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Vier Freundinnen und eine Hochzeit

hier erhältlich:

Beste Freundinnen für immer und natürlich würde jede Brautjungfer auf den Hochzeiten der anderen sein. Das haben Sarah, Dorrie, Beth und Caz sich geschworen - mit acht Jahren. Doch das Leben wollte es anders. Jetzt sind sie erwachsen und schon lange nicht mehr so unzertrennlich wie damals. Trotzdem wünscht Dorrie sich zu ihrer Märchenhochzeit nichts mehr, als dass sie ihre letzte Chance wahrnehmen und ihren Schwur von damals Wirklichkeit werden lassen …

"Ein sehr unterhaltsames, berührendes Lesevergnügen."
Closer Magazine


  • Erscheinungstag: 12.06.2017
  • Seitenanzahl: 432
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955766405
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Karen.
Sie war so wunderbar, absolut einzigartig.

Wie immer werde ich zur regelrechten Filmdiva und bedanke mich bei all den Leuten, die mir beim Schreiben dieses Buches geholfen und mich unterstützt haben. Und dieses Mal sind da wirklich enorm viele Leute zu nennen, bei denen ich mich zu bedanken habe, angefangen bei meiner fantastischen Agentin Dot Lumley und dem großartigen Team bei Avon. Mit unendlicher Geduld haben sie die Verzögerungen bei den Abgabeterminen ausgebügelt und so viel Verständnis in einer wirklich heiklen Zeit aufgebracht. Ein besonderer Dank geht an meine scheidende Redakteurin Maxine Hitchcock, die diese Idee hatte, und an meine neue Redakteurin Kate Bradley, die den Übergang völlig problemlos gestaltet hat, und natürlich wie immer an das gesamte Team. Mit ihrem nie versiegenden Enthusiasmus treiben Keshini Naidoo, Sammia Rafique und Caroline Ridding mich stets von Neuem an.

Und da sich die Gründung der Romantic Novelists’ Association zum fünfzigsten Mal jährt, nutze ich die Gelegenheit hier, um meine herzlichsten Glückwünsche zu übermitteln. Gäbe es euch nicht, wäre ich nicht da, wo ich heute bin.

Auch möchte ich Sarah Iles für ihre Ratschläge und Informationen zum Thema Schwangerschaft danken sowie auch Emma Lothian und Michael Ware, die offen ihre Erfahrungen mit künstlicher Befruchtung mit mir geteilt haben, sowie meinem Bruder, Jesuitenpater John Moffatt, für die Einsichten in den heutigen Katholizismus, die er mir gewährt hat. Missverständnisse oder mögliche falsche Darstellungen liegen allein in meiner Verantwortung.

Dieses Buch habe ich in einer recht schwierigen Phase meines Lebens geschrieben, deshalb möchte ich mich auf jeden Fall bei meiner Familie bedanken, die mir jederzeit den Rücken gestärkt hat. Danke! Ohne Euch hätte ich all das nicht geschafft.

Dieses Buch ist ein Buch über Freundschaft. Ich habe wirklich immenses Glück mit meinem großen Freundeskreis gehabt, sie alle waren und sind immer für mich da. Deshalb geht ein riesiger Dank auch an alle meine Freunde, an Deirdre Ridley, Geraldine Ormonde und meine Zwillingsschwester Virginia Moffatt – wir sind die Fantastischen Vier! –, und natürlich an Sarah McWilliams, die aus uns die Fantastischen Fünf gemacht hat. Danke für all die vergnüglichen Zeiten im Pizza Hut. Auch an Liz Flach, die ich schon kenne, seit ich denken kann, und an Pete Graham, der seit unzähligen Jahren dazugehört. Meine allerherzlichsten Grüße gehen auf den Kontinent an Caroline Deighton, Jane Evans und Patrick O’Hare, die die Jahre in Liverpool in etwas ganz Besonderes verwandelt haben, und an Ann Farrar, die mich während des gesamten Englischstudiums immer wieder zum Lachen brachte.

Meine Freunde haben die Zeit, die ich daheim mit der Versorgung der Kinder verbrachte, zu einer erfüllten und anregenden gemacht, weshalb ich mich auch bei Kate Chinn, Tracey Clark, Jane Hunnable, Sarah Iles, Lisa Lacourarie und Jackie O’Neill bedanken will. Mit Engelsgeduld haben sie sich regelmäßig meine Klagen über die Tücken des häuslichen Alltags angehört. Und natürlich bedanke ich mich ebenso bei meiner lieben Freundin Dawn Pearce, die immer da war und mir keine Bitte abgeschlagen hat.

Dieses Buch handelt ebenso von Hochzeiten, wie die wunderbare Maxine Hitchcock vorgeschlagen hat. Im Verlauf des Schreibprozesses hat sie selbst geheiratet und mich daran erinnert, wie viel Spaß so etwas doch macht. Bedanken möchte ich mich auch bei Karen Howard und Helen Gard, die mein Hochzeitsjahr mit mir erlebt und mich zu Doris inspiriert haben. Ebenso geht Dank an Liz Lamb, die den Vorschlag machte, sie in ein Buch einzuarbeiten. Bedanken muss ich mich auch bei Sue und Dave Howard für ihre Unterstützung.

Erst kürzlich habe ich meinen zwanzigsten Hochzeitstag gefeiert. Mein Mann war und ist mein bester Freund. Also gebührt auch dir ein großes Dankeschön, Dave. Für alles, auch für die Zeiten, in denen es manchmal nicht ganz so viel Spaß gemacht hat …

Prolog

Sarah

Juli 1981

Die Idee stammte natürlich von Doris. Damals schien überhaupt alles von Doris auszugehen. Der hübschen, quirligen, wunderbaren Doris mit ihren braunen Locken und blauen Augen, dem ansteckenden Kichern und dem auffälligen amerikanischen Akzent. Sie war der Leim, der uns alle zusammenhielt. So wie Sid in Ice Age die seltsame Herde zusammenhält, war sie unser klebriges Band. Ohne Doris lief nichts, ohne sie waren wir bedeutungslos. Schon damals wussten wir es.

„Es geht, es geht!“, rief sie stolz und wedelte mit der Fernbedienung für den Nonplusultra-Betamax-Videorekorder ihrer Eltern durch die Luft. Natürlich sagte keiner von uns damals „Nonplusultra“. Auch ahnte niemand von uns, dass Doris’ Eltern, ihrer Zeit wie immer voraus, ein hübsches Sümmchen in eine neue Technologie gesteckt hatten, die sich nicht lange auf dem Markt halten würde. Im stolzen Alter von acht Jahren konnten wir es ja kaum begreifen und waren völlig überwältigt, dass es tatsächlich möglich sein sollte, sich seine Lieblingssendung aus dem Fernsehen immer und immer wieder anzusehen. Ich musste mich zudem kneifen, weil ich nicht glauben konnte, dass mir Zutritt zum Allerheiligsten erlaubt worden war: der riesigen Villa von Doris’ Eltern. Seit Doris aus Amerika an unsere Schule gekommen war, faszinierte sie mich wie ein exotisches Lebewesen von einem anderen Stern. Ich hatte mir so sehr gewünscht, zum auserwählten Kreis dazuzugehören, und jetzt war es tatsächlich passiert. Ich war hier.

„Spiel direkt bis zum Kuss vor“, drängte Caz aufgeregt. Ihre dunklen Augen leuchteten vor Konzentration.

„Nein. Wir müssen uns alles ansehen“, beharrte Beth, das ernste blasse Gesichtchen von zwei dicken dunklen Zöpfen umrahmt. „Ich hab noch gar nichts davon gesehen, weil meine Mum und mein Dad Anti-Royal-Irgendwas sind.“

„Anti-Royalisten“, wusste Doris.

„Sie mögen die Queen nicht“, sagte Beth, „deshalb durfte ich’s mir nicht ansehen.“

Wir alle waren verdutzt, selbst wenn keiner von uns auch nur einen Laut von sich gab. Da hatten wir das ganze Schulhalbjahr über nichts anderes als die Hochzeit geredet, hatten geraten, was sie tragen würde und wer ihre Brautjungfern sein würden. Wir hatten ja sogar einen Tag schulfrei bekommen, um es uns ansehen zu können – Doris’ Mum und Dad waren zusammen mit ihr nach London gefahren, hatten stundenlang vor St Paul’s campiert und dann mit eigenen Augen alles gesehen. Wie die wundervolle Braut in die Kathedrale geschritten war und … und überhaupt alles. Und die arme Beth sollte gar nichts davon mitbekommen haben?

„Dann ist es ja richtig gut, dass Mum und Dad alles aufgenommen haben, nicht wahr?“, meinte Doris. „Aber jetzt … Ruhe!“

In dem riesigen Wohnzimmer, das Doris’ amerikanischer Professor-Dad den „Tagesraum“ nannte, machten wir es uns auf Erbsensäcken und großen Kissen bequem und reichten kichernd die Popcorntüte herum. Doris’ Zuhause war so ganz anders als alles, was wir bisher kannten. Alle von uns wohnten im Vorstadtzentrum von Northfields in der Nähe unserer Schule, während Doris auf der ländlicheren und viel nobleren Seite der Stadt lebte. Ihre Eltern waren zwar reich, aber auch prinzipiell für das öffentliche Schulsystem, und da unsere Schule den besten Ruf im Umkreis hatte, hatten sie ihre Tochter dort angemeldet.

Man musste erst eine endlos lange Kiesauffahrt überqueren, bevor man vor der großen Villa mit den gewundenen Säulen und der massiven Eichenholztür stand. Das Wohnzimmer war so riesig, dass das gesamte Parterre meines Zuhauses darin Platz gefunden hätte, und im Esszimmer stand ein Tisch, an dem locker zwanzig Personen sitzen konnten. Doris’ Dad hatte einen eigenen Hobbyraum im Keller für sich und auch noch ein Arbeitszimmer, aus dem er von nun an ab und zu zerstreut auftauchen und uns fragen würde, ob wir uns denn auch gut amüsierten. Oben im ersten Stock gab es fünf oder sechs Schlafzimmer, jedes davon mit einem eigenen Bad. Man stelle sich vor, sogar Doris hatte ihr eigenes Badezimmer!

