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Skandal auf Korfu

Er ist ihr Traummann, er ist ihr Ehemann - doch er liebt sie nicht. Als Shelley den faszinierenden Griechen Christos heiratet, weiß sie, dass er sie nur zur Frau nimmt, um sich an ihrem Vater zu rächen. Muss Shelley die Hoffnung auf Liebe wirklich aufgeben?


  • Erscheinungstag: 04.06.2018
  • Seitenanzahl: 170
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955768225
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. Kapitel

Es war Christos. Er ging mit großen Schritten den Pier entlang zur Jacht. Er trug eine Jeans und ein hellblaues Hemd, das gerade weit genug offen war, um die schwarzen Haare in seinem Ausschnitt zu zeigen; die Muskeln seiner Brust spannten in der groben Kleidung. Er war jetzt älter, kein Junge mehr, sein Körper war kräftiger als je zuvor. Er kam ihretwegen.

Shelley befand sich zusammengesunken vor dem Schott der Jacht ihres Vaters, eine plötzliche Furcht kam in ihr auf. Wie sie sich danach sehnte, mit ihm zu gehen! Aber traute sie sich das zu? Sie wollte nicht mehr nachdenken, packte ein paar Sachen in eine Tasche und lief schnell die Treppen hinauf.

Mit hämmerndem Herzen warf sie einen Blick über ihre Schulter. Es würde die Hölle sein, wenn Daddy und Paula entdecken würden, dass sie weg wäre. Aber es war ihr egal. Er war da, und das war alles, was zählte.

»Kommst du?«, rief er sie, als er sie bemerkte.

»Ja!«, flüsterte sie in Panik. Als sie herunter auf den Kai sprang, fühlte sie seine ausgestreckten Arme. Er drückte sie gegen sich, und nach einem langen Moment küsste er sie leidenschaftlich.

Sie wurde plötzlich wach und schaute sich in dem nicht vertrauten Raum um. Wo zum Teufel befand sie sich?

Dann dämmerte es ihr. Natürlich war sie in Korfu.

Seitdem Malcolm ihr gesagt hatte, dass sie hierher kommen würde, träumte sie ständig von Christos Kiriakis. Vielleicht wollte ihr Unterbewusstsein ihr etwas mitteilen. Wenn ja, war es umsonst. Sie wollte nie mehr etwas mit ihm zu tun haben.

Shelley versuchte vergeblich an etwas anderes zu denken. Zeit war vergangen – neun Jahre, um genau zu sein –, und Christos wohnte bestimmt nicht mehr hier. Trotz dieser ganzen Jahre hatte sie ihn aber nicht vergessen können.

Verfolgt von der Erinnerung an seine tolle Figur und den Klang seines rauen gebrochenen Englisch, stand sie vom Bett auf. Unter der Dusche fragte sie sich, ob er wirklich so toll gewesen war, wie sie geglaubt hatte. Mit sechzehn war sie bestimmt leicht zu beeinflussen gewesen.

Sie schaute auf ihre Uhr und stellte fest, dass sie sich beeilen musste, wenn sie die Morgenfähre nach Kassiopi nicht verpassen wollte.

Trotz der schlecht geschlafenen Nacht sah sie immer noch hübsch aus. Sie hatte gewinnende amethystblaue Augen, glänzende, sanfte Haare und eine schlanke Figur, nach der sich die Köpfe der Männer drehten.

Sie ging zum Fenster, öffnete die Läden, sah draußen die strahlende Sonne. Die Bäume unten in der kleinen Grünanlage sahen im Licht sanft wie Gaze aus. Ein wildes Kätzchen schlich die Wand des gegenüberliegenden Gartens entlang, und sie konnte das Geräusch vom sprudelndem Wasser hören, das einer Fontäne entsprang, die tief in dem grünen üppigen Gestrüpp unter den Palmen lag. Die frühe Sonne fühlte sich warm und einladend auf ihrem Gesicht an.

