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Happy End in Lindholm

hier erhältlich:

Ein Helikopter durchbricht die Stille des idyllischen Gutshofs Lindholm, die Kühe geraten in Panik, und die Tierärztin Louisa Sjoeberg ist außer sich vor Zorn! Was fällt diesem Mann nur ein? Entschlossen stellt sie Gunnar Blomquist zur Rede - und gewinnt mit ihrer Courage mehr als sein Interesse.


  • Erscheinungstag: 01.02.2013
  • Seitenanzahl: 160
  • ISBN/Artikelnummer: 9783862789757
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Pia Engström

Mittsommerträume – Happy End in Lindholm

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2013 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Originalausgabe

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: Getty Images, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-86278-975-7

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

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1. KAPITEL

Noch ein paar Wochen, und der Herbst würde Einzug halten und die Blätter der Bäume in den schönsten Farben erleuchten lassen, doch augenblicklich hatte der Sommer Schweden noch fest im Griff. Der Himmel über Lindholm Gård, dem Gutshof nahe des kleinen südschwedischen Ortes Lindholm, war von einem beinahe schon unwirklichen Blau, das die üppigen Kornfelder noch goldener und das saftige Grün der Weiden und Wiesen noch grüner erschienen ließ.

“Ist ja gut, Brauner.” Lächelnd tätschelte Louisa die Flanke des braunen Araberhengstes und strich sich eine Strähne ihres langen, schwarzbraunen Haares aus dem herzförmigen Gesicht. “Bist ein braver Junge.”

Sie nahm ihren Behandlungskoffer auf und wollte den Hengst gerade zu seinem Stall zurückführen, als sie ein merkwürdiges Geräusch wahrnahm, das so gar nicht in das stille Idyll dieses Spätsommermorgens zu passen schien.

Irritiert blickte Louisa sich um, konnte die Quelle des Geräusches jedoch nirgends ausmachen. Dabei wurde es immer lauter und lauter. Der Braune schnaubte leise und begann, unruhig auf der Stelle zu tänzeln. Verflixt, was …?

Und dann sah sie den Helikopter.

Wie ein riesiger Vogel aus schwarzem Stahl und Glas hing er am strahlend blauen Himmel. Seine Rotorblätter drehten sich so schnell, dass der von ihnen produzierte Wind den Weizen auf den Feldern zu Boden drückte.

Und er kam näher. Bald spürte Louisa den Wind im Gesicht, und sie musste den Blick abwenden, als Sand und kleine Steinchen wie winzige Geschosse durch die Luft geschleudert wurden.

Der will doch nicht etwa …?

Louisa hatte ihren Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als der Pilot des Hubschraubers auch schon zur Landung ansetzte – mitten auf der Kuhweide, die an das Grundstück von Lindholm Gård angrenzte. In die Gruppe der Tiere, die vorhin noch friedlich auf der Wiese gegrast hatten, war längst Bewegung gekommen. Aufgeregt versammelten die Kühe sich im hinteren Bereich der Weide, möglichst weit entfernt von der Landestelle des Helikopters, was Louisa ihnen nicht verdenken konnte, denn die Maschine machte einen schrecklichen Lärm.

Allmählich drehten die Rotorblätter sich langsamer, und die Tür auf der Seite des Copiloten wurde aufgestoßen. Im selben Moment wieherte der Hengst und stellte sich auf die Hinterbeine. Louisa wurden die Zügel aus der Hand gerissen, und sie konnte nur hilflos zusehen, wie das Tier davongaloppierte.

“Brauner!”, rief Louisa. “Brauner, bleib stehen!”

Doch der Hengst ließ sich nicht zurückhalten. In blinder Panik lief er weiter, vom Hof hinunter hinaus auf die Felder.

Inzwischen waren zwei Arbeiter, die sich gerade in der Nähe aufhielten, zur Stelle. “Was für ein Idiot!”, brummte der alte Ingmar, zog seine Mütze ab und kratzte sich den fast kahlen Kopf. “Hier so einen Krach zu veranstalten und uns damit die Viecher zu verschrecken!”