Mir, die ich in einer bescheidenen Doppelhaushälfte wohnte und mir die drei Schlafzimmer mit zwei wesentlich älteren Brüdern und meinen Eltern teilte, kam diese Villa wie ein Schloss aus dem Märchen vor. Noch immer konnte ich nicht so richtig glauben, dass ich jetzt hier war, schließlich war Doris das angesagteste Mädchen der Klasse. Wie begeistert war ich gewesen, als sie mich auserkoren hatte, zu ihrer Clique zu gehören! Großzügig, wie Doris nun mal war, erlaubte sie mir sogar, ihre beste Freundin zu sein, natürlich zusammen mit Caz und Beth. Wir vier wurden unzertrennlich.

Es wäre einfach gewesen, Doris nicht zu mögen, das Mädchen mit den wunderschönen Korkenzieherlocken, einer Filmstar-Mutter, dem genialen Professoren-Vater und diesem beeindruckenden Haus, aber … es war schlicht unmöglich. Doris war nett und großzügig und lustig. Ihre überdurchschnittliche Intelligenz, die sie wohl vom Vater geerbt hatte, versteckte sie absichtlich und spielte das manierierte dumme Blondchen – obwohl sie doch gar nicht blond war. Ich dagegen war blond, und wie oft fühlte ich mich den anderen dreien unterlegen, weil sie doch alle so viel cleverer waren als ich!

Mit näselnder Stimme beschrieb der Berichterstatter jetzt die ankommenden Gäste, jeden von ihnen einzeln und mehr als ausführlich, er wies dann darauf hin, dass Prinz Charles zusammen mit Prinz Andrew auf Dianas Ankunft wartete. Wir alle machten „Aah“ und „Ooh“, als die Kutsche mit der Queen und Prinz Philip über den Bildschirm flackerte.

„Ich muss unbedingt ein solches Kleid haben, wenn ich nächstes Jahr Brautjungfer bei Tante Sophies Hochzeit in der Schweiz bin.“ Doris hielt das Video an, damit wir uns alle die Brautjungfern genau ansehen konnten. In unserer Achtjährigen-Vorstellung sahen die Brautjungfern geradezu perfekt aus in ihren elfenbeinfarbenen Puffärmel-Kleidchen mit den ausgestellten Röcken, vor allem den goldenen Schärpen galt unsere grenzenlose Bewunderung. Die kleinen Brautmädchen trugen Blumen im Haar, und nichts wünschte ich mir sehnlicher, als ebenfalls ein Paar solch hübscher weißer Schuhe zu besitzen. Nach einer ausführlichen und höchst kritischen Diskussion kamen wir alle einhellig zu dem Schluss, dass Doris viel hübscher war als India Hicks (die wir zu unserer Lieblingsbrautjungfer erkoren hatten) und ihr ein solches Kleid viel besser stehen würde. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass eine von uns jemals ein solches Kleid tragen würde.

„Wieso eigentlich immer nur du?“, fuhr Caz plötzlich böse auf. Das wirre schwarze Haar fiel ihr über die dunklen Augen, zwei brennend rote Flecken standen auf ihren Wangen, und sie war kratzbürstig und streitlustig wie immer. „Warum können wir nicht auch solche Kleider tragen? Nur weil du reich bist und wir nicht!“

„Das ist nicht fair!“ Das konnte Doris sich nicht gefallen lassen, sie sprang auf. „Ich leihe euch immer meine Sachen und lade euch ein, rüberzukommen!“

„Damit du dich groß fühlen kannst“, spie Caz mit funkelnden Augen zurück – wie immer bereit, es mit der ganzen Welt aufzunehmen. „Ich weiß genau, dass du mich nur einlädst, damit du mich bemitleiden kannst.“

„Das ist doch gar nicht wahr“, mischte Beth sich schüchtern ein. Als ewige Vermittlerin konnte sie es nie ertragen, wenn wir uns stritten. „Caz, ich denke, du solltest dich wirklich entschuldigen.“

Als Caz’ beste Freundin fühlte ich mich verpflichtet, Partei für sie zu ergreifen, obwohl auch ich es unfair fand, was sie da gesagt hatte. Als die Hübscheste und Reichste von uns vieren und die Einzige, die demnächst tatsächlich Brautjungfer sein würde, hatte Doris meiner Ansicht nach durchaus das Recht, Anspruch auf ein Kleid wie das von India Hicks zu erheben. Auf jemand anderen wäre ich vielleicht neidisch gewesen, aber bei Doris, die so großzügig alles, was sie besaß, mit uns teilte, konnte ich einfach nicht neidisch sein. Außerdem war ich ja eben erst in den erlauchten Kreis aufgenommen worden, und ich wollte einfach nicht sofort wieder hinausgeworfen werden. Aber Caz und ich waren seit unserem ersten Tag auf der St.-Philomena-Grundschule Freundinnen. Irgendwie hatte ihre vernachlässigte Erscheinung wohl an meinem Ur-Instinkt gerührt, mich um andere zu kümmern. Und deshalb musste ich mich einfach auf ihre Seite stellen.

„Es stimmt schon, Doris, normalerweise bestimmst du alles“, sagte ich zögernd. Mir ging es wie Beth, auch ich vermied Konfrontationen lieber. Und irgendwie war ich auch richtig sauer auf Caz: Gerade jetzt, wo ich endlich von Doris akzeptiert worden war, musste sie mir mit ihrer streitsüchtigen Art alles wieder verderben! Das tat sie nämlich immer. Ich liebte Caz von ganzem Herzen, aber weshalb nur musste sie immer derart wütend werden?

„Wirklich?“ Doris sah maßlos erschreckt aus, ihre blauen Augen füllten sich mit Tränen, und ich fühlte mich noch elender. „Oje, das wollte ich doch gar nicht. Tut mir ehrlich leid, Caz, ich wollte dich wirklich nicht ärgern.“ Ihre Unterlippe begann zu beben, die Augen wollten vor Tränen überlaufen.

Und Caz gab tatsächlich nach, was völlig untypisch für sie war. Vielleicht konnte sie aber auch nur dem knallharten Charme von Doris nicht widerstehen. „Schon in Ordnung“, schmollte sie. „Ich wollte dich ja auch nicht ärgern.“

Erleichtert, dass alles wieder in Ordnung war, rannte Doris in die riesengroße Küche und zauberte Eiscreme für uns alle herbei. So konnten wir uns wieder ausstrecken und vor dem Fernseher mitverfolgen, wie Diana aus der Kutsche stieg, den langen Schleier zu bändigen versuchte, an dem der Wind zerrte, und viele weitere „Oohs“ und „Aahs“ waren noch von uns zu hören. Dann blieb Di vor den Stufen der St. Paul’s Cathedral stehen, um ihr wunderschönes Brautkleid zu raffen, und wir alle seufzten hingerissen.

„Das Kleid“, wisperte ich ehrfürchtig, „ist das Allerschönste, was ich je gesehen habe.“

„Sie ist eine richtige Märchenprinzessin“, kam es von Beth.

„Das ist ja so romantisch! Ich hoffe, meine Hochzeit wird auch so“, wünschte ich mir.

„Ich werde genau so ein Kleid tragen, wenn ich heirate“, verkündete Doris überzeugt.

„Ich finde, sie sieht aus wie ein Marshmallow.“ Es war offensichtlich, dass es in Caz keine einzige romantisch veranlagte Zelle gab.

„Wie kannst du nur so etwas sagen?“, fuhr ich auf. „Das ist doch total die Märchenhochzeit!“

„Ich glaube nicht an Märchen“, brummte Caz. „Im echten Leben gibt’s kein Happy End.“

Wir knüllten unsere Eispapiere zusammen und bewarfen sie damit, setzten uns dann alle wieder hin und verfolgten fasziniert mit, wie Charles Windsor seine Diana Spencer zu der ihm angetrauten Ehefrau nahm.

„… lieben, achten und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod uns scheidet“, fielen wir alle in den Singsang ein.

„Das ist so ergreifend“, kam es von Doris. „Wenn ich groß bin, werd ich auch einen Prinzen heiraten.“

„Ja, ich auch.“ Beth zwirbelte sich die Zöpfe um die Finger. „Ich glaube nämlich an ein Happy End. Wenn ich erwachsen bin, dann heirate ich auf jeden Fall und werde eine ganze Horde Kinder bekommen. Jawohl.“

Caz schnaubte abfällig, wir stürzten uns auf sie und setzten uns auf sie. So langsam begann das Video, uns zu langweilen. Also spulte Doris vor bis zu dem Kuss – eine Szene, die wir uns immer und immer wieder ansahen und uns aufgeregt vorstellten, wie es sein musste, von einem Jungen so richtig auf den Mund geküsst zu werden. Ich war überzeugt, dass es sich wie Gummi anfühlen musste.

„Wir sollten uns ein Versprechen geben“, meinte Doris plötzlich. So war sie immer, voll seltsamer Ideen, die urplötzlich aus dem Nichts zu kommen schienen.

„Was denn für eins? So etwas wie einen Pakt schließen?“, fragte Beth.

„Was ist ein Pakt?“ Ich wusste es wirklich nicht.

„So was wie ein ganz, ganz wichtiges Versprechen“, erklärte Beth. „Das meinst du doch, oder, Dorrie?“

„Genau“, bekräftigte die Freundin sofort. „Wir schwören uns, dass wir immer Freundinnen bleiben werden, unser Leben lang, und wir schließen einen Pakt, dass wir die Brautjungfern sind, wenn eine von uns heiratet.“

„Ich werde nie heiraten“, verkündete Caz fest entschlossen.