Sie schminkte sich schnell, dann holte sie Sommershorts und ein Seidenhemd aus ihrer Reisetasche heraus. Sie zog sich an, schlüpfte rasch in Ledersandalen, kämmte ihre Haare und nahm dann eine Baumwolljacke über ihre Schulter. Sie nahm ihre Tasche mit dem Rest ihrer Kleidung und eilte die Treppe hinunter zum Foyer.

Ein verschlafenes Gesicht tauchte an der Rezeption auf, als Shelley den Eingang erreichte. »Sie gehen?«, rief eine Stimme. Sie stoppte. Es war der junge Sohn des Besitzers. Als er seinen langbeinigen blonden Gast sah, lächelte er sie würdigend an. »Ich rufe Ihnen ein Taxi.«

Bevor er den Telefonhörer abnehmen konnte, sagte sie: »Es ist okay, danke. Ich möchte laufen. Um die Fähre zu nehmen, ist es doch nicht so weit, oder?«

»Wohin wollen Sie?«, fragte der junge Mann, darauf brennend, ihr zu helfen. Er hatte eine gerade griechische Nase wie Christos und die gleichen schwarzen Haare und die gleiche bronzefarbene Haut, aber er war nicht Christos, und sie fühlte sich zu ihm nicht hingezogen.

»Ich möchte die Küste hoch bis nach Kassiopi gehen«, erklärte sie.

»Ist schneller mit dem Auto. Ich hole es für Sie.«

»Nein, es ist in Ordnung. Ich habe geplant, das Schiff zu nehmen. Jemand wartet auf mich am Hafen.«

»Ein Freund?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin ausschließlich geschäftlich hier.«

Er hob ihre Tasche auf. »Hier. Ist schwer. Ich komme mit. Zeige Ihnen eine Abkürzung.«

Sie folgte ihm dann durch Sträßchen, die zum Meer führten. Sie konnte sich daran erinnern, dass sie schon mit Christos hier gelaufen war. Sie zwang sich, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen.

Shelleys Führer lief schnell und schaute ständig auf seine Uhr.

Es gab viele nette Läden an den Straßen, und sie hätte gern ein bisschen gebummelt, aber anscheinend hatten sie wirklich nicht die Zeit dafür, und glücklicherweise waren die meisten der Geschäfte noch zu, was die Verlockung minderte. Sie beeilte sich, blickte mal flüchtig auf ein Kleid hier, ein Paar Schuhe dort. Aus den offenen Fenstern von Häusern drangen Stimmen von Familien, die aus großen Räumen oder von den reich mit Geranien geschmückten Balkonen widerhallten.

Der Duft von brennendem Weihrauch mischte sich mit dem von frischem Kaffee und Brot. Er drang aus den Eingängen alter byzantinischer Kirchen bis auf die Straßen, und sie konnte den schwachen Klang der Gebete hören.

Es war Christos’ Gebiet, und sie hatte plötzlich das furchtbare Gefühl, dass sie ihn jede Minute treffen würde.

Sie hielt den Kopf nach unten und folgte dem jungen Mann. Marmorwege schlängelten sich klein und wendig zwischen den Häusern, von denen der Putz in Stücken abblätterte, hindurch. Die Pfade glänzten silbrig durch die zahlreichen Füße, die über sie in Jahrhunderten gelaufen waren.

Christos und sie hatten … Hör auf! schimpfte sie mit sich selbst. Jetzt liefen sie gefährlich schmale Treppen hinunter, in den kleinen Lücken zwischen den weißen Wänden der Häuser zeigte sich die türkisblaue Adria.

Dann kamen sie plötzlich auf die breite Fläche von Xenofondus Stratigu. Der Junge führte sie triumphierend die letzte Strecke bis zur Anlegestelle.

Die Fähre kam gerade längsseits, und Shelleys Stimmung hob sich beim Anblick des belebten Hafens, der farbigen Fischkutter und der hübschen Ansicht der Bucht.

»Danke für Ihre Hilfe«, sagte sie, als sie stoppten.

