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Was die Nacht verspricht / Zwischen Zweifel und Begierde

Als Buch hier erhältlich:

Was die Nacht verspricht:

Vor dreizehn Jahren hat Nadine ihre Jugendliebe Hayden Monroe zum letzten Mal gesehen. Jetzt ist er nach Gold Creek zurückgekehrt und erneut flammt zwischen ihr und Hayden die Leidenschaft auf. Doch solange die Intrigen der Vergangenheit immer noch zwischen ihnen stehen, scheint ein neues Glück für die Single-Mom und den reichen Sohn der Stadt unmöglich. Zu spät erkennt Nadine, dass Hayden es tatsächlich ernst mit ihr meint …

Zwischen Zweifel und Begierde:

Nie hat Carlie die aufregende Zeit mit ihrem sexy Ex Ben Powell vergessen. Seine Küsse, so wild wie der Whitefire Lake im Sturm … Kaum trifft sie ihn unerwartet wieder, fühlt sie sich insgeheim sofort wieder zu ihm hingezogen. Aber alles Hoffen auf eine zweite Chance für eine gemeinsame Zukunft scheint vergebens. Denn kaum hat sie Ben ihr Geheimnis anvertraut, unterstellt er ihr, eine Betrügerin zu sein …


  • Erscheinungstag: 10.09.2015
  • Aus der Serie: New York Times Bestseller Autoren: Romance
  • Bandnummer: 25868
  • Seitenanzahl: 528
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956492259

Leseprobe

Lisa Jackson

Was die Nacht verspricht

 

 

Zwischen Zweifel und Begierde

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:

He’s The Rich Boy

Copyright © 1993 by Susan Crose

erschienen bei: HQN Books, Toronto

He’s My Soldier Boy

Copyright © 1994 by Susan Crose

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Autorenfoto: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95649-482-6

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Lisa Jackson

Was die Nacht verspricht

Roman

Aus dem Amerikanischen von Barbara Alberter

DIE LEGENDE DES WHITEFIRE LAKE

Es heißt, wenn der Gott der Sonne sich über die Berge erhebt und seinen flammenden Pfeil auf den See richtet, fallen Funken und glühende Asche hinein, die einen Nebel wie weißes Feuer über dem Wasser aufsteigen lassen. Demjenigen, der von dem Wasser trinkt, bevor die Sonne den Nebel vertreibt, werden Reichtum und Glück geschenkt, und er wird die Hügel um den See nie wieder verlassen. Aber er darf nur sparsam aus der magischen Quelle trinken, nur so viel, bis der Durst erloschen ist. Befolgt er dies nicht, erzürnt er den Gott der Sonne, und der Mensch wird verflucht sein, seinen Reichtum verlieren und das, was er auf Erden am meisten liebt, wird ihm entrissen.

PROLOG

Whitefire Lake, Kalifornien

Gegenwart

Nadine Warne knetete ihre verspannten Nackenmuskeln und dachte an ein heißes Schaumbad, das ihre steifen Gelenke lockern würde. Wie lange war es jetzt her, dass sie sich den Luxus gegönnt hatte, in der Badewanne zu entspannen?

Jahre.

Sie hatte einfach nicht die Zeit dazu. Bei ihrer anstrengenden Arbeit, die Häuser anderer Leute zu putzen, und einem kleineren Geschäft, das sie sich nebenbei aufbauen wollte, schien es für die alleinerziehende Mutter von zwei ungestümen Jungen in der Vorpubertät nicht eine freie Minute zu geben, die sie für sich beanspruchen konnte.

„So ist das Leben“, sagte sie sich pragmatisch.

Sie trug ihre Putzlappen nebst Eimern, Wachsbehältern und Reinigungsmitteln ins Haus und verstaute sie im Schrank neben der Hintertür. Das kleine Holzhaus war nicht viel, aber es war bezahlt, und das Land, auf dem es stand, lag am Südufer des Sees und würde eines Tages viel wert sein. Darauf verließ sie sich. Dieses kleine Stück Land war ihre Investition in die Zukunft – die Ausbildung ihrer Jungs. Und nichts, weder Himmel noch Hölle, würde ihr das nehmen. Sie selbst war um die Ausbildung gebracht worden, die ihr versprochen worden war, und damals hatte sie sich geschworen, dass ihre Kinder dieses spezielle Opfer nicht würden bringen müssen.

