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Ein Traum von einem Mann

hier erhältlich:

War das ein erotischer Traum? Maddie laufen immer noch Schauer über den Rücken, als sie im Apartment ihrer Zwillingsschwester erwacht. Doch ihr fantastischer Lover liegt leibhaftig neben ihr, und sein wunderbares Lächeln gibt ihr zu verstehen: Das war erst der Anfang …


  • Erscheinungstag: 30.08.2023
  • Seitenanzahl: 124
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745753578
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Es war ein imposantes Anwesen, wie aus einem alten englischen Roman.

Maddie stieg aus der Limousine und ließ den Blick über die graue Steinfassade gleiten. Das Haus war dreistöckig und besaß drei Erker. Der wolkenverhangene Himmel verstärkte noch den Eindruck von Melancholie und Einsamkeit.

Aber es handelte sich keineswegs um das Anwesen eines englischen Adligen, sondern um die Villa der Familie Ware, auch bekannt als Ware House, und sie befand sich auf Long Island. Gleich würde Maddie dieser Familie zum ersten Mal begegnen.

Ein hochgewachsener Mann, der Maddie ein wenig an Michael Caine erinnerte, öffnete die Tür. Das musste der Butler sein. Er hielt sich so gerade, als hätte er einen Stock verschluckt, und sein Gesicht war absolut ausdruckslos. „Treten Sie ein, Ms. Farrell. Lassen Sie mich Ihre Tasche tragen.“ Als ob nichts selbstverständlicher wäre.

Maddie zögerte. Seit dem Anruf dieses New Yorker Rechtsanwalts, eines gewissen Mr. Edward Fitzwalter, hatte sie ein ungutes Gefühl. Für den Fall, dass man sie hier alles andere als freundlich aufnehmen würde, hatte sie den Chauffeur gebeten zu warten.

„Hier entlang bitte.“ Der Mann drehte sich um und schritt durch einen geräumigen Flur. „Die Familie hat sich bereits in der Bibliothek versammelt.“

Die Familie.

Maddie wurde ein wenig flau im Magen. Jetzt würde sie also die Familie kennenlernen, von deren Existenz sie bis vor zwei Tagen nichts gewusst hatte. Ihre Familie. Bis dahin hatte sie geglaubt, die einzige Tochter Mike Farrells zu sein, dessen Ranch sich eine Stunde nördlich von Santa Fe befand. Mike selbst war auch Einzelkind gewesen, der Letzte aus einer Reihe von Ranchern. Maddie sollte sein Erbe antreten. Ihr Leben lang hatte sie geglaubt, ihre Mutter sei gestorben, als sie noch ein Baby gewesen war. Das war die Geschichte, die ihr Vater ihr erzählt hatte … und da er seit einem Jahr tot war, gab es keine Möglichkeit, ihn zu fragen, weshalb er sie belogen hatte.

Denn das hatte er ja offenbar. All die Jahre hatte Maddie sehr wohl eine Mutter gehabt – eine Mutter, die sie nie hatte kennenlernen dürfen, die in dieser Villa aufgewachsen war und die eine berühmte Schmuckdesignerin gewesen war: Eva Ware.

Oh, über die Schmuckdesignerin hatte Maddie Bescheid gewusst. Sie hatte sich schon seit ihrer Schulzeit intensiv mit deren Arbeit beschäftigt und schon lange davon geträumt, ihre eigene Schmuckkollektion zu entwerfen. Ihr Vater hatte gewusst, dass sie ein Fan Eva Wares war, hatte jedoch mit keinem Wort erwähnt, dass die Frau, die sie so bewunderte, ihre Mutter war.

Maddie war von dieser Nachricht immer noch wie betäubt gewesen, als der Anwalt ihr im selben Atemzug mitgeteilt hatte, dass Eva Ware fünf Tage zuvor bei einem Autounfall mit Fahrerflucht ums Leben gekommen sei.

