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Eine außergewöhnliche Frau

Um ihren Vater vor einer Anzeige zu retten, bietet sich Mikayla dem Millionär Rafael Velez-Aguilera für ein Jahr als Geliebte an. Ohne zu zögern stimmt der smarte Unternehmer zu, nicht ahnend, dass sie schon bald sein Herz im Sturm erobert.


  • Erscheinungstag: 10.12.2012
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955760076
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Helen Bíanchín

Líebesreíse nach Australíen

Eíne außergewöhnlíche Frau

 

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgaben:

Mistress By Contract

Copyright © by Helen Bianchin

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Getty Images, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-007-6

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Rafael ließ Wasser in die Glaskanne laufen, warf dabei einen kurzen Blick aus dem Küchenfenster und sah, dass die Sonne schien. Er drehte den Hahn zu, füllte das Wasser in den Tank der Kaffeemaschine, schob die Kanne auf die Warmhalteplatte, löffelte frisch gemahlenen Kaffee in den Filter und schaltete die Maschine ein.

Eier und Toast waren fertig. Spontan stellte er alles auf ein Tablett und trug es nach draußen auf die Terrasse. Er kehrte in die Küche zurück, trank den Orangensaft aus, nahm die Kaffeekanne und die Morgenzeitung mit und wagte sich in die erste Frühlingssonne.

Sich Zeit für ein gemütliches Frühstück zu nehmen war ihm zur Gewohnheit geworden. Der schönste Teil des Tages, dachte er zufrieden, während er sich das Essen schmecken ließ, die Schlagzeilen überflog und las, was ihn interessierte. Die Wirtschaftsseiten ging er sorgfältig durch, dann betrachtete er flüchtig die Fotos der Gesellschaftskolumnen und wollte gerade umblättern, als er in der unteren rechten Ecke ein Bild von sich entdeckte. Sasha sah fantastisch aus. Das Lächeln war genau richtig, die Haltung eingeübt, damit sie sich so attraktiv wie nur möglich präsentierte. Rafael las die Bildunterschrift und kniff die Augen zusammen.

Zur Feier der jüngsten Firmenübernahme durch “Aguilera” genießen der Multimillionär und Unternehmer Rafael Velez-Aguilera und Sasha Despojoa einen Abend im Restaurant “Déjeuner”.

Rafael lächelte schwach. Ja, ich kann von mir behaupten, reich und geschäftstüchtig zu sein, dachte er mit grimmiger Genugtuung. Er wohnte in einem schönen Haus in einem der vornehmen Vororte Sydneys und besaß ein beneidenswertes Investmentportfolio sowie Immobilien in mehreren Hauptstädten.

Dem Anschein nach hatte er alles.

Seinen Werdegang hatte der Kolumnist allerdings nicht berücksichtigt. Die Armut, in der er aufgewachsen war, die alles andere als gesunde Schule, in der die Starken überlebt hatten und die Schwachen aufgegeben worden waren. So weit er zurückdenken konnte, hatte er mehr gewollt als ein Dasein im falschen Teil der Stadt. Mehr, als ständig vor der Polizei auf der Hut, einen Schritt voraus und schlagfertig sein zu müssen. Er hatte alles gesehen und nur weniges nicht getan.

Er hatte aus der Welt herausgewollt, in der Überleben das einzige Ziel war. Gerissenheit hatte dazugehört. Und Bildung, um die er gekämpft hatte. Er hatte Stipendien erhalten und sein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen. Nicht um des Ruhms und der Ehre willen. Nicht, um seine Eltern zu erfreuen. Er hatte es für sich getan.

In den folgenden Jahren war er sehr erfolgreich gewesen. Jetzt, mit sechsunddreißig, war er genau da, wo er sein wollte. Er konnte sich jede Frau nehmen, die er begehrte. Und häufig tat er es, aber wählerisch.

Seine neueste Freundin deutete eine dauerhafte Beziehung an, er jedoch verspürte keinen Wunsch, sich festzulegen, auch wenn sie ihm im Bett gefiel.

Gab es überhaupt die eine Frau für einen Mann? Die Einzige? Er bezweifelte es.

Das Klingeln des Handys riss ihn aus seinen Gedanken. “Velez-Aguilera.”

Buenos dias, querido”, flüsterte eine Frau verführerisch.

Sie war hinterhältig. Der erotische Klang ihrer Stimme sollte ihn erregen und daran erinnern, was er am vergangenen Abend ausgeschlagen hatte. “Sasha.”

