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Latin Lover verzweifelt gesucht

hier erhältlich:

Schwarzes Haar, samtbraune Augen und eine Figur wie ein griechischer Gott: Michael Romero ist für Kyra die pure Verführung. Aber leider ist macht er keinerlei Anstalten, mit ihr zu flirten. Bis sie beschließt, ihr Outfit, ihre Einstellung und besonders ihr Sexleben zu ändern. Plötzlich steht ein heißer Sommer vor der Tür!


  • Erscheinungstag: 10.12.2012
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955760137
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tori Carrington

Adonis auf Abwegen

Latin Lover verzweifelt gesucht

 

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Wicked

Copyright © 2004 by Lori and Tony Karayianni

Übersetzt von: Christian Trautmann

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-013-7

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Lektion 1: Mut zur Veränderung

Verflixt, woran lag es nur, dass diese Frau ihm immer wieder die Ruhe raubte? Michael Romero rieb sich nachdenklich den Nacken und beobachtete Kyra White, die zwei Tische von ihm entfernt saß. Sie waren in der Lolita-Bar, einem beliebten Lokal in Tampa, Florida, das hauptsächlich von den Angestellten der umliegenden Firmen besucht wurde. Dazu gehörte auch das Architektenbüro, in dem sowohl er als auch Kyra arbeiteten. Er war einer der vier Inhaber, während sie die Buchführung machte. Als sie vor vier Jahren bei “Fisher, Palmieri, Romero und Tanner” angefangen hatte, waren ihr während der ersten Woche eine Reihe kleiner Fehler unterlaufen, und seine Partner hatten sie wieder entlassen wollen. Doch Michael hatte erkannt, wo das Problem lag – in ihrer Angst, den Job nicht gut genug zu machen –, und hatte sich ein wenig um sie gekümmert. Worüber er jetzt froh war, denn sie hatte sich als eine hervorragende Kraft entpuppt. Und es hatte nicht lange gedauert, bis sie die besten Freunde wurden, was ihn in seine derzeitige heikle Lage versetzte. Nämlich, dass er eine Frau begehrte, die für ihn tabu war.

Aber Kyra hatte auch etwas an sich, das ihn von Tag zu Tag mehr faszinierte, während sie nicht die leiseste Ahnung hatte, in welche Richtung seine Gedanken gingen.

Erschwerend kam hinzu, dass sie wieder einmal mit einem dieser Trottel zusammen war, mit denen sie sich ständig umgab. Doch aus einem unerfindlichen Grund hielten diese Beziehungen nie lange. Sein Blick glitt über ihr langes braunes Haar, ihr schönes Gesicht und ihre schlanke Figur, die sie unter einem weiten Rock und einer viel zu großen Bluse verbarg. Merkwürdig, wenn er mit ihr allein war, wurde er selten von erotischen Gedanken heimgesucht. Dann war sie für ihn nur seine beste Freundin, voller verrückter Ideen und bereit, selbst über seine dümmsten Witze zu lachen.

Doch in Augenblicken wie diesem überlegte er, ob der Typ, mit dem sie dort am Tisch saß, überhaupt ahnte, wie glücklich er sich schätzen konnte, seinen Mund auf diese vollen rosafarbenen Lippen pressen zu dürfen, und ob er überhaupt die leiseste Ahnung hatte, wie man eine Frau wie sie behandelte – wie man sie an den richtigen Stellen berührte, sie streichelte, bis ihr Atem stoßweise kam und ihr Körper sich auf dem Höhepunkt aufbäumte.

Oh, verdammt.

Michael löste den Blick von Kyra und musterte jetzt Trottel Nummer … wie viel? Irgendwann hatte er aufgehört, ihre Liebhaber zu zählen. Wann war das gewesen? Bei Typ Nummer zehn? Aber seitdem hatte es noch den einen oder anderen Mann in ihrem Leben gegeben. Er würde diesen hier einfach als Nummer dreizehn bezeichnen. Craig Holsom, ein aufstrebender junger Anwalt, wirkte äußerst selbstgefällig, aber auch attraktiv, das musste der Neid ihm lassen. Kyra ging inzwischen seit drei Wochen mit ihm aus. Ein Rekord für ihre Verhältnisse. Im Moment schien Holsom allerdings nur Augen für eine wohlproportionierte Kellnerin hinter dem Tresen zu haben. Michael ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er Holsom einen Schlag ins Gesicht verpasst.

