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Mina und die Karmajäger — Lichter aus im Geisterhaus

Als Buch hier erhältlich:

Klugscheißer-Geist trifft auf Girlpower!

Mina wird Klugscheißer-Geist Julius einfach nicht los. Auch nach zwei erfolgreich gelösten Missionen müssen noch mehr Karma-Punkte her. Wie gut, dass der dritte Fall schon vor der Tür steht: Die Karma-Jäger müssen das Geisterhaus retten! Obwohl Minas Freunde einen falschen Spuk nach dem anderen zünden, hat sich ein Käufer gefunden – und der soll schleunigst vertrieben werden. Julius liebt die neue Mission: Jetzt wird er beweisen, dass er als echter Geist mehr bewirken kann als so ein bisschen Pseudo-Grusel. Aber der neue Fall hält noch einige Überraschungen vor ihn bereit ...

Der dritte Fall der Karmajäger-Reihe von Bestsellerautorin Janet Clark!






  • Erscheinungstag: 25.08.2020
  • Aus der Serie: Karma Jäger
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 192
  • Altersempfehlung: 9
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783748800507

Leseprobe

Für Franz,

meinen großartigen großen Bruder,

der mir in allerbester Großer-Bruder-Manier

die allererste Tür auf dem Weg zur Autorin geöffnet hat.

Danke!

„The ghost“, las ich laut, als Julius neben mir auf dem Schreibtisch landete.

„Dää!“, korrigierte er mich und verzog den Mund zu einem Breitmaulfroschgrinsen. „Dää goahst … Als Geist weiß ich schließlich, wie man der Geist auf Englisch ausspricht.“ Er beugte sich über mein Heft und schüttelte den Kopf. Schon klappte es wie von selbst zu.

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„He!“, protestierte ich. „Das ist Hausaufgabe.“

„Über einen Geist, der eine rostige Kette mit sich herumträgt?! Das ist so … so …“ Er schüttelte sich. „So was kann sich nur ein Mensch ausdenken, der keine Ahnung von Geistern hat.“

Ich verkniff mir die Bemerkung, dass die meisten Menschen keine Ahnung von Geistern haben konnten und sich deshalb Geistergeschichten ausdenken mussten. Schließlich konnte ich Julius nur sehen, weil er mit seinem Karma-Auftrag zu mir geschickt worden war. Und da er derzeit der einzige Geist unter sechzehn war, der sein Karma aufpolieren musste, war ich das einzige Mädchen, das einen Geist wie Julius kannte. Fast das einzige, denn meine beste Freundin Isabel kannte Julius natürlich auch. Zumindest das, was ich ihr über ihn erzählte.

Seufzend verfolgte ich den Flug meines Englischheftes Richtung Papierkorb. Es würde darin landen und verknicken – so wie ich meine Hausaufgaben knicken konnte, bis Julius sich wieder in Luft auflöste.

Ich wusste nämlich inzwischen ein paar Dinge über Geister.

Zum Beispiel, dass sie sehr ungeduldig waren und eine äußerst empfindliche Nase hatten.

„Haben wir eine neue Karma-Mission?“, fragte ich, denn warum sonst würde Julius hier auftauchen? Die letzte Mission lag fünf Tage zurück, seitdem hatte ich Julius weder gesehen noch gehört. Wie beim letzten Mal, allerdings hatte da eine ganze Woche zwischen den Missionen gelegen. Ich wartete darauf, dass er sein Himmelshandy zückte und mir unter die Nase hielt.

Doch nichts geschah.

„Julius?“

Das Himmelshandy blieb in seiner Tasche.

Sein Mund geschlossen.

„Bist du nur als Hausaufgabenpolizei hier?“ Ich linste zu meinem Englischheft, das offen im Papierkorb steckte. „Oder ist dir einfach langweilig?“

Julius sah auf seine Hände, öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder.

„Kann ich dann die Aufgabe fertig machen, bis du weißt, warum du hier bist? Du kannst mir ja helfen, wenn dein Englisch so gut ist.“

Ich zog mein Heft aus dem Papierkorb.

Leider war es nicht nur verknickt, es war auch mit der Heftspitze in einem schlecht ausgekratzten Joghurtbecher gelandet.

„Mensch, Julius!“, schimpfte ich und wischte die rosa Joghurtreste an meine Hose.

Julius schnüffelte. „Erdbeerjoghurt. Den gleichen hatten diese schrecklichen Kinder auch. Die haben ihren überallhin geschleudert.“ Er verzog angeekelt den Mund.

„Welche Kinder?“, fragte ich verwirrt.