»Bitte schön.« Er schüttelte die Hand und lächelte sie freundlich an. »Viel Spaß.«

Lächelnd sah Shelley ihn weggehen und reihte sich dann in die Schlange zur Fähre ein.

Als Malcolm – der als leitender Angestellte bei dem Londoner Maklerbüro ihres Vaters arbeitete – sie gebeten hatte, nach Korfu zu kommen, hatte sie zuerst wegen Christos und des letzten Mals, als sie da gewesen war, gezögert.

»Es ist der wunderbarste Platz, den es gibt«, hatte sie ihm gesagt. Sie hatte sich schon dafür entschieden, doch mitzukommen. »Aber ich war ein romantisches sechzehnjähriges Mädchen um die Zeit. Ich bin mir sicher, dass es diesmal ziemlich anders sein wird.« Sie lachte. »Nirgendwo anders konnte den Fantasieanforderungen eines Teenagergirls, das auf Gedichte und griechische Mythen scharf ist, besser entsprochen werden!«

Sie fragte sich, ob Malcolm erfasst hatte, wovon sie außer Korfu sprach, aber er sagte nur: »Ich werde unseren Manager vor Ort dort – Spiros Papandreou – beauftragen, dich in Kassiopi abzuholen. Er kann dich raus zum Grundstück bringen. Sobald du alles wieder unter Kontrolle gebracht hast, kannst du zu einem dezenten Hotel in Korfu-Stadt zurückkehren und ein paar Tage Urlaub nehmen. Du hast es verdient. Ich werde dir etwas wirklich Schönes buchen.«

»Urlaub würde mir bestimmt gut tun«, gab sie zu. »Seitdem Dad sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat, war es total chaotisch im Büro.« Dann hatte sie eine Idee gehabt. »Warum bleibe ich nicht ein paar Tage auf dem Grundstück? Ich könnte in einer der Villen bleiben und sehen, ob wir ein paar Sachen ändern könnten. Es könnte für den Kundenforschungsbereich hilfreich sein.«

Er hatte gezögert. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«

»Aber die meisten von ihnen sollen bereits in der kommenden Saison komplett fertig sein. Was könnte mich davon abhalten?«

»Es ist der Grund«, sagte er beunruhigt, »warum du dorthin fahren sollst, oder? Shelley, rechne nicht damit, bei dem Arbeitsplatz bleiben zu können. Alles ist weit hinter der Planung zurückgeblieben.« Sein Gesicht war düster geworden. »Ich weiß wirklich nicht mehr. Du weißt, ich würde selber hingehen …«

»Du kannst London jetzt nicht verlassen, nicht mit Dad in unserem Nacken.«

Beide hatten gelacht, und sie hatte hinzugefügt: »Mach dir keine Sorgen um mich. Ich werde eine Lösung finden. Ich suche nach einer Herausforderung!«

Das war die Wahrheit, und es würde bedeuten, dass sie endlich fähig sein würde, etwas voll und ganz allein zu tun.

Genau in diesem Moment öffnete sich das Hecktor der Fähre und entließ die Passagiere in die Stadt. Die Leute, die mit ihr in der Schlange warteten, begannen ungeduldig zu werden, und bald bahnten sie sich mit viel Geschrei einen Weg an Bord.

Nach Korfu zu reisen war genau die Chance, auf die sie gewartet hatte. Sie sehnte sich danach, ihrem Vater zu zeigen, wozu sie fähig war. Es war endlich Zeit, dass er merkte, dass sie mehr Verantwortung tragen konnte. Sie zitterte – zumindest hoffte sie, sie würde es können! Wenn er vorhatte, sie den europäischen Teil von Burton’s International leiten zu lassen, sollte er sie mehr machen lassen. Zurzeit schien er zu denken, dass sie noch nicht genug Erfahrung hatte, obwohl sie direkt nach dem Abitur drei lange Jahre im Büro gearbeitet hatte. Stattdessen hatte er Malcolm Fitch ernannt.

