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Inselträume voller Sehnsucht: Sehnsucht liegt in deinem Blick

Wie schwer fällt es der schönen Nanny Jeannie Ross, sich nicht zu verraten! Sie liebt die kleine Daisy wirklich sehr. Aber eben auch den Mann, der sie ihr anvertraut hat, den attraktiven Werbemanager Hunter Phillips. Doch ihr Traum von einer Familie ist nicht seiner …...


  • Erscheinungstag: 10.10.2014
  • Seitenanzahl: 120
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956493652
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Barbara Bretton

Inselträume voller Sehnsucht: Sehnsucht liegt in deinem Blick

Aus dem Amerikanischen von Ursula Maria Röder

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgabe:

Daddy’s Girl

Copyright © 1992 by Barbara Bretton

erschienen bei: Harlequin Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Maya Gause

Titelabbildung: Getty Images, München

ISBN 978-3-95649-365-2

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

PROLOG

Hunter Phillips hatte einen Sturzflug über der Wüste Arizonas gemacht, sich hungrigen Haien an der mexikanischen Küste gegenübergesehen und war abseits der Pisten in Klosters Ski gefahren, aber solche Angst hatte er noch nie gehabt.

Seit drei Wochen hangelte er sich mit nachbarschaftlichen Ratschlägen, Ambulanzbesuchen und entsprechenden Videobändern durch. Jetzt war er jedoch aufgeschmissen.

“Wein doch nicht”, sagte er zu dem schreienden Säugling in seinen Armen. “Es gibt keinen Grund zum Weinen.”

Die Kleine war trocken. Sie war satt. Sie war warm verpackt. So weit, so gut.

“Komm, Daisy”, sagte er und begann, mit ihr auf und ab zu gehen. “Ich habe genauso wenig Erfahrung wie du. Gib mir wenigstens irgendeinen Hinweis … einen Tipp.”

Daisy verzog ihr winziges Gesicht und schrie noch lauter.

“Ich bin beeindruckt”, sagte er und zuckte zusammen. Sie hatte unglaublich kräftige Lungen. Ihm wäre jedoch ein klarer Satz lieber gewesen. Oder ein halber. Ein Wort hätte ihm schon gereicht, wenn er dann gewusst hätte, womit er die Kleine beruhigen konnte.

Hunter war nie damit fertig geworden, wenn weibliche Wesen weinten. Wenn dieses weibliche Wesen dazu noch blond und blauäugig war und kaum über sechs Pfund wog, wurde die Angelegenheit richtig nervenaufreibend.

Als er Daisy das erste Mal im Arm gehalten hatte, war er sich plump und ungeschickt vorgekommen, wie ein Bär, der versucht, einen Schmetterling in seinen Tatzen zu halten. Seine Muskeln verspannten sich jedes Mal, wenn er sie hochnahm, aber wenigstens schaffte er es jetzt, ohne das Gefühl zu bekommen, sie könnte ihm entgleiten.

Aber dieses Schreien war etwas anderes. Es klang so, als trüge sie die Sorgen der ganzen Welt auf ihren kleinen Schultern. Gleichgültig wie sehr er sich auch bemühte, er konnte nicht verstehen, was sie wollte.

“Mir gefällt das alles nicht besser als dir, Daisy”, sagte er zu dem Säugling. Er war nicht als Vater geeignet. Es hatte auch nicht so kommen sollen. Er hatte sich sein Leben eingerichtet, sich um sich gekümmert und … wumms! Plötzlich war sie da, ein kleiner Mensch, ganz allein auf der Welt und vollkommen auf ihn angewiesen.

Daisy hatte etwas Besseres verdient. Sie hätte in eine richtige Familie gehört, zu Eltern, die sie liebten und umsorgen wollten. Auf jeden Fall hatte sie keinen zielstrebigen Werbefachmann verdient, der nur stehen bleiben und an Rosen riechen würde, wenn er daraus einen sechzig Sekunden langen Werbespot fürs Fernsehen entwickeln konnte.

Er legte seinen Handrücken gegen ihre Stirn. Ihre Temperatur erschien ihm normal, aber wie sollte er das beurteilen? Es war erst zwei Uhr nachmittags. Der Kinderarzt würde noch in seiner Praxis sein. Vielleicht sollte er sich ein Taxi kommen lassen und mit Daisy zum Arzt fahren.

