einem Loch. Sie hebt den Stein auf, schüttelt das Bund, sodass die Schlüssel klimpern, und wirft es wieder hin. Dann greift sie zu einem angebissenen und in seiner aufgerissenen Hülle verstauten Obstriegel. Den hat sie im Mund, als sie die Ladenglocke hört. Knarrend öffnet sich die schwere Tür, und gelbes Licht und Wärme ergießen sich auf die vor Kälte schon fast blauen Finger des Mädchens, die aus den Ärmeln seiner Jacke hervorschauen.

Es wird bereits dunkel, obwohl es noch nicht spät ist jetzt, am kürzesten Tag des Jahres. Das Mädchen tapst auf die Ladenbeleuchtung zu, auf den Weihnachtsbaum nicht weit vom Eingang, vorbei an dem Fremden, der ihr Platz gemacht hat und fragt: »Wo ist denn deine Mami?«

Leonie greift nach einer glänzenden, funkelnden Christbaumkugel. Eine Schokoglocke hängt auch da, und sie lässt den Obstriegel fallen, um sie in die Hand zu nehmen.

»Wem gehört das Kind?«, ruft der Fremde, als der Mann, der hinter der Theke steht, sich die Hände reibend mit besorgtem Blick nach vorn kommt.

»Mama?«, spricht Leonie den Ladeninhaber an, der für sie nur eine besorgte Miene ist. Ihre Unterlippe zittert unsicher. Dann gleitet ihr die in Folie gehüllte Weihnachtskugel aus der Hand und zerspringt auf dem Steinboden. Überrascht und reglos betrachtet sie die vielen Splitter. Das scheint sie so aus der Fassung zu bringen, dass sie weinen muss. Sie schließt die Augen, ballt die Fäuste, hebt das Gesicht zur Decke, und acht gesunde Zähne zeigen sich in ihrem Mund. Der Kunde geht vor ihr in die Hocke, ohne sie anzufassen, und sagt: »Scht, das ist doch nicht schlimm, wir holen deine Mami.«

Die beiden Erwachsenen machen sich auf lautstarkes Heulen gefasst. Das Weinen, das dann kommt, ist aber nur ein dünner, scharfer Ton, wie ferner Wind. Im Gesicht des Kindes steht ein Schrei, doch zu hören ist fast nichts.

Die Männer wechseln einen Blick, der besagt, dass da etwas nicht stimmt, aber im Moment gibt es Problematischeres, als dieses seltsame Weinen. Der Kunde tätschelt die Schulter der Kleinen leicht mit den Fingerspitzen, schaut sich wiederholt dabei um und fragt den Ladenbesitzer: »Haben Sie gesehen, wer bei ihr war?« Leonie schlägt die Augen auf und schreit ihm lautlos ins Gesicht. Nichts davon zu hören ist im Grunde schlimmer, als wäre es ohrenbetäubend. Der Mann steht auf, pflückt noch ein Schokoteil vom Baum und nimmt die eine zitternde Faust des Kindes in die Hand. Er drückt die Fingerchen auseinander und legt ihr die Süßigkeit in die offene Hand. Ihr Mund schließt sich, und sie betrachtet den roten Weihnachtsmann und dreht ihn auf der Suche nach einer Stelle zum Öffnen um. Sie hickst. Rotz läuft an ihrem Kinn herunter.

Die Glocke an der Tür läutet, als der Ladenbesitzer sie aufreißt. Er geht raus, schaut nach links und rechts, zum dunkelnden Himmel hoch und schließlich runter auf den Gehsteig mit der ausgeschütteten Handtasche. Er geht hin, stößt die Windeln mit dem Fuß an, sieht das Schlüsselbund, die Packung Wischtücher. Er sucht nach einem Handy oder einer Brieftasche, einem Ausweis irgendwo, aber Fehlanzeige. In der Geldbörse ist nur Geld. Er hebt die leere Tasche auf und wiegt sie in der Hand. Er öffnet das Reißverschlussfach vorne. Da scheint ein Stein drin zu sein, aber als er nachsieht, ist es eine Muschel.

Eine oder zwei Schneeflocken wirbeln im Wind, landen auf dem Beton und bilden nasse Flecke. In der Ferne rufen sich die Robben über die Wellen hinweg mit Lauten, die sich nach Menschengeschrei anhören, aber der Mann dreht nur mal kurz den Kopf. Für die hier Lebenden ist der Seehundgesang so vertraut wie das Lied der Wellen und die Möwenschreie.

Ein Stück außer Sichtweite seufzt das Meer, wenn die Flut den Strand berührt und den Sand in neue Formen bringt: weiche, anders geschwungene Wellenlinien als gestern, die morgen und mit jeder neuen Flut wieder anders aussehen.

Ein Stück außer Sichtweite wird ein hastig im Sand verbuddelter kleiner Haufen Kleider vom vordringenden Wasser überspült. Sanfte Wirbel lockern die Stofflagen, sodass ein Parka langsam auseinandergeht wie eine im Dunkeln sich öffnende Blüte. Bald wird die See weiter vorstoßen und den Absatz eines Stiefels freilegen. Später werden die vielen starken Hände der Strömung die Kleider vollständig aus ihrem provisorischen Versteck entfernen. Noch später werden sie auf sieben verschiedene Strände verteilt sein. Der andere Stiefel bleibt hier, zwischen zwei Steinen verkeilt, und wird erst entdeckt werden, wenn im Frühling die Müllsammler kommen.

KAPITEL 2

JETZT

Badewasser

Freitag, 21. Dezember

Die Wanne läuft über mehrere Stunden langsam voll. Dabei hebt sich der Körper des Mannes mit dem Wasserpegel, sein bisschen Fett und die Luft in ihm halten ihn noch an der Oberfläche. Das aus dem Hahn kommende Wasser ist klar. In der Wanne mischt sich der dünne Strahl mit dem Blut des Mannes, sodass die Farbe des Badewassers schwankt zwischen Hellrosa an seinen Füßen und knallrotem Gewölk an seinem Kopf, wo der Pulsdruck das Blut in regelmäßigen Stößen aus der Wunde treibt. Es dauert lange, doch als die Wanne voll ist, gelangt das Blutwasser in den Überlauf und sickert durch viele Meter Rohrleitung in die Kanalisation tief unter dem Wohnblock.

In der Wanne befindet sich neben dem Mann, dem Wasser und dem Blut ein Handtuch. Das Handtuch wird von den Beinen des Mannes gegen den Überlauf gedrückt, bis sein verknäuelter dicker Stoff die Öffnung vollständig verschließt. Es ist niemand da, der den Hahn zudrehen könnte; die Wanne läuft voll und voller, bis sie wie eine schwarzmagische Version des Zaubertopfs schließlich überläuft, das Bad überflutet, die Ränder des Bodenbelags abtastet, drunterläuft, zwischen die Fußbodenbretter dringt und sich im Hohlraum unter dem Fußboden ausbreitet. Die Decke ist versiegelt und gedämmt, doch das Wasser sucht sich den tiefsten Punkt. Es sammelt sich, wird schwerer, schwächt die Gipsdecke. Es braucht nur ein winziges Loch, einen Nadelstich, um durchzubrechen.

In der Wohnung darunter ist Mrs. Stefanidis im Begriff, ein kleines Käsesandwich auf Weißbrot zu Mittag zu essen. Sie hört nicht, aber spürt, dass etwas durch die Luft an ihrem Gesicht vorbeifällt, doch als sie die Hände auf den Tisch legt und herumtastet, scheint da nichts zu sein. Kurz irritiert nimmt sie das Sandwich vom Teller und führt es zum Mund. Da sie mit ihrer kranken Netzhaut nur noch peripher sehen kann, fällt ihr der sich ausbreitende, nasse rosa Fleck mitten auf dem Brot nicht auf, dort wo der Tropfen blutvermischten Badewassers gelandet ist, der von der Decke über ihr kam. Als sie den Mund öffnet, fällt wieder ein dicker Tropfen, der auf ihrer Hand zerplatzt, und sie legt das Sandwich weg.

In der Decke gibt etwas nach. Die Tropfen kommen schneller, wie aus einem kaputten Ausguss klatschen sie auf den Küchentisch, bespritzen die Wände, die weißen Netzgardinen, die sauberen Tassen auf dem Abtropfbrett. Mrs. Stefanidis tastet nach dem Eimer unter der Spüle, macht die undichte Stelle aus und stellt den Eimer drunter. Dann trocknet sie die Hände an ihrer Schürze ab und greift in die Schürzentasche, um den Hausmeister anzurufen. Mit den extragroßen Handytasten gibt sie Terrys Kurzwahlnummer ein, lauscht dem Klingeln, hofft, dass er ihr helfen kommt, sonst weiß sie keinen. Der Eimer auf dem Tisch läuft langsam, aber sicher voll. Bald wird sie ihn nicht mehr heben können. Ihre Schürze ist aus kräftiger Baumwolle. Die rosa Abdrücke, die ihre Finger darauf hinterlassen haben, sieht sie nicht.