Dennoch wusste sie, dass der nette Kerl sehr zuverlässig und schon seit zehn Jahren im Geschäft war. Als ihr Vater vor Kurzem einen Herzanfall gehabt hatte, hatte Malcolm das Geschäft übernommen, dabei alle wichtigen Dinge mit dem bettlägerigen Colin Burton beratend.

Es war Shelley gelungen, einen Sitz im Heck zu finden. Die Fähre begann langsam wegzufahren.

Sie wickelte ein weißes Seidentuch um ihren Kopf und setzte eine dunkle Sonnenbrille auf. Das war es. Sie schlug die Ärmel ihrer blauen Jacke hoch und setzte sich bequem hin, um die Reise zu genießen.

Korfu, das mit seiner alten venezianischen Festung wie ein grauer Koloss am Horizont aussah, verschwand bald hinter ihnen. Wind kam auf und hob kleine weiße Ringe auf die Wellen. Die zerklüftete Küstenlinie fächerte sich auf der Linken auf, und das seidige ionische Meer wogte durch den Kanal zwischen der Insel und dem Festland. Sie konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass sie jetzt wirklich in Christos Kiriakis’ Reich eintraten.

Sie legte eine Zeitschrift über ihr Gesicht und entschloss sich, nicht mehr an ihn zu denken. Aber es war nicht so leicht.

Was würde passieren, wenn sie sich in die Quere kommen würden? Würde er sich nach der langen Zeit an sie erinnern? Wie würde er jetzt aussehen?

Unfähig, sich zu konzentrieren, ließ sie die Zeitschrift herunter. Er wohnte jetzt sicherlich in Athen und war bestimmt erfolgreich geworden. Auch mit zwanzig hatte er das Selbstvertrauen von jemandem gehabt, der dabei war, Spuren zu hinterlassen.

Wütend auf sich selbst, weil sie ihn wieder in ihre Gedanken gelassen hatte, starrte sie die schöne Küstenaussicht an. Es würde noch ein paar Stunden dauern, bis sie dort ankommen würde. Dann würde sie arbeiten müssen. Schlaf übermannte sie.

Vor neun Jahren waren ihre Haare nach drei Wochen Kreuzfahrt eine erschreckend zerzauste silbrige Mähne geworden. Aus irgendeinem Grund hatte ihr Aussehen ihre neue Stiefmutter Paula aufgeregt. Sie hatte nie eine Gelegenheit verpasst, sie zu kritisieren. Sie waren diese Küste entlang gesegelt und hatten Kassiopi spät am Nachmittag erreicht. Es war glühend heiß gewesen. Shelley nahm auf dem oberen Deck in einem winzigen rosa Bikini ein Sonnenbad. Um ehrlich zu sein, hatte sie sich gelangweilt, denn es gab niemanden in ihrem Alter, mit dem sie hätte sprechen können. Paula und ihr Vater hatten nur Augen füreinander.

Als sie im Hafen ankamen, passierte ein Unglück: Ein Seil hatte sich um den Schraubenschaft ihrer Jacht gewickelt. Ihr Vater hatte begonnen zu schreien. Es war, als ob die Hölle sich losgerissen hätte.

Dann war Christos erschienen. Er war neunzehn oder zwanzig Jahre alt und kam mit seinem kleinen Außenborder zu Hilfe.

Er war ganz gebräunt gewesen, und mit seinen schwarzen Haaren und seiner geraden griechischen Nase hatte er für Shelley wie der romantischste Mensch ausgesehen, den sie je erblickt hatte. Er hatte sie gerufen und hatte ein Seil zu ihr hinaufgeworfen. Sie hatte es gefangen, und ihre Blicke hatten sich getroffen. Er hatte sie verwegen angelächelt, und Shelley hatte das Gefühl gehabt, dass ihr Leben plötzlich anders sein würde. Mein Gott, sie war so naiv gewesen.

Nachdem er das Seil befreit hatte, hatte er einen diskret amüsierten Blick gezeigt, so als ob sie schon etwas miteinander gemeinsam hätten – obwohl sie kein Wort gewechselt hatten. Er hatte ihnen geholfen, einen Ankerplatz in dem belebten Jachthafen zu finden und danach, als ihr Vater ihm Geld dafür geben wollte, schüttelte er den Kopf.