“Na gut, Daisy”, entschied er und wickelte sie in eine Decke, um sie vor der kühlen Luft Ende September zu schützen. “Wenn du mir nicht sagen willst, was du hast, sagst du es vielleicht dem Doktor.” Das sollte sie lieber machen und zwar schnell, denn Hunter war mit seinen Nerven wahrlich am Ende. Nichts und niemand hatten ihn jemals so hilflos gemacht wie Daisys Schreien.

Das Taxi wartete bereits unten am Straßenrand auf ihn. Eine schlanke, schwarzhaarige Frau um die fünfzig beugte sich herüber, um ihm die Tür zu öffnen.

“Vierundfünfzigste und Dritte”, sagte er und schnallte Daisy in dem Kindersitz an, den er mit heruntergeschleppt hatte. Daisys Geschrei klang in dem engen Wagen noch lauter.

“Die arme Kleine”, sagte die Fahrerin und reihte sich in den fließenden Verkehr ein. “Ist sie krank?”

Hunter zuckte mit den Schultern. “Ich weiß es nicht. Sie weint schon seit zwei Stunden so. Irgendetwas muss sie haben.”

“Sie ist ein Baby”, meinte die Frau schmunzelnd. “Liegt wohl daran.”

“Niemand würde so schreien, wenn er nichts hätte.”

“Vielleicht wollte sie nur eine Runde durch die Stadt drehen.”

Hunter schnaubte. “Das wäre ja noch schöner”, brummte er.

Die Taxifahrerin lachte leise. “Sie weint nicht mehr, oder?”

Er richtete sich auf und starrte Daisy an. “Sie haben recht. Sie hat sich beruhigt.” Nicht nur das, ihr fielen sogar die Augen zu.

“Passiert immer wieder”, tröstete die Frau. “Ich habe selbst drei von der Sorte großgezogen, und ich kann Ihnen nicht sagen, was Eltern gemacht haben, ehe das Auto erfunden wurde.” Sie hielt an. Die Ampel zeigte Rot. “Wollen Sie immer noch zur Dritten und Vierundfünfzigsten?”

“Nein”, sagte er. “Fahren Sie einfach ein bisschen herum.”

Sie lächelte ihn im Rückspiegel an. “Sie sind ein kluger Mann.”

Nein, dachte er, als sie zum Riverside Drive hinunterfuhren. Ein kluger Mann hätte sich das alles gar nicht erst aufgehalst.

1. KAPITEL

“Wo ist das Kind?”, schrie der Regisseur, ein Neurotiker höchsten Grades mit vierfachem Magengeschwür. “Das Model kann ohne das Kind nicht arbeiten.”

Hunter Phillips konnte sich lebhaft vorstellen, was Custer am Little Big Horn gefühlt haben musste. “Wo ist das Kind?”, erkundigte er sich bei der Produktionsassistentin, die ihm am nächsten stand. “Das ist eine Werbung für Windeln. Die kann man nicht ohne Kind machen.”

Die Augen der Assistentin weiteten sich. Sie musterte Hunter überrascht. “Ich dachte, das wäre das Kind.”

“Das ist mein Kind”, antwortete er und hob die acht Monate alte Daisy von seiner linken Schulter auf die rechte. “Wo ist das Berufsmodel?”

Die Assistentin drückte ihr Klemmbrett an sich und holte tief Luft. “Weiß ich nicht.”

“Was ist nun, Phillips?” Der Regisseur sah aus, als würde ihm gerade das fünfte Magengeschwür wachsen. “Zeit ist Geld.”

Das hat man denen in Yale beigebracht? dachte Hunter. “Denise sieht mal nach. Sie wissen doch, wie das mit dem Verkehr so ist. Wahrscheinlich stecken sie irgendwo im Midtown Tunnel fest.”

Der Produzent warf einen interessierten Blick auf Daisy. “Was ist mit ihr?”

Daisy wählte genau den Moment, um Apfelsaft auf Hunters letzte gute Armani-Jacke zu spucken. Alles hatte ein Ende …

“Vergessen Sie, dass ich etwas gesagt habe”, brummte der Produzent. “Wir brauchen ein Berufsmodel.”

