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Mina und die Karma-Jäger - Der Klassenkassen-Klau

Als Buch hier erhältlich:

Geist mit Karma-Problem trifft auf echte Girl-Power

Warnung!

Karmalevel 07

Stufe: unterirdisch – kurz vor Nacktmull

Stell dir vor, du freust dich auf deine Geburtstagsparty, doch anstelle deiner Freunde steht ein fremder Junge vor der Tür. Er hat alle deine Gäste ausgeladen, damit du ihm jetzt sofort hilfst, Karma-Punkte zu sammeln. Ohne die kommt er nämlich nicht in den Himmel. Verrückt? Ja, das denkt Mina auch. Bis sie feststellt, dass nur sie den Jungen sehen kann. Er ist ein Geist. Und einen Geist, der dringend deine Hilfe braucht, wirst du so leicht nicht mehr los. Und den Ärger, den so ein Geist mit sich bringt, auch nicht ...

Bestsellerautorin Janet Clark schreibt erstmals für Kinder: Eine Reihe über die Freude am Eigensinn, die schwere Frage nach Gerechtigkeit und warum sie sich trotzdem lohnt


  • Erscheinungstag: 18.02.2020
  • Aus der Serie: Karma Jäger
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 270
  • Altersempfehlung: 9
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783748800163

Leseprobe

Für Milena,

die erste Karma-Jägerin der Welt

und zufälligerweise meine Tochter,

unglaublich großartige Tochter übrigens,

die ich mindestens von hier bis zum Mond liebe.

Party!

Vom ersten Klingeln bis zur Tür brauchte ich nur fünf Sekunden, inklusive Rutschpartie mit Haarscharf-Arsch-Unfall auf dem frisch gebohnerten Parkett. Beim siebten Klingeln riss ich die Tür auf, schaltete das Strahlen in meinem Gesicht auf Megawatt und rief in bester Geburtstagspartylaune: „Willkommen zur Paaaaart–“

Das Ypsilon blieb mir im Hals stecken. Vor der Tür standen nicht meine Gäste. Da stand nur ein einziger Junge. Und den kannte ich nicht mal.

„Äh … wohnt hier ’ne Milena?“, fragte er und musterte mich so abschätzig, dass mir sofort klar war: Vor mir stand mein Partyscherz. Ich grinste innerlich. Ha! Dieses Jahr würde ich nicht darauf reinfallen!

Der Junge vor mir war etwas größer und älter als ich, etwa zwölf oder dreizehn. (Wie schaffte Isabel es nur immer, dass wildfremde Menschen bei ihren Scherzen mitmachten?) Er hatte braune Locken und Augen mit so vielen grünen Sprenkeln im Braun, dass es schwer zu sagen war, ob sie nun eher braun oder grün waren. Noch viel bemerkenswerter war aber sein Gesichtsausdruck: gelangweilt Stufe 10, also zwischen Opernbesuch und Spülmaschineausräumen, und das, obwohl er ganz offensichtlich gerade als Partyscherz vorgeschickt worden war.

„Mi-le-na?“, fragte ich unschuldig und spähte an dem Jungen vorbei ins Treppenhaus. Wo versteckten sie sich? Isabel hätte schon längst einen Kicheranfall haben müssen! „Was willst du denn von ihr?“

„Die da oben wollen, dass sie mir bei was hilft.“ Er zeigte nach oben, allerdings weder zur Wohnung von der Prystc noch zu der vom Allerstein, was meinen Verdacht bestärkte, dass Isabel und die anderen sich auf der Treppe versteckten.

„Ach, wollen die Knallköpfe das?“ Ich war wirklich gespannt, was als Nächstes kommen würde.

Die braun-grünen Augen des Jungen verengten sich. „Knallköpfe?“ Er schüttelte den Kopf.

In dem Moment klackerte meine Mutter durch den Flur. „Milena!“

Ich drehte mich um, legte den Finger an den Mund, und zeigte unauffällig zu dem Typen hinter mir. Doch sie ignorierte meine Warnung einfach – und den Typen gleich dazu.