“Störe ich dich, Darling?”

Das war nun wirklich eine zweideutige Frage. “Nein”, erwiderte Rafael wahrheitsgemäß.

“Ich dachte, wir könnten heute Abend zusammen essen.”

Er wusste den Eifer einer Frau durchaus zu schätzen, war jedoch lieber selbst der Jäger. “Ich muss mir die Einladung für später gutschreiben lassen.”

“Dann also ein anderes Mal?”

Sie hatte sich schnell erholt, musste aber noch einmal hören, dass er darauf zurückkommen würde. Rafael ignorierte ihr Bedürfnis, beruhigt zu werden. “Vielleicht”, sagte er und beendete das Gespräch.

Nachdenklich ließ er den Blick über die gepflegten Gartenanlagen mit den Blumenbeeten und Sträuchern, das schimmernde blaue Wasser des Swimmingpools und den Tennisplatz gleiten, bevor er sich wieder der Zeitung zuwandte.

Er schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein, sah auf seine Armbanduhr und bestrich die letzte Scheibe Toast mit Marmelade. Fünf Minuten später trug er das Tablett in die Küche, räumte das Geschirr in die Spülmaschine und ging nach oben, um sich anzuziehen. Er hatte viele Designeranzüge, und an diesem Tag entschied er sich für einen italienischen. Nachdem er die Weste zugeknöpft und die Seidenkrawatte gebunden hatte, zog er das Jackett an, schlüpfte in handgearbeitete italienische Schuhe, nahm Aktenkoffer und Laptop und kehrte ins Erdgeschoss zurück. Er stellte die Alarmanlage ein, dann ging er in die Garage und stieg in seinen Mercedes der obersten Preisklasse.

Rafael besaß Büroräume in einem oberen Stockwerk eines der Hochhäuser aus Beton, Stahl und Glas im modernen Stadtzentrum Sydneys. Das Gebäude war ein architektonisches Meisterwerk und hatte eine herrliche Aussicht auf den Hafen. Es herrschte starker Verkehr, und als er an einer Ampel lange warten musste, öffnete er den Laptop, überprüfte seine Termine für diesen Tag und notierte sich, seine Sekretärin zwei Anrufe machen zu lassen.

Fünfzehn Minuten später fuhr Rafael in die für ihn reservierte Parklücke in der Tiefgarage, schaltete den Motor aus, nahm Aktenkoffer und Laptop und stieg aus.

“Rafael Velez-Aguilera”, sagte eine Frau hinter ihm.

Er drehte sich langsam um und blickte sie gelassen an. Nichts deutete darauf hin, dass er in Wirklichkeit wachsam und bereit war, beim ersten Anzeichen eines Überfalls zuzuschlagen.

Blond, zierlich, schlank, grüne Augen, hübsches Gesicht. Sie schien keine ernst zu nehmende Gegnerin zu sein, aber andererseits besagte Aussehen nichts. Rafael war sich darüber im Klaren, was jemand anrichten konnte, der in Kampfsportarten ausgebildet war, und er wusste, dass Größe und Geschlecht keine Rolle spielten. Hatte sie eine Waffe? Er achtete darauf, wie sie ihre Handtasche festhielt. Wenn sie ein Messer oder eine Pistole darin hatte, konnte er sie bei der ersten Bewegung entwaffnen. Verdammt, das ganze Gebäude wurde von Wachmännern kontrolliert. Wie war die Frau überhaupt hier hereingekommen?

“Ja.”

“Ich muss mit Ihnen reden.”

Rafael beobachtete sie wachsam und schätzte ihren nächsten Schritt ab. “Ich bin ein viel beschäftigter Mann.” Er sah demonstrativ auf seine Armbanduhr.

“Fünf Minuten.” Sie hatte die Sätze geübt und die Zeit gestoppt. Wenn nötig, würde sie es in weniger als fünf schaffen.

“Machen Sie mit meiner Sekretärin einen Termin ab.”

“Das habe ich versucht.” Nichts, was in den Medien über diesen Mann berichtet wurde, konnte richtig vermitteln, wie er war und was für eine Autorität er ausstrahlte. Sie rang sich ein Lächeln ab. “Ihre Sicherheitsvorkehrungen sind unüberwindbar.”

“Es ist Ihnen gelungen, in die Tiefgarage zu gelangen.” Er würde sofort jemand mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragen.