So dumm wie ihr Vater, der an den Traum eines reichen Mannes geglaubt hatte, würde sie nicht sein. Sie presste die Lippen zusammen und weigerte sich, an den wohlhabenden Mistkerl zu denken, der ihren Vater betrogen hatte.

Auf dieser kleinen Immobilie ruhte ihre ganze Hoffnung und all ihre Träume. Denn obwohl die besten Grundstücke am Nordufer des Whitefire Lake lagen, würde es dort kein freies Plätzchen mehr geben, auf dem die Reichen ihre Luxusvillen bauen könnten. Und dann würden sie woanders nach einem geeigneten Stück Land suchen müssen, höchstwahrscheinlich auf der Südseite des Sees.

Nadine war fest davon überzeugt, dass der Moment kommen würde, wenn sämtliche am Wasser gelegenen Grundstücke einen ganz ansehnlichen Wert haben würden. Jedenfalls hoffte sie das. Das war auch der Grund, weshalb sie bei der Scheidung von Sam, ihrem Ex, wie eine Löwin darum gekämpft hatte, dieses alte Cottage behalten zu können.

Lächelnd wärmte sie den Kaffee in der Kanne auf und blickte sich in der Küche um. Sie war groß genug für einen an die Wand gerückten Tisch. Ansonsten war der gemütliche Raum mit ein paar Kiefernschränken eingerichtet. Außerdem gab es noch einen kleinen Holztresen und ein Fenster mit roten Baumwollvorhängen, die zu den Platzsets passten, die übereinander gestapelt unter dem Serviettenständer mit Salz- und Pfefferstreuer auf dem Tisch lagen. Es war nicht viel, mehr allerdings konnte sie sich nicht leisten.

Neben der Küche gab es noch ein Wohnzimmer, ein Bad, ein Schlafzimmer, eine große Vorratskammer, die sie in ihr Nähzimmer und „Büro“ verwandelt hatte, dazu einen Dachboden, in dem das Etagenbett ihrer Jungs stand. Es war nicht gerade das Ritz, aber gemütlich, und was John und Bobby an häuslichen Annehmlichkeiten fehlen mochte, wurde mehr als ausgeglichen durch die Tatsache, dass das Seeufer keine zwanzig Meter von der Haustür entfernt war. Sie lebten praktisch in der Natur.

Hier gab es Frösche, Hirsche, Kaninchen, Eichhörnchen, Waschbären und Vögel zuhauf. Ob sie es wussten oder nicht, ihre Kinder waren weit davon entfernt, benachteiligt zu sein.

Sie müssten bald zu Hause sein, dachte sie und blickte zur Straße. Jeden Tag fuhren die beiden mit den Fahrrädern zu einer Nachbarin, wo sie bleiben konnten, bis Nadine heimkam. John war alt genug, um sich darüber zu beschweren, weil er der Meinung war, dass er keinen Babysitter brauchte. Aber beide waren zu jung, um allein zurechtzukommen, und sei es auch nur für ein paar Stunden.

Während sie den Kaffee in einen Becher goss, stellte sie sich vor, wie ihre Situation jetzt aussehen würde, wenn Turner Brooks – ein Rancher, für den sie gearbeitet hatte – einen Funken Interesse an ihr gezeigt hätte, so wie sie es sich damals erhofft hatte. Jahrelang hatte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt und sogar davon fantasiert, dass er sie eines Tages mit anderen Augen sehen würde und er sich in sie verlieben würde. Aber das war nicht geschehen. Stattdessen hatte er seine wahre Liebe in Heather Leonetti gefunden, einer schönen Frau aus seiner Vergangenheit, und Nadine hatte sich selbst damit überrascht, wie leicht sie ihren eigenen Traum hatte loslassen können. Vielleicht hatte sie ihn am Ende gar nicht wirklich geliebt. Turner, ein nüchterner Cowboy, der Klartext redete und ihr nicht den Himmel auf Erden versprochen hatte, war ihr nach der schmerzlichen Scheidung vielleicht einfach sicher erschienen.

Anders als die anderen Männer in ihrem Leben.