„Du kannst aber trotzdem Brautjungfer sein“, hielt Doris dagegen. Und da niemand ihr widerstehen konnte, willigte schließlich auch Caz mit ein. Im Kreis hoben wir die Arme und fassten uns in der Luft an den Händen.

„Hiermit schwören wir vier feierlich“, hob Doris mit Grabesstimme an, „dass wir ein Leben lang Freundinnen bleiben werden.“

Erst sahen wir einander kichernd in die Augen, dann wiederholten wir ihre Worte.

„Und wir versprechen, dass, wenn wir heiraten, nur die anderen drei Brautjungfern sein werden.“

Auch dieser Satz fand sein Echo.

„Von heute an gilt dieses Versprechen bis in alle Ewigkeit, und wir schwören, uns daran zu halten“, sagte Doris noch, bevor sie eine Schere holte und wir alle uns eine Haarsträhne abschnitten. Doris band sie dann zusammen, zwei dunkle, eine hellbraune und eine blonde, bevor sie das Bündel mit einem gefalteten Blatt Papier umschloss, auf dem wir alle den feierlich geschworenen Pakt unterschrieben hatten, und es in ihrem ganz speziellen Schmuckkästchen verstaute.

„So!“, stieß sie zufrieden aus. „Jetzt haben wir einen Eid geschworen, der niemals wieder gebrochen werden kann.“

ERSTER TEIL

Zu lieben und zu ehren

Caz

Dezember 1995

„Habt ihr’s schon gehört? Es gibt tolle Neuigkeiten!“ Dorrie kam in die Bar im „Kettner’s“ geschwebt, wo Sarah und ich bei einer Flasche Schampus saßen, um ihre Verlobung zu feiern. Ich war wirklich froh über Dorries Erscheinen. Die Spannung zwischen Sarah und mir hatte dieser Tage nahezu unerträgliche Ausmaße angenommen. Ich war der festen Überzeugung, dass sie einen Riesenfehler beging, aber wenn ich auch nur eine winzige Andeutung in diese Richtung wagte, beschuldigte sie mich sofort, eifersüchtig zu sein. Dem konnte ich nicht einmal guten Gewissens widersprechen, denn ich war tatsächlich eifersüchtig, dass Steve sie und nicht mich gewählt hatte. Was nichts daran änderte, dass sie es meiner festen Überzeugung nach irgendwann bereuen würde, wenn sie ihn heiratete.

Da Weihnachten vor der Tür stand, platzte die Bar aus allen Nähten, die Angestellten aus den umliegenden Büros waren in bester Feierlaune. Es dauerte eine Weile, bis Dorrie sich durch die Menge geschoben hatte und bei uns angekommen war. Sarah hatte sich nach ihrer Frühschicht als Erste hierher aufgemacht, während ich ausnahmsweise ein wenig früher Schluss machen konnte. Das Shooting, bei dem ich gerade mitarbeitete, war nämlich in eine wilde Vorweihnachtsfeier ausgeartet, und bevor ich im angeheiterten Zustand noch entscheiden konnte, dass ich fortan unbedingt mein Leben mit Charlie teilen wollte, hatte ich mich lieber aus dem Staub gemacht. Ich musste schon mit genug Komplikationen umgehen, da brauchte ich nicht auch noch eine dazu.

„Oh, Champagner! Sehr schön!“ Dorrie schob sich auf den Stuhl in der Ecke. „Was für ein Glück, dass ich so schlank bin, nicht wahr?“ Sie schüttelte den schwarzen falschen Pelz von den Schultern, darunter kam ein schwarz-weißes Tupfenkleid zum Vorschein, Vintage-Stil, zu dem sie leuchtend rote Stiefel trug. Mit dem gleichen Haarschnitt wie Rachel aus Friends und ihrer fantastischen Figur war es kein Wunder, dass sich praktisch jeder Mann im Raum den Hals nach ihr verrenkte. Aber wie üblich registrierte sie es nicht einmal. Dorrie hatte scheinbar kein Bewusstsein dafür, wie sie auf andere wirkte. Die Tatsache, dass sie nie bemerkte, wie sehr andere sie bewunderten, machte einen Großteil ihres natürlichen Charmes aus. Es dauerte auch nicht lange, und sie brachte uns dazu, dass wir uns den Bauch vor Lachen hielten und alle schwelende Verstimmung zwischen Sarah und mir für den Moment vergessen war.

„Ist Beth noch nicht da?“, fragte Dorrie schließlich.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hatte ihr Bescheid gegeben, dass wir uns hier treffen, aber seit Andy, der Bastard, sie abserviert hat, ist ihre Stimmung auf dem Nullpunkt. Keine Ahnung, ob sie noch kommt.“

„Ach, wie schade“. Dorrie wartete sofort mit einer neuen Idee auf. „Unsere nächste Mission sollte es sein, Beth einen netten Typen zu beschaffen.“ Sie hatte die Angewohnheit, uns allesamt feste Rollen in ihren Plänen zuzuweisen, wie sie die ganze Welt glücklich machen würde.

„Was meinst du mit ‚unsere nächste Mission‘?“ Misstrauisch strich Sarah sich durch den Blondschopf. Sie behauptete ja, sie hätte sich für einen so kurzen Haarschnitt entschieden, weil es bei der Arbeit viel praktischer sei, aber ich hegte eher den Verdacht, dass sie diesen Meg-Ryan-Look zu imitieren versuchte, weil Steve seit Harry und Sally keine Gelegenheit ausließ, um zu betonen, wie megaheiß er Meg Ryan fand. Unter anderem einer der vielen Gründe, weshalb ich sicher war, dass Sarah sich mit ihm nur unglücklich machen würde.

„Na hör mal“, tadelte Dorrie, „der Brautjungfern-Pakt, weißt du etwa nicht mehr? Du bist die Erste von uns, die heiratet, also müssen wir alle deine Brautjungfern sein.“

„Und ich hab in der Angelegenheit kein Wörtchen mitzureden?“ Sarah lachte.

„Nö“, kam die prompte Antwort.

„Hattest du nicht gesagt, es gäbe Neuigkeiten?“, fragte ich.

„Ach ja, richtig. Habt ihr’s noch nicht gehört? Die Medien überschlagen sich fast: Charles und Di lassen sich scheiden. Ist das zu fassen? Das ist so traurig!“

„Nun … äh, ja … Als da wäre, zum Beispiel, diese winzige Sache mit seiner Untreue und mit ihrer Untreue. Und eine Ehe zu dritt funktioniert eigentlich nur selten gut. Ich muss sagen, es hat mich dann doch ein wenig überrascht, dass die Queen Diana nach diesem Panorama – Interview nicht gleich in den Tower hat werfen lassen. Diese großen unschuldigen Rehaugen … Die beiden stehen einander jedenfalls in nichts nach.“

„Tja, du musst’s ja wissen, nicht wahr?“, murmelte Sarah gehässig.

„Soll heißen?“, hakte ich nach.

„Soll heißen, dass Diana mir leidtut.“ Sarah lächelte mir zuckersüß zu, aber aus ihren Augen schleuderte sie Dolche ab.

Es lag mir schon auf der Zunge, zu sagen, dass manche Männer ihren Hosenstall eben nicht geschlossen halten konnten, aber genau in dem Moment tauchte Beth auf. Sie sah blass und viel zu dünn aus, was jedoch nicht neu war. Ihr dunkles Haar hing strähnig herab, sie trug einen unförmigen grauen Mantel, der gut ihrer Mutter hätte gehören können. Mein Mut sank. Sie war ziemlich schlecht drauf. Am liebsten hätte ich sie mal einer ordentlichen Grundsanierung unterzogen, aber das hatte ich schon einmal versucht und mir damit eine böse Abfuhr eingehandelt.

„Hi“, grüßte sie schüchtern. Selbst nach all der Zeit hielt Beth sich sogar uns gegenüber noch immer zurück. Ich wünschte mir so sehr, sie würde endlich ein wenig mehr aus ihrem Schneckenhaus herauskommen. Eigentlich war es eher untypisch für mich, mir solche Gedanken um jemanden zu machen, wie ich es bei Beth tat, aber irgendwie ging mir ihre Verletzlichkeit unter die Haut. Vielleicht, weil ich mich endlich einmal überlegen und stärker fühlte. Es war eine nette Abwechslung, dass ich Mitleid für einen anderen empfinden konnte.

„Meinen Glückwunsch, Sarah. Wann ist denn der große Tag?“ Beth hatte den hässlichen Mantel ausgezogen, zum Vorschein kamen eine langweilige Bluse mit zu einer grässlichen Schleife gebundener Schluppe sowie ein dunkler Rock, der ihr um die überschlanke Figur schlotterte. Es war wirklich verdammt schwierig, hier zu sitzen und sich auf die Zunge beißen zu müssen, um ihr nicht frei heraus zu raten, dringend etwas für ihr Äußeres zu tun. Doch ich hielt den Mund, schließlich wollte ich ihre Gefühle nicht verletzen. Ein anständiger Haarschnitt wäre schon mal der erste Schritt. Ein Bob würde ihr zum Beispiel gut stehen, überlegte ich. Kein langer, so wie ich ihn trug, abgeschaut von Uma Thurman in Pulp Fiction. Aber sie sollte diese langen Strähnen auf jeden Fall ordentlich stutzen lassen, das würde ihre hübschen ovalen Gesichtszüge zur Geltung bringen.

„Danke, Beth“, erwiderte Sarah. „Ein konkretes Datum haben wir noch nicht festgelegt. Wir dachten an übernächsten Herbst.“

„Warum nicht schon im neuen Jahr?“, warf ich ein. „Wozu es weiter hinauszögern? Du solltest zugreifen, bevor er seine Meinung doch noch ändert.“

„Caz!“ Beth sah mich schockiert an. „Das war jetzt aber echt fies.“

„’Tschuldigung“, murmelte ich. „Du hast recht, das war unnötig.“

Sarah ging kommentarlos über meine bissige Bemerkung hinweg. „Ich möchte, dass alles perfekt wird.“

„Habt ihr schon die Nachrichten gehört?“, fragte Beth jetzt.