“Mit einem Trick.” In Wirklichkeit hatte sie einem Wachmann die Wahrheit gesagt und ihn verzweifelt gebeten, sie durchzulassen. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht ihretwegen seinen Job verlor.

Rafael musste einräumen, dass sie Mumm hatte. “Den Sie jetzt bei mir anwenden wollen?”

“Noch mehr Zeit verschwenden?”

Er war neugierig geworden. “Zwei Minuten. Wie heißen Sie?”

“Mikayla.” Was sie als Nächstes sagte, würde eine vernichtende Wirkung haben. “Joshua Petersens Tochter.”

Rafael Velez-Aguilera presste die Lippen zusammen. “Nein”, sagte er kalt.

Genau die Reaktion hatte sie erwartet, aber sie blieb hartnäckig. Sie musste. “Sie haben mir zwei Minuten gegeben.”

“Ich könnte Ihnen zwanzig geben, und die Antwort wäre immer noch Nein.”

“Mein Vater stirbt.”

“Wollen Sie mein Mitgefühl?”

“Nachsicht.”

Seine Gesichtszüge wurden härter, und er blickte sie durchdringend an. Unnachgiebig. Gefährlich. “Sie wagen es, um Nachsicht für einen Mann zu bitten, der in meinem Unternehmen mehrere hunderttausend Dollar unterschlagen hat?”

“Mein Vater ist ins Krankenhaus eingeliefert worden. Er hat einen inoperablen Gehirntumor. Wenn Sie fordern, dass Anklage gegen ihn erhoben wird, verbringt er die letzten Wochen seines Lebens im Gefängnis.”

“Nein.” Rafael aktivierte die Alarmanlage des Autos, steckte die Schlüssel ein und ging auf die Fahrstühle zu.

“Ich tue alles.” Es war ein letzter verzweifelter Versuch. Zwei durch Boten zugestellte Briefe waren ignoriert, Anrufe nicht erwidert worden.

Er blieb stehen, drehte sich um und taxierte unverschämt ihre schlanke Figur. “Es wäre viel mehr nötig, als Sie geben können.”

“Das wissen Sie nicht.”

“Doch”, sagte er spöttisch, “ich weiß es.”

Wenn er in den nur mit einem Schlüssel zugänglichen Fahrstuhl stieg, würde sie ihn verlieren. “Bitte.”

Rafael ging weiter, ließ den Lift kommen und blickte sich um. “Sie haben eine Minute. Wenn Sie sich dann noch in der Tiefgarage aufhalten, werden Sie wegen unbefugten Betretens des Gebäudes verhaftet.” Er rechnete damit, dass sie wütend wurde, vielleicht sogar versuchte, ihn anzugreifen. Oder ihm einen Weinkrampf vorspielte. Stattdessen hob sie stolz das Kinn und rang um Beherrschung. Nur eine einzige Träne rollte ihr über die Wange. Ein Piepton meldete die Ankunft des Fahrstuhls. Rafael öffnete mit dem Schlüssel die Türen, betrat die Kabine und steckte den Schlüssel in den Schlitz. “Dreißig Sekunden.” Die Türen glitten zu, und er wurde rasch nach oben zu seinen Geschäftsräumen befördert.

Er nickte der Brünetten zu, die an dem ultramodernen geschwungenen Empfangstisch arbeitete, grüßte seine Sekretärin und ging in sein Büro. Ein elektronisches Genie zu sein hatte ihm ein Vermögen eingebracht. Die Computertechnologie entwickelte sich rasend schnell, und das Internet war seine Stärke.

Zwei Stunden später sicherte Rafael die Datei, an der er gearbeitet hatte, und öffnete die Petersen-Datei. Er hatte zu viel erlebt, um sich noch von irgendetwas aus der Ruhe bringen zu lassen, aber das Gesicht einer jungen blonden Frau und die eine Träne, die ihr über die Wange gerollt war, drängten sich ihm immer wieder auf, und er wollte die Bilder loswerden.

Joshua Petersen, Witwer, ein Kind, Mikayla, fünfundzwanzig, ledig, Lehrerin. Adresse, Telefonnummer, der Name der Schule, an der sie unterrichtete, und Hobbys waren aufgeführt. Rafael zog die Augenbrauen hoch. Taekwondo? Er ging die Liste durch, druckte sie aus, faltete das Blatt Papier und steckte es in die Innentasche seines Jacketts. Dann telefonierte er. “Beschaffen Sie mir alles über Joshua Petersen und seine Familie.”