Ihr Exmann Sam war ein Träumer, der zu viele Stunden mit Trinken verschwendet hatte, um irgendeinen seiner Pläne wirklich in die Tat umzusetzen, und der andere Mann – der Mann, dem sie vor sehr vielen Jahren ihr Herz geschenkt hatte – war heute nur noch ein verbotener, bitterer Gedanke.

Hayden Garreth Monroe IV. Schon sein Name klang nach Wohlstand. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war Hayden der reichste Junge im Ort gewesen, und nur seine Cousins, die Söhne der Fitzpatricks, hätten ihm diesen Titel streitig machen können. Und für eine kurze Zeit war sie so dumm gewesen zu glauben, dass ihm etwas an ihr lag.

Dummes, dummes Mädchen. Aber das war mittlerweile Gott sei Dank alles sehr lange her.

Als sie den Kies auf der Einfahrt knirschen hörte, wusste sie, dass ihre Jungs mit den Fahrrädern eingetroffen waren. Hershel, die Promenadenmischung, die sie adoptiert hatten, nachdem ihn jemand als halb ausgewachsenen Welpen ausgesetzt hatte, jaulte aufgeregt an der Hintertür. Sie hörte das Trampeln schneller Schritte, ein paar wechselseitige Beleidigungen, und schon stürmten die Jungs ins Haus, während Hershel ihnen um die Füße sprang.

„Schuhe ausziehen!“, rief Nadine.

„Och, Mom!“, beklagte sich John, schnitt eine Grimasse und kickte seine Turnschuhe von den Füßen.

Der siebenjährige Bobby tat es ihm nach. Ein paar schwarze Sneaker flogen an die Wand, danach lief er auf Strümpfen schnurstracks auf das Glas mit den Plätzchen zu.

„Hey, Moment mal!“, verlangte John besorgt, weil er befürchtete, nicht genauso viele Plätzchen abzubekommen wie sein jüngerer Bruder.

„Ihr wartet beide mal einen Augenblick“, schaltete Nadine sich ein und hielt John an den dünnen Schultern zurück, um ihn zu umarmen. „Ihr könntet mir zumindest erst mal Hallo sagen und erzählen, wie’s in der Schule war.“

„Hallo“, rief Bobby fröhlich und schnappte sich zwei Erdnussbutterplätzchen, bevor John ihm das Glas entriss. „Ich habe eine Zwei im Buchstabiertest.“

„Das ist ja toll.“

„Tja, und ich war heute der Blödmann der Klasse“, erwiderte John leicht trotzig, während er sich ebenfalls ein paar Kekse nahm.

„Was ist passiert?“

„Er musste in der Pause an der Wand stehen“, erklärte Bobby eifrig. „Dazu hat ihn die Aufsicht verdonnert.“

„Warum?“

„Weil sie meinte, ich hätte ein schlimmes Wort gesagt. Aber ehrlich, Mom, das war ich nicht. Das war Katie Osgood. Sie hat Sch…

„Ich glaube, das reicht. Aber ich will nicht, dass du irgendetwas von dir gibt, das auch nur annäherend als Schimpfwort gelten könnte. Verstanden?“

„Ja, klar“, erwiderte John mürrisch und sah zu Boden. „Ähm, Mrs Zalinski wird dich anrufen.“

Nadine hielt die Luft an, als John den Namen seiner Lehrerin nannte. „Warum?“

„Weil sie glaubt, dass ich bei einem Test gemogelt hab, und das habe ich nicht, Mom, wirklich. Katie Osgood wollte einen Stift von mir haben, und ich habe zu ihr gemeint, dass sie mich in Ruhe lassen soll und …“

„Halt dich von Katie Osgood fern“, unterbrach ihn Nadine, und John murmelte etwas davon, dass Katie eine Streberin sei, und folgte Bobby ins Wohnzimmer. Die Kekse in ihren Händen nicht aus den Augen lassend, raste Hershel den Jungs hinterher, während er wild mit dem schwarz-weißen Schwanz wedelte.

Das Telefon klingelte und angesichts der bevorstehenden Konfrontation mit der Lehrerin schickte Nadine ein stilles Gebet zum Himmel. John hatte ständig Ärger in der Schule. Seit der Scheidung vor zwei Jahren war er aufmüpfig und zeigte seinen Groll deutlicher als Bobby.

„Hallo?“, meldete sie sich, während aus dem Wohnzimmer die Titelmusik der Lieblings-Zeichentricksendung ihrer Söhne zu ihr herüberklang.