„Na, die in meinem Haus!“ Mit einem Satz sprang er vom Schreibtisch und schnippte mit den Fingern in meine Richtung. Schon flutschte das Englischheft aus meiner Hand und flog wieder Richtung Papierkorb.

„Stopp! Joghurtbecher!“, rief ich.

Das Heft hing kurz in der Luft und flatterte dann zum Schreibtisch zurück. Dort landete es auf den anderen Heften, die darauf warteten, dass ich die Aufgaben darin erledigte.

„Die unordentlichsten, ungezogensten, unverschämtesten Kinder der Welt“, klagte Julius. „Sie haben mich mit Joghurt beworfen.“

„Konnten sie dich denn sehen?“ Ich hatte mal gehört, dass jüngere Kinder eher Geister sehen können als ältere.

„Spielt das eine Rolle? Sie haben Joghurt durch mich hindurchgeschleudert!“ Julius verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „In meinem Haus!“

„In welchem deinem Haus?“, fragte ich und erkannte an Julius’ Blick, dass er mich mal wieder für schwer von Begriff hielt. War ich aber nicht. Julius redete nur gerne in Rätseln.

„Na, in dem Haus an der Adresse, die im Roseninternat in meiner Akte steht. Dem Haus meines Vaters.“

Aha. Seine Schulakte im Roseninternat.

Dann hatte Julius sich also die letzten fünf Tage damit beschäftigt, mehr über seine Vergangenheit herauszufinden. Zum Beispiel über das Haus, in dem er gewohnt hatte, bevor er – laut seiner ehemaligen Mitschülerin und guten Freundin Agneta – mit seinem Vater, Herrn Grubenkorn, auf eine Weltreise aufgebrochen war.

Neugierig sah ich ihn an. Schließlich interessierte es mich auch brennend, mehr über Julius zu erfahren. Warum und woran er gestorben war zum Beispiel. Oder warum niemand im Roseninternat wusste, dass er gestorben war. Oder was mit seinem Vater passiert war, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass der die Weltreise alleine fortgesetzt hatte. Oder warum seine Mutter nicht nach ihm suchte, und warum Julius so war wie er war. Bislang war das, was ich über ihn wusste, sehr überschaubar:

Er war ein Geist mit einem Karma-Problem.

Er hieß Julius Grubenkorn.

Er hatte eine empfindliche Nase.

Er war bis vor ein paar Monaten Schüler der sechsten Klasse im Roseninternat gewesen.

Er hatte ein Springpferd vorm Schlachter gerettet.

Er hatte einen superreichen Vater.

Er war von der Schule für eine große Reise mit seinem Vater beurlaubt worden (von der er nicht mehr zurückgekommen war).

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„Und?“, fragte ich neugierig. „Was hast du rausbekommen?“

„Na, nichts!“, rief Julius. „In meinem Haus hat sich eine Familie mit vollkommen durchgeknallten Minimonstern breitgemacht!“

„Vielleicht hat dein Vater das Haus während eurer Reise vermietet?“, schlug ich vor.

Julius winkte ab. „Mein Vater würde doch nicht wegen ein paar Kröten fremde Leute sein Haus verjoghurten lassen!“

„Vielleicht wohnt dort eure Haushälterin, die auf das Haus aufpasst, während ihr weg seid?“

„Aufpasst?“ Julius’ Stimme kippte vor Empörung. „Wenn die noch länger in dem Haus bleiben, kann man das nur noch mit der Abrissbirne renovieren. Diese Minimonster sind schlimmer als eine Horde Affen nach einer Überdosis Schnapsjoghurtpralinen!“

Ich biss mir auf die Lippen, um nicht zu grinsen. Julius übertrieb mal wieder maßlos, da war ich mir sicher.

„Ach, komm“, sagte ich beruhigend, „so schlimm können die nicht sein. Was sollen zwei winzige Kinder schon groß anrichten können?“

„Ha!“, rief Julius. „Du glaubst, ich übertreibe? Dann komm mit und schau dir das Chaos selber an.“

Plötzlich leuchteten seine braun-grünen Sprenkelaugen auf. „Das ist es! Du kommst mit und fragst diese Frau, was sie in meinem Haus verloren hat. Nein, noch besser, du sagst ihr, dass sie ihre Minimonster nehmen und aus meinem Haus verschwinden soll.“

„Spinnst du?“, protestierte ich. „Ich kann doch nicht zu wildfremden Leuten gehen und sie aus einem Haus rauswerfen, das mir gar nicht gehört!“

„Es gehört mir. Und ich würde sie ja rausspuken, wenn mich die ersten Versuche nicht schon zwölf Karma-Punkte gekostet hätten.“

Ich horchte auf. Karma-Punkte gekostet?