„Drehst du jetzt komplett durch?“, fuhr sie mich an. „Du schreibst in die WhatsApp-Gruppe, dass die Party ausfällt, weil wir LÄUSE haben?“

Läuse? Party absagen?

Da begriff ich – das also war der Scherz! Läuse! Auf so was konnte nur Isabel kommen. Ich kicherte. Mama starrte mich entgeistert an.

Ich trat neben den Jungen in den Gang und legte meine Hände trichterförmig um den Mund. „Ihr könnt rauskommen! Mama ist voll drauf reingefallen!“

Erwartungsvoll starrte ich die Treppe hoch. Spätestens jetzt müssten zumindest Isabel und Greta und Ferdinand sich vor Lachen kaum noch halten können.

Aber es kam niemand. Es lachte niemand. Nur der Junge verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln.

„Dann bist du Milena?“ Das Lächeln wurde noch schiefer, als fände er es unglaublich lustig, dass ich ich war. „Ich behaupte nie wieder, die da oben hätten keinen Humor.“

„Natürlich haben sie Humor!“ Ich lief zur Treppe und verrenkte mich, um bis ins dritte und letzte Stockwerk sehen zu können. „Huhu! Ihr könnt runterkommen!“

„Milena!“ Meine Mutter war nun auch ins Treppenhaus getreten und winkte mich zurück. „Was soll dieser Zirkus?“

Ich ging wieder in die Wohnung. Wo blieben die anderen? Der Scherz war durch, die Party konnte beginnen.

Da legte Mama mir den Arm um die Schultern. „Ich weiß, dass du enttäuscht bist. Papa doch auch! Nur … deswegen gleich die Party absagen?“

„Aber …“ War Mama verrückt geworden? Natürlich war ich enttäuscht, aber deshalb bestrafte ich doch nicht mich selbst und meine Freunde! Papa arbeitete nun mal in der Antarktis, und dort gab es neben Pinguinen und eisigem Wind eben vor allem eins: abgebrochene Videotelefonate. Ich würde doch nicht die Party absagen, nur weil er uns nicht per Videoanruf mit auf einen Ausflug ins ewige Eis nehmen konnte!

„Ich schlage vor, du lädst jetzt deine Freunde wieder ein, und wir feiern wie geplant.“

„Aber …“, setzte ich erneut an.

„Oh Gott!“ Abrupt ließ Mama meine Schulter los und rückte von mir ab. „Hast du tatsächlich Läuse?“

„Nein“, rief ich, „und ich habe auch niemanden ausgeladen! Das ist Isabels Partyscherz!“

Ich sah zu dem Jungen, der auf einmal so unauffällig die Decke betrachtete, als habe er absolut nichts mit der ganzen Sache zu tun. Hatte er aber!

Ich zeigte auf ihn. „Da. Frag ihn. Die anderen haben ihn geschickt, um mich zu veräppeln.“

„Frag wen?“ Meine Mutter runzelte die Stirn.

„Den Jungen mit den braunen Haaren.“ Ich nickte ihm zu. „Wie heißt du eigentlich?“

„Julius. Das mit den Läusen war ich.“

„Ha! Hörst du?“ Triumphierend sah ich zu meiner Mutter. „Julius war das mit den Läusen!“

„Nicht lustig.“ Sie schüttelte den Kopf und knallte die Tür ins Schloss. Direkt vor Julius’ Nase.

„He!“, rief ich und riss die Tür wieder auf. Ich verstand ja, dass Mama genervt war, ich selbst fand den Scherz inzwischen auch nicht mehr lustig, aber deshalb schlug man doch niemanden die Tür direkt vor der Nase zu! Also, ich meine wirklich DIREKT.

Julius stand noch genauso vor der Tür wie vor zehn Sekunden.

„Sorry, meiner Mutter ist aus Versehen die Tür aus der Hand gerutscht“, log ich und hoffte, dass er gerade nicht hingesehen hatte, als sie die Tür zugeknallt hatte.

Meine Mutter seufzte diesen Was-soll-ich-nur-mit-dir-machen-Seufzer, den nur Mütter seufzen können und das in mindestens drei Tonlagen.

Ich drehte mich zu ihr um und zog warnend die Brauen zusammen – merkte sie nicht, wie krass peinlich sie sich gerade benahm? Was konnte Julius dafür, wenn er von den anderen angestiftet worden war!