Im Stillen konnte Louisa dem Feldarbeiter mit dem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht nur recht geben. Der Braune war inzwischen auf dem Kornfeld eines Getreidebauern angelangt. Wenn sie den Hengst nicht rasch einfingen, war er durchaus in der Lage, einen beträchtlichen Teil der diesjährigen Ernte zu zerstören, indem er die jungen Ähren niedertrampelte.

Ärger stieg in Louisa auf. Sie wirbelte auf der Stelle herum und lief zu dem Helikopter, dessen Rotorblätter sich noch immer langsam drehten. Na, der Pilot konnte was erleben!

Im selben Moment stieg jemand aus der Kanzel, und Louisa erstarrte. Du liebe Güte, was für ein Mann!

Dunkles Haar umrahmte ein schmales, kantiges Gesicht, in dem Augen so blau und tiefgründig wie der Ozean glänzten, und …

Reiß dich zusammen!, rief sie sich zur Ordnung. Sie stemmte die Fäuste in die Seiten und warf ihrem Gegenüber einen angriffslustigen Blick zu. “Haben Sie vollkommen den Verstand verloren, hier so einen Aufstand anzuzetteln?”

Für einen Moment starrte der Mann sie einfach nur an, und Louisa begann bereits, sich unbehaglich zu fühlen, als sich auf seiner Stirn eine steile, v-förmige Falte bildete. “Wie bitte? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.”

“Ihr grandioser Auftritt hat hier auf dem Hof ein ganz schönes Durcheinander angerichtet, falls Sie das noch nicht bemerkt haben sollten. Abgesehen von den anderen Tieren haben Sie dem Pferd, das ich soeben behandelt habe, mit Ihrer Mordsmaschine einen solchen Schreck eingejagt, dass es mir durchgegangen ist.”

“Behandelt? Sind Sie …”

“Tierärztin”, vollendete sie den Satz für ihn. “Sie haben es erfasst. Und dank Ihres lautstarken Einsatzes darf ich mich jetzt wohl oder übel noch einmal mit ihm befassen!”

“Na hören Sie mal, ich konnte ja wohl kaum ahnen, dass dieses Tier so geräuschempfindlich ist. Also, ich denke jedenfalls …”

“Ein Pferd?”, hörte Louisa plötzlich eine Kinderstimme rufen. Im nächsten Moment drängte sich ein Mädchen hinter dem attraktiven Mann aus dem Hubschrauber. Louisa schätzte es auf etwa acht Jahre, außerdem war es mit seinen wippenden blonden Locken und dem niedlichen herzförmigen Gesicht ausnehmend hübsch. Die Augen der Kleinen leuchteten vor Aufregung. “Wo ist das Pferd?”

Louisa wollte es ihr gerade erklären, doch der Dunkelhaarige kam ihr zuvor. “Steig sofort wieder ein, hast du verstanden?”

Das Mädchen zog ein enttäuschtes Gesicht. “Ach bitte, pappa! Ich hab so lange in diesem doofen Hubschrauber gesessen, und jetzt, wo endlich mal was Aufregendes passiert, soll ich nicht dabei sein?”

In dem Moment erschien der Oberkörper einer attraktiven schwarzhaarigen Frau in der Lücke zwischen den vorderen Sitzen. “Ann-Sofie! Du hast deinen Vater gehört”, rief sie dem Mädchen zu. “Vielleicht ist dieses Tier gefährlich. Komm auf der Stelle zurück in den Helikopter!”

“Britt hat recht”, sagte der Vater zu seinem Kind. “Steig jetzt bitte wieder ein.”

“Warum lassen Sie die Kleine denn nicht?”, fragte Louisa, die das Verhalten des Mannes einfach nur unmöglich fand. Der Braune und gefährlich – so ein Unsinn!

Und außerdem …

“Louisa!” Die Stimme des Feldarbeiters riss sie aus ihren Gedanken. “Kommst du? Wenn wir nicht bald was unternehmen, ist die Ernte vom alten Hengar ruiniert!”

Sie schaute den attraktiven Dunkelhaarigen an. “Sie haben es gehört. Also, was ist? Kommen Sie!”

“Wie bitte?”

“Sie haben mich schon verstanden”, erwiderte sie streng. “Und jetzt – los!”

Pappa, du hast das Pferd gerettet!”, rief Ann-Sofie begeistert, als Gunnar knapp eine halbe Stunde später in Begleitung der schönen Tierärztin, die den braunen Hengst am Zügel führte, zum Hof zurückkehrte.

