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Highheels und heiße Küsse

hier erhältlich:

Ob spitz, mit Plateau oder perlenbestickt – Lily entwirft die tollsten Schuhe. Um das Geschäftliche kümmert sich der gut aussehende James. Bis jetzt waren sie nur Freunde, doch dann kündigt James auf einmal. Erst jetzt wird Lily klar, dass sie sich in ihn verliebt hat …


  • Erscheinungstag: 30.11.2023
  • Seitenanzahl: 123
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745753691
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Lily Reaves schlenderte durch die Tür ihres Büros in Manhattan und bewunderte immer noch ihre neuen Schuhe. Einzigartig, eben Lilys. Würden Prominente eines Tages den Namen Lily Reaves mit der gleichen Ehrfurcht aussprechen wie heute den von Manolo oder Prada?

Nun, vielleicht spielte sie noch nicht in der gleichen Liga, aber sie befand sich ganz definitiv auf dem Weg dahin. Sie, die auf einer Farm in der Nähe von Des Moines aufgewachsen war, hatte es geschafft, in New York ihren Weg zu machen. Manchmal verschlug ihr dieser Gedanke den Atem.

Sie betrachtete sich in dem vergoldeten Spiegel, der im Empfangsbereich hing. Die blassgelben Stilettos mit den pinkfarbenen Strass-Schmetterlingen würden einer der Höhepunkte ihrer Frühlingskollektion sein.

Als sie den Flur entlangging, vorbei an Bürotüren und ihrem Atelier, in dem sie ihre Entwürfe erstellte, sah sie, dass der Stuhl hinter dem schwarzen, halbrunden Empfangstisch leer war. Ein Blick auf die Uhr, eine Fünfdollaruhr von einem Straßenverkäufer aus der Sixth Avenue, bestätigte ihr, dass es beinahe Mittag war, und Garnet hatte sich noch nicht eingefunden. Lily schüttelte den Kopf. Dieses Mädchen kam nie pünktlich.

Lily stöckelte zum Büro ihres Office Managers. James Chamberlin saß hinter dem wie immer ordentlichen Mahagonischreibtisch und machte Notizen mit seinem Lieblingsstift, während er den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt hielt. Kein einziges seiner dunkelbraunen Haare lag nicht da, wo es liegen sollte. Er hatte zwar das Jackett ausgezogen, aber sein marineblauer Schlips und das weiße gebügelte Hemd saßen perfekt.

„Ich weiß, aber Sie müssen das ändern“, sagte er ins Handy. „Die Frühlingsschau hat oberste Priorität.“

Er deutete auf den Stuhl ihm gegenüber.

„Haben Sie das Organisationsmodell benutzt, das ich Ihnen letzte Woche geschickt habe?“ Er hob die Brauen. „Nun, vielleicht ist genau das das Problem.“

Seine dominante Stimme machte die meisten Menschen nervös. Lily hatte Glück gehabt. Er war der beste Manager, den man im ganzen Land finden konnte. Er hatte die Geschäftsinteressen von Oscar-Preisträgern und Spitzenmanagern wahrgenommen. Jetzt setzte er sich für ihre ein.

Darüber hinaus liebte und respektierte er seine Mutter. Ihr hatte Lily es zu verdanken, dass er seit neun Monaten ihr Geschäftsführer war. James’ Eltern waren preisgekrönte Schauspieler. Lily hatte sich eines ihrer Stücke angesehen und danach vor dem Bühneneingang gewartet, um ein Autogramm zu bekommen.

Sie und die lebenssprühende Fedora Chamberlin hatten sich auf Anhieb verstanden und waren Freundinnen geworden. Eines Tages hatte Lily beim Mittagessen erwähnt, wie schwer es ihr fiel, einen geeigneten Manager für ihr expandierendes Unternehmen zu finden. Und siehe da! Fedoras einziges Kind, James, war die Lösung für Lilys Problem.

Zur Freude seiner Mutter kündigte er den Job in L. A. und fing bei Lily an. Er war sehr professionell, besaß einen scharfen Verstand, war geduldig und hatte Verständnis für Lilys Stimmungsschwankungen und ihr mangelndes Organisationstalent. Ihm hatte sie es zu verdanken, dass Lily Reaves’ Schuhe zur Sensation geworden waren. In ein paar Wochen würden drei Top-Modedesigner ihre Schuhe in der Frühlingsschau präsentieren.