KAPITEL 3

JETZT

Ruby

Freitag, 21. Dezember

Als Ruby um die Ecke kam, wusste sie, dass sie in der Bredouille saß. Auf dem Papier war der Plan aufgegangen, aber natürlich hatten sie auch gesehen, dass die Zeit knapp war und kein Zug sich verspäten durfte. Schön dumm also, anzunehmen, die Scheißbahn würde ausgerechnet heute pünktlich sein. Sie eilte die Straße entlang zu dem Laden, vor dem mit blinkendem Blaulicht ein Streifenwagen stand. Wenn die Polizei da war, musste etwas Schlimmes passiert sein. Was hatte Constance getan, weshalb hatte man sie gerufen? Es sollte doch unauffällig über die Bühne gehen – die heimliche Übergabe eines unbekannten Kindes auf einer Kleinstadtstraße, damit sich die Mutter unbemerkt davonmachen konnte. Wenn die Polizei eingeschaltet war, war alles vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatten. War Constance so verzweifelt, dass sie Leonie vor Rubys Ankunft allein zurückgelassen haben könnte? Wenn es nach Constances Geisteszustand in den letzten Tagen ging, glaubte Ruby die Antwort zu kennen. Schreckliche Möglichkeiten gingen ihr durch den Kopf: Leonie zerquetscht unter den Reifen eines Autos, Leonie ertrunken beim Versuch, ihrer Mutter ins Meer zu folgen. Lächerliche zehn Minuten zu spät, mehr war es nicht, und sie konnte nichts dafür, die blöden Züge waren schuld.

Rubys Lunge brannte, als wäre sie stundenlang gelaufen. Dabei waren es höchstens zehn Minuten gewesen. Nicht der Rede wert. Genug Zeit zum Sterben, widersprach sie sich, ohne es zu wollen.

Eine Polizistin kam aus dem Laden, und der Anblick ihrer Uniform versetzte Ruby einen Schlag. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie, es könnte Joanna sein, doch die Vernunft ging dazwischen: Joanna wohnte und arbeitete in Sheffield, achtzig Kilometer entfernt. Und Joanna trug auch keine Uniform mehr; als Kriminalbeamtin war sie weniger sichtbar.

»Guten Abend, Madam«, sagte die Polizistin. »Kann ich Ihnen helfen?«

Durch das mit Werbung beklebte Schaufenster des Ladens sah Ruby, wie der Inhaber Leonie auf die Theke setzte.

»Ach, es geht schon«, sagte Ruby und dachte: Fehlt ihr was? Ist sie verletzt? Damit wollte sie an der Polizistin vorbei und griff nach der Türklinke.

Mit einem Schritt zur Seite verstellte ihr die Frau den Weg.

»Da können Sie jetzt leider nicht rein. Es ist was passiert.«

Neben der Theke hielt ein Polizist die Tasche mit den Sachen zum Windelwechseln in der Hand, die Constance Ruby zusammen mit dem Kind hatte übergeben wollen. Er durchsuchte sie und legte die Sachen der Reihe nach auf einen Haufen. Von Constance selbst war weder draußen noch im Laden etwas zu sehen. Ruby wurde auf das Wellenrauschen im Hintergrund aufmerksam und hätte sich gerne umgedreht und nach dem Boot Ausschau gehalten, das laut Constance kommen sollte, um sie abzuholen, aber sie wagte es nicht. In der hereinbrechenden Dunkelheit hätte sie es vielleicht ohnehin nicht gesehen. Nach allem, was Constance erzählt hatte, lebte ihre Familie sehr einfach. Ruby stellte sie sich als seefahrende Amische vor, die wie vor hundert und mehr Jahren noch ohne Elektrizität und moderne Technik auskamen.

Ein seltsamer, halb melodischer Schrei ertönte weit draußen auf See, vom Wind verweht, sobald sie ihn gehört hatte. Vielleicht war es ein Schiffshorn. Oder der Wind selbst, wie er zwischen Land und Meer durch die Felsen pfiff.

Sie funkelte die Polizistin an. »Würden Sie mich bitte durchlassen. Ich muss da rein. Das ist mein Baby.« Mein Baby, dachte sie und begriff im selben Moment, dass es stimmte. Biologisch gesehen vielleicht nicht, aber im einzigen Sinn, auf den es ankam. Sie ist jetzt mein Baby.

Bei dem Gedanken straffte sich ihr Rücken, und sie war stolz auf sich.

Ruby reckte den Hals, sah den hilflosen Ausdruck in Leonies Augen und machte erneut einen Schritt zur Tür hin. Die Kleine hatte sie noch nicht bemerkt, und Ruby hätte sie so gern geherzt und ihr gesagt, es würde alles gut. Sie kam aber nicht durch, die Polizistin versperrte ihr immer noch den Weg.

»Sie sind die Mutter?«

»Ja«, sagte Ruby. Ihre Stimme war hoch und leise, und sie befürchtete, ihre Antwort könnte sich zu unsicher angehört haben. Sie räusperte sich. »Darf ich jetzt bitte rein? Sie hat bestimmt Angst.« Wie lange war sie schon in der Obhut der Polizei? Zehn Minuten nur. Allenfalls zwanzig. Ein Klacks.

Die Polizistin baute sich so vor ihr auf, dass sie zurückweichen musste. »Kommen Sie bitte mit, Madam. Gleich wird sich jemand kurz mit Ihnen unterhalten.« Mit leicht ausgebreiteten Armen lenkte die Beamtin Ruby vom Laden weg in Richtung Streifenwagen.

»Kann ich nicht zu ihr?«, fragte Ruby und versuchte, über ihre Schulter hinweg durch die Scheibe zu schauen. »Geht’s ihr denn gut? Ist sie in Sicherheit?« Wie sollte sie das nur erklären? Selbst zehn Minuten waren unverzeihlich. »Es tut mir so leid, ich hab nur einen Moment ihre Hand losgelassen, und weg war sie. Ich hab sie aus den Augen verloren.«

Die Schuldgefühle setzten ihr zu. Tränen traten in Rubys Augenwinkel, und ihr Hals war schmerzhaft belegt. In dem ausdruckslosen Gesicht der Beamtin konnte sie keine Regung erkennen. Weder Mitgefühl noch Verständnis. Dann begriff sie, dass es nicht nur an der Blondfärbung und der Uniform lag – die Frau erinnerte sie wirklich an Joanna, und nicht im Guten. Die kühle, distanzierte Haltung war’s, sie betrachtete Ruby wie ein fremdes Lebewesen, ein Insekt oder eine Außerirdische.

»Seien Sie so gut und setzen Sie sich hinten rein«, sagte die Beamtin. Seien Sie so gut – ihr blieb offensichtlich nichts anderes übrig.

»Wollen Sie mich etwa festnehmen? Ich habe nichts getan. Es war ein Versehen. Ein Missgeschick.«

Die Beamtin öffnete die Tür des Streifenwagens und bedeutete Ruby einzusteigen. Das Funkgerät rauschte und knarzte, und sie beugte sich vor, um es leiser zu stellen.

»Haben Sie Kinder?«, fragte Ruby, doch die Polizistin antwortete nur wieder: »Seien Sie so gut.«

Am besten tat sie wohl, wie ihr geheißen. Vorsichtig stieg sie ein, saß dann mit zusammengedrückten Knien steif da und blickte auf die Kopfstütze vor ihr.

»Geht ganz schnell, Madam.«

Als sich die Tür schloss, hüllte sie Dunkelheit ein. Die Polizistin ging davon, und Ruby fasste nach der Tür, um zu sehen, ob notfalls eine Fluchtmöglichkeit bestand. Der Griff entglitt ihr, als sie daran zog – nichts da. Kindergesichert. Das musste ein Missverständnis sein. Sie konnten sie ja wohl nicht gefangen halten, wenn sie nichts getan hatte.

Sie sah den Besitzer und den Polizisten im Laden miteinander reden. Die Tür war genauso mit Postern und Aufklebern bepflastert wie die Schaufenster, sodass man nur halbe Gesichter oder kurz einmal gestikulierende Hände sehen konnte. Als die Beamtin, die sie in den Wagen verfrachtet hatte, zur Ladentür kam und sie öffnete, war Leonie ganz zu sehen, wie sie auf der Theke saß und Schokostückchen aus einer Goldpapierschale aß, die neben ihr stand. Eine Schale aus der Dekoration. Dem Sondergast spendiert. Leonie war ganz ins Schleckern vertieft, wählte in aller Ruhe ein Stückchen aus, nahm es behutsam in die Finger, sperrte übertrieben weit den Mund auf, um es hineinzustecken, und traf noch bevor sie mit Kauen fertig war ihre nächste Wahl. Erleichtert schloss Ruby die Augen. Das kleine Gesicht war fleckig vom Weinen und schokoladenverschmiert, aber Leonie ging es gut. Nur darauf kam es letztlich an. Alles würde sich finden.