„Die Sache von Charles und Di?“, mischte Dorrie sich sofort ein „Ja. Schrecklich, nicht wahr?“

„Oh, jetzt komm schon, Dorrie.“ Ich lachte. „Wie kannst du das so ernst nehmen? Zwei Leute, die wir nicht kennen und auch garantiert nie kennenlernen werden, lassen sich scheiden. Das tun viele heutzutage.“

„Ich weiß“, erwiderte sie, offenbar noch immer bedrückt. „Aber es war doch ein so schönes Märchen, und nun ist alles schiefgegangen.“

„Ja, ich find’s auch traurig“, kam es von Beth.

„Träume sind Schäume“, schnaubte ich abfällig. „So was wie ein echtes Happy End gibt’s eben nicht.“

„Gott, ist das zynisch“, sagte Sarah. „Selbst für deine Verhältnisse.“

„Nun, ich kann eben nicht gerade behaupten, je so viel Glück wie eine von euch gehabt zu haben.“ Verbitterung packte mich plötzlich. Ich stand auf, um zum Waschraum zu gehen, einfach nur, um für fünf Minuten Abstand zu gewinnen.

In der sicheren Abgeschiedenheit der Damentoiletten musterte ich mich kritisch im Spiegel, bevor ich mich mit dem Rücken gegen die kühlen Fliesen lehnte. Ich dachte an Sarah und Steve und daran, dass ich mir geschworen hatte, an bestimmte Dinge nicht mehr zu denken. Warum musste ich immer alles verbocken? Und jetzt ruinierte ich meiner besten Freundin auch noch ihren speziellen Abend.

„Reiß dich am Riemen“, schalt ich mein Spiegelbild und zog dann den knallroten Lippenstift nach. Der würde mir helfen, mein Selbstwertgefühl aufzurichten. Gut restauriert ging ich wieder hinaus, um mich der Welt zu stellen.

Als ich zurück an den Tisch kam, saß ein streberhaft aussehender Typ auf meinem Platz. Er war groß und mager und trug eine dunkle Hornbrille, und er himmelte Dorrie fasziniert an … die übrigens zurückzuhimmeln schien.

„Möchtest du mir nicht deinen neuen Freund vorstellen?“ Ich schob mich auf den winzigen Platz auf der Bank, den der Typ noch frei gelassen hatte.

„Oh, klar, natürlich, entschuldige. Caz, das ist Darren. Darren ist Mikrobiologe und arbeitet im Labor neben mir.“

Dorrie sah zwar aus wie ein Filmstar, aber sie war auch hyperintelligent und arbeitete in irgendeinem medizinischen Forschungslabor, ein Job, den ich nicht einmal versuchen würde zu verstehen.

„Freut mich, dich kennenzulernen“, sagte Darren, doch als ich ihm die Hand schüttelte, zog er seine sofort weg.

„Sorry, aber … zu viele Bakterien“, erklärte er. „Wusstet ihr eigentlich, dass der Durchschnittsbürger sich nach dem Toilettenbesuch nicht mal die Hände wäscht?“

„Nun, ich schon“, fauchte ich. „Wenn du solche Angst hast, solltest du eine Dose Desinfektionsspray mit dir herumschleppen.“

„Tue ich auch“, erwiderte Darren ernsthaft. „Man kann nie wissen, was der andere gerade angefasst hat.“

Ich brach in Lachen aus. „Dorrie, dein Freund ist absolut köstlich. Ich werd ihn Yakult-Man nennen.“

Darren lief rot an.

„Mach dir nichts aus Caz.“ Dorrie legte ihm eine Hand auf den Arm, was er wundersamerweise zuließ. „Caz war schon immer ein bisschen anders als andere.“

Die beiden starrten sich stumm an, so lange, dass es Sarah, Beth und mir schon peinlich wurde. Irgendwann schließlich stand Darren auf.

„Ich verabschiede mich jetzt besser“, murmelte er. „Sollte wohl wieder zu den anderen zurück … und so. Fröhliche Weihnachten. Nett, euch kennengelernt zu haben.“

Er trat den Weg zurück zu seinen Freunden an, mit denen er hergekommen war. Sie standen an der Bar und sahen schon mächtig mitgenommen aus.

„Sag, ist der echt?“, fragte ich verblüfft. „Den hast du ja kein einziges Mal erwähnt.“

„Weil es nichts zu erwähnen gibt“, wehrte Doris sofort ab. „Er ist nur ein Arbeitskollege, mehr nicht.“

„Ganz sicher?“ Ich stieß Doris den Ellbogen leicht in die Rippen. Yakult-Man war nämlich nie bei der Bar angekommen, sondern hatte sich umgedreht und kam nun entschlossenen Schrittes an unseren Tisch zurück.

„Weißt du, die Sache ist … nun …“, stammelte er.

„Nun?“, hakte Dorrie nach.

„Nun, ich habe mich gefragt … ich meine, du bist sicher viel zu beschäftigt … Eine so tolle Frau wie du hat sicher eine Menge Verabredungen, aber falls nicht …“

„Nein, ich habe nicht gerade viele Verabredungen“, gab Doris lächelnd zurück.

„Auf jeden Fall … Wenn du mal Zeit haben solltest …“ Er stutzte. „Sagtest du gerade, du hast nicht gerade viele Verabredungen?“

„Genau.“

„Oh. Na, dann wäre das ja klar. Abgemacht. Großartig.“ Er grinste schief, drehte sich um und ging wieder.

„Was ist abgemacht?“, rief sie ihm nach.

Er blieb stehen, drehte sich zum Tisch zurück. „Du. Ich. Eine Verabredung. Nächste Woche. Ich rufe dich an.“ Dieses Mal ging er rückwärts, bis er gegen zwei betrunkene Typen prallte, die ihr Bier auf ihm verschütteten. Das Letzte, was wir von Darren sahen, war, wie er eiligst Richtung Männertoilette stolperte, wahrscheinlich, um die Millionen von Bakterien loszuwerden, die da gerade so unzeremoniös über ihn gekippt worden waren.

„Doris Bradley, wie schaffst du das nur immer wieder?“ Sarah kicherte drauflos, sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen. „Das ist die verrückteste Anmache, die ich je gesehen habe.“

„Allerdings“, stimmte ich grinsend zu.

„Ich wünschte, jemand wäre auch so vernarrt in mich.“

„Dich wird’s schon auch noch erwischen“, kam es von Sarah. „Bei mir hat’s schließlich auch geklappt.“

Und wie es bei dir geklappt hat, dachte ich, hielt aber den Mund. Das hier war schließlich Sarahs Abend.

„Auf Sarah und Steve.“ Dorrie hob ihr Glas. „Auf ein langes und glückliches gemeinsames Leben.“

„Auf Sarah und Steve“, wiederholten wir anderen.

„Und ein weiterer Toast auf den Brautjungfern-Pakt“, fuhr Dorrie fort. „Ich freu mich schon unbändig darauf, dass wir ihn endlich mal in die Tat umsetzen können.“

„Alle für eine und eine für alle“, hoben wir zu unserem Mantra aus Kindertagen an und leerten die Gläser auf ex. Ich setzte ab und sah zu Sarah. Für jemanden, der bald den angeblich glücklichsten Tag im Leben feiern würde, sah sie doch sehr nachdenklich aus. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht der Grund dafür war.

„Ich wünsche dir und Steve alles Glück dieser Erde.“ Ich zwang mich zu einem Lächeln, auch wenn mir ganz und gar nicht nach Lächeln zumute war.

„Meinst du das ernst?“ Sarah musterte mich forsch.

„Ja, völlig ernst. Tut mir leid, dass ich eine solche Zicke gewesen bin. Das ist vermutlich nur der Neid, weil dein ‚Glücklich-bis-ans-Lebensende‘ jetzt tatsächlich wahr wird. Ich hoffe wirklich, ihr beide werdet sehr, sehr glücklich miteinander.“ Ich wandte den Kopf ab und schenkte mir nach.

Zu diesem Zeitpunkt war ich wirklich selbst überzeugt davon, dass ich es ernst meinte.

1. Kapitel

Caz

Hier und Jetzt

Immer und immer wieder drehte ich die Einladung zwischen den Fingern. Genau wie mein Magen sich ebenfalls drehte. Mir war übel. Beim Blick auf die Handschrift, die ich zum ersten Mal seit Langem sah … wie lange war das jetzt her, fast fünf Jahre? … machte sich die blanke Panik in mir breit. Das musste man Dorrie schon lassen, sie fand auf jeden Fall immer einen Weg, das Eis zu brechen. Nur sie konnte auf den Gedanken kommen, eine Einladung zu ihrem Junggesellinnenabschied auf einer Mickey-Mouse-Karte zu schicken.

Dorrie und Daz schlingen den Knoten, stand da, und ich musste grinsen. Typisch Doris. Auch das brachte nur sie fertig, dass ihre bevorstehende Eheschließung wie der Titel einer Kinderserie im Fernsehen klang. Ich freute mich, dass Yakult-Man es endlich geschafft hatte, sie an die Kette zu legen. Wurde schließlich auch Zeit. Die beiden waren wie füreinander geschaffen. Überrascht war ich dann doch gewesen, dass ausgerechnet meine Mutter missbilligend das Gesicht verzogen hatte, als die Neuigkeit die Runde machte, dass meine einst ach so brave Freundin ein uneheliches Baby auf die Welt gebracht hatte. Und eigentlich passte es auch gar nicht zu Doris, aber Dorrie war eben immer für eine Überraschung gut. Vielleicht hatte sie inzwischen ja eingesehen, seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, dass man die Dinge auch in der richtigen Ordnung tun konnte, ohne sich gleich etwas zu vergeben. Ich hatte keine sehr gute Vorstellung, was in ihrem Privatleben so ablief, bis auf die wenigen Informationsfetzen, die ich von Mum mitbekommen hatte. Ich gehörte schließlich nicht mehr zum inneren Kreis, niemand befand es für nötig, mir noch irgendetwas mitzuteilen. Was ich natürlich mir selbst zuzuschreiben hatte.