Vor fünf Tagen war er auf Level 48, kletterfreudiger Wetterfrosch, gewesen.

Dann war er jetzt auf …

„Level 36“, verkürzte Julius meinen Rechenprozess, „spinnenbesetzte Bananenstaude. Nur schlimm für Menschen mit Spinnenphobie, dennoch die falsche Richtung.“ Meine Zimmertür flog auf. „Hopp, hopp, wir haben was zu erledigen!“

„Aber …“ Ein starker Wind in meinem Rücken schob mich Richtung Tür. Ich stemmte mich mit aller Kraft dagegen. „Julius! Hör auf!“

Der Wind stoppte so abrupt, dass ich nach hinten plumpste. Doch noch bevor ich überhaupt den Mund für meine Schimpfkanonade öffnen konnte, stand Julius schon mit verschränkten Armen vor mir.

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„Du hast gesagt, du hilfst mir, herauszufinden, was mit mir und meinem Vater passiert ist“, sagte er anklagend. „Einfach so, hast du gesagt, unter Freunden. Auch ohne Mission.“

Hatte ich. Vor fünf Tagen, ich erinnerte mich an jedes Wort. Julius konnte nicht verstehen, warum niemand nach ihm suchte. Selbst wenn auch seinem Vater auf der Reise etwas zugestoßen war, müsste doch wenigstens seine Mutter ihn als vermisst gemeldet haben!

„Natürlich helfe ich dir!“ Ich rappelte mich hoch und rieb mir den Po. „Trotzdem kann ich niemanden aus einem Haus rauswerfen.“

„Aber du kannst Fragen stellen.“

Ja, das konnte ich.

Theoretisch.

Aber praktisch würde ich ganz sicher nicht alleine in ein fremdes Haus zu fremden Leuten gehen und Fragen stellen, die mich streng genommen nichts angingen.

„Du könntest deine Stinkefreundin mitnehmen“, interpretierte Julius mein Zögern genau richtig.

„Beste Freundin“, korrigierte ich ihn. „Oder nenn sie einfach Isabel.“

„Haben wir einen Plan?“, fragte Isabel, nachdem ich ihr auf dem Weg zu Julius’ Haus die wichtigsten Details erzählt hatte.

Julius wirbelte herum und zog empört die Brauen hoch, als wäre allein die Frage eine Frechheit. „Natürlich haben wir einen Plan! Wir gehen da rein und werfen die raus.“

„Wir haben keinen Plan“, rief ich Isabel zu und streckte den Arm aus, um mich in die Linksabbiegerspur einzufädeln. „Aber ein Ziel.“

„Wachtelstraße 34, ich weiß“, rief Isabel zurück.

„Falsch“, rief Julius und bog in eine ruhige, waldige Straße mit fetten Villen ab. Wir näherten uns offenbar der Gegend, in der Julius und sein Vater gewohnt hatten. „Unser Ziel ist es, die Joghurtmonster aus meinem Haus zu werfen!“

„Nein, das tun wir nicht.“ Ich fuhr langsamer, bis Isabel wieder neben mir auftauchte.

„Was tun wir nicht?“, fragte sie neugierig.

„Wir werfen niemanden aus dem Haus.“ Wieder bogen wir ab. Die Straße war noch waldiger, noch ruhiger, die Villen noch größer. Wachtelstraße stand auf dem Straßenschild, darunter Privatstraße, Anlieger frei.

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„Wir stellen nur höflich ein paar Fragen, und dann sehen wir weiter.“

Das ist dein Plan?“, fragte Julius entsetzt.

„Wir improvisieren also“, sagte Isabel. „Das üben wir gerade im Schauspielunterricht. Planlos in die Szene und das Beste draus machen. Was wollen wir wissen?“

„Wer dort wohnt und warum.“ Ich stoppte und zeigte auf die Hausnummer. „Wir sind da.“

Ich stieg ab und lehnte mein Fahrrad an den festungsähnlichen, gut zwei Meter hohen Stahlzaun, der das riesige Grundstück umfasste. Mit einem Mal war mir mulmig im Magen. Vorhin bei Isabel hatte der Ausflug in die Wachtelstraße noch wie ein spannendes Abenteuer geklungen. Jetzt, hier vor diesem mächtigen, abweisenden Zaun, hatte ich nur noch einen Wunsch: dass wir schon wieder zu Hause wären.