Die Ladentür schloss sich, und wieder war ihr die Sicht versperrt. Halb sah sie den Rücken der Polizistin, die sich mit ihrem Kollegen unterhielt, dann einen Ausschnitt vom Gesicht des Kollegen, wie er sein Funkgerät in die Hand nahm und hineinsprach. Dabei wanderte sein Blick zu Ruby, aber gesehen hatte er sie im Dunkeln wohl nicht. Sie strich ihren Rock glatt, legte etwas Lippenbalsam auf und bemühte sich, ruhig zu atmen. Das war jetzt die Feuerprobe. Nie hätte sie gedacht, dass die so schnell kommen würde. Ruby wusste nicht, ob sie schon dafür bereit war.

Sie holte lange und tief Luft. Das Mädchen hat sonst keinen auf der Welt. Ich muss das machen. Es wenigstens versuchen. Draußen kam ein lang gezogener lauter Ruf fern von den Wellen her und hallte rings um die Bucht wider. Diesmal wusste sie, was es war. Die Seehunde riefen. Fragte sich nur, was. Ihr kam das Wiegenlied in den Sinn, das Constance ihr beigebracht hatte und das sie Leonie oft vorsang: Ionn da, ionn do, ionn da, od-ar da. Laut Constance hieß es »Die Freude der Seehundfrau«. Der Titel kam ihr jetzt verfehlt vor, und im Kopf hörte sie die Worte in Moll.

Zwei Autos fuhren vor: ein Streifenwagen, der an der Strandmauer gegenüber parkte, und ein großer schwarzer Lieferwagen, der direkt hinter dem Wagen hielt, in dem sie gefangen saß. Im Seitenspiegel sah sie, wie eine Frau im Hosenanzug aus dem schwarzen Fahrzeug stieg und den Laden betrat. Nach einiger Zeit kam die Frau wieder heraus, hielt Leonies kleine Hand in der ihren und führte sie davon.

Ruby klopfte von innen an die Scheibe und rief Leonies Namen. Die Kleine hob den Kopf, wunderte sich vielleicht, wo das Klopfen herkam. Ihr Mund formte das Wort »Mama«, aber sie schaute in die falsche Richtung, über die falsche Schulter, zurück zum Laden.

»Hier!«, rief Ruby, »hier bin ich, Schätzchen. Hier drin. Baby? Hier ist Mama-Bi!« Rubys Augen brannten wieder von zurückgehaltenen Tränen. Ihre Fingernägel bohrten sich in ihre Handteller und hinterließen dunkelrote Mondsicheln. Sie spürte es kaum.

Als sich die Beifahrertür des Streifenwagens öffnete, erschrak Ruby. Sie hatte niemanden kommen sehen. Es war die Frau im Hosenanzug, dick, mit Brille und kurzen Locken. Sie stieg ein und zog die Tür zu. Wer war bei Leonie? Ein Polizeibeamter vielleicht. Eines war sicher: Sie würden das Kind niemals unbeaufsichtigt lassen.

»Tag. Ich bin Diane vom Sozialdienst. Sie sind die Mutter des kleinen Mädchens, ja?«

Ruby nickte. Diane zog ein kleines Notizbuch und einen Stift hervor. »Wie heißen Sie bitte?«

»Constance.«

Die Lüge kam ihr über die Lippen, ehe sie die Konsequenzen bedacht hatte. Als sie aber ausgesprochen war, entspannte sich Ruby. Es war sinnvoll, jetzt Constance zu sein. Constance war ja die leibliche Mutter. Vor allem aber besaß Constance im Gegensatz zu Ruby keine amtliche Identität und war nicht aktenkundig. Sie hatte nie Steuern gezahlt, nie einen Beruf ausgeübt, nie ein Auto besessen. Constance war für die Behörden und die Gesellschaft unsichtbar, genau wie Leonie, ihr unregistriertes, unsichtbares Kind.

KAPITEL 4

JETZT

Joanna

Freitag, 21. Dezember

Detective Sergeant Joanna Harper nickte Police Constable Steve Atkinson zu, der die Ramme hielt. Mit geübter Präzision stieß er den schwarzen Metallzylinder gerade so fest gegen das Türschloss, dass es zerbrach.

Die Tür zu Apartment 7 sprang auf, und Joanna holte vorsichtig Luft, da sie ungern Leichengeruch in die Nase bekommen wollte; der setzte sich da immer für eine Weile fest. Zum Glück roch es aber nur nach der Feuchtigkeit der überschwemmten Fußböden. Die Rettungssanitäter warteten zusammen mit Terry, dem Hausmeister, draußen vor der Wohnung. Sie musste an den Eimer mit blutigem Wasser denken, den Terry ihnen gezeigt hatte, stemmte die schwarz beschuhten Füße fest auf den Boden und atmete noch einmal tief durch, bevor sie eintrat.

Joanna hatte den Hausmeister gefragt, was er über den Eigentümer, einen gewissen Gregor Franks, wusste.

»Der ist alleinstehend, glaube ich. Ganz gut bei Kasse. Eine Art Verkaufsleiter irgendwo. Oder er handelt mit Aktien.«

»Alter?«, fragte Jo.

»Um die dreißig, würde ich sagen.«

»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«

Terry musste überlegen. »Das weiß ich nicht. Ist schon länger her. Vor zwei, drei Jahren? Ich komme nur, wenn ich gerufen werde. Er ruft mich nie.«

»Sie haben doch einen Schlüssel zu Mr. Franks’ Wohnung«, sagte PC Atkinson. »Aber Sie haben trotz der undichten Stelle nicht nach ihm gesehen?«

Terry schaute vielsagend auf den Eimer, der zwischen ihnen auf dem Boden stand. »Ich wusste ja nicht, was ich da finde. So was liegt mir nicht. Wenn ich Blut sehe, kippe ich um, und es muss noch ein Krankenwagen her.«

Der Schlüssel hatte nichts genützt, als sie die Treppe hoch zu dem Apartment im siebten Stock gekommen waren. Franks musste das Schloss ausgetauscht haben. Joanna hatte wiederholt geklopft und gerufen, Gregor solle ihnen aufmachen, aber noch während sie dabei war, hatte Atkinson seine schwere Tasche abgestellt und die Ramme ausgepackt.

In der Wohnung ging Joanna voran. Da sie nur die undichte Stelle hatten und der Wohnungseigentümer nicht polizeibekannt war, hieß es abwarten. Bei so viel Blut konnte alles Mögliche in der Wohnung los sein: zahlreiche Verletzte, gefährliche Verdächtige noch am Tatort, ein schrecklicher Unfall. Ebensogut konnte es sein, dass sie gar nichts fanden. Als Jo mit dem Einsatz betraut worden war, hatte der diensttuende Sergeant nur spekulieren können: Womöglich ist es gar kein Blut, sondern Holzbeize, Farbe oder Rost. Und wenn es doch Blut ist, könnte es sich um einen Haushaltsunfall handeln, nach dem der Betroffene ins Krankenhaus gefahren ist, ohne den Wasserhahn zuzudrehen.

»Oder um eine Ritualschlachtung, und das Blut stammt von einem Schaf?«

Murrays Sprechfunkstimme klang nicht belustigt. »Jo, wir haben lediglich einen Eimer, der voll Wasser und Blut zu sein scheint. Keine anderen Hinweise auf etwas Ungewöhnliches, keine Leiche, keinen Anhaltspunkt, dass jemand verletzt oder in Gefahr ist oder vermisst wird. Nehmen Sie Steve mit, und gehen Sie der Sache einfach mal nach. Wenn ihr was findet, bekommt ihr sofort Verstärkung.«

»Ich nehme an, Sie setzen mich ein, weil Sie sonst keinen haben?«

»Das nehmen Sie zu Recht an. Die Notrufe stauen sich hier, während wir uns unterhalten. Die Schusswaffen sind bei einer Messerstecherei in der City, alle anderen Streifen sind wegen Dringenderem unterwegs. Ein Krankenwagen kommt mit, aber nur unter der Bedingung, dass die Polizei den Einsatzort sichert, bevor sie eingreifen.«

»Versteht sich.«

So kurz vor Weihnachten war die Polizei immer überlastet. Jedes Jahr wurde es schlimmer. Viele Beamte nahmen Urlaub, und deshalb blieb oft nur ein Skelett an Einsatzkräften übrig, das halbe Kontrollteam und ein paar Sergeants wie Joanna und Murray.

»Ach ja, Jo – nehmen Sie eine Stichschutzweste mit.«

»Klar, nimm die Stichschutzweste mit, es ist wahrscheinlich nichts«, brummelte Jo, als sie das schwere Teil überzog, um dann mit Atkinson hinaus zum Streifenwagen zu gehen. DS Harper moserte so gern wie alle anderen Leute, aber in Wirklichkeit genoss sie es, wenn Personalmangel dazu führte, dass sie wieder zum aktiven Einsatz kam. Joanna war zur Kripo gegangen, weil sie dachte, sie würde die Ermittlungsarbeit vorziehen. Murray gegenüber hätte sie es zwar nicht zugegeben, aber wie sich gezeigt hatte, machte es ihr viel mehr Spaß, eine Stichschutzweste zu tragen und Türen aufzubrechen.