Gunnar musste sich zusammenreißen, um nicht lauthals loszulachen. Irgendwie war diese ganze Situation einfach nur furchtbar skurril. Er hatte den Gefallen eines alten Bekannten eingefordert, der ihm noch etwas schuldete, um diesen albernen Hubschrauber zu organisieren. Und das alles in der Hoffnung, seiner achtjährigen Tochter damit eine Freude zu bereiten. Doch während des ganzen Fluges hatte Ann-Sofie nur gequengelt und sich mit Britt herumgezankt. Jetzt aber, wo er lediglich dabei geholfen hatte, ein entlaufenes Pferd wieder einzufangen, wurde er plötzlich von ihr behandelt wie der Held des Tages.

Immer wieder musste er feststellen, dass er nicht schlau aus der Kleinen wurde. Früher hatte sich Sonja, seine Frau, um die Erziehung ihrer gemeinsamen Tochter gekümmert. Doch seit sie vor zwei Jahren …

In diesem Moment trat auch die Tierärztin wieder zu ihnen, die den Hengst mittlerweile in den Stall geführt hatte, und riss Gunnar damit aus seinen Gedanken. “Falls es Sie interessiert: Das Pferd ist mit dem Schrecken davongekommen”, erklärte sie. “Ich habe ihm eine Beruhigungsspritze gegeben.”

Ann-Sofie schlang die Arme um seine Hüften und versteckte sich hinter ihm. Er seufzte. Dieses Verhalten war in letzter Zeit leider typisch für seine Tochter. Sie mochte keine Fremden – schon gar nicht, wenn es sich um Frauen handelte. In diesem Fall legte sich die Abneigung zumeist auch gar nicht mehr. Seine Sekretärin war das beste Beispiel hierfür. Dabei gab sie sich solche Mühe mit der Kleinen.

Wie aufs Stichwort war Britt auch schon da und zog Ann-Sofie von Gunnar weg. Zumindest versuchte sie es. Doch seine Tochter dachte gar nicht daran, von ihm abzulassen. Stattdessen ließ sie sich auf die Knie sinken und umschlang nun sein Bein.

“Lass los”, stieß Britt genervt aus. “Du machst dich doch ganz schmutzig!”

“Ein bisschen Dreck hat noch keinem Kind geschadet”, kommentierte die Tierärztin trocken. “Außerdem …”

Das Geräusch eines sich nähernden Wagens ließ sie verstummen. Gunnar blickte sich um und entdeckte den grauen Volvo seiner Schwiegereltern. Fahrer- und Beifahrertür wurden geöffnet, und Irma und Lennart Södergren stiegen aus. Als Ann-Sofie die beiden erblickte, ließ sie ihren Vater los und lief laut jubelnd los, um ihre Großeltern stürmisch zu begrüßen. Seine Tochter jetzt so glücklich zu sehen – Ann-Sofie in der Mitte, ihre Großeltern rechts und links an den Händen haltend –, entschädigte Gunnar in diesem Moment für vieles, das in den letzten Monaten schiefgelaufen war.

“Wie ich mich freue, euch zu sehen”, sagte Irma und drückte ihren Schwiegersohn an sich. Dann erblickte sie den Helikopter auf der Wiese, dessen Rotoren gerade wieder andrehten, und stutzte. “Sagt bloß, ihr seid mit diesem Ungetüm hier angekommen?”

Der Hubschrauber erhob sich in die Luft, vollführte noch eine kurze Schleife über dem Hof, dann flog er davon.

“Willst du mir deswegen jetzt auch noch einen Vortrag halten?” Gunnar warf der Tierärztin einen herausfordernden Seitenblick zu.

Irma blinzelte verwirrt. “Einen Vortrag? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.”

“Das ist eine lange Geschichte, die ich dir gern später erzählen werde. Jetzt würde ich mich aber erst einmal frisch machen. Ich habe nämlich festgestellt, dass der Job eines Cowboys mitunter ziemlich schweißtreibend sein kann.”