“Genau, verdammt!”, fluchte Hunter. Nie würde er zulassen, dass Daisy in dieses Affentheater hineingezogen würde, nur weil irgendwer irgendwo Mist gebaut hatte. Amanda Bennett, das beste Babymodel im Land, war für die Rolle engagiert worden. Bloß Amanda war nirgends zu sehen, und man konnte nun mal schlecht einen dreißig Sekunden Werbespot für umweltfreundliche Wegwerfwindeln ohne die Hauptperson, die sie tragen sollte, drehen.

Die junge Produktionsassistentin legte den Hörer des Wandtelefons auf und drehte sich zu den versammelten Angestellten von Crosse, Venner und Saldana, einer bekannten Werbeagentur, um. “Die Mutter hat ihre Meinung geändert”, sagte sie mit Tränen in den Augen. “Sie hat einen Exklusivvertrag mit Pampers unterschrieben. Pech für uns.”

Alle Blicke richteten sich auf Hunter und Daisy. “Vergessen Sie es!”, wandte er sofort ein. “Sie ist kamerascheu.”

“Das ist Schicksal”, erwiderte der Regisseur. “Karma. Sie müssen sie uns testen lassen. Wenn wir dem Alten bis fünf nichts liefern, rollen sämtliche Köpfe.”

Mit anderen Worten, er sollte das geringere der beiden Übel wählen. Daisy war vergangene Nacht sechsmal aufgewacht, und Hunter hatte kaum mehr als eine Stunde Schlaf gehabt. Das mochte ihm mit zweiundzwanzig gereicht haben, aber mit vierunddreißig war es nicht einmal annähernd genug. Es war erst zehn Uhr morgens, und er fühlte sich schon gerädert.

“Lasst mir ein paar Minuten Zeit”, sagte er und ging zur Tür. “Ich hole mein Adressbuch und sehe nach, was ich tun kann.” Er war nicht bereit, ihnen seine Tochter so einfach auszuliefern.

Er stieß die Schwingtür auf, trat in den Flur hinaus und stand direkt vor einer blendend aussehenden Frau. Das Fotomodel lehnte an einer Leiter, rauchte lässig eine Zigarette und hatte den Blick wie einen Laserstrahl auf ihn gerichtet. Sie war eine jener großen, schlanken Blondinen, die davon lebten, dass sie anderen Menschen Sachen verkauften, die diese nicht wollten. Es hatte mal eine Zeit gegeben – als er noch Liebeskraft besessen hatte –, da hätte eine Frau wie sie ihn magisch angezogen.

Hunter grinste. Die Schöne erwiderte huldvoll sein Lächeln. Es war schon länger her, dass er mit irgendjemand geflirtet hatte. Frisch gebackene Väter fanden nicht viel Zeit zum Flirten.

“Hallo!”, sagte sie.

“Hallo”, antwortete er und bemühte sich um einen Ton, der leicht an Rambo erinnern sollte.

“Sie sind ganz nass.”

“Wie bitte?” Er hatte eine Reihe verrückter Annäherungsversuche erlebt, aber das war schon einmalig.

Sie ließ ihren Blick tiefer gleiten und wandte sich dann ab. “Ihre Hose. Sie sind ganz nass.”

Er stöhnte. Die Bilder eines romantischen Erlebnisses zerplatzten wie eine Seifenblase. Daisy sabberte glücklich und zog mit ihren patschnassen Fingern an seinem Ohr. Das Fotomodel kehrte ins Studio zurück und ließ ihn mit Ei im Gesicht, Apfelsaft auf seiner Schulter und dem üblichen Nass auf der Hose stehen. Es gab nichts Besseres als eine triefende Windel, um einen Mann auf den Boden der Wirklichkeit zurückzuholen.

“Danke, Daisy”, brummte er und sah das rosige, hellhaarige Baby mit den blauen Augen betrübt an. “Du hast wohl etwas gegen langbeinige Blondinen, was?”

“Sie war nicht Ihr Typ.”

Er blinzelte. Bisher hatte Daisy noch kein Wort gesagt. Das wäre ein schrecklicher Anfang.