Maddie war schwindlig geworden, und sie hatte sich in den nächsten Sessel fallen lassen. Nur bruchstückhaft hatte sie wahrgenommen, was der Anwalt ihr noch gesagt hatte – der letzte Wunsch ihrer Mutter … ein Flug nach New York … Verlesung des Testaments … sie müsse Anspruch auf ihr Erbe anmelden.

Ihr Erbe?

Sie versuchte, die Bedeutung dieser Nachricht zu erfassen, als der Anwalt sie mit einer weiteren Neuigkeit konfrontierte. Abgesehen von der Mutter, von der sie nichts gewusst hatte, hatte Maddie offenbar auch einen Onkel, einen Cousin und eine Schwester, genauer gesagt, eine Zwillingsschwester, Jordan Ware.

Einige Sekunden lang hatte sie nichts mehr um sich herum wahrgenommen. Eine Schwester? Eine Zwillingsschwester, von der man sie gleich nach der Geburt getrennt hatte?

Nein, das war zu viel. Das erinnerte doch zu sehr an einen Hollywoodfilm.

Nein, das konnte sie einfach nicht glauben. Ihr Vater konnte sie unmöglich all die Jahre so sehr belogen haben. Maddie war aufgesprungen und dem Mann am anderen Ende der Leitung ins Wort gefallen. „Sie lügen. Sie wollen sich wohl einen Scherz erlauben oder mich über den Tisch ziehen. Nicht mit mir.“

Ganz ruhig, als ob er mit dieser Reaktion gerechnet hätte, hatte der Anwalt sie aufgefordert aufzulegen und sich von der Telefonauskunft die Nummer der Anwaltskanzlei Fitzwalter and Carnegie in New York geben zu lassen. Maddie hatte erst einmal eine Viertelstunde hin- und herüberlegt.

Sie konnte, nein, sie würde einfach nicht glauben, dass ihr Vater sie so belogen hatte. Der Mann, der er sie angerufen hatte, musste ein Betrüger sein. Sie war vor dem breiten Wohnzimmerfenster stehen geblieben und hatte hinausgeblickt auf das Land, das seit fünf Generationen den Farrells gehörte.

Und dann hatte sie an Daniel Pearson gedacht, den Immobilienmakler, der sie schon seit sechs Monaten bearbeitete, sie solle die Ranch doch verkaufen. Es war allgemein bekannt, dass Maddie seit dem Tod ihres Vaters ein Problem damit hatte, sowohl die Ranch weiterzuführen als auch ihr Schmuckdesigngeschäft. Konnte Mr. Fitzwalter etwas damit zu tun haben? Aber inwiefern? Wenn sie tatsächlich etwas von ihrer Mutter erben würde, dann hätte sie es doch erst recht nicht nötig, die Ranch zu verkaufen, oder?

Am Ende hatte die Neugier gesiegt, und das Gefühl, das ihr sagte, dass Mr. Edward Fitzwalter tatsächlich der war, für den er sich ausgab. Wie sich dann herausstellte, war das auch zutreffend. Sehr geduldig hatte er ihr alles noch einmal erzählt und ihr gesagt, dass ein Flug für sie bereits gebucht sei. Sie müsse nur am nächsten Tag zum Flughafen fahren und ihr Ticket dort abholen. Vom John-F.-Kennedy-Airport würde eine Limousine sie zur offiziellen Testamentseröffnung zum Anwesen der Wares auf Long Island bringen.

Der Butler blieb vor einer mit edlem Holz getäfelten Doppeltür stehen. Maddies Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

Der Butler stieß die Tür auf. Maddie blieb auf der Schwelle stehen und blickte in den Raum, der vor ihr lag. Drei der vier endlos hohen Wände waren vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen bedeckt. Der Geruch von Bohnerwachs, altem Papier und Ledereinbänden vermischte sich mit dem Duft der Lilien, die in mehreren Bodenvasen im Raum verteilt waren. Vier schmale, hohe Buntglasfenster befanden sich in der Wand gegenüber der Tür und ließen nur wenig Licht herein. Auf der Fensterseite des Raumes befand sich ein Schreibtisch.