„Kein Namensschild“, sagte Isabel fachfrauisch und stellte sich vor die hohe Stahltür. „Typisch bei sehr reichen und berühmten Menschen. Oder bei Gangstern. Die lassen das Namensschild auch gerne weg. Wegen der Polizei.“

Ich schluckte.

Noch konnten wir einfach umdrehen und gehen.

„Ich rede“, sagte Isabel und drückte bereits auf den Klingelknopf.

Erst da bemerkte ich die Kamera neben der hohen Stahltür. Sofort fühlte ich mich beobachtet. Zaghaft stupste ich Isabel an und zeigte unauffällig auf die Kamera. Doch sie setzte ihr Diamantlächeln auf, winkte mit der einen Hand direkt in die Kameralinse und klingelte mit der anderen Sturm.

Nichts rührte sich.

„Keiner da!“ Erleichtert drehte ich mich um und wollte gerade zu meinem Fahrrad, als ein helles Prusten durch die Sprechanlage drang und gleichzeitig die Stahltür aufsprang.

„Ha!“, rief Isabel und drückte die Tür forsch zur Seite. „Siehst du, ein freundliches Lächeln öffnet jede Tür.“

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Ich folgte ihr, das Herz klopfte mir bis in den Hals. Etwas erschien mir höchst seltsam – dieses Haus war von der Straße abgeschirmt wie der Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses, und dann wurde einfach das Tor geöffnet? Ohne dass jemand fragte, wer wir waren und was wir wollten?

Ich sah mich nach Julius um. Wo war er?

„Au!“, rief Isabel da und rieb ihren Arm.

„He!“ Diesmal bückte sie sich und rieb ihr Bein.

In dem Moment traf es mich.

Ein stechender Schmerz an der Schulter.

„Au!“

Dann am Arm.

„Au!“

Am Bein.

Am Bauch.

„Au!“

Wir wurden beschossen!

„Rückzug!“, rief ich, als ich ein helles Kichern hörte.

Die Minimonster!

Wieder traf mich etwas an der Schulter, gefährlich nahe am Hals. „Aufhören!“, rief ich. „Wir kommen in Frieden!“

„Oh nein! Kommen wir nicht!“ Wie eine Rakete schoss Julius an mir vorbei und auf einen Baum direkt vor der riesigen Villa zu. In dem Baum war auf knapp einem Meter fünfzig Höhe ein Baumhaus gebaut.

Ich sah genauer hin.

Sah die Kinder, die mit fetten Nerfs auf uns zielten.

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Eine Wutwelle schwappte durch mich hindurch. Was bildeten diese Minimonster sich ein?

Schützend hielt ich einen Arm vor mein Gesicht und rannte brüllend auf das Baumhaus zu.

„Hilfe! Mamiii!“, kreischte es da.

„Ihhh! Mami! Hilfeee!“

Ich stoppte mitten im Lauf.

Vor mir hingen die zwei Schützen strampelnd und kreischend auf Augenhöhe in der Luft. Ich schätzte sie auf fünf und sechs Jahre.

Die Haustür wurde aufgerissen.

Eine Frau stürmte heraus, die Minimonster plumpsten ihr genau vor die Füße.

„Manni! Molly!“, rief die Frau und bückte sich nach den Kindern. Dann sah sie hoch und schleuderte einen Todesblick Stufe 3 nach mir. „Was hast du mit meinen armen Babys gemacht? Wie kommst du überhaupt hier rein?“

Arme Babys? Meinte sie damit etwa diese schießwütigen Monster?

„Sie hat uns aus dem Baumhaus geworfen!“, schniefte das Mädchen.

„Ja, sie ist eine fiese Hexe!“, heulte der Junge. „Sie hat mein Gewehr kaputt gemacht!“

„Ich habe die beiden Fieskröten nicht mal berührt!“, protestierte ich.

Doch die Frau zog schon ein Handy aus der Hosentasche.

„Fieskröten?“, schnaubte sie. „Dann haben wir Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, unerlaubtes Eindringen in Privatbesitz. Mal sehen, was deine Eltern sagen, wenn dich gleich die Polizei nach Hause bringt. Und ihr“, wandte sie sich zuckersüß an die Minimonster, „geht rein und sucht euch zum Trost ein leckeres Eis aus.“

„Moment mal! Ich werde wie eine Einbrecherin behandelt, und die werden jetzt auch noch belohnt?“, rief ich empört. „Wir haben ganz normal geläutet, jemand hat geöffnet, und dann sind wir beschossen worden!“

„Wir?“ Alarmiert sah die Frau sich um. „Wer ist wir?“

Ich sah mich ebenfalls um.