“Hier oben”, meldete sich eine leise weibliche Stimme. “Auf der Leiter.”

Er schaute hoch und sah eine kleine Gestalt in schwarzen Leggings und einem knallroten Pullover. Ein weißes T-Shirt lugte aus dem V-förmigen Ausschnitt hervor, und große glänzende Goldreifen hingen an ihren Ohren. Sie hockte auf der obersten Sprosse der Leiter.

“Vergessen Sie die Fotomodeltypen”, sagte sie vergnügt und schüttelte ihr kurzes, schwarzes glattes Haar nach hinten. “Sie wissen nie, was man im Notfall macht.”

“Ich nehme an, Sie wissen es aber?”

“Soda. Es kann Wunder wirken.”

“Ich werde daran denken.”

“An Ihrer Stelle würde ich nicht zu lange warten. Wenn die Flecken erst einmal getrocknet sind, kann man nichts mehr machen.”

“Wissen Sie, ich weiß guten Rat zu schätzen”, entgegnete er und wurde ein wenig ungeduldig. “Nur im Moment habe ich wichtigere Dinge im Kopf, als Flecken auszuwaschen.”

“Ich weiß”, erwiderte sie trocken. “Sie sah gut aus, aber sie ist nach drinnen gegangen.”

“Vergessen Sie Marcy”, meinte er. “Ich suche jemand Jüngeres.”

“Seien Sie vorsichtig”, riet sie ihm über die Schulter und stieg von der Leiter herunter. “Damit könnten Sie rasch in Schwierigkeiten geraten.”

“Ein Baby”, erklärte er ihr und hob Daisy wieder auf die andere Schulter. “Sie wissen nicht zufällig, wo ich eines finden kann, oder?”

“Also ist es doch wahr”, sagte sie und schaute ihn an. Sie hatte genauso blaue Augen wie Daisy. “Ich habe so ein Gerücht gehört, Amanda sei zur Konkurrenz übergelaufen.”

“Hat ihre Trainingshosen genommen und ist auf und davon.” Er warf ihr einen zweiten Blick zu. “Sind Sie von Fancy Pants Windeln?”

“Ich bin die Kinderbetreuerin.”

Seine Augen weiteten sich. “Ach ja?”

“Ich entlocke den Kleinen das entzückende Lächeln vor der Kamera.”

“Sie vollbringen solch ein Wunder”, meinte er und schmunzelte. “Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?”

“Hatte nicht viel Sinn”, antwortete sie in ihrer leisen Art. “Ohne das Baby bin ich nichts.”

“Mir geht es genauso. Wenn ich nicht rasch für Ersatz sorge, kann ich Steine klopfen gehen.”

Sie kam näher, und er nahm den Duft nach frischen Blumen wahr, der von ihr ausging, als sie nach Daisys kleiner Hand griff. “Sie ist hübsch.” Sie sah ihn an. “Ich glaube, sie könnte es wie von selbst.”

“Kommt nicht infrage!”, wehrte er ab. “Suchen Sie sich ein anderes Baby.”

“Hören Sie, Mr …” Sie hielt inne.

“Hunter.”

“Hören Sie, Mr Hunter, ich …”

“Hunter ist mein Vorname.”

Daisy produzierte kleine Bläschen mit ihren Lippen. Hunter und die Frau lachten auf.

“Jeannie Ross.” Sie reichte ihm die Hand. Ihr Griff war fest und ihre Hand zierlich.

“Hunter Phillips.”

“Ich habe keinen Vorteil davon, Hunter. Ich bekomme mein Geld, ob wir drehen oder nicht.”

Daisy streckte ihre kleinen Arme nach Jeannie aus.

“Was ist denn das?”, wollte Hunter wissen. “Eine Verschwörung?”

“Darf ich?” Jeannie griff nach Daisy, und die Kleine ließ sich gern von ihr auf den Arm nehmen. “Sie ist so hübsch.”

Hunter bemerkte sofort, wie geübt Jeannie Daisy auf dem Arm hielt und den seligen Blick seiner Tochter, als sie mit ihren Patschhändchen an den glänzenden Ohrringen zupfte.

“Ich möchte mein Kind nicht ins Showgeschäft lassen.”