Maddie holte tief Luft, trat ein und begrüßte die fünf Anwesenden nacheinander mit einem freundlichen Blick. Der Mann am Schreibtisch hatte eine Halbglatze und einen Schnurrbart. Das war sicher Mr. Fitzwalter. Als Nächstes richtete Maddie den Blick auf die drei Personen, die links vom Schreibtisch saßen.

Fitzwalter hatte ihr ein paar Informationen zu jedem Familienmitglied gegeben. Der gut aussehende grauhaarige Mann in dem Ledersessel war sicherlich Carleton Ware, Evas Bruder. Carleton hatte mit Eva Ware Designs nichts zu tun. Er führte die Ware Bank, die von seinem Ur-Urgroßvater gegründet worden war und Zweigstellen auf ganz Long Island hatte. Carleton wohnte mit Frau und Sohn das ganze Jahr über hier in diesem Haus. Eva, die zwar das Haus zur Hälfte geerbt hatte, hatte in New York City gelebt. Carleton hatte braune Augen und erwiderte Maddies Blick distanziert und abschätzend. Der junge Mann an seiner Seite war bestimmt ihr Cousin Adam. Sein Haar war kastanienbraun, leicht gewellt und ziemlich lang. Sein Blick drückte Feindseligkeit aus.

Laut Mr. Fitzwalter brachte Adam sich sehr intensiv bei Eva Ware Designs ein. Er arbeitete seit seinem Collegeabschluss in der Firma und war schon als Schüler von Eva angelernt worden. Fitzwalter hatte Adams Mutter Dorothy, die links von Carleton saß, als typische Dame der gehobenen Gesellschaft beschrieben. Ihre gesellschaftlichen Aktivitäten erstreckten sich bis nach Manhattan. Sie gehörte zum Vorstand mehrerer Wohltätigkeitsorganisationen und zum Spendenkomitee verschiedener Museen. Sie war hochgewachsen und schlank mit der Figur eines Models. Ihr Blick war um einige Grad kühler als der ihres Mannes, ihr Haar war perfekt gestylt, ihre Kleidung makellos. Herablassend erwiderte sie Maddies Blick.

Maddie war auf einer Ranch aufgewachsen und hatte nie viel Zeit gehabt, sich mit Mode zu beschäftigen. Mit hellgrauer Stoffhose, besticktem Blazer aus Denim und knöchelhohen Lederstiefeletten war man für einen Geschäftstermin in Santa Fe perfekt angezogen. Sie richtete den Blick auf den kleinen, asiatisch aussehenden Mann, der am weitesten von Fitzwalter entfernt saß. Das musste Cho Li sein, Evas langjähriger Assistent. Er trug sein langes schwarzes, um die Stirn herum schon etwas schütteres Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Er nickte Maddie zu und lächelte. Schließlich fasste sie sich ein Herz und wandte sich dem einzig vertrauten Gesicht zu – dem ihrer Zwillingsschwester.

Auf dem langen Flug von Santa Fe hatte Maddie immer wieder versucht, sich diesen Augenblick vorzustellen. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, so ein intensives Gefühl der Verbundenheit zu verspüren. Eine Sekunde lang vergaß sie fast zu atmen. Es war nicht, als ob sie in einen Spiegel blicken würde – nicht ganz. Jordan trug ein graues Kostüm mit türkisfarbener Bluse und sah aus wie aus einem Modemagazin.

Doch abgesehen davon hatte die junge Frau, die sich jetzt von ihrem Stuhl erhob, die gleichen dunkelblauen Augen und die gleichen Gesichtszüge wie Maddie. Ihr modisch kurz geschnittenes Haar war honigblond, genau wie Maddies.