Frustriert griff er stattdessen nach seiner Bierflasche und nahm einen großen Schluck. Er hätte nach der Arbeit heimfahren sollen, statt mit Kyra in die Lolita-Bar zu gehen. Vor allem, da er gewusst hatte, dass sie sich mit Holsom hier treffen würde. So war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich bei den beiden zu entschuldigen und sich an einen anderen Tisch zu setzen. Heute war die Entschuldigung eine nicht existierende Verabredung gewesen, denn schon vor zwei Stunden war er von Jennifer Polansky versetzt worden, weil sie Überstunden machen musste. Sie hatte die Verabredung verschieben wollen, doch da er nicht sonderlich interessiert war, hatte er sie auf später vertröstet.

Michaels Blick glitt wieder zu Kyra. Er hatte bereits herausgefunden, dass das, was er für sie empfand, zum Teil aus seinem Bedürfnis heraus entstand, sie zu beschützen. Es gab ihm Befriedigung, zu wissen, dass er sie besser als sonst jemand kannte – abgesehen vielleicht von ihrer Schwester Alannah. Er bewunderte ihre Stärke, seitdem er wusste, dass sie in einer schäbigen Zweizimmerwohnung in einem Vorort von Memphis aufgewachsen war und ihre Eltern früh verloren hatte. Bereits mit zehn Jahren hatte sie arbeiten müssen – Babysitting, Hunde ausführen, Zeitungen austragen. Und später hatte sie gekellnert, damit sie und ihre ältere Schwester Alannah etwas zu essen hatten.

“Es hätte alles noch viel schlimmer kommen können”, war einer ihrer Lieblingssprüche.

Und sie war der lebende Beweis dafür, dass es tatsächlich stimmte.

Aber warum sie das demonstrieren wollte, indem sie sich ständig Männer zulegte, die ihrer unwürdig waren, überstieg sein Fassungsvermögen. Immer wenn er sie darauf ansprach, lachte sie und erklärte ihm, dass es nun einmal so wäre. Sie fühle sich halt zu solchen Männern hingezogen.

Und Michael war jedes Mal da gewesen, um sie wieder aufzurichten, wenn einer dieser Trottel ihr den Laufpass gegeben hatte, wie sie es alle irgendwann taten.

Als ob er es geahnt hätte, sah er jetzt, dass Kyra plötzlich ganz blass wurde. Holsom erklärte ihr etwas, womit sie anscheinend nicht gerechnet hatte.

Oh, oh.

Nun legte sie die Hand auf Holsoms Arm und sagte etwas zu ihm. Michael wünschte, er säße näher an ihrem Tisch, um lauschen zu können. Andererseits brauchte er die Worte nicht zu hören, um deren Bedeutung zu verstehen.

“Warum?”, schien ihr Blick zu fragen.

Holsom nahm ihre Hand von seinem Arm und legte sie auf den Tisch, ehe er diese wohlwollend tätschelte. “Es ist vorbei”, sagte Trottel Nummer dreizehn jetzt laut und deutlich.

Sein Stichwort. Michael stand auf, obwohl er es inzwischen leid war, den edlen Ritter zu spielen. Vor allem, weil er niemals den traditionellen Dank der Prinzessin bekam.

Kyra sagte erneut etwas zu Holsom, der daraufhin entrüstet aufsprang.

Zeit für Michael, einzuschreiten. Aber er fürchtete, dass er bereits zu spät kam.

“Ach ja?”, rief Holsom gerade mit hochrotem Kopf. “Nun, du bist im Bett ungefähr so lebhaft wie ein toter Fisch.”

Kyra starrte Craig Holsom an, als wären ihm plötzlich zwei Köpfe gewachsen. Was im Moment sogar stimmte, denn ihr wurde so schwindelig, dass sie doppelt sah.

Er gab ihr den Laufpass.

Und er hatte sie beleidigt.