„Gut. Setzen Sie sich am Nachmittag wieder mit mir in Verbindung.“ James legte auf und sah Lily an. „Nun, wie ist es gelaufen?“

Sie erhob sich und stellte einen Fuß auf den Stuhl, damit er ihren Stiletto sehen konnte. „Großartig, nicht wahr?“

„Sehen verdammt unbequem aus.“

„Du sollst sie ja nicht tragen.“

Sie warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Er hatte ihr kein Kompliment gemacht. Dabei trug sie eine eng anliegende Bolero-Jacke und einen schmal geschnittenen Rock mit zu den Schuhen passenden Strass-Schmetterlingen. Einer der Designer hatte ihr das Outfit geschickt, nachdem sie seiner Schwester mehrere Paar Schuhe in Übergröße hatte zukommen lassen. In einer Stadt, in der Kleidung horrend teuer war, musste eine Frau sehen, dass sie Schnäppchen machte, wann immer sich ihr die Gelegenheit bot.

Jetzt glitt James’ Blick nach unten. Ihn interessierten weder ihre Haare, mit denen sie täglich kämpfte, noch ihre Kleider oder ihre Beine. Nein, er studierte ihre Schuhe, wobei seine grauen Augen vor lauter Konzentration schmal wurden. „Die handwerkliche Arbeit ist ausgezeichnet. Ich mag den Glanz des Leders. Das Design ist anständig.“

Überschwänglich war James nicht gerade. Aber, na schön, sie zahlte ihm sein Gehalt ja auch nicht für Komplimente. Lily ließ sich wieder in den Stuhl fallen, strich den Rock glatt und schlug die Beine übereinander. „Wo ist Garnet?“

„Beim Mittagessen.“

„Wie lange schon?“

Er blickte auf die Messinguhr an der Wand. „Zu lange. Wie immer.“

„Hast du ihre Füße angesehen?“

„Ja.“

„Wenn ich sie noch einmal dabei erwische, dass sie so ein Paar …“

James seufzte. Ihr strenger Ton schien ihn kein bisschen zu überzeugen. „Ich weiß … dann wirst du sie feuern.“

„Warum habe ich sie eigentlich überhaupt eingestellt?“

„Weil einer deiner wichtigsten Kunden das wollte, kein guter Grund.“

„Der Kunde hat mich darum gebeten.“ Gestern hatte sich Garnet mit einem Paar Schuhen davongeschlichen, die Lily für ein Schaufenster von Bloomingdale’s entworfen hatte. Sie seufzte. „Langsam beginne ich zu verstehen, warum.“

„Du wirst sie ja doch nicht feuern, Lily.“

„Doch, das werde ich.“

„Beweise es.“

Sie lächelte. „Willst du dich über mich lustig machen, James Chamberlin?“

Er hob die Hände. „Niemals würde ich das tun.“

Lily stützte das Kinn auf die Hände. Garnet hatte durchaus Potenzial. Sie brauchte nur etwas Anleitung. Und ein Ziel. Und Ehrgeiz. All diese Dinge hatte Lily gehabt, als sie in die Stadt gekommen war, trotzdem kämpfte sie noch heute manchmal um ihr Selbstvertrauen. „Garnets Vater hat mir einmal geholfen, als ich wirklich dringend Aufträge brauchte.“

„Ich weiß.“ James machte ein ausdrucksloses Gesicht.

„Bist du eigentlich nie jung und ziellos gewesen?“

„Nein.“

Lily betrachtete sein vollkommen ernstes Gesicht. Ja, das stimmte. James wusste nicht nur, wohin er wollte, er kannte auch immer mindestens drei Wege, um dorthin zu gelangen. Und er wusste, wie lange es dauern würde, Wetterbericht und Kilometerangabe inbegriffen.