Der Mann hatte Spielschulden als Grund für seine Unterschlagung angegeben. Damals hatte Rafael nicht weiter nachgeforscht.

Eine Stunde später hatte er die Informationen. Was Mikayla Petersen über den Gesundheitszustand ihres Vaters gesagt hatte, entsprach den Tatsachen. Rafael druckte den Bericht aus und las ihn noch einmal durch. Joshua Petersen hatte mit dem Geld die Pflege seiner Frau in einer Privatklinik bezahlt, wo sie nach einem Autounfall monatelang im Koma gelegen hatte, bevor sie gestorben war. Rafael blickte auf das Datum … Vor einem halben Jahr. Der Mann wäre fast damit davongekommen. Aber dann waren bei einer Buchprüfung nicht ordnungsgemäße Einzahlungen entdeckt worden: Joshua Petersens Bemühen um Wiedergutmachung. Und im Spielkasino war er nur einige Male im Zeitraum von vier Wochen gewesen. Der letzte verzweifelte Versuch, das ganze Geld zu gewinnen und zurückzuzahlen?

Rafael lehnte sich in seinem Sessel zurück, schloss die Augen und überlegte, was er als Nächstes tun sollte.

Du lieber Himmel, woran dachte er denn da? Der Vater war ein Dieb. Warum sollte ihn die Tochter interessieren?

Sie weckt meine Neugier, korrigierte er sich später an diesem Nachmittag. Zwischenmenschliche Beziehungen. Loyalität gegenüber der Familie. Wie weit ging ihre? Er beschloss, es herauszufinden. “Wenn Mikayla Petersen anruft, stellen Sie sie durch”, wies er seine Sekretärin über die Sprechanlage an.

Es dauerte vierundzwanzig Stunden. Dass er richtig geschätzt hatte, befriedigte ihn. Er hielt das Gespräch kurz. “Halb acht.” Er nannte ein Restaurant.

Mikayla hatte sich auf eine weitere Zurückweisung vorbereitet und war einen Moment lang hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. “Ich kann nicht.”

“Warum nicht?”

“Ich arbeite abends.”

“Melden Sie sich krank.”

Du lieber Himmel. Sie konnte es sich nicht leisten, den Job zu verlieren. “Ich habe um elf Schluss”, sagte sie standhaft.

“Als Lehrerin?”, fragte er ungläubig.

“Als Serviererin.”

Ein kurzes Schweigen folgte. “Wo?”

“Kein Treffpunkt für Sie.”

“Wo?” Er war schon in Spelunken gewesen, die sie sich nicht einmal vorstellen konnte.

Sie sagte es ihm.

“Ich hole Sie dort ab.”

Rafael ging um halb elf in das Lokal. Er setzte sich an einen Tisch, bestellte Kaffee, sah sich die Gäste an und beobachtete, wie Mikayla Petersen mit ihnen fertig wurde. Es machte sie nervös, und genau das hatte er beabsichtigt. Amüsiert verfolgte er, wie sie versuchte, ihn zu ignorieren, ärgerte sich jedoch ein bisschen, als ein Gast, der zu viel getrunken hatte, die Hand über ihren Po gleiten ließ. Rafael brauchte nicht zu hören, was sie sagte. Sie wurde rot vor Wut, und ihre Augen funkelten gefährlich.

War sie voller Groll, weil sie einen zweiten Job hatte annehmen müssen? Nahm sie ihrem Vater übel, dass er sie in diese Lage gebracht hatte? Vielleicht nicht. Mikayla Petersen hatte Mut und Stolz gezeigt. Eigenschaften, mit denen sich Rafael identifizierte und die er bewunderte. War das nicht der Grund, warum er hier war?

Um elf trug Mikayla einen Stapel Geschirr in die Küche und erklärte, sie könne keine Überstunden machen. Sie band die Schürze ab und hängte sie an den Haken, dann besserte sie ihr Make-up auf und kehrte ins Restaurant zurück. Rafael Velez-Aguilera ist kein Mann, den ich warten lassen darf, dachte sie flüchtig. Er stand an der Tür, und sie ging vor ihm nach draußen und blieb auf dem Bürgersteig stehen. Er deutete auf die andere Straßenseite. Erst nach einigen Minuten fand sich eine Lücke im Verkehr.