„Mrs Warne?“ Die Stimme klang kühl und männlich. Direktor Strand! Nadine machte sich auf einiges gefasst.

„Ja.“

„Hier ist William Bradworth aus der Kanzlei ‚Smythe, Mills und Bradworth‘ in San Francisco. Ich vertrete den Nachlass von Hayden Garreth Monroe III. …“

Nadines Herz setzte einen Schlag aus, und ihr Magen zog sich zusammen. Hayden Garreth Monroe III war derjenige gewesen, der das langsame Auseinanderbrechen ihrer Familie eingeleitet hatte. Sie war ihm nur einmal begegnet, vor Jahren, aber der Mann war eiskalt. Ein gnadenloser Geschäftsmann, der alles und jeden niedermachte – einschließlich ihres Vaters –, um zu bekommen, was er wollte. In Nadines Augen war Monroe ein Krimineller, und sein Tod löste wenig Bedauern bei ihr aus.

„Was wollen Sie, Mr Bradworth?“

„Velma Swaggart hat mir Sie empfohlen. Ich bin auf der Suche nach einer Reinigungskraft.“ In diesem Moment hätte Nadine ihre Tante Velma am liebsten erwürgt. Allein der Name Monroe hätte ihr reichen sollen, um einen anderen Reinigungsservice zu empfehlen. „Ich bin bereit, Ihnen den üblichen Lohn zu zahlen, wenn Sie das Haus Nr. 1451 am Lakeshore Drive sauber machen“, fuhr Bradworth fort, und Nadine verkniff sich eine scharfe Antwort.

Stattdessen trat sie vors Fenster, um über den See blicken zu können. Umringt von Mammutbäumen und Kiefern stand in weiter Ferne am Nordufer das Sommerhaus der Monroes auf einem erstklassigen Seegrundstück.

„Der Auftrag umfasst eine gründliche Reinigung, und ich benötige außerdem eine Liste aller erforderlichen Reparaturen. Falls Sie jemanden in der Gegend finden könnten, der die Instandsetzung übernimmt, möchte ich Sie bitten, mir den Namen …“

„Ich muss darüber nachdenken, Mr Bradworth.“ Sie beschloss, den Mann nicht allzu schnell abzuwürgen, obwohl sie ihm am liebsten gesagt hätte, wohin er sich sein Angebot stecken könnte. Aber das Geld war knapp bei ihnen. Sehr knapp. Tante Velma wusste, dass es harte Zeiten für sie waren, und hatte vermutlich selbst ihren Stolz hinunterschlucken müssen, als sie Nadine empfohlen hatte.

Am anderen Ende der Leitung entstand eine lange Pause. Offenbar war Mr Bradworth es nicht gewohnt, dass man ihn hinhielt. „Bis morgen Nachmittag brauche ich eine Antwort“, meinte er schroff.

„Die werden Sie bekommen“, erwiderte sie und verfluchte sich im Stillen, weil sie einem geschenkten Gaul ins Maul geschaut hatte. Wen interessierte es schon, woher das Geld kam? Sie brauchte es, um ihren Wagen reparieren zu lassen, und Weihnachten rückte näher … Wie sollte sie all die Sachen für die Jungs finanzieren? Doch Geld anzunehmen, das aus dem Nachlass des alten Monroe stammte? Sie zitterte, als sie auflegte.

Tränen verschleierten ihren Blick, während sie durch die Hintertür trat und über den Pfad ging, der ums Haus herum zur Anlegestelle führte. Der kühle Novemberwind hatte sich gedreht und ließ auf der normalerweise ruhigen Seeoberfläche Wellen mit Schaumkronen entstehen. Die alte Legende vom See fiel ihr ein, wonach der Sonnengott einen segnete, wenn man vom Wasser des Sees trank, bevor die Morgensonne den Nebel über dem See vertrieb. Die Legende stammte von den Ureinwohnern Amerikas, wurde jedoch von den ersten weißen Siedlern verbreitet. Von einer Generation war die Geschichte an die nächste weitererzählt worden, und Nadine fragte sich, wie viel von dem alten Mythos wahr sein mochte.