Ich las die Karte erneut.

Hiermit bist Du eingeladen, an Dorries ganz besonderem Wochenende im Disneyland Paris bei ihrem Junggesellinnenabschied dabei zu sein. Das Ganze findet statt von Freitag, den 27. März, bis Sonntag, den 29. März. Geladen sind ausschließlich Mitglieder der Fantastischen Vier. Alle für eine und eine für alle.

Tja, bei Doris war irgendwie zu erwarten gewesen, dass sie diesen albernen Spruch aus unserer Kindheit herauskramte. Und unten am Rand hatte sie mit ihrer nahezu unleserlichen Handschrift (Für mich war es absolut unbegreiflich, wie jemand, der sich so perfekt zu präsentieren verstand wie Doris, jemand, bei dem immer jedes Härchen am richtigen Platz saß, eine solch unsaubere Handschrift haben konnte! Aber das war eben Doris – eine Anhäufung von Widersprüchen …) hinzugefügt: Bitte komm. Ohne Dich wäre es nicht dasselbe.

Doris. Wie konnte man einem Kind heutzutage nur diesen Namen geben? Dorrie hatte ja immer behauptet, ihre Mutter sei ein großer Fan von Doris Day, aber mir schien es, dass ihre stets makellose Mum in ihrem ach so perfekten Leben den einen unverzeihlichen Fauxpas begangen hatte. Nicht, dass es Doris etwas ausmachen würde. Sie hatte die unverwüstlich heitere Natur ihrer Namenspatin geerbt und sich wohl auch das oscarprämierte Que sera, sera zum Lebensmotto erwählt. Und weil meine Freundin einfach so verdammt großartig war, wäre nie jemand auf den Gedanken gekommen, sie wegen ihres Namens aufzuziehen. Würde ich dagegen so heißen …

Ein weiteres Mal drehte ich die Karte zwischen den Fingern. Sollte ich hingehen? Wie es aussah, gab Doris mir noch eine Chance. Ein weiteres Beispiel ihrer nie versiegenden Großzügigkeit. Die ich nicht verdient hatte. Mein Magen rebellierte vor Schuld und Scham, als ich mich daran erinnerte, wie ich sie bei unserem letzten Treffen behandelt hatte …

„Hey, Caz.“ Irgendwann vor fünf Jahren hatte Dorrie unangekündigt kurz vor Beths Hochzeit spätabends auf meiner Schwelle gestanden.

„Hi“, grüßte ich zurück und war mir damals nur zu bewusst, wie schlampig ich aussehen musste. Mein kurzes schwarzes Haar, sonst immer gegelt im Stil von Trinity in Matrix, stand mir wirr um den Kopf, während Dorrie, aufgedonnert wie immer, in einem geblümten Vintage-Kleid, schwarzen Wildlederstiefeln und einer fabulösen Lederjacke vor mir stand.

„Alles in Ordnung mit dir?“ Sofort war sie um mich besorgt. Ich hätte sicherlich freundlicher sein können, aber ich hatte gerade einen schlimmen Abend mit Mum in der Notaufnahme hinter mir. Keines der Mädels wusste von der Erniedrigung dieser inzwischen fast regelmäßigen Trips zum Krankenhaus, ich schämte mich zu sehr, um ihnen davon zu erzählen.

„Natürlich“, fauchte ich barsch und sah, wie Dorrie zusammenzuckte.

„Darf ich reinkommen?“

„Klar, warum nicht?“ Doch eigentlich wollte ich jetzt wirklich niemanden sehen. Ich wollte mich im Bett zusammenrollen und mich vor der Welt verkriechen.

„Ich wollte nur versuchen, irgendeinen Weg zu finden, um das alles wieder zu bereinigen.“

Sie folgte mir ins Wohnzimmer, wo sie ihre Tasche in eine Ecke stellte und sich setzte. Mir war klar, dass ich Doris etwas zu trinken anbieten sollte, aber im Moment war ich nicht in gerade gastfreundlicher Stimmung.

„Worum geht’s denn?“ Das klang so trotzig. Nicht nur wusste ich genau, worum es ging, ich wusste auch, dass Dorrie recht hatte. Ich hatte Missstimmung zwischen den Fantastischen Vier geschaffen, und es lag auch bei mir, das wieder geradezubiegen.

„Oh, Caz! Diese ganze Geschichte mit dir und Beth und ihrer Hochzeit! Sie möchte so unbedingt, dass du ihre Brautjungfer bist.“

„So? Und warum bittet sie mich dann nicht selbst darum?“

„Sie weiß nicht, dass ich hier bin“, gestand Dorrie. „Hör zu, ich kann wirklich nicht abschätzen, wer im Recht und wer im Unrecht ist, aber …“

„Genau, du hast keine Ahnung“, fiel ich ihr ins Wort. „Vergiss es, du weißt nicht, wovon du da sprichst.“

„Bitte sei doch nicht so“, wollte sie beschwichtigen. „Mir ist klar, dass ich das nicht alles genau verstehe, aber …“

„Richtig, du hast nicht die geringste Vorstellung“, fuhr ich ihr erneut über den Mund. „Kannst du auch gar nicht, du mit deinem perfekten Leben und deiner perfekten Familie.“

„Wenn du es unbedingt wissen musst … so ist das keineswegs“, gestand Dorrie. „Ich hab meine eigenen Probleme. Solche, von denen du nicht einmal etwas ahnst.“

„Was denn, Miss Perfekt hat ein Problemchen? Was könnte denn bei dir schon falsch laufen?“ Mir war klar, dass ich mit unfairen Mitteln kämpfte. Sowohl Schuld als auch Ärger waren völlig unangebracht, aber wie üblich ging mein Mundwerk mit mir durch, bevor ich den Denkapparat eingeschaltet hatte. Die Worte waren heraus, bevor ich sie zurückhalten konnte.

Dorrie sah aus, als hätte ich sie geohrfeigt. „Sarah hatte recht, sie hat mich gewarnt, dass du nicht zuhören würdest.“

„Ah, dann hast du das also zusammen mit Sarah ausgeheckt. Hör zu, ich weiß, du meinst es nur gut, aber ich denke, du solltest jetzt besser gehen.“

„Kein Problem. Ich würde es sowieso keine Minute länger hier aushalten.“ Sie stand auf, schnappte sich ihre übergroße Gucci-Handtasche und ging zur Tür. Die Hand schon auf der Klinke, drehte sie sich noch einmal um und sagte traurig: „Weißt du, du bist nicht die Einzige mit Problemen.“

Ich fragte nicht nach, was sie damit meinte. Wortlos ließ ich sie ziehen. Erst viel später fand ich heraus, wie krank ihr Dad damals gewesen war. Ich hatte ihn immer gern gehabt, er war immer so nett zu uns gewesen, als wir aufwuchsen. Ich versuchte, es wiedergutzumachen, aber Dorrie hatte nie auf meine Anrufe reagiert und zurückgerufen. Seither schwelte da dieses Schuldgefühl in mir.

Nun allerdings sah es so aus, als hätte Dorrie mir vergeben.

Doch was war mit den anderen? Konnten Beth und Sarah mir vergeben, was ich ihnen angetan hatte? Natürlich wuchsen wir in einer Kultur auf, die lehrte, dass es Vergebung für jeden gab. Ich jedoch war stolz darauf, mit beiden Beinen im Leben zu stehen und rational genug zu sein, um zu wissen, dass Vergebung keineswegs so oft erfolgte, wie unsere Lehrer es uns hatten weismachen wollen. Man musste sie sich verdienen. Man musste ehrlich bereuen. Und selbst jetzt noch gab es da einen kleinen selbstzerstörerischen Teil in mir, der sich keineswegs sicher war, ob ich das tat …

Die Maschine setzte auf der Landebahn des Charles-de-Gaulle-Flughafens auf, und ich atmete tief durch. So, da war ich also. Endlich. Ich hatte meinen gesamten Mut aufbringen müssen, um hierherzukommen. Dafür hatte ich sogar einen Auftrag in Griechenland sausen lassen. Bekanntes Model versucht Comeback für M & S – es wäre ein großartiger Job gewesen, alles sehr glamourös, den ganzen Tag in der Sonne, und abends Entspannen beim Tanz in griechischen Tavernen. Aber Charlie hatte mir ins Gewissen geredet, nach Frankreich zu fliegen.

Charlie war mein Lieblingsfotograf aus dem Zirkel. Beide Beine fest auf dem Boden und ein sonniges Gemüt wie niemand sonst, den ich kannte, besaß er die unbezahlbare Fähigkeit, das Beste aus den Menschen und Motiven herauszukitzeln, die ihn umgaben. Zudem war er ein äußerst amüsanter Gesellschafter. Mit Ausnahme dieses einen verrückten Moments in Las Vegas waren wir nie mehr als Freunde gewesen. Er war fest liiert mit einer Frau, wohnte mit ihr zusammen, und so attraktiv ich ihn auch fand, ich würde mich nicht in eine Beziehung drängen. Die Lektion, die ich beim letzten Mal gelernt hatte, würde ich mein Lebtag nicht vergessen.

Blinzelnd trat ich aus dem Flughafengebäude hinaus in den fahlen Märzsonnenschein von Paris. Ich kam immer wieder gern her, aber es waren die Straßencafés, die Museen und die Spaziergänge entlang der Seine, die mich reizten. Ohne Doris’ Einladung wäre ich nie auch nur auf die Idee gekommen, das Disneyland Paris zu besuchen. Und doch saß ich jetzt hier in einem Zug, der den Gare du Nord in Richtung Mouseton, der Heimat von Mickey Mouse, verließ. Doris war der einzige Mensch, dem es überhaupt hatte gelingen können, mich von so etwas zu überzeugen. Und noch immer war ich mir nicht wirklich sicher, ob ich das Richtige tat.