Nur wusste sie nicht, was schlimmer war. Okay, als Holsom ihr sagte, es sei vorbei, war ihr die Bemerkung entschlüpft, etwas, das nie existiert habe, könne nicht vorbei sein, und dass Sex mit ihm mit einer Eieruhr messbar sei – er würde genau fünf Minuten dauern. Daraufhin hatte Holsom sie vor allen Leuten mit einem toten Fisch verglichen.

Kyra schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. Das durfte doch nicht wahr sein. Nicht nach allem, was ihr heute sonst noch passiert war. Sie war schon von dem Klopfen ihrer Vermieterin geweckt worden, die sich darüber beschwerte, dass Kyras Wecker zu laut sei. Dabei hätte sie schwören können, dass der Wecker noch gar nicht geklingelt hatte. Während der Mittagspause dann hatte sie erfahren, dass in der Reinigung ihre sämtlichen Kleidungsstücke verloren gegangen waren. Abgesehen von dem, was sie am Leibe trug, besaß sie jetzt kaum noch etwas. Und zu guter Letzt war sie am Nachmittag über eine Unregelmäßigkeit in den Büchern gestolpert, die sie ihren Job kosten konnte, wenn sie den Fehler nicht schnellstens fand.

Um das Schicksal nicht noch mehr herauszufordern, hatte sie bereits mit dem Gedanken gespielt, die Verabredung mit Craig abzusagen, war dann aber zu der Überzeugung gelangt, dass es eigentlich nicht noch schlimmer kommen könne.

Wobei sie sich gründlich geirrt hatte.

Das leise Kichern der anderen Gäste riss sie aus ihren Gedanken. Langsam öffnete sie die Augen und sah zu Craig hoch, der mit einem allzu selbstgefälligen Grinsen ihren Blick erwiderte.

Michael hatte recht. Craig war ein Idiot. Das einzige Problem war, dass Michael immer recht hatte.

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er von seinem Tisch aufgestanden war. Der liebe, zuverlässige Michael. Gut, denn sie brauchte ihn, um hier zumindest mit einem letzten Rest von Würde hinauszukommen.

Kyra erhob sich jetzt auch, doch ihre Knie zitterten so sehr, dass sie schon fürchtete, sie könne ihren Stuhl umstoßen. Craig grinste noch immer. Merkwürdigerweise war sie gar nicht so traurig, dass er ihre Beziehung beendet hatte, eher erleichtert.

Was bedeutete das wohl?

Es bedeutete, dass sie ihn schon vor drei Wochen zum Teufel hätte jagen sollen, als er im Supermarkt ihre Haut mit der eines Pfirsichs verglich. Was für eine billige Anmache, dachte sie jetzt. Und ungefähr so originell wie der Typ selbst. Dieser Versager hing wahrscheinlich ständig im Supermarkt herum, um Frauen aufzureißen.

Kyra schaute sich in der Bar um und bemerkte, dass fast alle Augen erwartungsvoll auf sie gerichtet waren.

Also hob sie stolz den Kopf und lächelte Craig herausfordernd an. Zu ihrer Zufriedenheit registrierte sie, dass sein Grinsen verschwand und er auf einmal eher ängstlich wirkte. Und dazu hatte er allen Grund.

“Ja, Craig, aber lieber ein toter Fisch als ein hoffnungsloser Fall, trotz Viagra.”

Damit schob sie ihren Stuhl unter den Tisch und stieß dabei gegen Craigs Stuhl, der umkippte und ihn mit der Rückenlehne an seiner empfindlichsten Stelle traf. Er schnappte nach Luft und griff sich mit beiden Händen zwischen die Beine.

“Tut mir leid”, meinte Kyra. “Ich wollte dir nicht …”

“Lass uns gehen”, unterbrach sie eine tiefe Stimme. Michael, der inzwischen an ihren Tisch gekommen war, nahm sie bei der Hand und zog sie hinter sich her.

“Du Biest!” Craig hatte die Beleidigung vermutlich herausbrüllen wollen, doch es kam nur ein hohes Piepsen heraus. Kyra fand, dass die Stimme zu ihm passte.

Michael blieb abrupt stehen und wandte sich nach Craig um. “Wenn Sie sie noch einmal so nennen, können Sie sich gleich einen Termin beim Zahnarzt geben lassen.”