„Gut“, sagte sie spitz und schüttelte den Kopf. „Wenn dir der Unsinn Spaß macht, dann feiere eben mit diesem … diesem Julius. Ich habe mir verdammt viel Mühe gegeben, damit du eine Megaparty feiern kannst und … und … nee, mir ist das jetzt zu blöde.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und rauschte davon.

Peng! Schon knallte die Arbeitszimmertür.

Ich drehte mich zu Julius zurück und lächelte entschuldigend. Eltern konnten manchmal wirklich verboten peinlich sein.

„Sorry, die ist sonst nicht so“, versuchte ich das Verhalten der Peinlichkeitsstufe 8 meiner Mutter zu entschuldigen. „Papa hat ihr gerade gesteckt, dass er ein paar Monate länger am Südpol bleibt. Das kam nicht so gut.“

Julius zuckte nur die Schultern. „Passt schon.“

„Na ja, ich wollte nur, dass du weißt, dass sie noch nie jemandem die Tür einfach vor der Nase zugeworfen hat.“

„Hat sie nicht.“

Hatte sie schon, und wir beide wussten das, also nahm ich an, dass Julius wollte, dass ich mich besser fühlte. Was echt nett war. Ich betrachtete ihn mit vollkommen neuen Augen.

„Okay, also, haben die anderen dir gesagt, was der Plan ist? Wann kommen sie endlich?“

„Na, gar nicht“, sagte Julius. „Ich habe sie ausgeladen, habe ich doch gerade gesagt.“

„Ja klar, Spaß.“ Ich lachte, allerdings nur kurz.

Denn Julius lachte nicht. Er sah ernst aus.

Er meinte es ernst.

Nein … Quatsch.

Julius konnte niemanden ausladen, weil er gar nicht wusste, wen ich eingeladen hatte.

„Jetzt mal ernst“, sagte ich, „wo sind sie?“

„Zu Hause? McDonald’s? Keine Ahnung?“ Julius sah gelangweilt auf seine Fingerspitzen. „Stehst du immer so auf der Leitung? Sie wurden ausgeladen und machen jetzt irgendwas anderes, was man in deinem Alter eben so Langweiliges macht.“

Äh, hallo? Mir hatte es die Sprache verschlagen. Nicht einmal ein Stottern brachte ich noch hervor. Was bildete dieser Vollpfosten sich eigentlich ein?

„Also, hast du jetzt endlich Zeit für mich?“

„Ähhh …“ Meine Sprache war immer noch nicht zurück. Mein Gehirn war ein einziges Ähhh. Wie konnte dieser Typ sich in meine WhatsApp-Gruppe hacken und einfach meine Party abblasen?

Und warum sollte er so was machen?

„Ich nehme an, Ähhh und dumm gucken heißt bei dir auch Ja. Wie bei den meisten Menschen, die etwas schwer von Begriff sind.“ Julius nickte kurz. „Kommen wir zur Sache: Du sollst mir helfen, mein Karma auf Trab zu bringen, haben die da oben gesagt.“

In letzter Sekunde verkniff ich mir ein weiteres Ähhh. Ich war doch nicht schwer von Begriff! Ich war nur … verwirrt.

„Dein … Karma?“ Ich hatte keine Ahnung, was Karma sein sollte. Klang wie der Yogakurs von Frau Buchsbaum aus dem ersten Stock. Allerdings besuchten den nur Frauen, und die waren alle deutlich älter als Julius und yogatechnisch durchgestylt bis hin zur Trinkflasche mit Buddha-Bild.

„Karma bedeutet, dass alles, was du tust, Folgen hat.“ Julius hob lehrerhaft einen Finger in die Höhe. „Tust du was Gutes, bekommst du gutes Karma, und tust du was Schlechtes, bekommst du schlechtes Karma.“

Ich musste ihn verständnislos angeglotzt haben, denn er seufzte in der Verzweiflungsstufe-3-Tonlage meiner Mutter und fuhr dann fort: „Schüttest du Cola auf dein T-Shirt, hast du einen braunen Fleck. So weit klar?“

Ich nickte.