Alles, was Fitzwalter am Telefon gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Maddie hatte tatsächlich eine Zwillingsschwester.

Eine Schwester.

Jordan brach das Schweigen als Erste, indem sie auf Maddie zutrat und ihre beiden Hände in ihre nahm. Maddie sah ihrer Schwester in die Augen – und las darin genau dasselbe, was sie empfand: Neugier, Vorfreude, Angst. Würden sie Gemeinsamkeiten entdecken? Würden sie sich überhaupt mögen?

„Willkommen“, flüsterte Jordan. Zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatte, fühlte Maddie sich ein wenig entspannter.

Jordan drehte sich zu den anderen um.„Onkel Carleton, Tante Dorothy, Adam, Cho Li, das ist meine Schwester, Madison Farrell.“

Einen Moment lang herrschte völlige Stille.

Cho Li war der Erste, der etwas sagte. Er stand auf und verbeugte sich. „Es ist mir ein Vergnügen, Evas zweite Tochter kennenzulernen.“

Maddie verbeugte sich ebenfalls.

Dann erhob sich Carleton. „Wir bitten dich um Verständnis, Madison. Der Schock über den Tod meiner Schwester und die Nachricht, dass sie eine zweite Tochter hatte, die all die Jahre in Santa Fe versteckt gehalten wurde … nun, wir versuchen immer noch, das alles zu begreifen. Ich fürchte, bis zu diesem Augenblick hat niemand von uns so recht geglaubt, was Edward uns erzählt hat. Dorothy, Adam und ich heißen dich herzlich willkommen in Ware House.“

Adam und Dorothy sagten kein Wort.

Dankbar ließ Maddie es geschehen, dass ihre Schwester sie zu ihrem Platz führte.

Als sie alle wieder saßen, lächelte Jordan ihr zu und zwinkerte verschwörerisch. „Wenn das hier erst einmal vorbei ist, können wir reden.“

1. KAPITEL

Jordan hielt immer noch Maddies Hand, als Fitzwalter den vor ihm liegenden Aktenordner aufschlug. Maddie beobachtete ihre Schwester aus dem Augenwinkel. Diese starrte mit zusammengepressten Lippen auf den Anwalt.

Offenbar war sie sehr angespannt, und zwar nicht nur, weil sie sich gerade zum ersten Mal begegnet waren. Maddie richtete den Blick auf die anderen Mitglieder der Ware-Familie.

Maddies Vater hatte sie gelehrt, dass es wichtig war, auf Gesichtsausdruck und Körpersprache zu achten und daraus Schlüsse zu ziehen. Mike Farrell fand, dass dies in allen Lebenssituationen nützlich war – von der Pokerrunde bis zu Preisverhandlungen auf dem Viehmarkt. Es war offensichtlich, dass die anderen Mitglieder der Familie genauso angespannt waren wie Jordan, obwohl sie einander nicht sehr nahezustehen schienen.

Warum eigentlich nicht? Hatte einer von ihnen Jordan beigestanden, als sie vom plötzlichen Tod ihrer Mutter erfahren hatte? Maddie verspürte einen Kloß im Hals. Sie dachte an ihren Vater, der ein Jahr zuvor gestorben war. Auch dessen Tod war plötzlich und unerwartet gewesen. Er war ganz allein unterwegs gewesen, um Zäune zu reparieren. Cash Landry hatte ihn am nächsten Morgen gefunden.

Ob es wohl jemanden gab, an den ihre Schwester sich wenden konnte, so wie Maddie sich jederzeit an Cash wenden konnte? Sie verschränkte ihre Finger mit Jordans.