“Aus einem Drehtag ist noch keine Karriere geworden”, erwiderte Jeannie Ross. “Was bleibt Ihnen denn anderes übrig? Wenn Sie nicht bald jemanden finden, ist für Sie Feierabend. Sie sagten es eben selbst.”

Er zuckte zusammen. “Sind Sie immer so offen?”

Ihr Lächeln schwächte ihre Worte ab. “Ich habe gelernt. Es spart Zeit.”

“Eine Stunde”, sagte er. “Wenn sie den Streifen nicht in sechzig Minuten fertig haben, ist sie wieder draußen.”

“Einverstanden.” Sie musterte Hunter und schüttelte den Kopf. “Jetzt beruhigen Sie sich, ja? Ich verspreche Ihnen, es wird ihr gefallen. Ich sorge dafür.”

Es war das übliche Gedränge.

Hunter hatte nie besonders darauf geachtet, aber heute kam es ihm so vor, als hätte er nie in seinem Leben eine abscheulichere Gruppe Menschen zusammen gesehen.

Der Gedanke, dass sein kleines Mädchen von ihnen begrapscht wurde, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Wenn Jeannie Ross nicht da gewesen wäre, hätte er Daisy geschnappt und wäre gleich auf Jobsuche gegangen.

Daisy weinte nur einmal, als die Assistentin mit der Regieklappe dicht vor ihr herumfuchtelte, um die nächste Szene zu markieren. Sofort war Jeannie da, beruhigte das kleine Mädchen und achtete darauf, dass ihr niemand mehr die Klappe so dicht vor das Gesicht hielt.

Hunter schaute dem ganzen Geschehen mit gemischten Gefühlen zu. Er war bestürzt und stolz zugleich, wie leicht die Kleine das Drehen hinter sich brachte. Selbst der Regisseur, so hartgesotten wie er war, konnte sich bei Daisys Charme ein Schmunzeln nicht verbeißen.

Hunter war überrascht, dass es ihn schmerzte, wie gut seine Kleine ohne ihn zurechtkam. Aber nachdem er das überwunden hatte, fiel ihm auf, wie hübsch Jeannie anzusehen war. Sie war auch ein Naturtalent, wenn man sah, wie sie mit kleinen Kindern umgehen konnte. Sie hockte am Rand, schnitt Grimassen, machte Seifenblasen und tat einfach alles, was Daisy zum Lachen brachte und glücklich machte.

Vielleicht gab es doch so etwas wie Mutterinstinkt, überlegte Hunter. Denn selbst nach acht Monaten verstand er nicht immer sofort, was Daisy wollte oder brauchte.

Das arme Kind. Fremde verstanden es besser als er. Jeannie verlangte von ihr nichts, was die Kleine nicht von sich aus ganz natürlich geben konnte.

“Sie ist die Beste im Geschäft”, flüsterte die junge Produktionsassistentin, als Jeannie Daisy ein Lachen für die Kamera entlockte.

“Daisy?”

Die Assistentin schüttelte den Kopf. “Jeannie. Ich möchte wetten, sie könnte jeden Tag mehrere Aufträge haben, wenn sie wollte.”

Hunter widersprach ihr da nicht. Babys waren zurzeit groß im Geschäft. Jeder Geschäftsmann von der Madison Avenue bis Hollywood verlangte nach Kleinkindern, um seine Waren anzupreisen. Jeannie war eine der wenigen, die es verstand, schreiende Kleinkinder in ausgereifte Berufsmodels zu verwandeln.

“Sie kann so gut mit Kindern umgehen”, raunte die Assistentin neben ihm. “Es ist eine Schande, dass sie keine eigenen hat.”

Er blickte auf Jeannies Ringfinger und bemerkte, dass er bloß war. Es ging ihn zwar nichts an, ob sie verheiratet war oder nicht, doch es überraschte ihn, dass sie ungebunden war.

Sie strahlte eine Wärme, eine Zärtlichkeit gemischt mit einer schlummernden Sexualität aus, die stärker war als der zur Show getragene Sexappeal so mancher Models, mit denen er sich früher getroffen hatte. Obwohl Jeannie recht klein war, besaß sie eine wohlproportionierte Figur, was nicht weniger anziehend wirkte.