„Wäschst du das T-Shirt, geht der Fleck raus.“

„Aha.“ Das Prinzip war mir bekannt. Alles, was ich tue, hat Folgen. Esse ich mein Pausenbrot auf, bin ich vollgestopft wie Po in Kung Fu Panda. Lasse ich es in der Schachtel vergammeln, ist Mama sauer. „Und? Was hat dein Karma mit mir zu tun?“

„Habe ich doch gesagt!“, rief Julius ungeduldig. „Die da oben“, er zeigte in den dritten Stock hoch, „haben gesagt, du sollst mir helfen, es zu verbessern.“

„Aha“, sagte ich wieder. Langsam kam mir der Verdacht, dass mit Julius etwas nicht stimmte. Herr Allerstein scherte sich nicht um Karma, er interessierte sich ausschließlich für Frau Buchsbaum aus dem ersten Stock. Und für die Kakteen, die er auf seinem Balkon züchtete und übers Internet verkaufte.

„Da ist wohl ziemlich viel Cola auf meinem Hemd“, versuchte Julius zu erklären.

„Aha“, machte ich. Sein grün-blauer Baumwollpulli über dem blauen T-Shirt war makellos.

Ich trat unauffällig einen Schritt zurück. Er war verrückt. Eindeutig. Also tat ich genau das, was in so einer Situation getan werden musste: Ich warf die Tür zu.

DIREKT vor seiner Nase.

„Böargh-rgh-rgh.“

Ich drehte den Regler des Karaoke-Mikros nach rechts und lauschte dem Nachhallen meines Rülpsers.

Total daneben, ich weiß, voll peinlich und schlechtes Benehmen, aber hey, ich saß inmitten eines Berges an Kuchen, Chips, Flips und Limo, nicht zu vergessen die Karaokeanlage und zehn Mega-Kostüme, und feierte meinen großartig vorbereiteten elften Geburtstag mit zwei fetten Stubenfliegen und einer hektischen Mücke als einzigen Gästen.

DAS war viel peinlicher.

Ich verstand nicht, wie es so weit gekommen war. Glaubte ich dem Chatverlauf auf meinem Handy, hatte ich meine Freunde mit folgender Nachricht ausgeladen: Sorry, Leute, Läusealarm, besser, wenn ihr zu Hause bleibt. Die Party wird verschoben.

Hatte ich aber nicht.

Julius, dieser Vollpfosten, war das gewesen. Wobei ich nicht kapierte, warum ein Junge, den ich noch nie gesehen hatte, mein Handy hacken sollte, um meine Gäste auszuladen. Dieser Unsinn mit dem Karma und dem Cola-Fleck konnte ja wohl kein Grund sein, um meine Geburtstagsparty zu sabotieren.

Ich tippte auf die Nachricht. Überall empfangen. Seltsam nur, dass niemand darauf geantwortet hatte.

Nicht mal Isabel, was für sie so untypisch war wie von mir ein Rülpser in ein Mikrofon. Und meine Anrufe nahm sie auch nicht an. Es war einfach zum …

Ich trank ein halbes Glas Sprudel in einem Zug (den perligen, der funktioniert am besten), hielt das Mikrofon an meinen Mund und stieß einen weiteren Rülpser aus. Schnell drehte ich am Regler und verzerrte das Rgh-rhg-rgh zum Bariton, als plötzlich Darth Vader vor mir stand.

„Nicht schlecht“, sagte er mit beeindruckend echter Darth-Vader-Stimme und fügte hinzu: „Für ein Mädchen.“

Erschrocken sprang ich hoch. Wer verbarg sich hinter der Maske, und warum hatte ich nicht gehört, wie Darth Vader hereingekommen war? Hatte ich etwa so laut gerülpst?

Mir wurde heiß. Ich spürte, wie mein Gesicht rot und röter wurde.

„Isabel!“, rief ich, denn mir fiel niemand sonst ein, der unter der Maske stecken könnte. „Du hast mich voll erschreckt!“ Ich zog mit der freien Hand die Maske hoch. „Du?“, rief ich noch erschrockener aus.