Um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen, war es jetzt Kyra, die zum Ausgang drängte, und als sie schließlich beide draußen standen, atmete sie erleichtert auf. Vorsichtig sah sie zu Michael, der noch immer ziemlich wütend schien. Eine Locke seines tiefschwarzen Haares fiel ihm über die Braue, und sein von Natur aus dunkler Teint wirkte im schwindenden Licht noch dunkler.

“Ich hatte nicht vor, ihn … na ja, du weißt schon, mit dem Stuhl zu treffen.”

“Dabei war es so passend.” Seine Mundwinkel zuckten. Er war wirklich umwerfend, wenn er so amüsiert lächelte. “Habe ich dir schon mal gesagt, dass du wirklich keine glückliche Hand bei der Auswahl deiner Freunde hast?”

“Bei jeder sich bietenden Gelegenheit.”

“Na, dann hab ich es wohl nicht laut genug gesagt.” Er zeigte mit dem Daumen hinter sich. “Warum du dich von solchen Typen wie Holsom ausnutzen lässt, wird mir immer ein Rätsel bleiben.”

“Wer sagt, dass er mich ausgenutzt hat?”, gab sie gereizt zurück, wandte sich um und ging zum Parkplatz. Mit jedem Schritt, den sie machte, schwand auch der letzte Rest von Schadenfreude, und Ernüchterung trat ein. Craig hatte gerade ihre Beziehung beendet. Schlimmer noch, er hatte sie beleidigt.

“Oh, oh. Jetzt ist Schluss mit lustig. Phase Nummer zwei kommt.” Michael stöhnte hinter ihr.

Kyra drehte sich zu ihm um und stieß ihm einen Ellenbogen in die Rippen. “Halt den Mund.”

“Na, so ist es doch immer. Erst kommt der Spaß. Denn wir wollen doch ehrlich sein, der Bruch zwischen dir und deinen Freunden ist immer eine Quelle der Belustigung.”

“Freut mich, dass du dich amüsierst.”

Die Grimasse, die er jetzt schnitt, zeugte vom Gegenteil. “Dann kommt die Trauerperiode. Unabhängig davon, wie wenig die Trottel es verdienen, bist du jedes Mal verletzt, wenn man dir den Laufpass gibt.”

“Das ist ja wohl normal, oder?”

Michael blieb neben ihrem roten Mustang stehen, nahm ihr den Schlüssel aus der Hand und öffnete für sie die Tür. Sofort drückte sie den Knopf, um das Verdeck herunterzulassen.

“Danach kommt Phase Nummer drei – das Essen”, fuhr er unbeirrt fort. “Mindestens eine Woche lang stopfst du alles in dich hinein.”

Sie lächelte. “Wenn ich mich recht erinnere, gefällt dir diese Phase.”

“Ja, vielleicht ist dieser Teil wirklich nicht so schlecht”, meinte er grinsend.

Sie stieg ein, und er schloss die Tür hinter ihr.

“Sie verdienen dich gar nicht, weißt du das?”

Kyra nahm ein Gummiband von ihrem Rückspiegel und band sich damit das Haar zusammen. “Was soll diese Standpauke? Ich meckere doch auch nicht mit dir, wenn du mit einer deiner Freundinnen Schluss machst.”

Er lachte leise. “Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht derjenige bin, der getröstet werden muss.”

“Ach, ich verstehe”, gab sie im gleichen amüsierten Ton zurück, weil sie sich dann einfach besser fühlte, wenn sie mit ihm so reden konnte. “Während ich nichts weiter bin als ein kleines Häufchen Elend.”

“Stimmt.”

Jetzt musste sie lächeln, obwohl ihr eine Träne über die Wange lief. Ärgerlich wischte Kyra sie weg. Zwar wusste sie, dass Craig Holsom es nicht verdiente, wenn sie um ihn trauerte, aber eine Abweisung war eine Abweisung, egal wie man es betrachtete.

Michael hatte recht: Sie war eine Närrin. Auch wenn er ihr das noch nie laut gesagt hatte.

“Hey.” Er griff ihr unters Kinn und hob es an. “Alles klar mit dir?”

Sie nickte schniefend. “Natürlich.”

Zärtlich wischte er ihr eine weitere Träne ab. “Na, wie ist es? Bist du bereit für den üblichen Trennungsausflug?”