Fitzwalter blickte kurz über den Rand seiner Lesebrille zu den Wares, dann zu Jordan und Maddie. „Ich werde es kurz machen. Falls jemand von Ihnen vollständigen Einblick in sämtliche Details wünscht, werde ich gerne eine Kopie machen. Falls jedoch keine Einwände erfolgen, komme ich gleich zur Sache.“

Alle schwiegen. Am Druck ihrer Hand spürte Maddie, wie angespannt Jordan war. Sie macht sich also Sorgen, was dieses Testament enthalten könnte, dachte Maddie enttäuscht. Natür lich. Genau wie alle anderen Anwesenden . Es konnte ja nur einen Grund für Maddies Anwesenheit geben: Eva Ware hatte ihrer bisher verheimlichten Tochter etwas hinterlassen. Und um dieses Etwas würde sich das Erbe der anderen verringern.

„Meinem persönlichen Assistenten Cho Li vermache ich die Summe von fünfhunderttausend Dollar, sodass er, falls er es wünscht, in den Ruhestand gehen kann. Ich hoffe jedoch, dass er dabeibleibt, bis die neuen Eigentümer von Eva Ware Designs voll etabliert sind.“

Dorothy Ware flüsterte Adam etwas zu, und dieser bewegte ruckartig den Kopf. „Neue Eigentümer? Was für neue Eigentümer?“

Fitzwalter blickte auf. „Zu diesem Punkt werde ich schneller gelangen, wenn ich nicht unterbrochen werde.“

Adam öffnete den Mund – und schloss ihn wieder.

„Meinem Bruder Carleton überlasse ich meinen gesamten Anteil an der Ware Bank. Ich hoffe, er wird sein Glück machen, wovon ich ihn seiner Meinung nach immer abgehalten habe.“

Carleton wirkte nicht sehr erfreut.

Fitzwalter räusperte sich. „Den Rest meines Vermögens, einschließlich Aktien, Pfandbriefe, Bargeld, die Firma Eva Ware Designs, meinen fünfzigprozentigen Anteil an Ware House auf Long Island und mein Apartment in New York City vermache ich meinen beiden Töchtern Jordan und Madison zu gleichen Teilen. Ich hoffe sehr, dass sie das Geschäft gemeinsam führen werden. Allerdings stelle ich eine Bedingung. Sie müssen ihre Rollen tauschen, das heißt, sie müssen jeweils an die Stelle der anderen treten, und zwar für drei aufeinander folgende Wochen, beginnend innerhalb der nächsten zweiundsiebzig Stunden, nachdem dieses Testament verlesen wurde. Sollten sie sich weigern, diese Bedingung zu erfüllen, oder sollten sie nicht drei Wochen lang durchhalten, erhält mein Bruder Carleton meinen Anteil an Ware House. Alles andere, auch die Firma und mein Apartment, soll verkauft und der Gewinn gleichmäßig unter all meinen Verwandten aufgeteilt werden.“

Jordan staunte. Diesmal glaubte Maddie, ganz genau zu wissen, was ihre Schwester empfand.

Dorothy legte die Hand auf Adams Arm. Adam sprang auf, stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch auf und sah Fitzwalter wütend an. Maddie beugte sich unwillkürlich vor.

„Das kann nicht sein. Ich werde Chefdesigner, jetzt, da Tante Eva nicht mehr da ist. Sie hätte mir die Firma überlassen sollen. Sie hat mich immer in dem Glauben gelassen, dass ich eines Tages ihr Nachfolger werde.“

„Das stimmt.“ Zum ersten Mal meldete Dorothy sich zu Wort. Im Gegensatz zu ihrem Sohn ließ sie sich ihre Gefühle jedoch in keiner Weise anmerken.

Ungerührt schaute der Anwalt erst Dorothy, dann Adam an. „Ich versichere Ihnen, dass Ms. Wares Testament völlig in Ordnung ist.“

„Nein“, erwiderte Adam. „Sie muss ihre Meinung geändert haben, seit sie das geschrieben hat. Sie war wohl … zu beschäftigt. Sie hat einfach nicht die Zeit gehabt, ihr Testament zu ändern.“

Fitzwalter klappte den Ordner zu. „Sie kam vor zwei Wochen zu mir ins Büro und hat alles noch einmal im Detail bestätigt.“

Adams Gesicht war inzwischen dunkelrot angelaufen.