Die Fahrt mit dem Shuttle nach Marne-la-Vallée war erstaunlich kurz, ich hatte nicht einmal Zeit, mir zu überlegen, was ich sagen sollte, wenn ich ihnen allen wieder gegenüberstand. Und schon wurde ich vor Woodys Cowboy-Ranch ausgeladen. Toy Story war nämlich Dorries Lieblingsfilm von Walt Disney, daher hatte sie darauf bestanden, dass wir hier unterkommen sollten. So nervös ich auch war, ich musste grinsen, als Woody höchstpersönlich mich an der Tür begrüßte. Ich konnte es direkt vor mir sehen, wie begeistert Dorrie bei ihrer Ankunft gewesen sein musste.

Das Grinsen schwand jedoch schnell wieder, mir rutschte das Herz in die Hose, als ich auf den Empfangstresen zuging. Plötzlich war ich wieder acht Jahre alt und zum ersten Mal in Dorries beeindruckende Villa eingeladen. Für mich hatte es sich immer wie ein unglaubliches Privileg angefühlt, und dennoch habe ich mich mit meiner selbstzerstörerischen Ader jeder Chance beraubt, das Beste aus all den Möglichkeiten herauszuholen, die die Freundschaft mit Dorrie und den anderen mir geboten hatten. Im Moment hätte ich nicht einmal sagen können, ob sie alle mich überhaupt wiedersehen wollten, geschweige denn, mir verzeihen würden. So, wie ich Dorrie kannte, hatte sie den anderen nichts davon erzählt, dass ich ebenfalls eingeladen war.

Ich trat also an die Rezeption und gab meinen Namen an. Meine zum Zerreißen gespannten Nerven ließen mein Schulmädchenfranzösisch gewiss noch radebrechender klingen. Die Rezeptionistin ließ auch nicht den Anflug eines Lächelns erkennen, dafür antwortete sie in perfektem Englisch und mit leicht verächtlich nach unten gezogenen Mundwinkeln, sodass ich mir wünschte, der Boden würde sich auftun und mich verschlingen. Ich gab jede Bemühung auf, ihre Muttersprache zu sprechen. „Ich treffe mich hier mit Freundinnen … einer Doris Bradley?“

„Ah oui, Mademoiselle Bradley hat bereits eingecheckt. Ihr Zimmer liegt gleich neben Ihrem. Ich werde ihr Bescheid geben, dass Sie eingetroffen sind.“

Wenig später fuhr ich mit dem Lift in den dritten Stock. Innerlich zitterte ich wie Espenlaub. Was, wenn ich Dorries großes Wochenende verdarb? Das Ganze hier war ein schrecklicher Fehler. Es war die falsche Entscheidung gewesen, herzukommen …

Ich fand mein Zimmer, gleich neben dem von Doris, und würgte den Kloß in meinem Hals hinunter. Sollte ich erst auspacken, mich frisch machen und dann zu ihr rübergehen? Oder sollte ich in den sauren Apfel beißen und direkt bei ihr anklopfen?

Die Tür von Raum 327 flog auf, und da stand Dorrie in Fleisch und Blut. Das erste Wiedersehen nach fünf Jahren. Beeindruckend schön, blühender als das Leben selbst, genau wie immer, zog sie mich in eine überschwängliche Umarmung. Und verjagte damit alle meine Ängste. Das hatte sie schon immer gekonnt, es war eine ihrer vielen Gaben.

„Caz! Du bist hier! Oh, ich freue mich so! Komm herein.“

Ich hatte vergessen, wie überwältigend sie sein konnte. Hastig zerrte sie mich in das große Zimmer. Ich erhaschte einen Blick auf Lampenschirme in Form von Cowboyhüten, auf Trensen und Sättel, die die Wände zierten, und das riesige Hufeisen, das gleichzeitig das Kopfende des Bettes markierte … bevor mir bewusst wurde, dass ich nicht die Einzige war, die mit in Dorries Zimmer weilte. Auf dem riesigen Doppelbett saßen zwei Frauen, die Champagner tranken. Zwei Frauen, deren Gesichter ich eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Die beiden hatten Mühe, ihren Schock zu kaschieren, als sie mich erblickten.

„Du hast kein Sterbenswörtchen davon gesagt, dass sie auch kommt!“ Sarah bombardierte mich mit giftigen Blicken.

„Ohne sie wäre es nicht dasselbe“, entgegnete Dorrie entschieden.

„Passt auf eure Ehemänner auf. Tut mir leid, Doz, ich weiß, du meinst es gut, aber ich werde keine Minute länger als unbedingt nötig in ihrer Nähe verbringen.“ Sarah stellte ihr Glas auf dem Nachttisch ab, sprang auf und stürmte hinaus. Als sie an mir vorbeirauschte, meinte ich, ihren Hass auf mich körperlich zu spüren.

„Ich wusste, ich hätte nicht kommen sollen.“

2. Kapitel

Beth

Ich war ehrlich schockiert, als ich Caz durch die Tür kommen sah. Doris hatte ja schon den ganzen Vormittag davon geredet, welch „großartige Überraschung“ sie für Sarah und mich habe, aber keine von uns hätte damit gerechnet, dass es sich dabei um Caz handelte. Obwohl wir es uns eigentlich hätten denken können. Es war schließlich Dorrie gewesen, die damals diesen Brautjungfern-Pakt angeregt hatte, deshalb ergab es für sie wohl Sinn, dass wir alle vier zu ihrer Hochzeit erscheinen sollten, auch wenn das bei den vorherigen Hochzeiten keineswegs der Fall gewesen war. Natürlich hatte Caz es bei ihrer eigenen vermasseln müssen. Sie selbst hatte zugegeben, dass Unmassen von Wodka und die pure Aufregung, in Las Vegas zu sein, sie dazu gebracht hatten, alle Hemmungen fahren zu lassen. Als wir es erfuhren, war das Ganze auch schon längst wieder passé. Wir hatten also nie eine Chance gehabt, ihre Brautjungfern zu sein. So nah an einem Wutausbruch wie damals hatte ich Dorrie noch nie gesehen.

„Und was ist mit dem Brautjungfern-Pakt?“, hatte sie gezischelt.

„Was soll damit sein?“ Caz hatte nur gelacht. „Komm schon, du hast doch nicht ernsthaft erwartet, dass wir uns alle an diese alberne Absprache aus der Kindheit halten, oder?“

Doch, genau das hatte sie. Als dann Sarah in den Hafen der Ehe einlaufen wollte, gab es für Dorrie kein anderes Thema mehr, und wir standen auch alle in den Startlöchern, bereit, Brautjungfern zu spielen. Schon Monate vorher war alles arrangiert. Aber dann zog Caz ihr Ding ab, was immer es war – bis heute hatte Sarah keine Ahnung, was genau damals eigentlich lief, obwohl Steve Stein und Bein schwor, dass alles, was passiert war, allein von Caz angestiftet wurde. Und daran zerbrach die einstige Mädchenfreundschaft. Caz war zwar keine Brautjungfer, tauchte aber am Abend trotzdem auf und hätte Sarahs allerschönsten Tag fast ruiniert. Bis heute hatte Sarah ihr nicht vergeben.

Meine Hochzeit stand als nächste an. Ich war Feuer und Flamme, die Fantastischen Vier an meinem großen Tag wieder zusammenzubringen, dazu hatte Dorrie mich nicht einmal überreden müssen. Ich hatte so sehr darauf gehofft, dass Caz und Sarah sich endlich wieder versöhnen würden. Sarah hatte mir auch versichert, dass sie bereit sei, um meinetwillen die Differenzen ruhen zu lassen. Aber auf meinem Junggesellinnenabschied musste Caz ja dann unbedingt ihr loses Mundwerk aufreißen. Wir stritten uns ganz fürchterlich, und schließlich fauchte ich sie an, dass ich auf sie als Brautjungfer lieber verzichten würde. Sie kam dann nicht einmal zur Hochzeitsfeier. Da Sarah damals unter schrecklicher morgendlicher Übelkeit litt, fühlte es sich die meiste Zeit an, als wäre Dorrie meine einzige Brautjungfer. Aufgrund von Caz’ unberechenbarer Launen saß mir während der Hochzeitsfeier dann die ganze Zeit über die Angst im Nacken, mein Geheimnis könnte herauskommen. Ich würde es nicht ertragen, sollte Matthew es herausfinden. Inzwischen fragte ich mich allerdings, ob es richtig war. Manchmal wünschte ich, ich hätte es ihm gesagt. Vor allem jetzt. Lügen hatten kurze Beine und konnten verdammt zerstörerisch sein.

Von Caz hatte ich zu dem Zeitpunkt auf jeden Fall die Nase voll. Sie war egoistisch, giftig, wankelmütig und ganz und gar nicht vertrauenswürdig. Überall hinterließ sie eine Spur der Verwüstung. Aber eines Tages würde ihr die große Abrechnung dafür präsentiert werden, und dann würde es ihr leidtun!

Eigentlich hatte ich geglaubt, dass wir sie nie wiedersehen würden. Die Fantastischen Vier waren zu einem Tollen Trio geschrumpft. Sicher, es war okay so, aber eben nicht mehr so wie früher. Den anderen gegenüber hatte ich es nie zugegeben, aber manchmal fehlte Caz mir ganz schön. Sie war wild und kühn und … einfach anders. So, wie ich auch immer hatte sein wollen. Trotz ihres späteren Betrugs war sie für mich da gewesen, als ich sie brauchte. Außerdem hatte Caz meinem Leben Farbe und Feuer verliehen, und ich dachte, das wäre für immer verloren.