Das Auto war groß und luxuriös. Rafael Velez-Aguilera drehte den Zündschlüssel und fädelte sich in den Strom der Autos ein. Er hatte gesagt, sie würden Kaffee trinken. In der Innenstadt sicher nicht. Das Schweigen machte Mikayla nervös, aber sie hielt den Mund. Aus welchen Gründen auch immer, sie bekam eine Chance. Sie riskierte nicht, sie zu vergeben.

Es dauerte nicht lange, aus der Innenstadt herauszukommen, in der das Nachtleben erst im Morgengrauen endete. Schnell erreichten sie das elitäre Double Bay, das Viertel der Reichen und Berühmten, in dem die exklusivsten Läden für australische, französische und italienische Designermode waren und die Mitglieder der Schickeria in Straßencafés bei Espresso und Milchkaffee über vergangene, aktuelle und zukünftige gesellschaftliche Ereignisse sprachen oder sogenannte Freunde und Bekannte kritisierten.

Natürlich war genau dort eine Parklücke, wo Rafael Velez-Aguilera sie brauchte. Mikaylas Anspannung nahm noch zu, als sie aus dem Auto stieg. Wie viel Zeit würde sie das Gespräch kosten? Sie musste noch Aufgaben für den Unterricht am nächsten Tag zensieren. Von der Schule war sie direkt zum Krankenhaus gefahren und von dort rechtzeitig nach Hause, damit sie eine Kleinigkeit essen und sich umziehen konnte, bevor sie zur Arbeit musste. Du lieber Himmel, ihre Füße brachten sie um. Sie musste die Pumps mit den Stilettoabsätzen im Restaurant tragen, ebenso wie die dünne schwarze Strumpfhose, den kurzen Rock und das knappe Top, und sie hasste die Dienstkleidung fast ebenso sehr wie den Job.

Rafael Velez-Aguilera führte sie zu einem schicken Café, und Mikayla biss die Zähne zusammen und passte sich trotz ihrer schmerzenden Füße seinem schnellen Gang an. Er wählte einen Tisch auf dem Bürgersteig, und kaum saßen sie, als auch schon ein Ober kam, um die Bestellung aufzunehmen. Mikayla bat um einen Milchkaffee, entcoffeinierten, weil sie sonst die halbe Nacht wach bleiben würde.

“Essen Sie”, befahl Rafael, sobald die Sandwiches gebracht wurden, die er bestellt hatte. Er kannte den Tagesablauf gut. Essen im Laufschritt, wenn sie Glück hatte. Wahrscheinlich oft nicht einmal das. Er lehnte sich zurück und beobachtete, wie sie sich große Mühe gab, ihren Hunger nicht hastig zu stillen. “Ich schlage vor, dass Sie Ihre Sache vortragen”, sagte er, nachdem sie zwei Sandwiches gegessen und ein Drittel ihres Kaffees getrunken hatte. Er sah, dass sie mitten in der Bewegung verharrte, bevor sie die Tasse hinstellte.

Mikayla ballte die Hände auf dem Schoß zu Fäusten. Sie hasste Rafael Velez-Aguilera fast ebenso sehr wie sich selbst für das, was sie sagen würde. “Ich unterrichte fünf Tage die Woche in der Schule, an sieben Abenden arbeite ich in dem Restaurant. Am Wochenende arbeite ich tagsüber in einem Laden. Zieht man Miete, Essen, Strom, Gas und Wasser ab, würde es ein ganzes Leben dauern, Ihnen zurückzuzahlen, was mein Vater Ihnen schuldet.” Du lieber Himmel, wie konnte sie nur so etwas tun? Verdammt, sie hatte keine andere Wahl. “Ich habe nur mich selbst anzubieten. Als Ihre Geliebte. Ich würde Ihnen ein Jahr lang sexuell und gesellschaftlich zur Verfügung stehen.”

Rafael verspürte den Wunsch, sie zu schütteln, und er dachte lieber nicht darüber nach, warum. “Das ist Ihr Angebot?”, fragte er gefährlich leise.

Furcht ließ sie schaudern. Würde er es annehmen? Was, wenn er es nicht tun würde? “Ich bin bereit zu verhandeln.”

Er blickte sie prüfend an, bis sie kurz davor war zu schreien. “Nennen Sie Ihre Bedingungen.”

“Ich unterschreibe einen Vertrag, der festlegt, dass ich während unserer Beziehung, bei ihrem Ende und für den Rest meines Lebens keinen Anspruch auf Ihr Vermögen habe. Dafür verzichten Sie auf eine Anklage und die Zurückzahlung des Geldes.”