»Nein, ist umsonst.« Er schaute noch einmal Shelley an, bevor er sich plötzlich wieder umdrehte, als ob er etwas getan hätte, das er nicht machen sollte. Sie hatte ihn lange angesehen. Er hatte den Motor zum Brummen gebracht, war um ihr Boot gekreist, als ob er nur ungern wegwollte, und war dann in der Menge der Schiffe im Hafen verschwunden.

Sie hatte gedacht, dass sie ihn nie mehr sehen würde, aber er war wiedergekommen. Sie hatten jeden Tag zusammen verbracht, bis zu diesem abschließenden erniedrigenden Ereignis.

Sie schüttelte sich wach. Hier bin ich, noch mal mit offenen Augen träumend, schimpfte sie mit sich selbst. Die Fähre fuhr in einen anderen kleinen, malerischen Hafen entlang der Küste ein. Jedes Mal, wenn sie andockten, wurde sie hellwach, und wenn sie wieder aufs Meer losfuhren, ließ die Spannung nach. Schließlich begann das Schiff in Kassiopi anzulegen.

Seit neun Jahren sah sie den Platz zum ersten Mal wieder.

Der Hafen befand sich zwischen zwei Landspitzen, die mit Villen übersät waren. Ein Schloss aus dem zehnten Jahrhundert lag genau auf dem Hügel, wie sie sich noch erinnern konnte, aber es gab jetzt ein paar neue Hotels entlang des Strandes. Die Wasserfläche vor dem Pier war voll mit Jachten und Kabinenkreuzern. Sie bemerkte das bekannte Auge auf den Bugseiten. Christos hatte ihr erzählt, dass es die bösen Geister abwenden solle.

Als das Dampfschiff einfuhr, hupte es wie immer, um die Ikone der heiligen Jungfrau zu begrüßen. Diese wurde vor langer Zeit von einem Kapitän geschenkt, der auf dem Weg nach Venedig nach einem Schiffbruch gerettet worden war und im Angesicht des Todes geschworen hatte, im Falle seiner Rettung diese Ikone zu stiften. Dann kamen längsseits die gewöhnlichen Schreie der Bootmannschaften und das schrille Pfeifen der Hafenzollbeamten in ihren weißen Uniformen.

Shelley brannte darauf, von Bord zu gehen, und mit ihrer Tasche auf der Schulter folgte sie der Menge, die nur langsam auf der Rampe vorankam. Sie ging neugierig an Land.

Sie schaute sich um und hatte das Gefühl, in die Vergangenheit zurückzukehren. Obwohl sich innerhalb von neun Jahren viel geändert hatte, war der Ort immer noch bezaubernd.

Es gab einen neuen kleinen Supermarkt, aber das Milchgeschäft, bei dem sie jeden Morgen griechischen Joghurt für das Frühstück gekauft hatten, war immer noch da. Auch die Bäckerei existierte noch, und sie konnte sich an das warme Backwerk mit griechischem Honig, Baklavá und Kataïfi erinnern.

Dann gab es den Haushaltswaren- und Campingladen, der noch Gasflaschen, Wäscheklammern und Hunderte anderer Sachen verkaufte, die andere Geschäfte gar nicht mehr anboten. Jetzt gab es auch einen Friseurladen mit einer imposanten Decke aus Glas und Marmor, und direkt daneben befand sich eine hübsche, weiß gestrichene Boutique, die voll mit Goldringen, Schmuck aus Türkis oder Lapislazuli und bunten Seidenschals war, die dekorativ in der Türöffnung hingen.

Von den Läden richtete sie ihren Blick zu dem Wirtshaus am anderen Ende. Es gab noch dieselben blau gestrichenen Holztische und – stühle und den Garten auf einer Seite. Dann entspannte sie sich. Der Name über dem Eingangsschild war nicht mehr Kiriakis, sondern Georgiou.