Doch jetzt war sie hier. Typisch für Dorrie, sie einzuladen und darauf zu bestehen, dass sie kam. Es hatte allerdings auch eine Phase gegeben, da hatte sie Caz nicht verzeihen können, nur es lag schlicht nicht in ihrem Wesen, nachtragend zu sein.

Caz stand in der Mitte des Zimmers und wusste nicht, wohin mit sich. „Eine ganz schlechte Idee, herzukommen“, murmelte sie, den Blick gesenkt. „Ich hätte nicht kommen sollen, tut mir leid. Ich wusste, ich würde euch das Wochenende verderben. Ich mach die Biege, jetzt gleich.“

„Kommt nicht infrage“, widersprach Doris sofort. „Ich hab dich eingeladen, weil ich dich dabeihaben will. Wir alle hatten unsere Differenzen“, das war sicher milde ausgedrückt, aber Doris war Expertin im positiven Denken, „aber seither ist Gras über die Sache gewachsen. Es ist mein Junggesellinnenabschied, und ich wünsche mir, dass du dabei bist. Das Leben ist viel zu kurz, um Freundschaften zerbrechen zu lassen. Ich denke, es wird Zeit, dass wir alle zusammen weitermachen. Und deshalb … Beth, du hast doch nichts dagegen, oder?“

„Ich …“ Was sollte ich jetzt sagen? Doris hatte recht, wie so oft. Vielleicht war die Zeit reif, um zu vergeben und zu vergessen. Caz hatte mich wirklich tief verletzt. Was sie getan hatte, war rücksichts- und gedankenlos gewesen, und schon so lange hielt ich mich an meinem Ärger fest. Aber genau wie mein Geheimnis war auch dieser Ärger zermürbend, er tat mir nicht gut. Und Caz jetzt hier in Fleisch und Blut stehen zu sehen, machte mir auf einen Schlag klar, wie sehr ich sie vermisst hatte.

„Beth, es tut mir wirklich leid“, hob Caz an. „Ich weiß, es ist lange her, aber was ich damals auf deiner Party gesagt habe … Ich hatte zu viel getrunken und hab mich absolut unmöglich benommen. Ich schäme mich schrecklich dafür. Ich wollte dich nie so verletzen, ich meine, ausgerechnet dich, von allen Leuten. Bisher hatte ich keine Chance, dir zu sagen, wie leid es mir tut.“

Weil ich ihr die Chance nie gegeben habe, wurde mir mit einem Mal klar. „Ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich nicht wütend war“, hob ich langsam an. Denn wütend war ich wirklich gewesen. „Aber ich denke, Dorrie hat recht. Womöglich ist Gras über die Sache gewachsen. Dass ich es je vergesse, kann ich nicht versprechen, aber ich werde versuchen, zu verzeihen.“

„Ich weiß, dass ich es nicht verdient habe“, murmelte Caz, und ich konnte die Tränen in ihren Augen schimmern sehen. Das war’s dann für mich, ich gab nach. Ich konnte mich nicht entsinnen, Caz je weinen gesehen zu haben, und ich verstand, wie schwierig es für sie gewesen sein musste, in dieses Zimmer zu kommen und sich dann auch noch vor uns zu entschuldigen.

„Das ist längst Geschichte“, sagte ich. „Vergessen wir es.“

Wir umarmten uns eher steif, und Dorrie schenkte ein Glas Champagner für Caz ein. Wir machten es uns auf dem Bett gemütlich, schließlich gab es viel zu erzählen.

„Wie geht’s deiner Familie?“, fragte Caz mich.

„Prächtig“, antwortete ich. „Natürlich werden die beiden älter, sind aber noch immer fit. Sie sind von London an die See gezogen, aber da wurde es ihnen nach einer Zeit wohl zu langweilig, also kehrten sie zurück und wohnen jetzt wieder in der Stadt. Mum kümmert sich jetzt um das Gemeindehaus und versorgt den neuen Priester, Pater Miserecordie, und Dad treibt sie noch immer in den Wahnsinn, weil er den ganzen Tag in der Garage schraubt und hämmert, aber die beiden sind total glücklich.“ Im Stillen fragte ich mich, ob ich mich nach Caz’ Mum erkundigen sollte, die wohl keinen einzigen Tag in ihrem Leben glücklich gewesen war, aber da erzählte Caz schon von selbst.

„Meine Mum weilt leider noch immer unter uns. Aber wir sehen uns kaum, Gott sei Dank.“

„Das kannst du nicht ernst meinen“, protestierte ich. „So schlimm kann sie doch nicht sein.“

„Du weißt nicht einmal die Hälfte.“ Ihr Ton verbot jede weitere Frage. Zögernd sah sie zu Dorrie. „Tut mir leid, das mit deinem Dad. Wie ist es passiert?“

„Das weißt du nicht?“ Ein schmerzvoller Ausdruck huschte über Dorries Gesicht. Ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, was sie durchgemacht haben musste. Sie hielt ihre Karten immer bedeckt, aber von dem bisschen, was ich gehört hatte, musste es schlimm gewesen sein.

„Nein“, antwortete Caz jetzt. „Ich meine, ich hab nur gehört, dass er gestorben ist, das hat mir echt zugesetzt. Und Mum wusste auch nicht mehr.“

„Er hatte MS“, sagte Dorrie. „Die progressive Form, sofort aggressiv. Es war hart. Zum Schluss saß er nur noch im Rollstuhl und musste künstlich ernährt werden.“

Man sah Caz an, wie entsetzt sie war. Sie war immer diejenige von uns gewesen, die Dorries Vater am meisten geliebt hatte. Vielleicht, weil sie keinen eigenen Vater gehabt hatte.

„Das tut mir so leid“, flüsterte sie. „Ich hätte für dich da sein müssen.“

„Du warst wahrscheinlich zu beschäftigt damit, den nächsten Rausch auszuschlafen.“ So viel Boshaftigkeit war völlig untypisch für Doris.

Und Caz zuckte auch zusammen, „Autsch. Das hab ich vermutlich verdient.“

Einen Moment herrschte drückendes Schweigen, dann fing Doris sich wieder. „Nein. Nein, das hast du nicht verdient. Ich bin es, die sich entschuldigen muss. Das war eine völlig unnötige Bemerkung. Es ist nur … das, was mit Dad passiert ist, war so … so verdammt unfair. Und es macht mich so wütend!“

„Kann ich verstehen“, kam es von Caz. „Dein Dad war ein wunderbarer Mensch. Dass es ausgerechnet ihn treffen musste …“

Wieder herrschte Schweigen, bei dem wir uns unangenehm bewusst wurden, dass Doris, die unverwüstlich heitere Doris, blinzelnd mit den Tränen kämpfte.

„So geht das nicht“, plötzlich rappelte sie sich auf. „Das soll ein Party-Wochenende werden, keine Trauerfeier. Wir sollten jetzt losziehen und ein bisschen kreischen.“

Als Teenager war Kreischen ein regelmäßiger Zeitvertreib gewesen, und zwar jedes Mal, wenn Doris uns alle zusammengetrommelt hatte, um irgendeine Kirmes zu besuchen und dann mit diesen schaurigen Karussells oder der Achterbahn zu fahren. Ich hatte es damals gehasst, und heute hasste ich es noch mehr.

„Müssen wir?“, stöhnte ich.

„Auf jeden Fall. Das ist der Deal für dieses Wochenende. Jede von euch muss mindestens ein Mal eine Achterbahnfahrt mitmachen und ordentlich kreischen.“

„Was ist mit Sarah?“, fragte Caz kleinlaut. „Sie will mich nicht hier haben, und ich möchte dir wirklich nicht das Wochenende ruinieren.“

„Sarah überlass ruhig mir“, erwiderte Doris entschlossen. „Nichts und niemand – und wenn ich ‚nichts und niemand‘ sage, dann meine ich auch nichts und niemanden – wird mir mein Wochenende verderben.“

„Also, es ist folgendermaßen …“, hob Dorrie an, als wir alle in der Schlange anstanden, um auf das Gelände gelassen zu werden, „… das hier ist mein Wochenende, und ich bestehe darauf, dass es genau so abläuft, wie ich es mir vorstelle. Sarah, Caz … ich weiß, ihr habt eure Schwierigkeiten miteinander. Ich weiß auch, wie schwierig es für euch beide ist, aber … mir ist wirklich wichtig, dass ihr beide hier seid, vor allem jetzt.“ Sie machte eine Pause, fügte dann hinzu: „Mit der Hochzeit und so. Daher wünsche ich mir, dass ihr für die nächsten achtundvierzig Stunden Waffenstillstand schließt. Hinterher könnt ihr euch ja wieder hassen.“

Sarah wirkte mehr als rebellisch, obwohl sie kein Wort sagte. Wie auch der Rest von uns konnte sie Dorrie nicht widerstehen, doch ihre Abneigung gegen Caz saß so tief, dass sie scheinbar ernsthaft überlegte, ob sie nicht dieses eine Mal eine Ausnahme machen sollte.

„Hör zu, Dorrie“, Caz fühlte sich offensichtlich ganz und gar nicht wohl in ihrer Haut, „Sarah kann mit meiner Anwesenheit nicht umgehen. Ich sollte wieder ins Hotel zurück und –“

„Seit wann gibst du so schnell klein bei?“, fauchte Sarah. „Da bist du mir als Biest lieber.“

„Wenn du unbedingt willst … Hey, das kann ich auch“, fauchte Caz sofort zurück. „Ich werd mir besonders viel Mühe geben.“

Dorrie mischte sich wieder ein. „Wir sind hier, in Disneyland! Kommt schon, Mädels, seid nett zueinander. Nur für mich, ja?“

Sarah blickte zwar noch immer meuterisch drein, lenkte aber ein: „Für dich tun wir doch alles, Dorrie, das weißt du.“

„Stimmt genau“, Caz wirkte erleichtert.