Während sie sich die Arme rieb, starrte sie auf das grau werdende Wasser hinaus, ohne zu bemerken, dass es anfing zu regnen. Das Anwesen der Monroes. Seit beinahe dreizehn Jahren stand es nun leer. Es war ein prunkvolles Sommerhaus. Nadine hatte nie die Ehre gehabt, es einmal betreten zu dürfen. Aber nachdem sich herausgestellt hatte, dass Jackson Moore und Rachelle Tremont in der Todesnacht von Roy Fitzpatrick gemeinsam dort gewesen waren, hatte es traurige Berühmtheit erlangt. Jackson war der Hauptverdächtige gewesen, und Rachelle hatte ihm ein Alibi gegeben. Sie hatte ihren guten Ruf ruiniert, indem sie gestand, die ganze Nacht mit ihm zusammen gewesen zu sein.

Seitdem hatten nur wenige das Gebäude noch einmal betreten, jedenfalls wenn man der Gerüchteküche von Gold Creek Glauben schenken durfte. Nadine hätte unmöglich wissen können, ob es der Wahrheit entsprach.

Einen quälenden Augenblick lang dachte sie an Hayden, den Sohn des alten Mannes. Benannt nach seinem Vater, geboren und aufgewachsen mit einem goldenen Löffel im Mund, war Hayden Garreth Monroe IV mehr gewesen als ein reicher Junge. Zumindest für Nadine. Wenn auch nur für kurze Zeit. So lange, bis er sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Bis er bewiesen hatte, dass er nicht anders war als sein Vater.

Nadine biss sich auf die Unterlippe. Sie war eine solche Idiotin gewesen! Eine naive Idiotin, die ihn angehimmelt hatte!

Ihre Sneaker knirschten auf den alten Planken des Docks, und der Wind blies ihr die Haare aus dem Gesicht. Fröstelnd rieb sie sich die Arme und starrte über den See zu den Häusern der Wohlhabenden, die den Lakeshore Drive am Nordufer säumten.

Richtung Westen war das Haus der Fitzpatricks durch das Dickicht der Bäume zu erkennen, und weiter östlich lugte der Dachfirst des Sommerdomizils der Monroes aus den Kiefernund Zedernzweigen hervor.

„Verdammt noch mal“, flüsterte sie, noch immer den Tag verfluchend, an dem sie Hayden kennengelernt hatte.

Damals schien alles so richtig … ihn kennenzulernen … in seinem Boot mitzufahren … zu glauben, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Heute wusste sie, dass ihre Vernarrtheit in Hayden ein Fehler gewesen war, der sie für den Rest ihres Lebens begleiten würde. Mit einer kristallenen Klarheit, die ihr Angst einjagte, konnte sie sich an die kurze Zeit ihres Zusammenseins erinnern.

Während ein Nieselregen vom Himmel fiel, wanderte sie in Gedanken in die Zeit zurück, an die zu denken sie sich verboten hatte – die Zeit, als sie – jung und naiv – auf ein Abenteuer gewartet hatte, und Hayden Garreth Monroe IV. in ihr Leben getreten war und es auf den Kopf gestellt hatte …

1. KAPITEL

Gold Creek, Kalifornien

Die Vergangenheit

Vergiss nicht, mich rechtzeitig zum Feierabend abzuholen“, sagte Nadines Vater, während sein Wagen über das Schottergelände der „Monroe Sawmill“ holperte, wo er arbeitete. Er parkte im Schatten eines Schuppens, drehte den Schlüssel um und zog ihn aus dem Zündschloss seines alten Ford Pick-up. Er reichte seiner Tochter den Schlüssel.

„Ich werde nicht zu spät kommen“, versprach Nadine.

Ihr Vater zwinkerte ihr zu. „Das ist mein Mädchen.“

Nadine hielt Bonanza, den Hund ihres Vaters, am Halsband fest, als er jaulend zur Tür stürzte, während George Powell aus dem Auto stieg und zum Büro marschierte, um sich einzustechen, bevor er seine Schicht begann. „Immer schön mit der Ruhe“, erklärte sie dem aufgeregten Schäferhund. „Wir sind ja gleich zu Hause.“

Bei dem Gedanken an das Haus, das die Familie Powell bewohnte, zog sich ihr der Magen zusammen. Ihr Zuhause war nicht mehr der Zufluchtsort, der es einmal gewesen war, und die Anzeichen von Unzufriedenheit in der Ehe ihrer Eltern waren in den letzten Monaten mehr geworden. Manchmal hatte Nadine das Gefühl, auf einem Schlachtfeld festzusitzen, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden könnte. Jedes Mal, wenn sie den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, war es, als beträte sie ein verbales und emotionales Minenfeld.