Sie war jetzt ein bisschen lockerer geworden, schaute hier und da in der Hoffnung, Spiros zu sehen. Dann hielt ein Wagen bei ihr an, und sie lächelte freundlich. »Spiros!« Sie ging zu ihm. Sie hatte ihn schon einmal in London getroffen, und jetzt stieg er aus und umfasste fest ihre Hände.

»Entzückend, Sie wieder zu treffen, Miss Burton«, begrüßte er sie warm. »Ich habe strikte Anweisungen von meiner Frau Anna, Sie sofort nach Hause zu bringen, um zu frühstücken. Sie können bei uns bleiben, solange Sie es möchten.« Er nahm ihre Tasche und stellte sie ins Auto.

»Ich wollte auf der Arbeitsstelle bleiben«, sagte sie ihm, »aber Malcolm hat gemeint, dass es keine gute Idee wäre.«

Er runzelte die Stirn. »Es ist wahr. Wir sind mit einem großen Problem konfrontiert worden. Lassen Sie uns im Wagen sprechen.« Er sah plötzlich besorgt und unglücklich aus. »Die Dinge liegen – wie sagt man? – problematisch.« Er zuckte reuevoll mit den Schultern. »Ich denke, man braucht das Geschick eines Diplomaten, um sie zu lösen, Miss Burton.«

Ihr Herz zitterte. Und wie würde es sein, wenn sie damit nicht umgehen könnte?

Als sie bequemer im Auto saßen, schaute er sie von der Seite an, aber anscheinend wusste er nicht, wie er anfangen sollte.

»Bitte, sprechen Sie weiter, Spiros. Was ist los?«, sagte sie. »Sind die Lieferanten unzuverlässig?«

Er schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht. Alles läuft wunderbar in diesem Bereich. Aber das macht es fast noch schlimmer.« Er runzelte die Stirn wieder. »Es geht um Interessenkollisionen, Miss Burton. Als Ihrem Vater empfohlen wurde, dieses Landstück zu kaufen, wurde er ganz schlecht informiert.«

»Warum, was ist mit dem?«, fragte sie schnell und stellte sich alle möglichen Katastrophen vor: Erdrutsche vielleicht, Überflutungen … Aber als sie ihre Befürchtungen aussprach, lachte er nervös.

»Nicht so schlimm. Das Problem ist, Miss Burton, dass uns der neue Nachbar auf keinen Fall die Erlaubnis geben will, die Hochspannungsleitungen durch sein Land laufen zu lassen. Außerdem hat er unsere einzige Zufahrt gesperrt. Er behauptet, dass wir kein Recht haben, sie geschäftlich zu nutzen.«

Ihr Augen wurden größer. »Kein Recht?«, rief sie aus. »Aber es ist doch unser Land. Man kann damit machen, was man will!«

»Ich wiederhole nur, was die andere Partei sagt«, entschuldigte er sich.

»Ich dachte aber, dass die Zufahrt seit Jahren benutzt würde. Ich kann mich daran erinnern, dass ich selbst auf die Pläne geschaut habe.«

»Es stimmt«, sagte er. »Aber sie führte nur zu den ursprünglichen Bauernhöfen der Halbinsel. Jetzt behauptet er, dass die Straße nicht für geschäftliche Nutzung geeignet ist.«

»Könnten wir nicht Strom von woanders beziehen?«

»Leider nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Alles Umland gehört ihm. Wir könnten den Ort mit der Fähre erreichen, aber es ist nicht gut – zu riskant. Das Meer ist dort sehr rau, mit vielen Felsen. Deswegen ist der Strand so lange unbebaut geblieben.«

Shelley runzelte die Stirn. »Aber wie ich Dad kenne, bin ich mir sicher, dass er die ganze Sache von vorn bis hinten gecheckt hat.«

»Wie ich sagte, es kommt von dem neuen Nachbar; er macht Probleme.« Er streckte seine Arme weit aus. »Es ist wie ein Spiel. Monopoly. Oder vielleicht Schach? Wir sind matt gesetzt.«

»Es wäre mir lieber, wenn ich sofort dorthin gehen könnte, um zu sehen, wie es wirklich steht.«

Es war schlimmer, als sie gedacht hatte. Und was, wenn Dad das erfahren würde? Er würde vor Wut explodieren. Da er noch rekonvaleszent war, könnte das fatal sein. Sie verbannte die Angst aus ihrem Kopf und drehte sich zu Spiros um.