„Adam!“, rief ihn sein Vater zur Ordnung.

Der junge Mann holte tief Luft und ging schließlich rückwärts an seinen Platz zurück.

Maddie drehte sich zu Jordan um. „Ich verstehe das nicht“, flüsterte sie. „Warum hat sie dir nicht die Firma vererbt – und warum will sie, dass wir die Rollen tauschen, nachdem sie uns all die Jahre getrennt hatte?“

„Ich habe da so eine Ahnung.“ Jordan blickte zu den übrigen Wares hinüber, die sich jetzt aufgeregt im Flüsterton unterhielten.

Maddie folgte ihrem Blick. Adam schien äußerst ungehalten zu sein.

„Lass uns gehen“, flüsterte Jordan. „Ich habe in Linchworth ein Zimmer reserviert. Ich wollte mit dir allein sein, und ich dachte, hier im Ort zu übernachten wäre besser, als zur Hauptverkehrszeit in die Stadt zurückzufahren.“

Sie waren fast an der Haustür angekommen, als Adam sie einholte. Er packte Jordan am Arm und zwang sie, sich zu ihm umzudrehen. „Glaub nicht, dass du damit so einfach davonkommst.“

Maddie hatte genug. „Lassen Sie meine Schwester los.“

„Wie bitte?“ Adam sah sie verblüfft an.

Maddie stemmte sich mit beiden Händen gegen seine Brust und stieß ihn rückwärts gegen die Wand. „Nur weil Sie vom Testament Ihrer Tante enttäuscht sind, haben Sie noch lange nicht das Recht, meine Schwester herumzuschubsen.“

Adam starrte sie an. „Sie haben mich geschubst.“

„Stimmt.“

„Adam.“ Dorothys kühle Stimme hallte über den Flur.

„Die Sache ist noch nicht zu Ende“, sagte Adam, stieß sich von der Wand ab und ging zu seiner Mutter zurück.

Maddie und Jordan ließen sich vom Butler ihre Taschen geben und eilten die Stufen hinab zu der wartenden Limousine. Erst dann drehte Jordan sich zu Maddie um. „Genau so hätte ich es Adam schon lange gern einmal gezeigt.“ Sie umarmte Maddie. „Anscheinend musste erst meine heldenhafte Schwester kommen und das für mich übernehmen.“

Jordan ging voraus zu der Suite, die sie im Linchworth Inn reserviert hatte. Während der fünfminütigen Fahrt hatte sie kein Wort mehr gesagt. Ihr war natürlich klar, dass Maddie den Inhalt des Testaments erst einmal verdauen musste, genau wie sie selbst.

Leider wusste sie kaum etwas über ihre Schwester. Sie hatte natürlich nachgeforscht, indem sie Mr. Fitzwalter ausgefragt und Maddies Website studiert hatte. Letztere war durchaus verbesserungsfähig, fand Jordan, der darin angebotene Schmuck jedoch nicht. Ihre Schwester hatte wirklich Talent. Sie kreierte hauptsächlich Dinge wie Gürtelschnallen, Krawattennadeln und Haarspangen. Das Design war sehr ausgefallen, die Verarbeitung hervorragend. Sie verwendete viel Türkis und Silber.

Es waren aber auch ein paar feinere Stücke zu sehen – fein ziselierte Ohrringe und Armbänder. Wer weiß, Maddies Interesse an Schmuckdesign würde ihr vielleicht von Nutzen sein.

Sie musste unbedingt mehr über sie erfahren. Und sie hatte nicht viel Zeit. Zweiundsiebzig Stunden gingen schnell vorbei. Jordan öffnete den kleinen Kühlschrank und drehte sich zu Maddie um, die sich immer noch staunend umblickte.