Lily hatte einmal seinen Terminkalender gesehen. Dieser Anblick hatte sie in ihre Collegezeit zurückversetzt, als von ihr erwartet worden war, Essays mit diesen furchtbaren römischen Zahlen zu schreiben, mit Bibliografien und sogar Fußnoten. Sie überlief eine Gänsehaut bei diesen albtraumhaften Erinnerungen.

„Kannst du bitte noch einmal mit ihr sprechen, damit sie mir ausrichtet, wer angerufen hat?“, fragte er. „Sie hat keinerlei System. Manchmal schreibt sie es auf rosa Zettel, die sie mit Herzen bemalt. Manchmal mailt sie mir – obwohl sie meistens Dreher macht oder Zahlen vergisst. In seltenen Fällen schafft sie es sogar, mir eine Voicemail zu schicken. Meistens geht die allerdings an dich und nicht an mich.“

„Ich werde mit ihr reden“, erklärte Lily. Auch wenn Computer ihr im Grunde ein Rätsel waren – mailen war doch so etwas wie miteinander reden. Das verstand sie. „Hast du die Verträge für die Frühlingsschau bekommen?“

James hielt einen Stapel Papiere hoch. „Hier sind sie.“

Lily zögerte die Frage hinaus, die sie quälte, seit sie den Auftrag erhalten hatte. „Und? Da steht wirklich mein Name drin?“

Er schob ihr die Verträge zu. „Ja, natürlich.“

„Alles okay damit?“

„Ein paar Sätze müssen abgeändert werden. Aber sonst ist alles in Ordnung.“

Lily sah auf. Ihre Blicke trafen sich. „Habe ich dir schon gesagt, wie sehr ich deine Arbeit schätze?“

„Lily, das hast du dir selbst erarbeitet. Erinnerst du dich nicht?“

Sie schüttelte den Kopf. Sie war im Mittelfeld gedümpelt, bevor James bei ihr angefangen hatte. Ihr einziger Erfolg war vor zwei Jahren gewesen, als einer für den Oscar nominierte Schauspielerin beim Betreten des roten Teppichs ein Absatz gebrochen war und sie die Schuhe ihrer Assistentin angezogen hatte – ein Paar, das Lily entworfen hatte. In der Schuhindustrie war man daraufhin auf sie aufmerksam geworden, aber erst mit James’ Hilfe hatte sie das zu ihren Gunsten nutzen können.

Dieses Jahr hatte er Verbindungen zu den richtigen Leuten in L. A. hergestellt und eine Zusammenarbeit mit Hollywood-Stylisten arrangiert. Sie hatte danach Dutzende Paar Schuhe für Entertainer entworfen, die an der Oscar-Prämierung teilgenommen hatten.

„Ohne dich hätte ich das nie geschafft“, sagte sie.

Er lächelte. „Nun, ich bin eben der Beste …“

Sie blinzelte. James war die meiste Zeit über so ernst, dass sie kaum bemerkte, wie attraktiv er war. Erst wenn er lächelte, durchfuhr es sie. Nicht, dass er unattraktiv gewesen wäre, wenn er nicht lächelte. Nur war er es dann auf eine zugeknöpfte, konservative Art. Er war nicht ihr Typ. Aber das war auch gut so, da er ihr von Anfang an gezeigt hatte, dass ihre Beziehung rein beruflicher Natur war und sein sollte. Das war auch in ihrem Sinn. Lily brauchte einen Manager, der dafür sorgte, dass sie Termine einhielt, ihre Verträge und geschäftlichen Angelegenheiten überwachte, der den Überblick über ihre Finanzen behielt. Lover konnte sie alleine finden.

Obwohl dieser Bereich ihres Lebens eher mittelmäßig war. Entweder traf sie auf Typen, die eine passive Frau suchten, die zu Hause blieb und ein Dutzend Kinder aufzog. Oder Mistkerle auf der Suche nach einem One-Night-Stand.

„Aber nur, weil ich so viel Erfahrung habe“, beendete er seinen Satz. „Du brauchst mich gar nicht so sehr, wie du glaubst.“

„Oh doch, das tue ich.“

Er warf ihr einen seltsamen Blick zu.