»Mr. Franks?«

Jo schob sich den Flur entlang und stieß die Wohnzimmertür auf. Kalt und dunkel war es da drin, weil mit dem Wasser auch der Strom abgeschaltet worden war. Im Schein der Taschenlampe sah sie, dass das Zimmer leidlich aufgeräumt und relativ sauber war. Ein Teller mit Toastkrusten stand auf der Lehne des Ecksofas neben einer nicht ausgetrunkenen Tasse Tee. Eine Spielzeugkiste war an die Wand gerückt worden.

In der Küche lag ein Päckchen Brot offen auf dem Tresen. Sie nahm die erste Scheibe heraus und schnupperte daran. Etwas muffig. Ein Telefon war an eine Steckdose angeschlossen. Jo nahm es in die Hand und wischte das Display ab, doch es war tot. In der Brieftasche, die daneben lag, sah sie einen Führerschein und zog ihn heraus. Ein freundliches Gesicht, volles, welliges Haar, wie Atkinson es vor zehn Jahren hatte.

Im Zimmer nebenan stand ein ungemachtes Doppelbett, und der zusammengeknüllte kleine Schlafsack auf dem bezogenen Kindergitterbett in der Ecke sah aus, als wäre das Kind eben erst herausgenommen worden. Auch ein Sommerkleid mit Blumenmuster lag da, gekrönt von einem einzelnen rosa Babysöckchen mit weißem Spitzenrand. Joanna schaute sich rasch um und ging in die Hocke, um unters Bett zu schauen. Außer einem Karton mit Muschelschalen war da nichts.

»Frei!«, rief sie.

Es gab noch ein Schlafzimmer, ein makellos sauberes, ohne ein Fältchen in der Steppdecke, und auch auf dem Boden lag nichts herum. Joanna öffnete die Schränke und fand akkurat gebügelte Hemden und Hosen, alle nach Farben geordnet.

»Frei!«, rief sie noch einmal.

Im Flur standen die beiden Beamten dann vor der letzten Tür. Atkinson stellte fest, dass sie sich nicht öffnen ließ.

Joanna klopfte mit geschlossener Faust dagegen. »Mr. Franks?«, rief sie. »Gregor? Hören Sie mich? Jo ist mein Name. Ich bin von der Polizei. Können Sie die Tür aufmachen?«

Die Stille war intensiv – wie konzentriert man auch lauschte, man hörte nichts.

»Wir brechen die Tür auf, Mr. Franks«, sagte Jo. »Treten Sie zurück.«

Atkinson nahm die Ramme hoch. Jo ging zur Seite, als er die Klinke anvisierte und zustieß.

Ein einziger Schlag, und die Tür schwang in den Angeln. Dahinter herrschte ein Chaos aus Rot und Weiß, Blut und Fliesen, in der randvollen Badewanne umschloss blutiges Wasser die bleiche Haut des Mannes. Atkinson hustete, vermutlich, um ein Luftschnappen zu kaschieren. Der Körper selbst war unversehrt, völlig reglos und weiß, die Hände und Füße blaufleckig, das Gesicht friedlich, die Augen geschlossen.

Joanna musste an Rote-Bete-Suppe mit Klößen denken, und ihr Magen knurrte. Sie hatte das Mittagessen ausgelassen und sich aufs Abendessen gefreut. Jetzt sah es aus, als würde daraus nichts.

»Und?«, fragte einer der Rettungssanitäter.

»Hier liegt jemand«, rief Jo. Sie warf einen Blick hinter die Tür, um sicherzugehen, dass ihnen wirklich niemand auflauerte, aber das war nur Routine. Ihr Polizistinneninstinkt hatte ihr schon gesagt, dass der Mann allein war. »Es ist sicher. Sie können reinkommen.«

Sie sah nur die Handrücken des Mannes, nicht die Unterseiten. Aber sie kannte das Bild von früheren Polizeieinsätzen, und verständlicher wurde es auch jetzt nicht. Warum hatte sich der Mann das angetan?

»Ist das der Wohnungseigentümer?«, fragte Atkinson.

Joanna ging noch mal zum Küchentresen, um den Führerschein zu holen. Sie verglich das tot aussehende Gesicht in der Wanne mit dem lebenden auf dem Passfoto. Und Atkinson nickte, als sie ihm das Foto zeigte. »Das ist er.«

Die beiden Rettungsleute betraten das Bad vorsichtig, um nicht auf dem Blut-Wasser-Gemisch am Boden auszurutschen. Einer kniete sich vor die Wanne. »Mr. Franks?«, sagte er. »Hören Sie mich?« Er legte dem Mann die Hand auf die Stirn. Dann drehte er den vorn liegenden Arm um, sodass die Unterseite des Handgelenks sichtbar wurde. Joanna hatte dort einen tiefen Schnitt erwartet und auch, dass sie später vielleicht ein Rasiermesser finden würden, das unter den Mann gerutscht war, als er das Bewusstsein verlor. Aber nein, die Haut am Handgelenk war intakt. Der Sanitäter griff nach dem linken Arm: ebenfalls keine Schnittverletzungen.

»Wo kommt das Blut denn her?«, fragte Jo.

»Das kann ich im Moment nicht sagen. Von irgendwo hinten.« Er legte einen Finger an den Hals des Mannes, dann horchte er an seinem Brustkorb; seine Wange wurde nass.

»Der Mann lebt.«

Das überraschte Joanna, die ärgerlicherweise die erste Regel der Polizeiarbeit gebrochen hatte: Sie war davon ausgegangen, dass Franks tot sei, weil seit der Entdeckung der undichten Stelle Stunden vergangen waren, weil es in der Wohnung eiskalt war, wegen des vielen Bluts und weil er in einer vollen Badewanne lag. Vor allem aber, weil er so nach Leiche aussah, und Leichen hatte sie mehr als genug gesehen.

Der Sanitäter hob Gregors Kopf aus dem Wasser. »Kopftrauma. Davon blutet er.«

Jo sprach in ihr Funkgerät. »Zentrale, Update zur Lage in Apartment 7 des Nordblocks am New Park. Wir haben einen Verletzten, ich wiederhole, ein Verletzter, Notfallplan für schweres Trauma bitte, Kopfverletzung, starke Blutung sichtbar. Bewusstlose männliche Person, Vitalzeichen positiv.«

»Verstanden, Jo. Sind Verdächtige anwesend?«, antwortete Sergeant Murray.

»Nein. Noch ist unklar, womit wir es zu tun haben, ob Dritte beteiligt sind. Warten Sie auf Updates.«

»Verstanden, ich warte.«

Der Sanitäter sagte: »Gregor, wir holen Sie jetzt aus der Wanne. Können Sie mich hören, Gregor?«

Er rollte einen Ärmel hoch und zog den Stöpsel, um das Wasser abzulassen. Dann wandte er sich an Atkinson. »Holen Sie ein paar Wolldecken oder so was. Die Bettdecke. Und helfen Sie uns bitte, ihn rauszuholen. Sie beide; wir müssen zur Sicherheit alle mitanfassen.«

Während das kalte rosa Badewasser ablief, bauten die beiden Polizeibeamten auf dem Boden des Bads ein weiches Bett aus Decken. Joanna legte dem Mann die Hand unter den Kopf, als sie ihn zu viert heraushoben, und war überrascht, wie schwammig weich sich das anfühlte. Eine Schädelpartie, die hart und glatt hätte sein sollen, lag wie nasser Kuchen in ihrer Hand.

KAPITEL 5

JETZT

Ruby

Freitag, 21. Dezember

Jetzt wird Diane wohl eine Bemerkung zu dem Namen machen, dachte Ruby, nachdem sie der Sozialarbeiterin gesagt hatte, sie heiße Constance. Sie selbst war auch darauf eingegangen, als sie Constance kennenlernte. Der Name war ungewöhnlich. Altmodisch.

Diane notierte ihn und richtete ihren kühlen Blick wieder auf Ruby.

»Und Ihre Tochter heißt?«

»Hat Sie Ihnen das nicht gesagt?«, antwortete Ruby. »Weil, schüchtern ist sie normalerweise nicht. Sie redet mit jedem, läuft mit jedem mit. Findet nichts dabei. So hab ich sie auch verloren. Außerdem ist sie schnell.«

Bleib ruhig, ermahnte sie sich. Sie brauchte sich nur Leonie zu schnappen und abzuhauen, zu verschwinden, ehe Polizei und Sozialdienst schnallten, dass hier etwas Ungewöhnliches vorging.

»Die Polizei war ja ziemlich schnell hier, was?«, sagte Ruby und hoffte, es klang eher bewundernd als nach Kritik. »Sicher stand die Streife schon an der nächsten Ecke. Sehr … beruhigend.«

Diane blinzelte. »Wie heißt bitte Ihre Tochter?«

»Ach so, Entschuldigung! Leonie.« Sie buchstabierte es. Diane schrieb es auf.