Er war noch nervöser geworden. »Was ich versuche zu erklären, Miss Burton … Es ist unmöglich, Zutritt auf das Arbeitsgelände zu bekommen. Seit sieben Tagen wurde es den Arbeitern schon verboten, dort einzutreten.«

»Das kann aber nicht sein! Sie meinen, dass die Produktion zum Erliegen gebracht worden ist?«

Er nickte und trommelte nervös auf das Steuer. »Eine private Sicherheitsfirma bleibt dort rund um die Uhr. Glauben Sie mir, es ist das erste Mal, dass so was passiert. Diese Leute haben die Anweisung, jeden zu stoppen, der durchfahren will. Jeden.«

»Das werden wir bald sehen!«, sagte sie fest. »Ich möchte, dass Sie mich sofort dorthin bringen. Bitte, Spiros.« Als er zu zögern schien, berührte sie seinen Arm. »Ich werde später frühstücken.«

Ungern startete er das Auto.

»Haben Sie versucht, herauszufinden, wer dahinter steckt?«, fragte sie. »Wahrscheinlich sollte ich einen Termin mit der betroffenen Firma abmachen.« Es ist bestimmt eine bedeutende Firma, die das Geld aufbringt, um für den ganzen Tag Sicherheitsleute anstellen zu können, dachte sie sich.

»Es ist eine Firma aus Athen«, sagte Spiros mit Ekel in der Stimme. Als ursprünglicher Mensch aus Korfu war ihm jeder oder alles vom Festland ein Gräuel. »Sie heißt Monasco Holdings

Shelleys schönes Gesicht wurde noch entschlossener. »Na gut, ich werde nach Athen fahren, wenn es nötig ist.«

Spiros lächelte sie an. »Ich bewundere Ihre Einstellung, Miss Burton. Aber glauben Sie mir, wenn ich gewusst hätte, dass es etwas ausrichten würde, wäre ich selbst nach Athen gefahren. Dennoch brauchen Sie nicht so weit zu fahren, weil sie in Korfu eine Filiale haben. Die Geschäftsstelle befindet sich auf dem Hügel. Sie heißt Villa Monasco.«

»Hier?«, fragte sie. Ihre blauen Augen glänzten mit erneuter Entschlusskraft. »Dann gehen wir jetzt den Chef von Monasco besuchen und klären die ganze Sache!«

Ihr Mut sank ein bisschen, als sie in eines der versteckten Täler unter dem Pandokrator-Berg einfuhren. Der Mauer eines privaten Grundstückes folgend, hielt Spiros schließlich an. Mit gut bewachten, imponierenden Eingangstoren, die jetzt geschlossen waren, sah die Villa Monasco aus wie eine Festung. Wipfel von Palmen ragten über die Wand.

Ein Wächter in Uniform trat aus dem Pförtnerhaus heraus. Er hatte ein Funkgerät in seiner Gesäßtasche.

Spiros versuchte ihn zu überzeugen, sie eintreten zu lassen, aber der Wächter war kategorisch dagegen: kein Eintritt. Befehl von oben.

Sie beugte sich vor und lächelte ihn verführerisch an. »Ich bin geschäftlich mit Ihrem Boss in der Villa verabredet«, sagte sie ihm in schlechtem Griechisch, sich dabei bewusst, dass es bestimmt grammatisch inkorrekt und nicht gerade wohlklingend war. Dennoch schien der Mann bereit, nachzugeben. Er nahm sein Funkgerät heraus, wählte eine Nummer, und nach einem kurzen Gespräch streckte er den Arm wie zur Entschuldigung aus.

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