„Hallooo …“

„Garnet ist wieder da.“

James sah Lily jetzt geradezu flehend an. „Meine Anrufe.“

Lily erhob sich und ging auf die Tür zu. Sie genoss es, auf den zehn Zentimeter hohen Schuhen zu gehen. Vielleicht würde sie diese Schuhe heute bei ihrem Date tragen. Sie liebte es, wenn ein Mann sie anstarrte. „Ich gehe schon.“

„Ich muss mit dir reden, bevor du heute ausgehst.“

Sie blieb in der Tür stehen. „Was veranlasst dich zu glauben, dass ich heute ausgehe? Ich könnte ja auch zu Hause bleiben, mit einem guten Buch und einem Beruhigungstee.“

„Richtig. Aber sogar ich gehe heute Abend aus.“

„Du gehst aus? Hast du ein Date?“

„Selbst ich habe gelegentlich ein Date.“

Lily erinnerte sich an die Brünette, die er vor nicht allzu langer Zeit zu einer Cocktailparty mitgebracht hatte. Die Frau war zurückhaltend gewesen und süß – wie war ihr Name doch gleich? Kate? Karly? Kelly.

„Wo geht ihr hin, Kelly und du?“

„Ich sehe Kelly nicht mehr. Es ist jemand Neues.“

„Oh.“ Sie winkte ihm zu. „Dann viel Spaß.“

Sie ging den Flur entlang und sah Garnet gerade um den Empfangstresen herumgehen.

„Sieh dir mal die fabelhafte Tasche an, die ich heute gekauft habe.“ Trotz ihrer Frustration musste Lily lächeln. Garnet hatte wirklich viel Sinn für Mode.

Die Tasche sah aus wie ein Pappkarton für chinesisches Essen, nur dass dieser Karton aus rotem und schwarzem Satin gemacht war.

„Sie ist großartig, Garnet, wo …?“ Sie brach ab, als sie das eingenähte Designerschild an der Unterseite der Tasche sah.

„Das ist eine Fabian LaRoche .“

Garnet nahm die Tasche wieder an sich und tanzte im Kreis herum. „Ich weiß. Ist sie nicht allerliebst?“

„Das ist eine Fünfhundertdollartasche. Das ist mehr, als du in einer Woche verdienst.“

Garnet winkte ab, stellte ihre Eroberung auf den Tisch und sah die Tasche so bewundernd an wie andere Menschen ein unbezahlbares Kunstobjekt. „Ich habe sie mit meiner Kreditkarte bezahlt. Daddy bekommt die Rechnung.“

Lily wollte ihrer Angestellten gerade erklären, dass sie für ihre Finanzen selbst verantwortlich war, da erinnerte sie sich daran, dass Garnet nicht des Geldes wegen arbeitete. Sie hielt damit nur ihren Vater hin, bis sie fünfundzwanzig Jahre alt war und die Kontrolle über ihr eigenes Vermögen erhielt.

Lily war in einem strengen Mittelklassehaushalt erzogen worden und hätte am liebsten über Garnets Kauf-Exzess geschimpft. Aber das war die Welt, in der sie jetzt lebte. Sie lächelte. Und leben durfte. Big Apple!

Lily entschied sich, das Thema zu wechseln. „Wir müssen reden. Über die Anrufe.“

Garnet verdrehte die Augen. „Schon wieder?“

„James hat Probleme.“

„Das ist nicht meine Schuld! Es ist dieser verdammte Computer.“ Garnet deutete auf den Monitor. Dann senkte sie die Stimme. „Er macht manchmal sonderbare Geräusche, dann kommt dieses Ausrufezeichen und dann Error .“ Sie erschauerte sichtlich.

Lily ebenfalls. Sie kannte das Bild. Sie sah auf den Monitor, auf dem im Moment ein Paar rote Schuhe herumtanzten, eine Schöpfung ihrer Freundin und Computerberaterin Gwen. Auch wenn sie mit Gwen nächtelang bei einem Glas ihres Lieblings-Chardonnays zusammensaß, mit ihr ins Kino ging oder stundenlang redete, teilte sie ganz sicher nicht deren Vorliebe für Technik.