Braun-grüne Sprenkelaugen sahen auf mich herab. „Wer sonst?“, fragte Julius und führte das Mikro zu seinem Mund. Er öffnete ihn, und wahrscheinlich hätte er meinen Rülpser getoppt, aber dazu ließ ich es erst gar nicht kommen. Mit einem Ruck zog ich das Kabel aus dem Verstärker.

„Was zum Teufel machst du hier?“ Die Hände in die Hüften gestemmt, blitzte ich ihn wütend an.

„Hab ich dir doch erklärt.“ Julius zog die Maske wieder über sein Gesicht und röchelte. „Du … musst … mein … Karma … auffrischen.“

„Klar, ’tschuldige, hatte ich ganz vergessen … lass uns anfangen.“ Ich stand auf und ging durch das Wohnzimmer in den Flur und zur Wohnungstür. Julius folgte mir.

Ich öffnete die Tür und trat in den Flur. „Oh! Na so was! Luke Skywalker!“ Ich zeigte zur Treppe.

Julius trat neben mich und sah hoch, während ich schnell wieder in die Wohnung sprang und die Tür ins Schloss warf.

„Idiot!“, rief ich noch und machte beim Arbeitszimmer meiner Mutter halt. „Bitte keine Besucher, okay?“

„Was?“ Mama sah stirnrunzelnd vom Laptop hoch, nickte dann und sah wieder auf den Bildschirm. „Wenn du meinst.“

Zurück im Wohnzimmer, warf ich mich aufs Sofa und suchte die Ritzen nach der Fernbedienung für den Fernseher ab. Jetzt hatte Julius mir sogar den Spaß am Frustrülpsen verdorben.

„Suchst du die?“, säuselte es da neben mir, und eine weiß behandschuhte Hand hielt mir die Fernbedienung hin.

Ich schrie leise auf. Diesmal stand Dracula vor mir und rollte seine braun-grünen Sprenkelaugen.

„Wie bist du hier reingekommen?“ Mit einem Satz sprang ich vom Sofa hoch. „Und wie hast du dich so schnell umgezogen?“

„So“, sagte er, flitzte zum Kostümständer neben der Karaokeanlage und kam eine Sekunde später als Lady Gaga zurück.

Das war nicht möglich! Ich kniff meine Augen zusammen und öffnete sie wieder. Doch er stand noch immer in Glitzerkleid und weißer Wallemähne vor mir. Mit offenem Mund starrte ich ihn an.

„Wer … bist … du?“, stammelte ich schließlich.

„Julius“, sagte Julius und seufzte Mamas Seufzer. „Das ist wirklich anstrengend mit dir. Man hat mir nicht gesagt, dass du sooo schwer von Begriff bist.“

Plötzlich hatte er ein riesiges, strahlend weißes Handy in der Hand und hielt es mir vor die Nase. „Schau, was du angerichtet hast.“

Auf dem Display blinkte in Grellrot eine Nachricht:

Warnung!

Karmalevel 007/100

Stufe: unterirdisch

kurz vor Nacktmull

Ich hatte keine Ahnung, was das sein sollte.

Ein Spiel?

„Ich bin vier Punkte auf einmal abgerutscht“, sagte Julius anklagend. „Nur weil du dich wegen deiner Baby-Party so aufführst.“

Er zog genervt die Lady-Gaga-Wimpern hoch. „Dabei habe ich total freundlich gefragt, ob du mir helfen kannst. Ich habe sogar Bitte gesagt.“ Nachdenklich blickte er zur Decke. „Oder? Habe ich? Oder doch nicht?“ Er zuckte die Schultern. „Vielleicht auch nicht, ist sowieso überbewertet so ein Bitte, was kann man sich davon schon kaufen? Aber gut, sag ich es halt jetzt: Kannst du mir BITTE endlich mit dem Karma-Scheiß helfen?“

Es war zu viel.

Ich presste meine Hände auf die Ohren. Kniff die Augen zusammen.

Ich war allein.

Es standen weder Julius noch Lady Gaga vor mir. Ich drehte nur gerade durch. Hormone, schoss mir durch den Kopf. Das sagte meine Tante jedes Mal zu meiner Mutter, wenn meine Cousine wieder was richtig Übles anstellte. Ich hörte Tante Daisys Piepsstimme: Das sind die Hormone. Vollkommen unzurechnungsfähig, das Kind.