Es war eine kleine Suite, die mit antiken Möbeln eingerichtet war, mit zwei Schlafzimmern. Im Salon stand ein kleiner Couchtisch aus Marmor zwischen zwei kleinen mit Chintz bezogenen Sofas.

„Möchtest du ein Glas Wein? Mom und ich tranken immer Weißwein, aber ich kann auch Rotwein bestellen, oder etwas anderes, wenn dir das lieber ist.“

„Weißwein ist okay“, erwiderte Maddie.

Es wurde still im Zimmer. Jordan öffnete eine Flasche Chardonnay und füllte zwei Gläser. Sie zögerte. Was war los mit ihr? Sie war doch sonst nie um Worte verlegen.

„Ein wunderschönes Zimmer“, bemerkte Maddie.

Jordan blickte sich erneut um. Sie bekam ein ganz enges Gefühl in der Kehle.„Mom mochte es. Wir haben immer hier übernachtet, wenn wir Onkel Carleton und die anderen besuchen mussten.“

„Ihr habt nicht in der Villa übernachtet?“

Jordan reichte Maddie eins der Gläser und bedeutete ihr, sich zu setzen. „Die Atmosphäre war dort immer ein bisschen unterkühlt. Seit ich meinen Abschluss in Betriebswirtschaft gemacht und angefangen habe, bei Eva Ware Designs zu arbeiten, ist es noch schlimmer geworden. Aber es lag nicht nur daran. Ich glaube, Onkel Carleton und Mom haben sich noch nie verstanden, nicht einmal als Kinder. Onkel Carleton ist einer dieser altmodischen Männer, die glauben, der älteste Sohn einer Familie sollte alles erben. Zum Glück war mein Großvater anderer Meinung. Als er starb, hat er alles zwischen Mom und Carleton aufgeteilt – sogar Ware House. Sie hat ihren Anteil am Vermögen in ihre Designfirma investiert. So schaffte sie es bis in die Madison Avenue.“

„Kluge Entscheidung“, sagte Maddie.

„Stimmt, aber die anderen fanden das nicht. Als eine Art Friedensangebot stimmte meine Mom zu, dass Onkel Carleton mit seiner Familie in der Villa leben durfte. Sie behielt sich das Recht vor, die Villa für geschäftliche Events zu nutzen. Dafür stimmte sie zu, all ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ware Bank immer pünktlich zu erfüllen.“

Maddie nippte an ihrem Wein. „Und seit du bei Eva Ware Designs arbeitest, haben sich die Spannungen verstärkt?“

„Das lag daran, dass Adam bis dahin geglaubt hatte, ein Anrecht auf die Firma zu haben. Er hatte schon drei Jahre in der Firma gearbeitet, als ich dazukam. Er ist brillant als Designer, das war Mom durchaus bewusst. Seine Eltern waren enttäuscht von ihm, weil er sich nicht für das Bankgeschäft interessierte. Ich schätze, deshalb glaubt er, als Designer unbedingt Erfolg haben zu müssen. Tante Dorothy jedenfalls ist ganz sicher dieser Ansicht. Dazu kommt, dass er ziemlich unbeherrscht ist.“

„Das ist mir auch aufgefallen. Er ist vielleicht gut als Designer, aber er verfügt nicht über deine Qualifikationen.“

Jordan sah Maddie schweigend an. „Woher weißt du das?“, fragte sie dann.