„Hm“, sagte Lily und versuchte, kompetent zu wirken. „Das hört sich nicht gut an. Ich glaube, James würde es vorziehen, seine Nachrichten gemailt zu bekommen. Er mag keine rosa Zettel mit Herzen.“

Garnet schob sich ein Kaugummi in den Mund. „Er könnte ruhig ein wenig lockerer sein, findest du nicht?“

„Schon. Aber er führt die Geschäfte.“

„Und du bist die Chefin, nicht wahr? Ich meine, ich mag James.“ Garnet ließ eine Kaugummiblase platzen. „Frauen sollten zusammenhalten, findest du nicht? Ich meine, du musst doch verstehen, dass … du bist doch eine totale Feministin, oder … oh, hey … coole Schuhe!“ Sie beugte sich vor, damit sie die gelben Stilettos besser sehen konnte. „Wow, die sind einfach großartig! Wie heißen sie?“

„Misty.“

„Super. Wann kommen sie in die Läden?“

„Jeden Augenblick. Dies ist das erste Paar aus der Produktion.“

„Du behältst immer das erste Paar, nicht wahr? Das ist unglaublich. Ein Mann würde so etwas nie machen. Ich frage mich, warum Männer überhaupt Schuhe für Frauen entwerfen?“

So war es immer bei Gesprächen mit Garnet. Lily wurde meist so schwindelig, dass sie vergaß, warum sie mit ihr hatte reden wollen. Sie war sich nicht sicher, ob das daran lag, dass Garnets Gehirn besser funktionierte oder bloß unfähig war, länger als fünfundvierzig Sekunden bei einem Thema zu bleiben.

„Ich finde deine Philosophie wirklich toll“, fuhr Garnet im mentalen Zickzacklauf fort. „Viele Dates, aber mit niemanden wirklich zusammen sein.“

Lily war nicht gerade wohl dabei, dass eine Einundzwanzigjährige sie als Vorbild nahm. Obwohl Garnet und sie nur sieben Jahre auseinander waren, schienen sie Jahrzehnte zu trennen. Garnet und ihre Freundinnen stürzten sich für Lilys Geschmack zu schnell in irgendwelche Beziehungen. Das mochte zwar altmodisch klingen, aber so empfand Lily nun einmal. „Ja, ich gehe viel aus. Nur schlafe ich nicht mit jedem Mann, mit dem ich mich treffe.“

Garnet winkte ab. „Klar. Viele von diesen Ratten da draußen sind nur darauf aus. Was hältst du von Blowjobs?“

Lily schluckte. „Ich, äh …“

War das nicht ein Gespräch, das ein Mädchen besser mit seiner Mutter führen sollte? Lily war ganz sicher nicht die richtige Ansprechpartnerin für so ein heikles Thema. Hör auf, dich anzustellen. Mit ihren Freundinnen sprach sie natürlich ganz offen über Sex.

Neugierig sah Garnet sie an.

„Man sollte ein wenig vorsichtig sein mit sexuellen Handlungen“, bemerkte Lily.

Garnet schürzte die Lippen. „Gute Einstellung. Also wegen der Anrufe … ich werde sie ihm mailen, wenn er sich diesen Computer und diese seltsamen Ausrufezeichen ansieht.“

Lily drehte sich immer noch der Kopf. „Warum hast du ihn nicht einfach gefragt?“

Garnet sah sich um, dann flüsterte sie: „Sag es bitte niemandem, aber ich finde ihn manchmal irgendwie einschüchternd.“

Lily konnte das nachempfinden. Sie und Garnet redeten gern. James nicht. Sie dachte sich, dass Garnet wahrscheinlich genauso empfand wie sie, ruhige Menschen machten sie nervös. Wenn es still war, fühlte sie sich verpflichtet, irgendetwas zu sagen, um das Schweigen zu brechen. „Okay, ich werde sehen, was sich tun lässt.“

„Hilfst du mir mit dem Computer?“

„Lass uns mit der Voicemail anfangen. Ich bin die 1, James die 2. Wenn du einen Anruf an James weiterleiten willst, musst du diesen Knopf hier drücken.“

„Und wenn ich einen Anruf an dich weiterleiten soll?“

Das kam kaum vor, denn Lily hatte die meisten Leute gebeten, sie auf dem Handy anzurufen. „Wie wäre es, wenn wir farbige Punkte auf die Knöpfe kleben? Blau für James, Pink für mich.“

Garnet strahlte. „Das wäre super.“

Gesagt, getan! Jetzt konnte Lily nur noch beten, dass Garnet es schaffte. Sie konnte es sich nicht leisten, James zu verlieren.