“Cowboy? Ich …”

Lennart schmunzelte über den verdutzten Gesichtsausdruck seiner Frau. “Ich kann es kaum abwarten, mehr von deinem Abenteuer zu hören”, sagte er zu Gunnar. “Aber jetzt komm erst mal mit. Wo ist dein Gepäck? Ich bringe euch in eure Zimmer.”

Bevor Gunnar das Haus betrat, blickte er noch einmal zurück. Die Tierärztin unterhielt sich mit Irma. Ob sie noch da sein würde, wenn er nach dem Duschen und Umziehen wieder herunterkam?

Ein Teil von ihm hoffte es, obwohl er nicht so recht wusste, warum.

“Erst einmal vielen Dank, dass du dich so rasch um die Impfung für den Braunen gekümmert hast. Aber jetzt erzähl: Du hast ihn einfach so zum Hilfsdienst abkommandiert?” Irma, die noch immer zusammen mit der Tierärztin auf dem Hof stand, lachte glockenhell auf. “Das ist mal wieder typisch Louisa! Ist es eigentlich jemals vorgekommen, dass du eine Konfrontation gescheut hast? Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen.”

Louisa hob die Achseln. “Ich sehe nicht, was daran so außergewöhnlich sein soll. Ich habe ihm lediglich Gelegenheit gegeben, den Schaden wiedergutzumachen, den er angerichtet hat, das ist alles.”

“Du hast nun mal deine ganze eigene Art und Weise, die Dinge zu betrachten. Allerdings muss ich zugeben, dass es eine durchaus erfrischende Erfahrung war, Gunnar einmal so zu erleben.”

“Gunnar?” Überrascht horchte Louisa auf. “Doch nicht etwa der Gunnar!”

Wieder lachte Irma. “Unser Schwiegersohn Gunnar Persson, Liebes. Und das kleine Mädchen vorhin, das war Ann-Sofie, unsere Enkelin.”

Louisa schluckte. Das war er also, Gunnar Persson. Obwohl er sechs Jahre mit ihrer alten Freundin Sonja verheiratet gewesen war, hatte Louisa ihn doch nie persönlich getroffen. Mit einundzwanzig war sie von zu Hause fort gegangen, um ihr Studium der Tiermedizin im Ausland fortzusetzen. Da sie so weit wie möglich von ihrem Vater weg wollte und ihre verstorbene Mutter Familie in Deutschland besaß, war ihre Wahl schließlich auf die Universität in München gefallen. Der Abstand von fünfzehnhundert Kilometern erschien ihr einigermaßen ausreichend, um noch einmal ganz von vorne anzufangen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Allerdings hielten die Entfernung und der Stress sie auch davon ab, ihre alten Freunde so häufig zu sehen, wie sie es sich gewünscht hätte. Von Sonjas Hochzeit hatte sie beispielsweise erst im Nachhinein erfahren.

Ganz abgerissen war der Kontakt zu ihrer Freundin trotzdem nie. Sie hatten hin und wieder miteinander telefoniert. Daher wusste sie auch, dass Sonja zumindest zum Ende hin keineswegs mehr glücklich in ihrer Ehe gewesen war. Und dann war es zu jenem schrecklichen Unfall gekommen. Louisa hatte alles versucht, es zur Beerdigung zu schaffen, doch aufgrund einer wichtigen, nicht verschiebbaren Prüfung hatte sie ihrer Freundin erst ein paar Tage später die letzte Ehre erweisen können. Sie …

“… nicht lange bleiben wird.”

Erst jetzt wurde Louisa sich der Tatsache bewusst, dass Irma schon die ganze Zeit mit ihr redete. “Entschuldige bitte, was hast du gerade gesagt?”

“Ich sagte, dass Gunnar wohl nicht sehr lange bei uns in Lindholm bleiben kann. Soweit ich weiß, wollte er nur Ann-Sofie absetzen, die den Rest der Ferien bei uns verbringen wird. Aber bevor er zurück nach Stockholm fährt, hat er noch einen dringenden geschäftlichen Termin hier in der Nähe.”

“Die Kleine wird also hierbleiben?”

“Ja.” Irmas Augen leuchteten. “Es ist schon so lange her, dass Gunnar es zum letzten Mal geschafft hat, sie zu uns zu bringen. Aber jetzt haben ihn seine Geschäfte glücklicherweise einmal in unsere Gegend geführt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie Lennart und ich uns darüber freuen, unsere Enkelin drei Wochen hier bei uns zu haben.”