“Dafür lebe ich.”

“Okay, dann fahr hinter mir her. Ich habe etwas Neues entdeckt.”

Kyra sah ihm nach, als er mit federnden Schritten zu seinem Wagen ging. Groß, mit breiten Schultern, schmalen Hüften und pechschwarzem, glänzendem Haar war Michael Romero ein ungemein attraktiver Mann. Zudem wusste sie, dass er einen guten Schuss Indianerblut in den Adern hatte, was ihm einen exotischen Anstrich verlieh.

Er blieb neben seinem Auto stehen, wandte kurz den Kopf, und sie bewunderte sein markantes Profil, das sich gegen den Abendhimmel abhob. Sie schnappte nach Luft, bevor sie schluckte.

Er ist dein bester Freund, ermahnte sie sich.

Michael legte Kyra die Hand an den Rücken und schob sie vor sich her in den kleinen Buchladen. Gleich, als er ihn entdeckt hatte, hatte er gewusst, dass sie davon begeistert wäre. Und er sollte recht behalten. Während sie mit großen Augen die vollgestopften Regale bewunderte, die fast jeden Zentimeter des Raumes einnahmen, schien sie Holsom und das Auseinanderbrechen einer Beziehung, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war, vergessen zu haben.

“Oh”, meinte sie fast andächtig. “Wie herrlich.”

“Ich dachte mir schon, dass es dir gefallen würde”, sagte er und schaute auf seine Uhr. “Ich gebe dir genau eine halbe Stunde Zeit.”

Sie stöhnte.

“Na gut, fünfundvierzig Minuten. Sonst gehe ich ohne dich.”

Sie strahlte ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Wange, ohne zu wissen, welch einen Aufruhr der Gefühle sie damit bei ihm auslöste. “Du würdest niemals ohne mich gehen.” Schon war sie zwischen den Regalen verschwunden.

Michael folgte ihr und verfluchte sich dafür, dass er sich wie Kyras guter Freund benahm, obwohl er sich immer mehr wünschte, er wäre ihr Liebhaber.

“Hast du das schon gelesen?”, fragte sie ihn, als er bei ihr angekommen war, und zog ein Buch heraus.

Er schüttelte den Kopf. “Nein. Werde ich auch nicht.”

Sie lächelte geheimnisvoll und sagte: “Dann weißt du nicht, was dir entgeht.”

Das ist ja das Problem, dachte er, und sein Blick heftete sich unwillkürlich auf ihren lächelnden Mund. Er wusste sehr wohl, was ihm entging.

Kurz entschlossen nahm er ihr das Buch aus der Hand, stellte es ins Regal zurück und ging weiter.

Nein, nein und nochmals nein. Auch wenn die Versuchung groß war, durfte er nicht zulassen, dass sich ihre Beziehung in diese Richtung entwickelte. Dafür war ihm ihre Freundschaft inzwischen viel zu wertvoll.

Als Kyra in seiner Firma angefangen hatte, war er zu der Zeit gerade gebunden gewesen, sonst hätte sich womöglich schon damals eine Liebesromanze zwischen ihnen entwickelt. Manchmal bereute er es, dass es nicht so weit gekommen war, doch dann war er wiederum froh darüber. Denn das Chaos, das aus einer Affäre unweigerlich entstanden wäre, hätte mit Sicherheit dazu geführt, dass sie nicht nur die Firma verlassen, sondern dass er auch die bisher für ihn wichtigste Beziehung in seinem Leben verpasst hätte.

Als Einzelkind, dessen Mutter aus Peru und dessen Vater aus Spanien stammte, verbrachte er viel Zeit damit herauszufinden, wer er wirklich war. Und auch wenn Kyra ihm bei dieser Suche nicht unbedingt half, so bestand sie zumindest darauf, dass er diese Suche hin und wieder vergaß. Und dafür würde er ihr ewig dankbar sein. Sei einfach du selbst, sagte sie ihm immer wieder, du bist niemandem Rechenschaft schuldig. Und so empfand er auch. Jedenfalls dann, wenn er mit ihr zusammen war.

Meistens. Jetzt blickte er auf die Uhr und überlegte, um wie viele Minuten sie sein Zeitlimit überschreiten würde.