„Schön!“ Dorries gute Laune kehrte zurück. „Und jetzt lasst uns feiern gehen.“

Sobald wir durch das Tor auf das Gelände traten, schallte uns Gute-Laune-Musik von einer Band entgegen, und Mickey und Goofy schüttelten fröhlich unzählige Hände.

„Perfekt!“ Doris klatschte begeistert in die Hände. „Einfach perfekt!“

Es war unmöglich, nicht von ihrer Begeisterung angesteckt zu werden. Schon bald fanden wir uns in „Frontierland“ – dem Wilden Westen – wieder und versuchten, zu entscheiden, welches wohl die harmloseste Achterbahn sein mochte. Sarah und ich hassten derart wilde Trips, Caz und Dorrie liebten sie.

„Da, das da sieht doch gar nicht so schlimm aus.“ Caz zeigte auf Big Thunder Mountain, ein Fahrgeschäft, das wie ein Minenzug aus mehreren Waggons bestand, die durch Bergtunnel brausten. So gefährlich sah das wirklich nicht aus.

Keine halbe Stunde später kreischten wir alle in den höchsten Tönen. In der Broschüre, die wir am Eingang des Themenparks erhalten hatten, lief Big Thunder Mountain unter „ziemlich holprig“. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht mehr die Jüngste war, aber kaum setzte der Zug sich bergauf in Bewegung, begann ich, aus voller Kehle draufloszukreischen. Wenige Sekunden später rasten wir steil bergab in die unter uns liegende Dunkelheit, wurden dann durch endlos lange Tunnel gerüttelt, und Sarah und ich schrien uns gemeinsam die Lungen aus dem Hals. Und das sollte Spaß machen? Wir konnten Caz lautstark fluchen hören, während Doris vor Vergnügen aus dem Lachen nicht mehr herauskam. Ich weiß nicht, wie sie das machte, aber nichts schien sie aus der Ruhe bringen zu können.

„Mich – bekommst – du – auf – keines – von – diesen – Dingern – mehr“, japste Sarah, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. „Das war die reinste Hölle!“

„Was denn? Nicht einmal in die Teetassen?“ Dorrie amüsierte sich königlich und lachte nur herzlich. Selbst Caz sah blass aus. Aber immerhin hatte Doris Erbarmen mit uns und erlaubte uns eine Pause, die wir jede für eine Zuckerwatte nutzten. Wir schlenderten zupfend umher und beratschlagten, was wir als Nächstes wagen sollten.

„Den Space Mountain!“, schlug Doris begeistert vor, weil wir im Themenpark „Weltraum“ angekommen waren.

„Nein, nein und nochmals nein.“ Voller Entsetzen starrte ich auf die Rakete, die gerade an einem hohen Turm hinaufgezogen wurde.

„Ich glaub, wenn ich mich da reinsetze, muss ich mich übergeben“, murmelte Sarah schwach.

„Also, ich bin bereit.“ Caz grinste Dorrie an. Für eine Herausforderung war sie immer zu haben. Sie und Sarah hatten den ganzen Nachmittag kaum ein Wort miteinander gewechselt, hatten es Dorrie und mir überlassen, schnatternd die Pausen zu füllen, aber wenigstens stritten sie sich nicht.

„Bin dabei.“ Dorrie war Feuer und Flamme. „Du kennst mich … Seid ihr zwei sicher, dass ihr nicht mitwollt?“

„Absolut sicher“, kam es gleichzeitig von Sarah und mir.

Wir winkten den beiden zu, die sich in die lange Schlange einreihten, und schlenderten hinüber zu einer Buzz-Lightyear-Bude, um Aliens abzuschießen. Ich traf nicht viele, aber Sarah entpuppte sich als echte Scharfschützin.

„Wie kommt’s, dass du so viele von den Dingern triffst?“, fragte ich verblüfft. „Ich hätte dich jetzt nicht für den Computerspiel-Nerd gehalten.“

„Du würdest dich wundern, was man alles von Fünfjährigen lernen kann.“ Sarah hatte zwei Jungen in dem Alter, der eine war geradezu süchtig nach seiner Playstation. „Außerdem hat’s geholfen, mir die Aliens mit Caz’ Gesicht vorzustellen.“

„Sarah“, schalt ich matt. „Das war aber jetzt gar nicht nett.“

„Die Nerven, die die Frau hat! Ich kann ja noch verstehen, dass Dorrie sie eingeladen hat. Wir wissen alle, wie großherzig und – nun, manche würde es wahrscheinlich sogar naiv nennen – nachgiebig sie ist, aber Caz hätte die Einladung ja nicht annehmen müssen, oder? Ihr muss doch klar gewesen sein, wie unangenehm das wird.“

„Vielleicht mehr für uns als für sie?“

„Oh, komm schon, Beth. Du weißt, was sie mir angetan hat. Du magst bereit sein, zu vergeben und zu vergessen … Mir fällt das nicht so leicht.“

„Ich weiß, ich weiß“, antwortete ich. „Und ich muss ja auch zugeben, dass ich gut darauf hätte verzichten können, sie wiederzusehen. Aber kannst du dir nicht einen Ruck geben? Tu’s für Doris. Es bedeutet ihr offensichtlich echt viel. Kannst du es nicht wenigstens versuchen?“

„Ich überleg’s mir“, gab Sarah unverbindlich zurück.

Als Doris und Caz dann zu uns zurückkamen – beide auffallend blass, muss dazugesagt werden –, fiel dann aber auf, dass Sarah sich tatsächlich bemühte, normal mit Caz zu reden. Sie machte sogar die eine oder andere witzige Bemerkung, und ich grinste Dorrie verschwörerisch zu. Wer konnte es schon wissen, aber vielleicht würde ihr verrückter Versöhnungsplan ja funktionieren. Es gab schließlich gewisse Dinge zwischen Himmel und Erde …

3. Kapitel

Sarah

Hätte ich vorher gewusst, was Doris als „große Überraschung“ für uns plante, wäre ich vermutlich nicht zu diesem Junggesellinnenabschied gekommen. Die gute Doris. Mit ihrem verständnisvollen Freund, der alles für sie tat, und ihrer leicht überdrehten, aber ganz großartigen Mum, die immer alles stehen und liegen ließ, um den Babysitter zu spielen, brachte Doris nur wenig Verständnis dafür auf, dass es für andere Menschen vielleicht etwas komplizierter sein könnte, sich Zeit freizuschaufeln. Sie brauchte ja nur mit den Wimpern zu klimpern, und schon wurde Daz zu Wachs in ihren Händen. Für sie war es also lange nicht so schwer wie für mich, ein Wochenende frei von Mutterpflichten zu arrangieren. Und sie musste ja auch noch keinen Schulfahrtdienst mit einplanen. Allein Steve davon zu überzeugen, dass er mir etwas schuldig war, hatte sich als heikles Unterfangen erwiesen. Den Grund, weshalb er mir meiner Meinung nach etwas schuldig war, wollte ich nicht direkt ansprechen, schon deshalb nicht, weil ich die Ausreden und Rechtfertigungen nicht mehr hören konnte. Sollte er sich ruhig den Kopf darüber zerbrechen, wie viel ich wusste oder nicht wusste. Auf eine offene und letztendlich sinnlose Konfrontation war ich nicht im Geringsten aus. An diesen Punkt waren wir schon öfter gekommen, und ich hatte einfach keine Energie mehr dafür.

Und so erklärte Steve sich dann bereit, fürs Wochenende den „Babysitter“ für die eigenen Kinder zu spielen. Sieht man mal über all seine Fehler hinweg, dann ist er ein guter Vater, das muss man ihm zugestehen – wenn er denn überredet werden kann, seine geliebte Firma für ein paar Stunden zu vergessen und Zeit mit seinen Kids zu verbringen. Und er hat auch längst nicht so viel wie erwartet über mein geplantes Wochenende mit meinen besten Freundinnen gemault. Nun gut, genau genommen, waren sie alle bis auf eine meine besten Freundinnen.

Natürlich war mir klar, dass ich nicht sonderlich gut reagiert hatte, als Dorrie ihre Zimmertür geöffnet und Caz plötzlich im Raum gestanden hatte. Beth hatte recht. All das war schon lange her, und vielleicht sollte ich wirklich vergessen und vergeben. Aber allein ein Blick auf Caz, und die alten Gefühle von Eifersucht und Rage, die ich schon jahrelang mit mir herumtrug, waren wieder aufgeflammt. Caz war meine beste Freundin gewesen, und sie hatte mich auf die schlimmstmögliche Art betrogen. Auch wenn ich rückblickend und mit dem heutigen sehr viel genaueren Wissen über den Charakter meines Mannes ihre Seite der Geschichte inzwischen nachvollziehen konnte. Was aber nichts daran änderte, was sie getan hatte. Ganz gleich, wie man es auch drehte und wendete, letztendlich kam dabei heraus, dass Caz mein Vertrauen missbraucht hatte. Dieses Wiedersehen mit ihr hatte alte Wunden aufgerissen, es war, als hätte man mir ein Messer in den Bauch gerammt und es langsam umgedreht. Und wieder einmal stellte ich mir dieselben Fragen: Fand Steve sie attraktiver als mich? Fragte er sich womöglich, ob er die richtige Wahl getroffen hatte? Ich auf jeden Fall tat genau das.

Doch ich hatte kein Recht, dieses Wochenende für Dorrie zu verderben. Dorrie, die ich wirklich von ganzem Herzen liebte. Und daher holte ich tief Luft, als die beiden nach ihrer Fahrt wieder zu Beth und mir stießen, und fragte so lässig ich nur konnte: „Und? Wie läuft’s denn so bei dir?“

Argwohn stand in ihrem Blick, als sie mich ansah – was ich ihr nicht verübeln konnte. Zuvor im Hotel hätte ich ihr ja fast den Kopf abgebissen.

„Äh … so weit, so gut“, antwortete sie. „Ich reise noch immer um den ganzen Globus und takle zickige Models auf.“

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