Während sie durch die staubige Windschutzscheibe spähte, versuchte sie, nicht an das Leben in dem Haus am Fluss zu denken, sondern konzentrierte sich stattdessen auf das Geschehen im Hof der Sägemühle. Durch riesige Tore aus Maschendraht rollten Lastwagen mit Anhängern herein und brachten eine Ladung astfreier Tannenbäume nach der anderen an, die von einem gewaltigen Kran aufgehoben und auf die bereits gigantischen Holzhalden umgeladen wurden. Mit anderen Kränen wurden Holzstämme aus dem Fluss gefischt und zum Trocknen übereinander gestapelt.

Männer mit Schutzhelmen dirigierten jede Ladung mit lauten Rufen an ihren Platz. Stück für Stück wurden die Stämme sortiert und entrindet, bevor man sie schließlich grob zu Balken schnitt, die nach Qualität und Größe gestapelt wurden. Ihr Vater war praktisch schon sein ganzes Leben mit dem Sägewerk verbunden, und schon oft hatte er ihr den Prozess erklärt, wie ein Baum aus dem Wald geholt und in Nutzholz, Sperrholz, Pressholz, Mulch und manchmal auch Papier verwandelt wurde. George Powell war stolz darauf, einer Familie von Holzarbeitern zu entstammen, und in dieser Sägemühle hatten sowohl sein Vater als auch sein Großvater gearbeitet. Seitdem die „Monroe Sawmill Company“ in Gold Creek existierte, hatte immer ein Powell auf der Lohnliste des Unternehmens gestanden.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Nadine, wie ein Auto auf das Gelände fuhr – ein schnittiges, marineblaues Cabriolet. Es glänzte so stark, dass der Lack im Licht der Sonne wie feucht schimmerte. In der Ansammlung alter Pick-ups und staubiger Wagen wirkte der Mercedes wie ein Vollblüter unter lauter Ackergäulen deutlich fehl am Platz.

Nadine rutschte auf die Fahrerseite des Autos und streichelte Bonanza, während sie den Fahrer musterte, der jetzt dem ledergepolsterten Innenraum entstieg. Er war groß, aber jung, wahrscheinlich noch keine zwanzig, mit dichten kaffeeschwarzen Haaren, die vom Wind zerzaust waren. Seine Augen waren hinter einer Sonnenbrille mit Spiegelglas verborgen, und er warf sich eine Lederjacke über die Schulter.

Nadine biss sich auf die Lippe. Sie musste nicht raten, sondern wusste, wer er war. Hayden Garreth Monroe IV., Sohn des Besitzers der Sägemühle. Vor Jahren, als er noch die Grundschule von Gold Creek besuchte, hatte sie ihn einmal gesehen. Für kurze Zeit hatte er, das einzige Kind reicher Eltern, hier gelebt. Seine Cousins ersten Grades waren die Söhne der Fitzpatricks, denen das Abholzungsunternehmen gehörte, das dem Sägewerk den größten Teil der Stämme lieferte.

„Die Monroes und die Fitzpatricks – sie halten zusammen wie Pech und Schwefel“, hatte ihre Mutter oft gesagt, und zusammen gehörte den beiden Familien fast alles in Gold Creek.

Nadine erinnerte sich an Hayden als zwölfjährigen Jungen, nicht als wütenden jungen Mann. Doch jetzt schien er stinksauer zu sein. Den Unterkiefer vorgeschoben und den Mund entschlossen zu einer Linie zusammengepresst, bewegte er sich mit großen, steifen Schritten. Ohne nach rechts oder links zu schauen, hielt er den zornigen Blick geradeaus gerichtet und nahm die zwei Stufen zum Büro des Sägewerks auf einmal. Dann stürmte er in das kleine Büro der Firma und knallte die Tür hinter sich zu.

Nadine hielt die Luft an. Wem auch immer sein offensichtlicher Zorn gelten mochte, er tat ihr leid, denn Hayden strahlte einen unbändigen Zorn aus.