»Nachname?«

»Ihrer oder meiner?«

»Beides bitte.«

Für das darauf folgende Zögern hätte Ruby sich treten können. Diane sah sie scharf an. Sie hatte es auch bemerkt. »Douglas. Wir heißen beide Douglas.« Douglas musste reichen; ihren richtigen Namen, Harper, konnte sie nicht nehmen. Es wäre typisch für sie, wenn jemand von der Polizei darüber stolpern und sich fragen würde, ob eine Verbindung zu der Kollegin in Sheffield bestand.

Diane schürzte beim Schreiben die Lippen. Dann hob sie den Kopf.

»Und der Vater?«

Ruby schloss die Augen und sah sein Gesicht vor sich wie manchmal in der Erinnerung an ihre erste Begegnung, sein scheues Lächeln und wie er dann wegschaute. Sie schüttelte es ab. Dann sah sie Diane böse an.

»He!«, rief sie. »Ist das nicht ein bisschen persönlich?«

Die beiden Frauen blickten sich in die Augen. Ruby strahlte selbstbewusste Empörung aus, wenn sie auch insgeheim unsicher war, ob die Täuschung gelang. Es war ein schmaler Grat: nicht betteln, aber auch nicht so auftreten, dass sich die Frau ärgerte oder misstrauisch wurde. Ruby sah zuerst weg. Sie ließ den streitlustigen Ton. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich bin halb verrückt vor Sorge. Ich wollte wirklich nicht unhöflich sein. Darf ich bitte meine Tochter sehen?«

Diane schien über die Frage nachzudenken. Sie musterte Ruby, deutete und beurteilte ihre Kleidung: teure Lederstiefel, Winterrock, trendiger Parka. Ruby wusste, dass sie gut aussah, hoffte aber, auch glaubwürdig auszusehen – eine Frau, die vielleicht mal einen Fehler macht, aber keine, die dauernd welche macht. Keine, bei der man eingreifen muss. Dieser erste Eindruck, diese sekundenschnellen Einschätzungen der Vertrauenswürdigkeit, der gesellschaftlichen Stellung eines Menschen waren entscheidend. Diane vom Sozialdienst hatte die Macht, Leonie einzukassieren, wenn es ihrer Meinung nach gerechtfertigt war. Ruby betete, dass ihr Gegenüber hier nicht zu diesem Schluss kam.

Diane lächelte unergründlich und sagte: »Sie werden verstehen, Ms. Douglas, dass wir schon ein wenig nachforschen müssen, wenn ein Kind bei so einem Wetter allein und verlassen in einem Geschäft auftaucht und die Polizei gerufen wird. Das verlangt der Kinderschutz. Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Diane legte mit um Entschuldigung bittender Miene den Kopf schräg, während die gewichtigen Worte ihr Ziel fanden.

Ruby schluckte schwer. Denk nach. »Das ist doch alles nicht nötig«, sagte sie. »Lassen Sie mich bitte erklären. Sie war ja nicht herrenlos. Ich habe sie aus den Augen verloren. Wir waren am Strand und hatten den Wellen zugeschaut. Sie findet es lustig wegzulaufen, das macht sie ständig, den ganzen Tag lang, es schafft einen. Ich habe also Chips gekauft und sie bezahlt, und als ich mich umdrehte, war sie schon wieder abgehauen! Ich geriet in Panik – sie konnte in zwei Richtungen gelaufen sein, und ich hatte wohl die falsche erwischt. Ich hab sie die ganze Zeit gesucht, und wie lange ist das jetzt her – zehn, zwanzig Minuten? Ich hab jede Menge Leute gefragt. Ich wollte schon selbst die Polizei rufen, aber die waren so schnell da. Ich würde sie niemals im Stich lassen. Das ist kein Fall für den Kinderschutz. Man braucht sie sich ja nur anzusehen – sie ist doch warm angezogen, oder? Ist sie vielleicht unterernährt? Ich möchte sie einfach nur sehen. Ihr sagen, dass es mir leidtut. Ich möchte …«

Ein Schluchzen beendete den Wortschwall. Diane bot ihr ein Taschentuch an. Die Miene der Sozialarbeiterin schien etwas sanfter geworden zu sein.

»Das hätte jedem passieren können«, sagte Ruby. Sie schnäuzte sich. »Ich bin keine schlechte Mutter.«

Diane steckte ihr Notizbuch ein.

»Wo wohnen Sie, Liebes?«

»In Sheffield.«

»Was tun Sie dann in Cleethorpes? Für einen Ausflug ans Meer ist es ein bisschen kalt, oder nicht?«

Ruby holte Luft, bevor sie antwortete. »Man muss aber doch raus, wenn man Kinder hat. Die kann man nicht den ganzen Tag einsperren.«

Diane zog in müder Zustimmung die Brauen hoch. Sie hat selbst Kinder, dachte Ruby.

Die Sozialarbeiterin sah sie aufmerksam an. Dann klopfte sie ans Fenster, und jemand öffnete von draußen die Wagentür.

»Ich muss kurz mit der Polizei sprechen, Constance. Dann lassen wir Sie zu Ihrer Tochter. Okay?«

Ruby wollte Danke sagen, war aber von Gefühlen überwältigt und brachte das Wort nicht rechtzeitig genug heraus. Wenn sie Leonie sehen durfte, hatte sie jedenfalls etwas richtig gemacht. Aber Vorsicht, ermahnte sie sich. Kam ihnen bei der Wiedervereinigung irgendetwas komisch vor, war es aus. Dann drohte ihr Gefängnis wegen versuchter Kindesentführung oder Vorspiegelung falscher Tatsachen. Sie würde Leonie vielleicht nie wiedersehen.

Ein paar Minuten später öffnete die Polizistin die Tür auf Rubys Seite. Mit zitternden Beinen stieg Ruby aus und zog gegen Wind und Schneeregen die Jacke um sich. Auch die Tür des schwarzen Lieferwagens weiter oben war offen, und sie sah, wie Leonie herausgehoben wurde. Am liebsten wäre Ruby hingelaufen, hätte sich das Kind geschnappt und das Weite gesucht, aber ihr war klar, dass die Polizei und die Sozialarbeiterin sie beobachteten. Sie trat einen Schritt näher und sah, wie das Kind den Kopf hob, sie erkannte und gleich zu ihr wollte.

»Mama-Bi!«, rief Leonie und versuchte sich von Diane, die sie an der Hand hielt, loszureißen.

Ruby hielt es nicht mehr aus. Sie lief hin, nahm Leonie auf den Arm und drückte sie an sich.

»Mama ist ja bei dir, Schatz«, sagte sie, »es tut mir so leid.«

»Mama«, sagte Leonie. »Mama hier. Mama weg.« Ruby hoffte, dass nur sie verstand, was Leonie ihr mitzuteilen versuchte: Mama war hier, Mama ist weg.

»Ich weiß, es tut mir so leid, Schätzchen. Jetzt bin ich wieder da und lass dich nicht mehr weg. Nie wieder.«

Sie bedeckte Leonie mit Küssen und trat dann einen Schritt zurück, um ihr Gesicht zu sehen. Sie lächelten sich an. »Bi«, sagte Leonie. So jedenfalls hörte sich das Wort Ruby aus Leonies Mund an.

Ob ihnen das auffiel?

»Mama-Bi«, sagte Leonie und kicherte. So hatte Constance Ruby vor dem Kind fast vom ersten Tag an genannt. Mama Ruby ist da, sie möchte dich in den Arm nehmen. Sobald Leonie sprechen konnte, war Ruby Mama-Bi.

Das Gesicht der Kleinen war immer noch verschmiert von dem Zuckerzeug, das sie ihr gegeben hatten. Schaufensterdeko, das war noch nicht mal richtige Schokolade.

»Du bist ganz schmutzig, Kind, wir müssen dich mal sauber machen.« Sie befeuchtete ihren Daumen und rieb an den Pausbäckchen. Ein Wischtuch wäre jetzt gut gewesen, aber sie konnte die Windeltasche nirgendwo entdecken.

Der Ladeninhaber kam zu ihr. »Gehört die Ihnen?«

»Danke.« Ruby nahm die Tasche an sich, die Constance am Morgen mit Leonies Sachen gepackt hatte – genug Windeln für ein, zwei Tage, Wechselwäsche, Spielzeug.

»Die stand auf dem Gehsteig vorm Laden.« Er runzelte ein wenig die Stirn, als käme er nicht drauf, was daran merkwürdig war.

»Die hat sie mitgenommen, als sie weggerannt ist«, sagte Ruby etwas zu schnell. Sie kramte in der Tasche nach den Tüchern, aber Leonie hatte gemerkt, was sich anbahnte, und wand sich in ihren Armen, um dem zu entgehen. »Kein Wischi!«, rief sie und strampelte derart, dass Ruby sie absetzen musste. Im Bruchteil einer Sekunde war sie Rubys Griff entwischt und rannte volle Pulle in Richtung Straße.

»He!«, rief die Polizistin und stellte sich dem Mädchen auch schon in den Weg.

»Das meinten Sie also mit dem Hang zum Weglaufen«, sagte Diane, und ein Polizist lachte leise.