Doch, das konnte Louisa sich sogar sehr gut vorstellen. Auch sie freute sich auf die Gelegenheit, die Tochter ihrer verstorbenen Freundin besser kennenzulernen. Auf eine nähere Bekanntschaft mit Gunnar Persson hingegen konnte sie gut verzichten.

“Und was ist mit dieser Frau?”, fragte sie. “Die Schwarzhaarige? Ist sie Ann-Sofies Kindermädchen?”

“O nein, das ist Britt Egerlund, Gunnars Sekretärin.”

Damit hatte Louisa nun gar nicht gerechnet. “Sie ist nur seine Sekretärin?”, wiederholte sie ungläubig. “Bist du sicher, dass sie das auch weiß?”

Die Mutter ihrer Freundin schmunzelte. “Wenn sie es darauf abgesehen haben sollte, Gunnar für sich zu gewinnen, kann sie einem nur leidtun”, sagte sie. “Soweit ich es mitbekommen habe, hat es in den vergangenen zwei Jahren keine Frau lange bei ihm ausgehalten. Und ich fürchte, dass Ann-Sofie dabei durchaus eine tragende Rolle spielt. Apropos Ann-Sofie”, sagte Irma. “Ich nehme an, ich sollte wohl besser einmal nachsehen, wo sie sich so herumtreibt. Dich kann ich doch allein lassen?”

Louisa nickte abwesend, sie dachte immer noch über das nach, was Irma zuvor gesagt hatte. Wirklich bedauern konnte sie Gunnar nicht dafür, dass er Schwierigkeiten mit Frauen hatte. Ihrer Meinung nach trug er eine nicht zu leugnende Mitschuld an dem Schicksal, das ihrer Freundin zuteil geworden war. Warum sollte er nun mit einer anderen Frau glücklich werden, während Sonja …

Für Ann-Sofie hingegen brachte sie vollstes Verständnis auf. Nur zu gut konnte sie sich daran erinnern, wie es sich anfühlte, nach dem Tod der Mutter ständig zu Verwandten oder irgendwelchen Wildfremden abgeschoben zu werden. Kindermädchen, Internate – das alles hatte auch sie selbst durchmachen müssen, denn ihre Mutter war nach langer Krankheit gestorben, als sie gerade einmal sechs Jahre alt war. Bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem ihr Vater erkannte, dass sich mit ihr, Louisa, auch Geld verdienen ließ.

Denn genau das war es, was für Carl Sjoeberg wirklich im Leben zählte: Geld, Erfolg und Macht – und dass jeder in seiner Umgebung sich seinem Willen beugte. Das galt selbstverständlich besonders für seine Tochter, und Louisa hatte viele Jahre lang gehorcht, in der Hoffnung, auf diese Weise seine Zuneigung zu gewinnen.

Inzwischen wusste sie, dass das vergeblich gewesen war. Dennoch versuchte ihr Vater auch heute noch, sie zu manipulieren. In dem Brief, den er ihr über seinen Stellvertreter Niklas Värnolm hatte zustellen lassen, schwang eine kaum verhohlene Drohung mit: Wenn sie nicht tat, was er von ihr verlangte, würde sie die Konsequenzen zu tragen haben.

Aber darauf konnte er lange warten. Sie war nicht mehr das eingeschüchterte junge Ding von damals. Nicht mehr seit jenem Abend, an dem …

Mühsam schüttelte Louisa die Erinnerung ab, denn sie schmerzte auch nach all den Jahren noch. Stattdessen holte sie ihre Gedanken zurück in die Gegenwart. Sie seufzte. Es brach ihr das Herz, wenn sie daran dachte, dass es der kleinen Ann-Sofie womöglich eines Tages ganz ähnlich ergehen könnte wie ihr. Ein besonders liebevoller Vater schien Gunnar jedenfalls nicht zu sein, soweit Louisa das beurteilen konnte. Und diese Britt …

Wenn es irgendwie möglich war, wollte Louisa der Achtjährigen das Schicksal ersparen, das ihr selbst zuteil geworden war. Wie, das wusste sie allerdings selbst noch nicht.