“Tick, tack”, sagte Michael hinter Kyra.

Sie schaute auf, sah, dass er auf seine Uhr tippte, und nickte. Dann lief sie weiter am Regal entlang, wobei sie mit dem Finger über die einzelnen Buchrücken strich. Schließlich blieb sie stehen und holte tief Luft. Sie liebte den Geruch von Büchern. Und nicht nur das. Eigentlich liebte sie alles, was mit Büchern zusammenhing. Das Rascheln, wenn man sie durchblätterte, den dumpfen Laut, wenn man sie zuschlug, die bunte Vielfalt der Einbände. Ob Romane, Sachbücher, Gedichtbände oder obskure literarische Raritäten, der Text zwischen den Buchrücken war ihr egal; sie las alles.

Es gab kaum etwas, das sie lieber tat, als sich in einen Liebesroman zu vertiefen. Vor allem, wenn sie gerade selbst eine gescheiterte Beziehung hinter sich hatte. Natürlich erklärte Michael ihr, sie sei verrückt, Liebesromane zu lesen, wenn ihr eigenes Leben schon einer Seifenoper glich.

Sie lächelte, als sie jetzt zu der Abteilung mit den Liebesromanen kam und ein Buch nach dem anderen prüfend herauszog.

Habe ich. Kenne ich. Interessant, aber nicht das, was ich im Moment brauche. Sie überflog die Titel, las die Namen der Autoren, betrachtete die Cover und schob die Bücher wieder zurück. Michael hatte ihr vor einiger Zeit eine Mitgliedschaft in einem Buchclub geschenkt. Sie vermutete, dass er es getan hatte, um sie nicht immer auf diese Expeditionen in die Buchläden begleiten zu müssen. Sie war noch immer Mitglied, doch das Stöbern in einem Buchladen gab ihr eine viel tiefere Befriedigung. Es war ein schönes Gefühl, von Dutzenden von Geschichten umgeben zu sein, in denen es von Charakteren nur so wimmelte, mit denen sie sich identifizieren konnte.

Es gaukelte ihr vor, nicht allein auf der Welt zu sein.

So wie jetzt. Okay, vielleicht schmerzte es sie doch mehr, als sie zugeben wollte, dass Craig sie verlassen hatte. Aber was sie am meisten schmerzte, war seine Bemerkung über ihre Fähigkeiten im Bett. Oder besser gesagt, ihre mangelnden Fähigkeiten. War sie wirklich so schlecht? War das vielleicht der Grund, warum sie so oft sitzen gelassen wurde? Sie schnitt eine Grimasse. Das könnte stimmen, wenn sie mit wenigstens einem bescheidenen Prozentsatz derjenigen geschlafen hätte, mit denen sie ausgegangen war. Aber das war nicht der Fall. Die Wahrheit war, dass sie dazu keinerlei Lust verspürt hatte.

Sie war am Ende der Liebesromane angelangt und wandte sich der nächsten Abteilung zu. Noch mehr Liebe, allerdings die Sachbuchkategorie. Sie zog ein Buch mit dem Titel “Fünfzig Wege, deinem Liebhaber zu gefallen” heraus und blätterte darin. Ihre Augen weiteten sich, als sie die anschaulichen Zeichnungen am Anfang jedes Kapitels betrachtete. Sie stellte das Buch zurück und nahm sich das nächste vor.

“Sex Kitten 101” lautete der Titel.

Bevor sie ihr Interesse daran infrage stellen konnte, hatte sie das Buch schon aufgeschlagen und las die Inhaltsangabe. Wörter wie “Veränderungen”, “neues Verhalten” und “mit alten Gewohnheiten brechen” sprangen ihr ins Auge. Sie dachte daran, dass Michael ihr Leben mit einer Seifenoper verglich, in der immer wieder dasselbe passierte.

Sie sah von dem Buch hoch und erhaschte einen Blick von sich in dem großen Schaufenster. Die Sonne war inzwischen untergegangen, sodass das dunkle Glas wie ein Spiegel wirkte. Kyra schluckte und betastete das alberne Gummiband, mit dem sie ihr langes glattes Haar zusammenhielt, zupfte an ihrer viel zu großen Bluse. Schlicht. Unauffällig. Sie hatte diese Aufmachung bewusst gewählt, weil sie glaubte, dass es zu ihr passte. Jetzt warf sie einen Blick auf das Buch und fragte sich, ob eine Veränderung nicht längst überfällig war. Und vielleicht war der “Sexkätzchen-Ansatz” genau das Richtige.