»Sieht aus, als hätten Sie da eine kleine Ausreißerin«, sagte die Polizistin, als sie die immer noch zappelnde Leonie Ruby übergab. Die verzichtete aufs Sauberwischen.

»So macht sie das dauernd. Ich hoffe, es ist nur eine Phase.«

»Also gut«, sagte Diane, »die Sozialarbeiterin für Ihren Bezirk bekommt einen Bericht von mir. Das heißt, Ihre Akte wird gekennzeichnet, aber nur, damit sie im Auge behalten wird. Es spricht nicht gegen Sie.«

»Sie … nehmen sie mir nicht weg?«

»Nein. Ich glaube nicht, dass Sie im Augenblick unsere Hilfe brauchen. So was kommt eben vor. Hätte jeder passieren können. Ihr Engelchen türmt eben gern. Haben Sie mal über so einen Kinderrucksack mit Zügeln nachgedacht?«

Ruby nickte. »Hab ich ausprobiert. Einen teuren in Marienkäferform. Sie sitzt nur da und schreit alles zusammen, bis ich ihr den abnehme oder sie die Zügel selber halten lasse, was irgendwie dem Zweck widerspricht.«

Beim Stichwort »schreien« gab der Ladeninhaber einen Laut von sich, als wollte er etwas sagen. Ruby fragte sich, was er mitbekommen hatte. Wenn Leonie geweint hatte … tja. Sie mussten schleunigst weg hier.

»Und ein Kinderwagen?«, fragte Diane. »Da könnten Sie sie anschnallen.«

Ruby schüttelte müde den Kopf. »Sie legt großen Wert auf Selbstständigkeit.« Leonie zappelte immer noch unter ihrem Arm. Ruby ging in die Hocke und wollte sie überreden, sich hinzustellen, aber ohne Erfolg.

Als eine strenge Stimme ertönte, hörte Leonie auf zu zappeln.

»Sie werden andere Saiten aufziehen müssen, wenn Sie die kleine Dame schützen wollen.« Es war der Polizeibeamte. »Nehmen Sie das in die Hand. Sie schreien zu hören ist wesentlich besser als die Alternative in so einer Situation.«

Der Blick des Mädchens wurde glasig. Es ließ den Kopf hängen.

»Ich weiß«, sagte Ruby. Sie nahm Leonie hoch und liebkoste sie, denn ihr war klar, dass die Kleine die tiefe Männerstimme nicht ertrug. »Tut mir leid. Von jetzt an stecke ich sie in einen Kinderwagen.«

»Das tun Sie mal«, sagte er. »Kommen Sie auf der Rückfahrt nach Sheffield zurecht? Haben Sie Angehörige, die Sie am Bahnhof abholen können?« Ruby merkte, wie Leonie erstarrte, als der Mann weitersprach, und das Kind gab einen fast unhörbaren Heulton von sich.

»Geht’s ihr gut?«, fragte Diane.

Ruby stieß die Luft aus. »Sie ist nur müde, glaub ich.« Zu dem Beamten gewandt sagte sie: »Ich komme klar. Ich lasse sie nicht aus den Augen. Versprochen.«

»Sonst kann ich dort anrufen und zusehen, dass jemand Sie nach Hause begleitet.«

»Nein danke. Wir sind schon so gut wie da, stimmt’s, Kleines?«

Sie schaute Diane an. »Ich habe meine Lektion gelernt, okay?«

Der Polizist nahm die Sozialarbeiterin beiseite. Als sie wiederkamen, schien der Mann zufrieden. Er nickte seinen Kollegen zu, dass sie jetzt gehen könnten.

Diane lächelte erst Leonie, dann Ruby an. »Ich habe auch eins, ein bisschen älter. Für die tut man alles, hm?«

»Ja«, sagte Ruby und sah auf das kleine Mädchen in ihren Armen. »Alles.«

Sie drehte sich um und schlug den Weg zum Bahnhof ein. Jeder Schritt, der sie von der Polizei wegführte, war ein Schritt in ein neues Leben, ein neues Dasein für sie beide. Ihre Absätze klackerten ein Mantra, das in der Straße widerhallte: Geschafft, wir haben’s geschafft, geschafft, wir haben’s geschafft. Sie ging schneller, bog um die Ecke, fing an zu laufen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ihr blieb nichts anderes übrig, als mit Leonie endgültig zu verschwinden.

KAPITEL 6

»Lebwohl, peerie buddo!«, sagte sie zu dem Kind und lief hinaus. Sie eilte zum Strand, warf ihre Haut über und stürzte sich mit einem wilden Freudenschrei ins Meer. Ein Mann des Selkievolkes empfing sie dort und begrüßte sie mit allen Anzeichen des Entzückens. Und das war das Letzte, was er je von seiner geliebten Frau zu sehen bekam.

G. F. BLACK, »DER FEINE HERR VON WASTNESS«, 1903

EINE STUNDE FRÜHER

Constance

Das Wasser lebt. Es atmet, seine weite Oberfläche bewegt sich unter dem Einfluss des tief stehenden Mondes, von dem nur ein schwacher Schein hinter dichten Wolken zu sehen ist. Am Meeresrand steht eine Frau mit dem Gesicht zum Horizont. Stiefel und Socken liegen am Grund des hastig gegrabenen Lochs im Sand hinter ihr. Wo ihre Haut dem Landwind ausgesetzt ist, macht er sie taub. Sie mag es, das taube Gefühl. Sie möchte, dass es sie umfängt, den ganzen Körper auskühlt, sodass sie gar nichts mehr empfindet. Wieder dem Loch zugewandt, zieht sie ihren Parka aus und wirft ihn hinein. Dann schließt sie die Augen und nimmt dankbar einen tiefen Zug Seeluft. Der kalte Salzwind der Heimat.

Obwohl sie hier oder an ganz ähnlichen Stellen schon oft gestanden hat, fühlt sich der Strand heute Abend anders an. Zum ersten Mal, seit sie vor vielen Monaten an Land ging, ist die Freiheit in Reichweite. Der Sand zwischen ihren Zehen, das Kommen und Gehen des Wassers; ihr Herz klopft vor Aufregung, vor Erwartung. Sie öffnet den Mund und stimmt eins der alten Lieder an: Ionn da, ionn do, ionn da, od-ar da. Ihr Brustkorb vibriert davon, die Töne vermischen sich mit den Geräuschen des Windes und der Flut. Seehunde rufen geradezu, als ob sie antworteten. Sie hört die Antwort, vielleicht nur in ihrem Kopf, aber welche Freude das ist! Ein Chor von Stimmen singt: Hi-o dan dao, hi-o dan dao, hi-o dan dao, od-ar da.

Im schwindenden Licht geht die Frau einen Schritt aufs Wasser zu, das jetzt eine glänzend schwarze Decke ist, die Wellen sind für sie bereit. Sie möchte darin eintauchen, darin aufgehen, so weit hinausschwimmen, wie sie nur kann, untergehen, alles vergessen, was sie gewesen ist und getan hat, alles, was ihr angetan wurde.

Nackt jetzt, zögert die Frau; das Kind ist hinter ihr, auf der anderen Seite der Strandmauer, bei dem Laden, vor dem sie sie zurückgelassen hat. Sie hat so lange es ging auf Ruby gewartet, doch ihre vermeintliche Freundin kam nicht. Zorn flammt in ihr auf. Ein heiliger Pakt wurde gebrochen.

Ruby behauptete, das Kind zu lieben, sie beide zu lieben … vielleicht war das gelogen. Vertrauen ist immer riskant. Den Fehler macht sie nicht noch einmal. Muss sie auch nicht, weil heute Abend das alles zu Ende geht, dieses ganze Leben und alles, was damit zusammenhängt.

Sie tröstet sich damit, dass sie das Kind nicht ganz sich selbst überlassen hat. In dem Laden waren Leute, als sie losgelaufen ist. Die kümmern sich schon um sie; garantiert. Und wenn nicht? fragt eine leise Stimme … Das Schuldbewusstsein setzt ihr zu, es wird mit jeder Sekunde stärker.

Sie macht einen Schritt zurück, Richtung Straße. Wie kann sie weggehen, wenn sie nicht mal weiß, ob ihr Töchterchen in Sicherheit ist?

Eine Stimme drängt sie so energisch wieder zum Wasser hin wie eine Hand im Rücken. Constance, sagt sie, wie es scheint. Als sie sie zum zweiten Mal hört, klingt sie nach den Wellen auf dem Kies. War sie da? Oder war die Stimme bloß Einbildung, ausgelöst von ihrer großen Sehnsucht? Sie dachte, sie hätte sie gehört, für sie singen gehört, nach ihr rufen gehört, aber jetzt ist sie überzeugt, dass sie sie nicht hören kann. Sie wollen sie nicht holen. Es ist zu lange her. Sie sind nicht gekommen.

Eine Welle streicht ihr über die Füße. Sie schaut hin: Die Füße glitzern.