„Jetzt sehen wir uns das Mailprogramm an.“ Lily beäugte misstrauisch den Computer. Dann öffnete sie das Programm. Die tanzenden Schuhe verschwanden, und nach einer Weile tauchte das Ausrufezeichen auf. „Mist.“

„Siehst du.“

Lily verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Lass uns …“ Sie machte sich auf den Weg. „Nichts mehr anrühren. Ich werde es … James sagen.“

„Lieber du als ich.“

Lily sah noch, wie ihre Empfangsdame eine Feile aus der Tasche kramte und anfing, sich die Nägel zu machen. Lily schaute kurz bei James rein, erklärte ihm das Problem und eilte in ihren Arbeitsraum. Es gab noch einige Entwürfe, die sie überarbeiten musste.

Die nächsten Stunden verbrachte Lily über einigen Zeichnungen, die sie für die Frühlingsschau gemacht hatte. Eine Designerin wollte ein leuchtendes Orange, ein Farbton, der Lily gefiel. Also würde sie orangefarbene Punkte, Streifen und Lederriemchen fertigen lassen sowie Logos des Designs in Orange. Sobald sie mit ihrem Werk zufrieden war und es abgezeichnet hatte, reckte sie die Arme über den Kopf. Sie musste sich auf ein lauwarmes Date vorbereiten.

Lily mochte Brian Thurmond, aber er war für sie mehr ein netter Kollege als ein potenzieller Lover. Der Kontakt hatte sich auf einer Modenschau vor zwei Wochen ergeben. Sie verstand Brians brennenden Ehrgeiz. Verbindungen waren in der Modebranche lebenswichtig. Trotzdem spürte Lily für den heutigen Abend nicht viel Begeisterung. Beim letzten Date hatte Brian sie vor allem dazu bewegen wollen, ihn in die Frühlingsschau zu bringen.

Lily ging den Flur entlang und öffnete die Tür zu ihrem privaten Apartment. Sie hatte eine wunderschöne Location im zwanzigsten Stock gemietet und sie in zwei Bereiche unterteilt, in Büro und Wohnung. Die Adresse konnte sich sehen lassen, und es gab noch weitere Annehmlichkeiten. Einen kleines Fitnessbereich, einen Portier und einen Concierge. Sogar James war von dem Haus beeindruckt gewesen und hatte selber dort ein Apartment im sechzehnten Stock gemietet.

Lily betrat den Flur, der in Pflaumenblau und Gold gehalten war. Die Sonne ging gerade unter, und die Lichter Manhattans blinkten wie unzählige Glühwürmchen. Bald würden die Frauen den Businesslook gegen Glamourkleider und Abendtaschen eintauschen. Nightclubs und Bars würden zum Leben erwachen.

Ein Glücksgefühl durchströmte Lily. Ihr Leben war wirklich wunderbar. Sie musste nicht mehr jeden Tag zwei Stunden in einem Vorortzug sitzen. Sie musste sich nicht mal mehr extra anziehen, wenn sie mitten in der Nacht eine Inspiration überkam. Sie hatte großartige Freunde, einen tollen Beruf und auf finanzieller und kreativer Ebene erreicht, wovon die meisten nur träumten.

Wenn sie ab und zu das Gefühl überkam, dass etwas in ihrem Leben fehlte, dann begann sie einfach mit einem neuen Projekt, fand einen neuen Freund, kaufte sich etwas Hübsches oder ging auf eine Party. Sie hatte von diesem Leben geträumt, seitdem sie fünf Jahre alt gewesen war und ihre Großmutter sie auf eine Reise in diese Stadt mitgenommen hatte. Sie hatten sich ein Theaterstück am Broadway angesehen, hatten die Freiheitsstatue, das Empire State Building und den ganzen Rest bewundert. Das waren die schönsten Tage in Lilys Leben gewesen. Sie war mit einer Glaskugel nach Hause gekommen, in der die Freiheitsstatue zu sehen war. Jeden Abend hatte sie sich im Bett nach dem Tag gesehnt, an dem sie endlich eine New Yorkerin werden würde.