Genau wie Jeannie versprochen hatte, war die Arbeit für Daisy nach knapp einer Stunde vorbei. Hunter fühlte sich fast enttäuscht.

“Die Kleine ist großartig, Phillips”, sagte der Regisseur, nachdem er die Sache für erledigt erklärt hatte. “Sie kann eine Menge Arbeit bekommen, wenn Sie wollen.”

“Vergessen Sie es”, brummte Hunter. “Das war das erste und letzte Mal.”

“Ihr Pech”, erwiderte der Regisseur. “Es gibt nicht viele Kinder in dem Alter mit so einer starken Persönlichkeit.”

Jeannie Ross kam mit Daisy auf Hunter zu. “Ihre Tochter ist ein Traumkind”, sagte sie lächelnd. Ihre blauen Augen strahlten. “Ich wünschte fast, die Dreharbeiten hätten länger gedauert.”

Hunter nahm ihr seine Tochter ab. Daisy fing sofort an zu weinen, als Jeannie sie losließ. “Zumindest versteht sie es, sich den richtigen Zeitpunkt auszusuchen”, bemerkte er über Daisys Jammern hinweg. “Sie hat gewartet, bis sie von der Bühne ist.”

Jeannie klopfte Daisy auf den Po. “Ich glaube, es gibt da ein kleines Problem.”

Hunter verzog das Gesicht. Es gab ein paar Dinge, an die er sich als Vater noch immer nicht ganz gewöhnt hatte. “Vielleicht sollte ich mir das Honorar in Windeln auszahlen lassen.”

“Kinder bleiben nicht für immer Babys”, bemerkte Jeannie. Ihre Stimme klang noch immer fröhlich, aber das Strahlen in ihren Augen verschwand. “Genießen Sie es, solange sie so klein ist.”

Er hob Daisy auf den anderen Arm. “Sie waren großartig heute Morgen. Ich bin beeindruckt.”

Sie senkte den Kopf. “Danke. Manche Frauen sind Raketenforscherinnen, andere Kinderbetreuerinnen.”

“Ich habe gehört, Sie sind eine der besten im Geschäft.”

“Kleinigkeit”, antwortete sie. “Wenig Konkurrenz.”

“Sie sollten lernen, ein Kompliment anzunehmen, Ross. Ich schmeiße damit nicht so um mich.”

“Dann geben Sie es an Ihren Boss weiter”, erwiderte sie fröhlich. “Die Arbeit kann ich immer gebrauchen.” Jetzt strahlten ihre Augen wieder. “Aber sagen Sie ihm auch, dass ich ab heute Abend Ferien habe.” Sie hatte noch einen Auftrag heute Nachmittag, anschließend sechs Wochen frei, und danach sollte sie für einen Auftrag nach Maui fliegen.

“Ich muss Daisy eben die Windeln wechseln. Aber dann könnten wir irgendwo etwas zusammen essen gehen. Ich bin Ihnen schließlich etwas dafür schuldig, dass sie meine Haut gerettet haben.”

Sie zögerte. Ihr Blick ruhte auf Daisy. “Es ist nicht so, als würde ich Ihr Angebot nicht schätzen, Hunter, aber ich glaube nicht, ich …”

“Schon gut”, unterbrach er sie. Offenbar war Daisy hier die ganze Anziehungskraft. “Danke, dass Sie so gut auf sie aufgepasst haben.”

Sie drückte der Kleinen sacht einen Fuß. “Gern geschehen. Sie ist süß.”

Daisy schrie erneut auf, und Hunter bekam sofort ein schlechtes Gewissen. “Ich wechsle ihr besser die Windel.”

Jeannie nickte. “Bis dann, Hunter.”

Er sah ihr nach, wie sie den Flur hinunterlief. “Das war’s mit Flirten”, sagte er zu Daisy auf dem Weg zu seinem Büro, wo er einen Windelkarton aufbewahrte. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatten sich die Frauen um ihn gerissen. Jetzt kam es ihm jedoch so vor, als wäre Daisy die einzige weibliche Person, die sich um ihn riss.

Nicht allzu viele Frauen, die er kannte, waren bereit, eine fertige Familie in Kauf zu nehmen. Selbst ein Baby zu bekommen, war eine Sache, jedoch ein fremdes Kind großzuziehen, war etwas anderes. Das wusste er aus eigener Erfahrung.