Salzige Tränen gesellen sich zum Meerwasser. Sie sollte zurück zu Leonie. Das Kind wird bald merken, dass seine Mutter weg ist. Aber wenn sie umkehrt, ist sie so gut wie tot.

Egal was das Wasser bereithält und für wie lange, wenn sie jetzt reingeht, ist sie erst mal wieder frei.

An diesem Scheitelpunkt – sollst du reingehen, sollst du nicht reingehen? – fragt sie sich, ob das Wissen, dass sie sie verlassen hat, ihre Tochter fürs ganze Leben prägen wird, eine tiefe Narbe, die Befürchtung, sie könnte selbst schuld sein, ihr Aufderweltsein sei für ihre Mutter kein Grund gewesen, bei ihr zu bleiben. Sie spürt den Zug ihres Kindes, der sie an diesen Ort, an dieses Leben bindet. Doch dann hört sie es wieder, das Lied der Seehunde, und ihr geht das Herz über. Sie kann nicht bleiben. Unter Wasser besteht immerhin die Möglichkeit, dass sie wieder werden kann, was sie war. Diese Chance muss sie nutzen. Wenn es schiefgeht, wenn sie schlicht ausgelöscht wird, ist das immer noch besser als das, was sie jetzt hat. Sie steigt ins Wasser, taucht unter, lässt sich von ihm tief hinab und in die Ferne tragen.

KAPITEL 7

JETZT

Joanna

Freitag, 21. Dezember

Nachdem die beiden Polizisten den Sanitätern geholfen hatten, den Mann aus der Wanne zu heben, trockneten sie ihn so gut wie möglich ab und hielten ihn mit dem Bettzeug warm, bis die Trage oben war. Sie hüllten Gregor in silberne Rettungsdecken und brachten ihn ins Erdgeschoss, wo der Notarzt erste Infusionen verabreichte.

Obwohl noch bewusstlos, sah der Mann nicht mehr ganz so tot aus wie im Badezimmer, was Joanna als gutes Zeichen nahm. »Kommt er durch?«, fragte sie.

Einer der Sanitäter schaute sie an. »Noch lebt er. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«

Die Hecktür des Krankenwagens schloss sich, und einen Moment später sah Joanna zu, wie er davonfuhr, über die Bremsschwellen noch langsam, dann schneller, von der Umgehung an mit Blaulicht und Sirene.

Zwei weitere Streifenwagen mit Beamten zur Sicherung des Schauplatzes trafen ein. Drei von ihnen beorderte sie an die Eingänge: einen an den Aufzug, einen an die Treppe und einen an die Tür von Apartment 7. Sie selbst blieb am Haupteingang des Wohnblocks, um auf ihren Vorgesetzten, Inspector Thrupp, zu warten.

Vorübergehend allein, schaute Jo zum Westblock hoch und dachte an Ruby. Welches dieser kleinen Fenster war ihres? Ruby wohnte genau wie das Opfer unterm Dach, aber in Sozialwohnungsblocks nannte sich das nicht »Penthouse«. Der siebte Stock des Westblocks war in vier Wohnungen unterteilt, jede ein Viertel so groß wie die des Opfers. Das wusste sie, weil sie, als sie letztes Mal dort gewesen war, beinah angeklopft hätte. Sie war bis zur Sprechanlage gekommen, hatte sich die Klingelschilder angesehen, im letzten Moment aber den Mut verloren und lieber eine SMS geschickt.

Das war über einen Monat her, und seitdem hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Wobei die SMS eigentlich gar nicht als Kontakt zählte, da Ruby nicht geantwortet hatte. Anfang Oktober hatten sie zuletzt miteinander gesprochen, gleich nach Rubys Geburtstag, als sie Jo von einer Telefonzelle aus anrief, weil sie angeblich ihr Handykonto überzogen hatte. Jo wusste, das war gelogen: Ihrer beider Mutter kam immer noch für Rubys Telefonrechnung auf. Jo wollte sich damals mit ihr treffen, aber weil Ruby nicht auf den Vorschlag eingegangen war, lag das Geburtstagsgeschenk für sie, ein Silberring mit Rubin und einem Motto auf Latein, nach wie vor in Joannas Tasche.

Jo griff zum Handy, scrollte zu Rubys Bild runter und tippte es an. Genau wie letztes Mal und immer, wenn sie es in den vergangenen sechs Wochen versucht hatte, kam lediglich die automatische Ansage: Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später noch einmal. Ein Frustschluchzen stieg ihr bis zum Kehlkopf hoch. Sie unterdrückte es.

Eine Bewegung am Rand ihres Gesichtsfelds weckte ihre Aufmerksamkeit. Hinter den Streifenwagen versammelten sich bereits Jugendliche mit hochgezogenen Kapuzen, wärmend ums Gesicht gewickelten Schals und Glitzeraugen. Es waren ungefähr fünfzehn, in Zweier- und Dreiergruppen.

»Die Gaffer sind also auch schon da«, meinte Atkinson, der hinter ihr auftauchte.

Sie steckte ihr Handy ein. »Das interessiert sie eben«, sagte Joanna. »Verständlich. Am New Park war ja schon länger nichts mehr los, oder?«

»Seit der Cannabisfarm, die wir auf dem Ostblockdach entdeckt haben, nicht mehr. Ach ja, den Kurzzeitpuff gab’s noch.«

»War aber alles vor der Modernisierung. Jetzt ist das eine nette Gegend, Steve.« Sie zog eine Braue hoch.

»Ja, klar. Schade, dass denen das keiner verklickert hat.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf die Jugendlichen, die sich mehrheitlich in die Schatten zwischen den Gebäuden zurückgezogen hatten, erkennbar an der roten Glut ihrer Zigaretten. »Worunter läuft der Einsatz hier, Chefin? Verdächtige Umstände?«

»Auf die amtliche Bezeichnung warte ich noch. Neues System. Tatortuntersuchung oder so was gibt’s erst, wenn ein Inspector das abgesegnet hat.«

»Beeinträchtigt das wegen der verlorenen Zeit nicht die Ermittlungen?«

»Ja, natürlich. Aber es geht ums Budget. Anscheinend müssen wir unsere Mordfälle strecken oder den einen oder andern aufs nächste Finanzjahr verschieben.«

Atkinson schwieg. »Ein Tötungsdelikt? Hat es Franks nicht geschafft?«

»Es steht auf der Kippe«, sagte Joanna. »Warten wir ab, was in den nächsten Stunden passiert. Wenn es kein Mord ist, dann hätte es leicht einer sein können: Irgendjemand hat sich redlich bemüht, den Mann umzubringen. Wir müssen vorgehen wie bei einem Mord und alle Einzelheiten klären. Richtig loslegen können wir aber erst, wenn der DI sich das angesehen hat.«

Jo blickte immer wieder zum Westblock, auf das Fenster, hinter dem vielleicht Ruby wohnte.

Atkinson räusperte sich. »Denken Sie an eine Tür-zu-Tür-Befragung da drüben?«

Sie riss ihren Blick los. »Warten wir erst mal ab«, sagte sie. »Überall anzuklopfen ist vielleicht nicht nötig.«

Ein Schatten, sei es von Misstrauen oder Verwirrung, huschte über seine Züge. Ihre Blicke trafen sich kurz, ehe sie sich gleichzeitig umdrehten und wieder ins Haus gingen.

Es war spät, als Detective Inspector Thrupp schließlich mit seinem großen schwarzen BMW Kombi eintrudelte. Er hielt vor dem Gebäude an, stieg aus, und das Wagenschloss schnappte hörbar ein, als er auf Joanna im Foyer des Gebäudes zukam.

Thrupp, groß und imposant in grauem Anzug und blanken Lederschuhen, musterte die Jugendlichen, die im Dunkeln zwischen den Wohnblocks herumlungerten.

»Hier gibt’s nichts zu sehen, meine Damen und Herren«, dröhnte er. »Gehen Sie jetzt nach Hause.«

Worauf sich die Angesprochenen noch weiter ins Dunkel zurückzogen.

»So, Joanna. Was haben Sie gefunden? Und auch noch am Abend der Weihnachtsfeier. Dafür werden Ihnen die Jungs nicht dankbar sein, was?«

»Meine Liebste auch nicht«, antwortete sie. »Ich hab ihr versprochen, heute zu einer normalen Zeit nach Hause zu kommen.«

»Normal«, wiederholte Thrupp. »Haha. Sie weiß doch, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen.«

Im selben Moment klingelte Joannas Handy. Sie zog es hervor, sah aufs Display und wischte Amys Anruf weg. Sie hatten vorgehabt, vor der Feier am Abend essen zu gehen. Die Reservierung war für acht Uhr gewesen, und seither waren Stunden vergangen. Sie konnte nur hoffen, dass Amy nicht allein hingefahren war und auf sie gewartet hatte.