Das Geräusch eines sich nähernden Autos riss sie aus ihren Gedanken. Da Lennart inzwischen seinen Wagen aus der Einfahrt gesetzt hatte, war der Weg nun frei für den BMW, der jetzt auf den Hof einfuhr.

Louisa fühlte sich, als hätte man einen Eimer Eiswasser über ihren Kopf ausgegossen. Obwohl sie durch die verspiegelte Frontscheibe den Fahrer nicht erkennen konnte, wusste sie doch gleich, um wen es sich handelte.

Nein, dachte sie, das kann nicht sein. Was hat er hier zu suchen?

Ein blonder junger Mann stieg aus und begrüßte die beiden Frauen mit einem knappen Nicken.

“Niklas!”, stieß Louisa entsetzt aus.

Louisa musterte ihr Gegenüber feindselig. Niklas Värnolm gehörte nicht gerade zu den Menschen, mit denen sie sich gern umgab. Und dafür zeichnete sich nicht allein der Umstand verantwortlich, dass er sozusagen die rechte Hand ihres Vaters war. Er war arrogant und selbstverliebt, und zu allem Überfluss von der fixen Idee besessen, eines Tages Louisa zur Frau zu nehmen und damit den Konzern ihres Vaters für sich zu sichern.

“Also? Was willst du?”, fragte sie. “Ich war der Ansicht, die Angelegenheit zwischen uns sei längst geregelt. Willst du nicht langsam damit aufhören, mir ständig nachzulaufen?”

Niklas lächelte kühl. “Liebste Louisa, du solltest wirklich lernen, dass sich nicht immer die ganze Welt nur um dich dreht. Auch wenn es dich jetzt vielleicht überrascht, aber ich bin nicht deinetwegen hier. Um ehrlich zu sein, ich wusste nicht einmal, dass du hier bist, sonst hätte ich meinen Besuch womöglich verschoben.”

“Und zu wem willst du dann?”, fragte Louisa noch immer misstrauisch.

In diesem Moment öffnete sich die Haustür, und Gunnar – frisch geduscht und leger mit Jeans und kurzärmeligem Hemd bekleidet – trat auf die schmale Veranda hinaus.

Als Niklas ihn erblickte, ließ er Louisa einfach stehen. “Sie müssen Gunnar Persson sein”, rief er und reichte ihm die Hand. “Mein Name ist Niklas Värnolm. Wir haben vergangene Woche miteinander telefoniert.”

Gunnar wirkte kurz überrascht, hatte sich aber schnell wieder im Griff. “Es freut mich, Sie persönlich kennenzulernen, Niklas. Aber hätte das nicht auch bis zu unserem Treffen morgen Zeit gehabt?”

“Genau deshalb bin ich hier”, entgegnete Niklas. “Carl bat mich, Ihnen mitzuteilen, dass er Ihren Termin leider verschieben musste.”

“Verschieben?” Louisa sah, wie Gunnar die Stirn runzelte. “Und auf wann?”

“Nun, ich nehme an, dass er sich bis zum Ende der Woche für Sie freimachen kann. Sobald ich in der Lage bin, Ihnen einen neuen Termin zu nennen, melde ich mich natürlich.” Er überreichte Gunnar einen Briefumschlag. “Das soll ich Ihnen von Carl geben, damit Sie sich schon einmal mit den Bedingungen für eine eventuelle Zusammenarbeit vertraut machen können.” Lächelnd nickte er Gunnar zum Abschied zu. “Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.”

Auf dem Weg zurück zu seinem Wagen blieb er bei Louisa stehen. “Ach, übrigens, da ich dich hier schon einmal treffe: Ich nehme doch an, ich darf Carl bezüglich seiner kleinen Bitte eine positive Antwort von dir überbringen?”

“Das darfst du ganz sicher nicht”, erwiderte Louisa energisch. “Richte ihm aus, dass ich keine Befehle mehr von ihm entgegennehme.”

“Weißt du eigentlich, dass es unheimlich sexy ist, wenn du wütend bist?” Niklas lachte kehlig auf, um Louisa im nächsten Moment an sich zu ziehen und ihr zu ihrer völligen Überraschung einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Dann ging er ganz ungerührt zu seinem Wagen, stieg ein und ließ den Motor an.