Passierte das gerade mit mir? Weil ich elf wurde? Bisher hatte ich nichts mit dem Wort Hormone anfangen können, aber wenn sie für Julius verantwortlich waren, dann verstand ich nur zu gut, dass meine Cousine dauernd austickte.

„Es ist unhöflich, sich die Ohren zuzuhalten, wenn jemand mit einem spricht“, plärrte Julius neben meinem Ohr. „Wer hat dich eigentlich erzogen?“

„Blablablablablablabla“, rief ich, die Augen weiterhin fest zusammengekniffen, als mir plötzlich jemand die Hände von den Ohren zerrte.

„Milena!“, rief meine Mutter. „Was ist eigentlich mit dir los? Ich ruf und ruf und ruf … Isabel hat bei mir angerufen, weil du nicht an dein Handy gehst. Sie kommt jetzt rüber.“

„Isabel?“ Ich öffnete meine Augen. „Wie? Ich geh nicht an mein Handy? Sie geht nicht an ihres!“

„Wie auch immer“, sagte Mama und schüttelte den Kopf. „Du machst heute in puncto Spinnerei echt deiner Cousine Konkurrenz. Ich geh jetzt für ein paar Stunden ins Büro, also mach Isabel auf, wenn sie klingelt.“

Meine Mutter ging zur Tür. Dort, wo sie eben noch gestanden hatte, erschien wie aus dem Nichts eine Mumie mit braun-grünen Sprenkelaugen. Sie grinste teuflisch und streckte mit einer eckigen Bewegung ihren zerfledderten Mumienarm nach mir aus.

Ich schreckte zurück. „Mama!“

„Ja?“ Mama drehte sich an der Tür um. „Was ist denn?“, fragte sie ungeduldig.

Die Mumie neben mir störte sie nicht. Was bedeutete: Sie sah sie nicht.

Ich schluckte. „Nichts.“

Mama seufzte und verließ den Raum. Ich hörte, wie sie ihre Handtasche von der Garderobe nahm und in ihre Schuhe schlüpfte. Wie sie die Wohnungstür öffnete und hinter sich wieder schloss.

Die Mumie mit den Sprenkelaugen grinste zufrieden.

Panik stieg in mir hoch.

Sie konnte mich doch nicht alleine lassen! Ganz allein mit Julius und den Hormonen, die einen offenbar verrückt machten!

„Wie kommst du auf eine so bescheuerte Idee?“ Isabel verdrehte theatralisch die Augen, schnipste dann ihre braunen Haare über die Schulter und inspizierte die auf dem Tisch ausgebreiteten Leckereien. „Ausgerechnet Läusealarm! Das ist so … örgs … Kindergarten.“

„Es war nicht meine Idee, es war die Idee von Julius“, korrigierte ich sie.

„Julius, der Gaga-Junge, der nur in deinem Kopf existiert und von deinen Hormonen gesteuert wird.“ Sie klimperte mit ihren Wimpern und verzog gleichzeitig den Mund zu einem mitleidigen Grinsen.

„Genau der“, sagte ich, „gut aufgepasst.“

„Ich passe immer auf. Aber jetzt ist er weg, oder?“ Genüsslich stopfte sie sich eine Handvoll Erdnussflips in den Mund und setzte sich neben mich.

„Scheint so.“ Tatsächlich hatte ich Julius nicht mehr gesehen, seit Isabel vor ein paar Minuten in unsere Wohnung gestürmt war. Aber etwas roch sehr streng. Ich schnupperte.

„Hör auf su snuppern“, nuschelte Isabel und verteilte dabei etwa zehn Prozent der Erdnussflips aus ihrem Mund auf dem Tisch. „Das pin ich.“

Ich reckte mich (weil Isabel sogar im Sitzen deutlich größer war als ich, und dabei war ich mittelnormalgroß) und schnupperte an ihren Haaren. Sie stanken so penetrant nach Läusespray, als hätte Isabel eine ganze Dose draufgesprüht.

Autor

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