Plötzlich wünschte sie, sie wüsste mehr über ihn, aber ihre Erinnerungen an die Monroes und ihren einzigen Sohn – „der Prinz“, wie ihr Bruder Ben ihn nannte – waren vage.

Sie war sich ziemlich sicher, dass die Monroes etwa zu der Zeit, als Hayden auf die Highschool kommen sollte, nach San Francisco gezogen waren. Seitdem kamen sie nur noch zurück, um die Sommermonate in ihrem Haus am See zu verbringen. Und obwohl Haydens Vater nach wie vor der Besitzer der Sägemühle war, besaß er auch noch ein paar andere Unternehmen, weshalb er nur ein- oder zweimal in der Woche Gold Creek einen Besuch abstattete.

Ihr Vater hatte es einmal beim Abendessen angesprochen: „Das ist ein Job, den Monroe da hat, was?“ George Powells Stimme war eine Mischung aus Ehrfurcht und Neid anzuhören. „Garreth steigt auf dem Dach seines Bürogebäudes in einen Firmenhubschrauber, schwirrt hierher, kommt gegen neun ins Büro geschlendert, wo er einen Blick in die Bücher wirft und ein paar Schecks unterschreibt, und für sein Golfspiel am Nachmittag ist er dann rechtzeitig zurück in der Stadt. Ein hartes Leben.“

Nadine hatte sich nie groß Gedanken über die Monroes gemacht. Sie waren reich, so wie auch die Fitzpatricks. Die übrigen Ortsbewohner waren das nicht. So war es immer gewesen, und vermutlich würde es auch immer so bleiben.

Langsam lockerte sie den Griff um Bonanzas Halsband. Der Hund leckte ihr übers Gesicht, allerdings nahm sie das kaum wahr. Sie entdeckte ihren Vater, als er das Büro verließ und zum Haupttor des Arbeitsgeländes marschierte. Er winkte ihr zu, dann verschwand er in einem der Gebäude, sie legte den Rückwärtsgang ein, setzte zurück und schaltete in den ersten Gang. Der Wagen machte einen Satz nach vorn und begann zur Straße zu rollen.

„Hey!“, drang die Stimme eines Mannes durch die offenen Fenster.

Nadine blickte in den Rückspiegel und trat auf die Bremse. Sie spürte ein dummes Flattern im Bauch, kaum dass sie sah, wie Hayden, der Prinz höchstpersönlich, in einen Laufschritt fiel, um sie einzuholen … wahrscheinlich, weil er ihr mitteilen wollte, dass die Heckklappe mal wieder offen stand.

In einer Staubwolke, die einem das Atmen erschwerte, riss er die Tür an der Beifahrerseite des Fords auf, und Bonanza knurrte. „Können Sie mich mit…?“ Abrupt brach er ab, und Nadine begriff, dass er geglaubt haben musste, es mit einem Arbeiter aus dem Sägewerk zu tun zu haben. Offensichtlich hatte er nicht mit einem Mädchen am Steuer eines verbeulten alten Pick-ups gerechnet.

Sie warf einen Blick auf den Mercedes. „Ist das nicht Ihr Auto?“

Finster kniff er die Augenbrauen zusammen. „Hören Sie, ich brauche nur eine Mitfahrgelegenheit. Ich bin Hayden Monroe.“ Er schob die Sonnenbrille hoch und reichte ihr die Hand.

„Nadine Powell.“ Verlegen streckte sie an Bonanza vorbei den Arm aus und ergriff seine Hand. Seine Finger umschlossen ihre Hand mit festem Griff, der ein leichtes Herzklopfen bei ihr auslöste.

„Ben und Kevins kleine Schwester“, stellte er fest, nachdem er ihre Hand wieder losgelassen hatte.