2. KAPITEL

Gunnar stand wie vom Donner gerührt da. Und das lag nicht allein an der Tatsache, dass sein Termin mit Carl Sjoeberg auf Ende der Woche verschoben worden war. Nein, der Grund war vielmehr, dass dieser Niklas Värnolm soeben die attraktive Tierärztin geküsst hatte, und das gefiel ihm ganz und gar nicht.

Du bist ja verrückt, ermahnte er sich selbst. Diese Frau ist eine Fremde für dich. Du hast sie gerade einmal vor knapp einer Stunde kennengelernt. Warum kümmert es dich also, von wem sie geküsst wird?

Eigentlich sollte es ihn wirklich nicht interessieren. Und dennoch – er musste zugeben, dass es ihm einen Stich versetzt hatte, diesen Niklas zusammen mit Louisa zu sehen. Sie war eine Schönheit, und er fühlte sich von ihr angezogen, so viel stand fest. Aber war es für Eifersucht nicht noch ein wenig zu früh?

“Nehmen Sie es nicht so schwer”, sagte Louisa, die seine Reaktion offenbar völlig falsch deutete. “Mein Vater lässt neue Geschäftspartner gern erst einmal eine Weile zappeln, ehe er sich dazu herablässt, sie mit seiner Gegenwart zu beehren.”

Gunnar schüttelte den Kopf. “Ich verstehe nicht.” Dann begriff er plötzlich. “Moment, wollen Sie damit sagen, Carl Sjoeberg ist …”

“Mein Vater”, vervollständigte Louisa mit finsterer Miene seinen Satz. “Übrigens gelingt es nicht einmal mir, einen Termin bei ihm zu ergattern. Was sagt man dazu …?”

Überrascht schüttelte Gunnar den Kopf. Damit hatte er nicht gerechnet. Carl Sjoeberg war also Louisas Vater? Aber jetzt wurde ihm auch klar, woher das Gefühl rührte, dass er sie von irgendwoher kannte: Louisa Sjoeberg war “das Gesicht” von Svenska Fashion, der Modefirma ihres Vaters gewesen, sowohl auf Laufstegen als auch in zahlreichen Hochglanzmagazinen. Und dann war es ganz plötzlich still um sie geworden. Gunnar konnte sich noch entfernt daran erinnern, dass es damals einen großen Skandal geben hatte, aber was …?

Warum interessierte ihn das eigentlich? Viel wichtiger war doch, dass mit einem Schlag seine gesamten Pläne durcheinandergeraten waren. Diese unerwartete Verzögerung gefiel ihm überhaupt nicht, bedeutete sie immerhin, dass er gezwungen war, länger aus Stockholm fortzubleiben, als ursprünglich beabsichtigt. Ganz davon abgesehen hing eine Menge davon ab, wie die Verhandlungen mit Carl Sjoeberg verliefen. Mit Unbehagen dachte Gunnar an das Gespräch mit dem Betreuer seiner Hausbank zurück, das er gerade erst vor ein paar Tagen geführt hatte.

Nur wenige Wochen zuvor hatte ihm die Bank einen weiteren Kredit für die Renovierung des ehemaligen Stammsitzes seiner Familie – dem Landschlösschen Majdal Slott – ohne Schwierigkeiten genehmigt. Kurz darauf kam es zu Problemen mit einem Kunden, in dessen Werbekampagne Gunnar eine große Summe investiert hatte. Das Honorar für seine Arbeit blieb aus, seine Auftraggeber ließen sich am Telefon verleugnen, und es tauchten erste Gerüchte auf, dass Johansson & Johansson kurz vor der Pleite stünde. Wie auch immer, Gunnar stürzte allein die Verzögerung der Zahlung in große Schwierigkeiten. Und ausgerechnet jetzt, wo er wirklich einmal die Hilfe seiner Bank benötigte, ließ man ihn im Stich.

Wie auch immer, es machte nur wenig Sinn, heute abzureisen, um dann gegen Ende der Woche wieder zurückzukommen. Da konnte er ebenso gut auch gleich hierbleiben.

“Entschuldigt bitte”, sagte er und steckte den Briefumschlag, den er von Niklas Värnolm bekommen hatte, in seine Hosentasche. “Ich muss ein paar Dinge mit meiner Sekretärin besprechen.”

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