Lily schüttelte ein leichtes Gefühl der Leere ab und ging in ihr Schlafzimmer, das in sanften Creme- und Goldtönen gestaltet war. Ihr Lieblingsmöbel war das Himmelbett aus Kirschholz. Ein Innenarchitekt hatte ihr dabei geholfen, die edle Decke und jede Menge Kissen verschiedener Größen und Formen auszusuchen. Am Himmel und an den Seiten des Bettes hing weißer Stoff.

In der nächsten Stunde widmete Lily sich ihrer Lieblingsbeschäftigung. Sie war so ein Make-up-Junkie, dass sie normalerweise mehrere Looks ausprobierte, bevor sie sich für einen entschied. Dann stöberte sie ihren begehbaren, handgefertigten Kleiderschrank durch, in dem sich auch ein drehbarer Schuhständer befand. Lily benötigte etwas, das sexy, aber nicht zu auffällig war.

Da Brian vermutlich mehr an ihren Kontakten interessiert war als an ihren Beinen, sollte sie sich dementsprechend anziehen. Schließlich entschied sie sich für eine enge, schwarze Hose mit einem silbernen Satinhemdchen, das unter der Jacke hervorblitzte. Dazu passend wählte sie ein Paar silberne Sandalen mit hohen Absätzen. Wenn sie später tanzen gingen, würde sie höllische Schmerzen haben, aber die Schuhe sahen einfach prachtvoll aus. Lily steckte ihr schulterlanges dunkles Haar locker auf und ging in die Küche.

Es klopfte.

Sie war gerade dabei, Parmesan auf einem Stück Pizza zu verstreuen. „Ja?“

„James.“

Verdammt. Sie hatte ganz vergessen, dass er sie hatte sprechen wollen.

Schnell biss sie einmal von der Pizza ab und murmelte: „Bin gleich da.“ Dann öffnete sie die Tür. Sein Gesichtsausdruck war ernst. Sehr ernst. Selbst für seine Person. „Komm rein.“

Er zögerte und sah sich unsicher um. „Bist du allein?“

„Ja. Ich mache mich gerade fertig. Sorry, ich habe vergessen, bei dir reinzuschauen.“

Er zögerte immer noch. Natürlich war er schon oft in ihrem Apartment gewesen, aber irgendwie hatte er immer ein wenig fehl am Platze gewirkt.

Lily zog ihn herein. „Komm schon. Ich wollte mir gerade einen Wein eingießen.“ Sie ging in die Küche, er folgte ihr. „Was war mit dem Computer von Garnet los?“

„Die CAT5-Kabelverbindung war lose. Ich habs repariert.“

Sie blinzelte. Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach. „Okay.“

Er setzte sich auf einen der Hocker, und sie goss den Chardonnay ein.

„Was ist los?“, fragte sie. „Du siehst so ernst aus. Gibt es Probleme mit der Frühlingsschau?“

Er nahm einen großen Schluck. „Nein.“

Wieder dieser ernste Ton. Lily biss erneut in das Stück Pizza. „Hast du Hunger?“

„Pizza?“

Sie grinste. „Passt gut zu Chardonnay.“

Nach einem weiteren Schluck Wein faltete er die Hände auf dem Tresen. „Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, also falle ich am besten einfach mit der Tür ins Haus.“

Ihr zog sich der Magen zusammen. Irgendetwas stimmte nicht. Hatte sich die Auftragslage verschlechtert? Vielleicht hatte Bloomingdale’s den Auftrag zurückgezogen. „Okay.“

Er sah ihr in die Augen. „Ich kündige.“

„Was?“

„Ich werde noch die vertraglich vereinbarten drei Monate arbeiten, dann …“

„Du willst gehen?“

2. KAPITEL

Lily wurde schwindelig. Sie hielt sich am Tresen fest. Er konnte doch nicht, würde doch nicht …