Sie drehte das Buch um und las den Klappentext. “Reagieren Sie nur, statt zu agieren?” Kyra nickte. “Sind Sie es leid, dass Ihnen immer dasselbe Gesicht aus dem Spiegel entgegenschaut?” Oh ja. “Möchten Sie einmal eine Ihnen nahestehende Person schockieren?”

Sie wandte sich zu Michael um, der sich im Moment bei den Reisebüchern aufhielt. Sein dunkles Haar war zerzaust, dafür sein weißes Hemd so tadellos wie immer, und die gut geschnittene Hose schmiegte sich perfekt an seine langen Beine. Kyra schluckte und schaute wieder auf das Buch in ihrer Hand. Michael würde sich wahrscheinlich über ihre Wahl amüsieren. Er war ein Selfmademan, der es ohne die Hilfe anderer geschafft hatte. Das hatte Kyra zwar auch, aber es bestand ein großer Unterschied zwischen einer Buchhalterin und dem Teilhaber eines sehr erfolgreichen Architektenbüros.

Sie strich über den Buchrücken und überlegte, ob es wirklich so gut wäre, radikale Veränderungen an sich vorzunehmen. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie trotz ihrer häufig wechselnden Freunde nicht besonders erfahren war, was das andere Geschlecht anging.

Andererseits konnte es vielleicht ganz amüsant sein, diejenigen zu schockieren, die ihr nahestanden. Das Bild von Craig, der auf Knien angekrochen kam, um sie um Verzeihung zu bitten, besaß einen gewissen Reiz. Aber aus irgendeinem Grund war es Michaels Gesicht, das sie vor sich sah, wenn sie sich vorstellte, die Ratschläge des Buches zu befolgen.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sagte sie sich.

“Fertig.”

Michael schaute von dem Reiseführer auf und sah Kyra erstaunt an.

“Du hast ja heute einen Rekord aufgestellt.”

Sie strich eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, und zuckte mit den Schultern. “Heute habe ich mich auch schnell entschieden”, meinte sie und hielt ein Buch hoch. “Es ist mir sozusagen ins Auge gesprungen.”

Als er nach dem Buch greifen wollte, zog sie es zurück. Irritiert hob er eine Augenbraue. “Was ist los? Normalerweise bist du doch ganz versessen darauf, mir zu zeigen, was du dir ausgesucht hast.”

“Das hier ist nur für Frauen.”

“Ist wohl weibliche Pornografie, was?”

Lachend schob sie sich an ihm vorbei und ging zur Kasse. Neugierig folgte er ihr.

“Komm schon.” Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: “Lass mich die schlüpfrigen Sachen sehen.”

Sie schüttelte energisch den Kopf.

“Du weißt doch, dass ich es sowieso irgendwann sehen werde. Also kannst du es mir auch gleich zeigen.”

“Nein.” Sie legte das Buch mit der Rückseite nach oben auf den Kassentresen und zahlte hastig. Nachdem der Kassierer ihr das Buch in eine Tüte gesteckt hatte, verließ sie schnellen Schrittes den Laden.

Michael beeilte sich, ihr zu folgen. “So”, meinte er, als er sie bei ihrem Wagen eingeholt hatte. “Fühlst du dich nun wenigstens besser?”

Sie nickte. “Viel besser. Danke.”

Er schaute auf die Uhr. “Worauf hast du jetzt Lust? Kubanisch oder lieber Meeresfrüchte?”

“Offen gestanden bin ich nicht sehr hungrig. Ich denke, ich fahre direkt nach Hause.”

Michael kniff misstrauisch die Augen zusammen. Kyra war eine schlechte Lügnerin. “Ist das Buch so gut?”

Ihr Lachen klang gezwungen. “Fahr du auch nach Hause und mach dir in der Mikrowelle etwas warm, wenn du Hunger hast. Wir sehen uns dann morgen in der Firma.”

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