“Solch eine Loyalität ist bewundernswert”, sagte Rafael spöttisch. “Aber sind Sie auf die Realität vorbereitet?”

Mikayla kam fast um vor Verlegenheit und Qual. Sie zwang sich, ihn anzusehen, wirklich anzusehen. Er war groß, mindestens einen Meter siebenundachtzig, hatte dunkles Haar, breite Wangenknochen, ein energisches Kinn, dunkle Augen und einen sinnlichen Mund. Mit seinem teuren Anzug und dem selbstbewussten Auftreten erweckte er einen geschäftstüchtigen, erfolgreichen Eindruck, aber die skrupellose Härte, die er ausstrahlte, hatte damit nur wenig zu tun. Sie ging tiefer und beunruhigte Mikayla. Intuitiv wusste sie, dass er ein Mann war, der viel erlebt und noch mehr überstanden hatte. Es machte ihn gefährlich. Eine Eigenschaft, die in seiner Biografie nicht erwähnt war und in den Berichten und auf den Fotos der Medien nicht sichtbar wurde.

“Ich könnte ein höllisch guter Liebhaber sein”, sagte Rafael sanft und beobachtete, wie sie erstarrte und sich dann schnell fasste.

“Oder ein lausiger.”

Er lächelte belustigt über ihre Kühnheit.

Zweifellos ist er erfahren, dachte Mikayla besorgt. Er sah aus wie ein Mann, der mit sich zufrieden und sicher war, einer Frau Lust bereiten zu können. Wie sollte sie es nur schaffen, die Sache durchzuziehen? Aber so weit war es ja noch nicht. Die Chancen standen gleich null, dass er einen so exzentrischen Vorschlag annehmen würde. Verzweiflung raubte ihr fast den Atem. Sie hatte nichts anderes anzubieten. Sie hatte ihre Wohnung verkauft und nur die nötigsten Möbel behalten, ihr Auto gegen einen alten Gebrauchtwagen eingetauscht und ihr Bankkonto geleert, um ihrem Vater zu helfen. Es hatte nicht einmal einen Bruchteil seiner Schulden abgedeckt.

“Sie fordern einen hohen Preis für Ihre Dienste”, sagte Rafael und fragte sich, ob sie wusste, wie leicht sie zu durchschauen war. Schulden mit Sex abzutragen war nicht neu. Es ging Jahrhunderte zurück. In der heutigen Gesellschaft wurde es als Nötigung betrachtet. Nur dass es ihr und nicht sein Vorschlag gewesen war. Wodurch die Sache ein ganz anderes Gesicht bekam und zu den rechtlichen Fragen der Situation führte.

Der Gedanke war faszinierend. Keine Missverständnisse, kein Streit. Es könnte sich sogar als interessant erweisen. Männliche Genugtuung. Nicht gerade der wünschenswerteste Grund für eine Beziehung. Andererseits wollte er Mikayla Petersen unter sich haben, sie bis zur Raserei treiben und sie um Erlösung flehen hören. Immer wieder. Sexuelle Anziehungskraft, dachte er und fragte sich, ob er es riskieren sollte, sie zu verfolgen. Er beobachtete, wie Mikayla das letzte Sandwich aß und ihren Kaffee austrank. “Noch einen Kaffee?”

“Nein, danke”, erwiderte sie höflich. Sie war müde, wollte endlich nach Hause und hoffte verzweifelt, dass er ihr eine Antwort geben würde. Zog er ihr Angebot in Erwägung, oder spielte er nur ein grausames Spiel mit ihr? War ihm klar, wie viel sie im vergangenen Monat durchgemacht hatte? Sie hatte von der Torheit ihres Vaters gewusst und darauf gewartet, dass er angeklagt werden würde. Vor Angst, was dabei herauskommen könnte, hatte sie kaum geschlafen und gegessen.

“Ich fahre Sie nach Hause.”

Mikayla wurde völlig mutlos. “Ich kann mit einem Taxi zu meinem Auto fahren”, erwiderte sie steif. Sie hatte gerade noch genug Geld dafür im Portemonnaie.

“Ich bringe Sie hin”, sagte Rafael energisch.

Sollte sie sich bedanken? Es schien ihr überflüssig zu sein. Sie nickte nur, und er ließ den Ober kommen, bezahlte die Rechnung und stand auf.

Im Auto schwieg Mikayla. Der Verkehr war nicht mehr so dicht, und sie fuhren zügig zu dem Café, in dem sie arbeitete.

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