„Ich habe im Internet nachgeforscht. Ein Bachelor-Abschluss an der Wharton School, ein MBA an der Harvard University. Sehr beeindruckend.“

Jordan lächelte. „Eins zu eins. Ich habe mir auch deine Website angesehen. Sie müsste ein bisschen aufgepeppt werden, finde ich. Aber dein Schmuck nicht. Ich finde deine Arbeit sehr gut.“

Jordan stellte ihr Glas ab, beugte sich vor und berührte einen von Maddies Ohrringen. Es war ein einzelner Türkis, umgeben von einer filigranen Spitze aus Silber. „Wunderschön“, sagte sie. „Mom hat immer nach Türkisen von dieser Qualität gesucht.“

„Sie hätte nach New Mexico kommen sollen.“

Jordan entging nicht das kurze Aufflackern von Trauer in Maddies Blick. „Sie war dort, als sie uns zur Welt brachte. Ich habe Fitzwalter keine Ruhe gelassen, bis er mir unsere Geburtsurkunde zeigte. Wir wurden in Santa Fe geboren.“

„Sie war auf der Ranch?“

„Darüber weiß ich nichts, aber sie war auf jeden Fall in Santa Fe.“

„Sie hätte zurückkehren sollen.“

„Ja, das hätte sie. Und unser Vater hätte hierherkommen sollen. Ich bin nicht sicher, ob wir jemals herausfinden werden, warum sie das nicht taten. Oder warum sie uns trennten.“

„Warum verlangt sie, dass wir jeweils die Stelle der anderen einnehmen sollen?“, fragte Maddie. „Du sagtest vorhin, du hättest eine Ahnung, weshalb?“

„Ja, die Idee kam mir, als ich nach deinem Namen suchte. Ich glaube, sie wollte, dass du Erfahrung sammelst, was die Firma betrifft, weil sie dich bei Eva Ware Designs haben wollte.“

„Aber das ist unmöglich.“

„Ich kenne sie. Sie war sehr energisch und willensstark. Ich bin sicher, sie hat genau verfolgt, was du so tust. Bestimmt wollte sie dafür sorgen, dass du, falls ihr etwas zustoßen würde, erfahren würdest, was sie vollbracht hat – und dass du daran teilhaben kannst.“

„Aber warum hat sie keinen Kontakt zu mir aufgenommen?“

Jordan stand auf und begann, auf und ab zu gehen. „Diese Fragen habe ich mir auch immer wieder gestellt. Vielleicht hatte sie einfach Angst, dir nach all den Jahren gegenüberzutreten. Außerdem war sie dermaßen in ihre Arbeit vertieft – Schmuckdesign war ihr Ein und Alles –, dass sie alles andere mehr oder weniger darüber vergaß.“

„Warum gerade drei Wochen?“

„Wahrscheinlich dachte sie, einundzwanzig Tage am Stück würden ausreichen.“ Jordan lächelte schief. „Als sie mit ihrem Fitnesstraining anfing, sagte ihr Trainer, wenn man etwas täglich tut, reichen einundzwanzig Tage, um daraus eine Gewohnheit zu machen.“

„Aber das ist … verrückt. Und dir gegenüber nicht fair.“

„Wenn du Mom gekannt hättest, würde es dir nicht verrückt erscheinen. Eva Ware Designs bedeutete ihr alles.“ Jordan trat an eines Fenster und drehte sich dann zu Maddie um. „Deshalb müssen wir über das Testament reden.“

Maddie stand ebenfalls auf. „Ja. Ich möchte, dass du weißt, dass …“

Jordan hob die Hand. „Stop. Ich bin die Ältere, ich bin zuerst dran.“

Maddie kniff die Augen zusammen. „Woher weißt du, dass du die Ältere bist?“

Sie lässt sich nicht so leicht beeindrucken, stellte Jordan fest. „Wie gesagt, ich habe die Geburtsurkunde gesehen. Ich bin dir um fast vier Minuten vorausgeeilt.“ Sie ging auf Maddie zu und nahm ihre Hände. „Bitte hör mich an, bevor du sagst, was du zu sagen hast.“

Maddie nickte.

Jordan ließ ihre Hände los und wandte den Blick ab. „Ich suche schon die ganze Zeit nach den richtigen Worten, um dich zu überzeugen.“

„Das ist doch gar nicht …“

Jordan sah sie streng an. „Du hast versprochen zuzuhören.“

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