Vor fünf Monaten war er das letzte Mal verabredet gewesen, und es sah nicht so aus, als würde er in naher Zukunft noch einmal so ein Glück haben. Wahrscheinlich war das gut so, da er oft kaum morgens Zeit hatte, sich die Zähne zu putzen, geschweige denn sich um noch jemanden zu kümmern.

Sie war sowieso nicht mein Typ, sagte er sich. Ihm gefielen schlanke langbeinige Blondinen. Jeannie Ross erreichte wohl knapp einmeterfünfzig, und ihr Haar war so schwarz wie die Nacht.

Dennoch konnte er sich des merkwürdigen Gefühls nicht erwehren, als wäre das nur der Anfang ihrer Bekanntschaft …

Jeannie stand an dem Abend an einem Imbissstand Schlange. Da sah sie ihn. Zuerst war sie sich nicht ganz sicher, dass der erschöpfte Mann mit dem schlafenden Baby auf dem Arm wirklich derselbe Werbemensch war, mit dem sie sich am Vormittag so nett unterhalten hatte. Doch sein markantes Profil verriet ihn. Es gab nicht allzu viele Männer in New York, die aussahen, als wären sie geradewegs einer Marlboro-Reklame entsprungen. Er lehnte am anderen Ende der langen Theke, hatte die Augen halb geschlossen und wartete offenbar auf das, was er bestellt hatte.

“Das übliche, Jeannie?” Thunfischbrot mit Mayonnaise, sauren Gurken und eine Diätcola.

“Und ein Brötchen. Heute war ein langer Tag.”

Al schüttelte den Kopf. “Glauben Sie mir, ich finde Ihre Arbeit gut, Jeannie, aber wann kochen Sie sich mal eine richtige Mahlzeit?”

“Ach, Sie wissen ja, wie das ist, Al”, sagte sie und warf eine verstohlenen Blick zu Hunter Phillips, der im Stehen zu schlafen schien. “Es bleibt nie genug Zeit, noch einkaufen zu gehen.” Nicht ganz richtig, aber fast wahr.

Was Jeannie betraf, so gab es wochentags keinen einsameren Ort als einen Platz in der abendlichen Warteschlange an der Kasse. Man konnte eine Menge über einen Menschen erfahren, wenn man ihm in den Einkaufswagen guckte. Die Suppendosen für eine Person ließen eindeutige Schlüsse zu.

Al war noch mit ihrer Bestellung beschäftigt. Jeannie wandte sich leicht um und schaute sich mindestens zum dritten Mal nach Hunter um. Beim Anblick des hübschen blondhaarigen Babys auf seinem Arm fiel ihr das Schlucken schwer. Wenn Männer wüssten, welche Wirkung sie so auf eine weichherzige Frau hatten, würde sich manch ein Junggeselle ein Baby mieten, umso anziehend und verletzlich zugleich auszusehen.

Ich kann ja zu ihm gehen, dachte Jeannie.

Sie zögerte jedoch. Sie war ihm erst einmal begegnet, und das war schließlich rein geschäftlich gewesen.

Das Baby mochte ich aber gleich. Wäre es nicht schön, es noch einmal auf den Arm nehmen zu können?

Sie wich einen Schritt zurück. Umso mehr ein Grund, von ihm wegzubleiben. Sie konnte es sich nicht leisten, sich auch nur für einen Augenblick an seine kleine Tochter zu gewöhnen.

Ich brauche ihn mir ja nur genau anzusehen. Er sieht richtig bemitleidenswert aus.

Gut aussehende dunkelhaarige Männer mit kräftigen Schultern konnten nicht bemitleidenswert sein, selbst wenn sie sich anstrengten. Wahrscheinlich wartete zu Hause eine ebenso gut aussehende Frau auf ihn und noch drei weitere, nette Kinder.

“Hier ist Ihr Sandwich, Jeannie.” Al beugte sich vor und reichte ihr eine braune Papiertüte. “Bon appétit.”

“Bis morgen, Al.” Sie nahm die Tüte und ging zur Kasse. Sie war sicher, sie würde hier wegkommen, ehe Hunter Phillips sie entdeckte.

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