Da entdeckte ich Isabel.

Sie lag am Boden, etwa zehn Meter entfernt.

„Isabel!“ Ich rannte zu ihr.

Kniete mich neben sie.

„Sagdubrauchsnarzt“, nuschelte sie mit geschlossenem Mund und zwinkerte mir minisekundenkurz zu.

Ich verstand.

Sie improvisierte.

„Schnell! Einen Arzt!“, rief ich.

Die Frau trat neben mich und beugte sich über Isabel. „Na, jetzt wollen wir doch mal nicht übertreiben. Die kleinen Plastikgeschosse haben bisher noch keinen umgebracht.“

„Ach, das machen die süßen Kleinen öfter?“, rief Julius ungläubig. „Und dich will sie von der Polizei abholen lassen! Die hat doch eine Gehirnverrenkung!“

Die Frau packte Isabel unsanft an den Schultern, zog sie vom Boden hoch und schüttelte sie. „Aufwachen, Mädchen!“

Ganz langsam öffnete Isabel ein Auge.

Dann das zweite.

„Na also.“ Die Stimme der Frau klang erleichtert. „Sag ich doch, alles nicht so schlimm. Ich würde doch meine Kinder nicht damit spielen lassen, wenn die Dinger gefährlich wären!“ Sie lachte künstlich.

Isabel griff sich an den Hals und hustete theatralisch. „Was ist passiert?“, flüsterte sie mit matter Stimme. „Bin ich im Himmel?“

„Nein“, sagte ich. „Du bist bei Familie Grubenkorn, die Gäste zur Begrüßung gern mit Plastikkugeln abschießt.“

„Grubenkorn?“ Die Frau runzelte verwirrt die Stirn. „Wer ist Familie Grubenkorn?“

„Julius!“, hauchte Isabel. „Ist Julius hier?“

„Wer ist Julius?“, fragte die Frau noch verwirrter.

„Julius Grubenkorn“, erklärte ich, „der Junge, der hier wohnt. Das ist doch Wachtelstraße 34?“

„Ist es, aber hier wohnt kein Julius Grubenkorn.“

„In meiner Akte im Roseninternat steht aber genau diese Adresse. Sie lügt“, zischte Julius.

„Er könnte doch früher mal hier gewohnt haben. Bevor Sie hier eingezogen sind“, warf Isabel ein.

„Bevor ich das Haus gebaut habe, war auf dem Grundstück nur eine Gartenlaube. In der hätte nicht mal mein letzter Gärtner gewohnt, und den hat es vor nichts gegraust.“ Sie schüttelte sich. „Der dachte sogar, dass man beim Toastbrot die Rinde mitessen kann.“ Sie hielt inne. „War Herr Grubenkorn vielleicht einer unserer Gärtner? Koch? Putzmann? Chauffeur? Ich kann mir die Namen nicht alle merken bei dem ständigen Wechsel an Personal.“

„Nein, sicher nicht“, sagte ich mit besorgtem Blick auf Julius. Sein Gesicht war dunkelrot vor Zorn.

„Mein Vater ein Putzmann bei diesen Joghurtmonstern?“, explodierte er.

Der Blick der Frau verweilte auf Isabel. „Da hast du dich schön anschmieren lassen von diesem Julius. Der Name ist sicher auch falsch. Grubenkorn … so heißt doch niemand! Und wenn doch, würde jeder normale Mensch schnellstens seinen Namen ändern … Au!“

Sie griff sich an den Arm.

„Aua!!“

Ans Bein.

„Aua!“

An den Po.

„Aua!! Schluss jetzt!“

Sie rieb sich über den Hinterkopf.

„Aua! Molly! Manni! Ich habe euch tausendmal gesagt, nur aufs Personal zielen!“

Sie rannte im Zickzack Richtung Baumhaus.

„Au, au, au, au, au!“

Sie hielt sich die Wange.

„Schluss jetzt!“

Die Plastikgeschosse hagelten immer schneller auf sie herab.

„Kein Fernsehen heute!“, brüllte sie, schlug einen Haken und flüchtete ins Haus.

„Abflug?“, fragte Isabel.

„Abflug“, sagte ich und rannte los.

„Meinst du, dass Julius auch so …“ Isabel plumpste neben mir auf ihr Bett. Sie vollendete den Satz nicht, aber ich wusste, was sie fragen wollte: Ob Julius’ Karma-Probleme daher kamen, dass er auch so durchgeknallt aufgewachsen war.

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