„Ich weiß, das ist ein Schock für dich“, sagte er sanft. „Ich wollte mich schon im vergangenen Jahr vom Geschäft zurückziehen, zu der Zeit, als du mit deinem Jobangebot kamst. Aber deine Firma war eine derart spannende Herausforderung, dass ich nicht widerstehen konnte.“

Lilys Mutter sagte über sie, sie sei eine geborene Diva. Lily spürte, dass sie kurz vor einem Anfall stand. „Alte Menschen setzen sich zur Ruhe! Du bist aber erst …“

„Zweiunddreißig. Ich habe ein Vermögen verdient und will weg aus der Stadt, weg von der Hektik und dem ganzen Stress. Ich werde nach Connecticut gehen und ein Café aufmachen.“

„Connecticut!“ Sie lief aufgeregt auf und ab. „Was ist so toll an Connecticut?“

„Dort ist es ruhig und erholsam. Ich habe bereits eine Farm gekauft.“

Lily blieb stehen. „Du hast eine Farm gekauft? Mit Kühen und Hühnern?“

Er lächelte. „Tiere gibt es dort noch nicht, Ställe sind allerdings da, also werde ich vermutlich Pferde kaufen. Oder vielleicht Hunde züchten. Cockerspaniels oder Labradore.“

Sie versuchte sich vorzustellen, wie James mit einer Horde Cockerspaniel-Welpen herumtobte. Nein. Das konnte sie sich einfach nicht vorstellen.

Lily hatte mehr als die Hälfte ihres Lebens auf einer Farm verbracht. Ihr Vater hatte Mais angebaut. Das war harte und zumeist undankbare Arbeit. Diese Abhängigkeit vom Wetter. Hühner stanken. Kühe gerieten bei Sturm in Panik und mussten in den Stall getrieben werden, damit sie nicht vom Blitz getroffen wurden. James als Großstädter hatte ja absolut keine Ahnung, was da auf ihn zukam.

Lily war kurz davor, in Panik zu verfallen. Ihm verdankte sie, dass sie sich auf dem Gipfel ihrer Kreativität befand. Sie musste sich nie ums Geschäftliche kümmern. Sie wusste, er tat es. Er war lebenswichtig für ihre Firma, für ihr Leben. „James, das geht nicht. Ich brauche dich.“

„Du wirst es schon schaffen. Früher hast du es auch ohne mich geschafft.“

Sie schüttelte den Kopf. Sie hätte ihn am liebsten gepackt und geschüttelt, damit er blieb. „Das ist nicht wahr. Es war das reinste Chaos. Bevor du kamst, habe ich zwei Manager angestellt und gekündigt. In nur vier Monaten.“

„Ich helfe dir, jemanden zu finden, der zuverlässig ist und dich versteht.“

Sie wusste, dass sie sich idiotisch verhielt, aber das war ihr egal. Sie schob die Unterlippe vor. „Ich will aber dich.“

James betrachtete sie weich. „Du brauchst mich nicht wirklich.“

„Doch, ich …“

„Ich muss gehen, Lily.“ James erhob sich und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann ging er zum Fenster. „Ich habe Pläne für mein Leben. Ein Leben, in dem ich nicht mehr verwöhnte Stars und außer Kontrolle geratene Divas manage.“ Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. „Nimm es nicht persönlich bitte.“

Sie zerdrückte beinahe den Stiel ihres Weinglases. „Danke.“

Er sah aus dem Fenster. Es war jetzt vollkommen dunkel. Die Gebäude waren nur noch in Umrissen erkennbar. Millionen kleine Lichter funkelten. Taxis und Limousinen fuhren langsam durch die Straßen, Bürogebäude hoben sich von den Silhouetten der Hochhäuser ab, Scharen von Fußgängern kreuzten die Straßen.

„Ich wollte immer kochen lernen“, sagte er leise. „Stattdessen habe ich die verrückten Karrieren meiner Eltern gemanagt, später die ihrer Freunde. Ich hatte Erfolg und betreute jeweils nur noch einen Kunden. Ich bin gut bezahlt worden. Ich habe diesen komplizierten Mix von Geschäftsinteressen genossen. Selbst das Leben in L. A. brachte eine Zeit lang Spaß. Aber ich habe andere Träume. Ich will ein anderes Leben.“

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