»Das Gespräch hätten Sie doch annehmen können«, sagte der DI. »Gegen einen kurzen Anruf von zu Hause habe ich nichts.«

Jo schüttelte den Kopf. »Der wäre nicht kurz geworden. Sie hat mir bestimmt eine Menge zu sagen. Ich ruf sie nachher an. Hier entlang, Chef.«

KAPITEL 8

Die Atmosphäre unter den Tiefen des Ozeans ist diesen Geschichten zufolge wie geschaffen für die Atemwege bestimmter Lebewesen, die äußerlich dem Menschen gleichen,

von außergewöhnlicher Schönheit sind und über begrenzte übernatürliche Kräfte verfügen, aber nicht dem Tod entgehen. Sie bewohnen weit unterhalb der Region der Fische ein großes Gebiet der Erde, über dem die See wie unser gewölktes Himmelszelt dahinschwebt.

GEORGE BRISBANE SCOTT DOUGLAS, »DER FISCHER UND DER MEERMANN«, 1901

DAMALS

Ruby

August

Ruby beobachtete den Yogamann aus dem sicheren Dunkel. Sie saß auf dem Abtropfbrett, die Füße im Spülbecken, eine Steppdecke um die Schultern. Es war das gewohnte Programm. Sie beobachtete ihn tagtäglich schon so lange, dass sie das Muster, in dem sich die Abläufe wiederholten, inzwischen vorhersagen konnte. Heute war Kopfstandtag.

Morgens um halb vier wach zu sein war Routine für Ruby, seit Arbeitszeiten und Geselligkeit keine Rolle mehr spielten. Sie wohnte in permanentem Halbdunkel; wann immer sie zwischen den geschlossenen Vorhängen hindurch ein Sonnenstrahl traf, fühlte sie sich verbrannt. Ganz geöffnet waren die Vorhänge nur nachts, wenn sie den Yogamann beobachtete. Ein lasterhaftes Vergnügen, vielleicht sogar beschämend, aber in diesen stillen Stunden, eingehüllt in die samtene Dunkelheit und die Wärme der Bettdecke, fühlte sie sich so lebendig wie lange nicht mehr. Seine Bewegungen beruhigten und erregten sie gleichzeitig. Wenn er gegen Ende der Übung auf sie zukam, um vor dem nahenden Sonnenaufgang die Jalousien herunterzulassen, war ihr, als schaute er sie an, als grüßte er sie. Er schien ihr direkt in die Augen zu blicken, obwohl er sie an ihrem Platz hinter der Scheibe, im Schutz der Dunkelheit, niemals hätte sehen können.

Wenn es vorbei war, verließ Ruby ihren Posten, band sich einen Schal um die Augen, um die Helligkeit auszusperren, und schlief bis Mitte des Nachmittags. Es war genau, wie ihre Vorgesetzte Barbara gesagt hatte, als sie Ruby am Tag ihrer Krankschreibung von der Arbeit nach Hause fuhr: Yoga hält den Kopf gesund. Barbara hatte damit zwar gemeint, sie solle einen Yogakurs machen, aber vielleicht war es genauso heilsam, jemandem beim Yoga zuzuschauen. Jedenfalls stimmte es, dass Ruby, seit sie den Yogamann entdeckt hatte, weniger deprimiert und produktiver war. Er inspirierte sie: Wenn sie ihm nicht zuschaute oder schlief, arbeitete sie an ihrer Musik.

Ruby verbrachte immer mehr Zeit mit Spielen und perfektionierte Teile von Sibelius’ Konzert in d-Moll. Das Stück war teuflisch schwer, und wenn sie es spielte, hatte sie ein Ziel vor Augen, die Hoffnung, es zu meistern, ihm gerecht zu werden, wie nur die Besten es konnten. Erst wenn das Blut von den verschwielten Fingerspitzen auf das schwarze Ebenholz des Griffbretts lief und die von der Spielhaltung verspannten Schultern aufschrien, wickelte sie das Instrument in sein uraltes Staubtuch und legte es gut weg. Sie bemühte sich zu spielen, bis es Zeit für den Yogamann war, aber manchmal ging das nicht. Welch ein Glück also, dass sie in den vergangenen Wochen ein neues Erwachen gespürt hatte. Sie hatte angefangen, selbst etwas zu komponieren, ein Stück, das, wenn sie sich hineinvertiefte, die schlechten Gedanken so vollständig vertrieb, dass sie nur noch aus Musik bestand. Es war, als würde sie sich, wenn sie spielte, in ein Medium für Sibelius, Mozart oder Grieg verwandeln. Wenn sie jedoch komponierte, war das Medium etwas anderes, kein Mensch. Ein Geist vielleicht, aber kein besonders netter. Ihre Muse hatte Persönlichkeit.

Die Melodie, an der sie schrieb, war ihr eines Abends fertig in den Sinn gekommen, und sie hatte sie in der Überzeugung notiert, sie sei etwas irgendwo Gehörtes. Sie summte sie vor sich hin, und ihre berückende Schönheit ließ sie ans Meer bei Nacht denken. Das Thema begann mit einem Tritonus – des Teufels Intervall –, und in ihrem Kopf wurden die ersten drei Noten langsam, fast zögernd von einer tiefen Flöte gespielt, der eine Solo-Bratsche antwortete. Wo hatte sie das schon mal gehört? Nirgends, wie sich zeigte. Die Melodie erschien ihr sehr geschlossen, sehr filmisch und wie von einer Vorahnung erfüllt. Als sie tiefer in die Komposition hineinging, wich der Eindruck, sie sei von jemand anderem verfasst, dem Gefühl, sie schreibe sich von selbst. Und wenn sie sich jetzt dem Manuskript zuwandte, war es jedes Mal so, als kämen die Noten von anderswo her, nicht von ihr, sondern durch sie hindurch. Ihre Finger hielten den auf dem Papier ruhenden Stift, und die Musik entströmte ihm, unverhofft, mitunter schaurig und von höchster Qualität.

Wegen der Musik hatte sie gar nicht erst mit den Antidepressiva angefangen, die ihr der Arzt verschrieben hatte. Mehr als einmal hatte sie die Schachtel in der Hand gehalten, den Beipackzettel herausgeholt, die Liste möglicher Nebenwirkungen durchgelesen und die Tabletten wieder weggelegt. Der Arzt hatte ihr gesagt, sie würden die Chemikalien in ihrem Gehirn ins Gleichgewicht bringen, doch die Vorstellung war beängstigender als die schlechten Gedanken. Vielleicht dämpften die Tabletten ihre Kreativität, die sie ohnehin als schwach und wacklig ansah. Womöglich nahmen sie ihr die Lust am Komponieren und damit das erste wirklich Schöne, das sie hervorgebracht hatte. Nein, es war zu riskant.

Der Hahn tropfte ihr auf den Zeh und holte sie ins Zimmer zurück. Der Yogamann stand am Fenster, die Hand an der Zugschnur der Jalousie. Ruby schaute ihm wie üblich direkt in die Augen. Er schien sie auch anzusehen, und sie genoss das Gefühl, den Gedanken, dass er sich von ihr beobachtet wusste und das Ganze für sie veranstaltete. Dann beschirmte er die Augen mit der Hand und drückte das Gesicht an die Scheibe. Seine Körpersprache wechselte von entspannt zu aufgeregt. Er sah sie wirklich. Er drehte sich um und lief zu seinen Lichtschaltern hinüber. Plötzlich war das große Fenster in Dunkelheit getaucht.

Ruby stieg zu schnell vom Abtropfbrett, landete hart auf der Seite und blieb schwer atmend auf den Fliesen liegen. Nach einer Weile schlich sie geduckt in ihr Wohnschlafzimmer für den Fall, dass der Mann immer noch drüben in dem verdunkelten Raum stand, durchs Fenster spähte und sich fragte, von wem er da bespitzelt wurde.

Schlafen war unmöglich. Stattdessen arbeitete sie, als die Sonne aufging, an ihrer Komposition und fügte einen Satz hinzu, der mehr als disharmonisch, sperrig und unerfreulich wurde. Bei den letzten Noten angelangt, stellte sie fest, dass er sie einfach nur abstieß. Sie knüllte den neuen Teil zusammen und warf ihn in den Papierkorb.

Am nächsten Tag übte sie den Sibelius über den Punkt hinaus, an dem ihre Finger schmerzten. Sie aß den ganzen Tag nichts, sodass bei Einbruch der Dunkelheit ihr Hunger überwunden war und sie das Gefühl der Leichtigkeit im Magen genoss, während ihr Kopf ungezügelt von einem Gedanken zum anderen sprang, keinem auf den Grund ging und jeden gleich wieder vergaß, ohne sich daran zu stören. Zur gewohnten Zeit zog sie die Vorhänge auf und spähte zu Yogamanns Fenster hinüber in der Hoffnung, ihn dort wie immer mit nichts als seiner Yogahose bekleidet zu sehen. Heute war Brettertag; wie gern sah sie seinen gestreckten Körper, die nur von seinem straffen Hintern unterbrochene perfekte Gerade von Kopf und Schulter zur Ferse. Herbe Enttäuschung: Die Jalousie war unten. Vorbei die Privatvorstellung, der ganze Spaß verdorben. Das Yoga würde weitergehen, nur würde sie es nicht mehr mitbekommen. Ruby empfand nichts als Scham und Verlust.

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