Es gefiel ihr aus irgendeinem Grund gar nicht, dass er sie als Kind betrachtete. „Richtig.“

„Fährst du in den Ort?“

Das hatte sie zwar eigentlich nicht vor, aber irgendetwas in ihr hielt sie davon ab, das zuzugeben, denn sie wusste, wenn sie ihm die Wahrheit sagte, würde er die Tür des Pick-ups auf der Stelle zuschmeißen. Sie zog die Schultern hoch. „Äh … natürlich, steig ein. Ich, äh, muss nur zu Hause vorbeischauen … das liegt auf dem Weg … und meiner Mutter sagen, wo ich bin.“

„Wenn es Umstände macht …“

„Nein! Steig ein“, wiederholte sie lächelnd. Schuldbewusst warf sie einen Blick durch die schmutzige Heckscheibe und betete im Stillen darum, dass ihr Vater nicht sah, wie Hayden in die Fahrerkabine stieg. Als die Tür zufiel, knurrte Bonanza zwar noch einmal, machte dann allerdings widerstrebend den Platz frei und rutschte näher an ihre Seite. Nadine nahm den Fuß von der Kupplung. Mit einem magenerschütternden Satz begannen sie, vom Gelände zu holpern. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Mutter Verständnis haben und ihr erlauben würde, Hayden nach Gold Creek zu bringen. Neuerdings war ihre Mutter nicht sehr verständnisvoll … manchmal nicht einmal vernünftig. Und auch wenn ihr Dad die Launenhaftigkeit seiner Frau und ihrem „monatlichen Fluch“ zuschrieb oder dem Stress, der von der Erziehung drei eigenwilliger Teenager herrührte, zuschrieb, wusste Nadine es besser. Sie hatte genug von den Auseinandersetzungen ihrer Eltern mitbekommen, um zu erkennen, dass die Probleme in ihrer Familie viel tiefer lagen und nichts mit dem Monatszyklus ihrer Mutter zu tun hatten.

Wie also würde Donna auf die Bitte ihrer einzigen Tochter reagieren? Plötzlich hatte Nadine ganz feuchte Hände. Sie könnte Hayden einfach im Ort absetzten, zu spät nach Hause kommen und mit den Konsequenzen leben, aber sie wollte nicht noch mehr Ärger heraufbeschwören.

„Ich muss nur den Hund nach Hause bringen“, erklärte sie und schaute ihn kurz an.

„Ich hab’s nicht eilig.“ Aber seine angespannte Körperhaltung sagte etwas anderes. Von dem Moment an, als er mit kreischenden Bremsen auf dem Hof der Sägemühle gehalten hatte, war er ihr vorgekommen wie ein sprungbereiter Tiger hinter Gittern. Seine Muskeln traten hervor und seine Mine war genauso angespannt. Er stülpte sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase.

„Ärger mit dem Auto?“, fragte sie.

„So kann man es auch nennen.“ Er starrte aus dem Fenster und presste die Lippen zusammen, während Nadine auf die Hauptstraße einbog, die in den Ort führte.

„Es ist … es ist ein schönes Auto.“

Durch die Sonnenbrille warf er ihr einen Blick zu, der nicht zu deuten war. „Ich habe meinem alten Herrn erklärt, er soll es verkaufen.“

„Aber … das Auto scheint ganz neu zu sein.“ Der Mercedes hatte noch nicht einmal Nummernschilder.

„Ist es auch.“

„Ich würde für einen solchen Wagen morden“, meinte sie, um die Spannung zu lockern, die sich zwischen ihnen aufzubauen schien.

Um seinen Mund zuckte es leicht. „Ach, wirklich?“ Schnell drehte er den Kopf und richtete seine Aufmerksamkeit auf sie. Ihre Haare. Ihr Hals. Nichts schien seinem prüfenden Blick zu entgehen, und plötzlich war sie verlegen wegen ihrer abgeschnittenen Jeans und der ebenso alten Bluse. Stolz reckte sie das Kinn, spürte jedoch, wie ihr der Schweiß über den Rücken rann. Während er sie mit einer Eindringlichkeit musterte, unter der sie sich am liebsten gewunden hätte, begann ihr Puls heftig zu pochen.

„Ich … Du weißt schon, was ich meine.“

„Nun, mein Alter hat zwar nicht von mir verlangt, dafür zu töten, aber es kommt dem ziemlich nahe …“ Er rieb sich die verspannten Muskeln an einer Schulter.

„Was meinst du damit?“

„Hast du den Dritten schon mal kennengelernt?“

„Wie bitte?“

„Hayden Garreth Monroe, ‚Der Dritte‘.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Doch ich habe ihn ein paarmal gesehen. Bei Firmenpicknicks.“

„Oh, stimmt.“ Er nickte und starrte wieder aus der verstaubten Windschutzscheibe. „Da war ich auch schon ein paarmal. Vor langer Zeit. Jedenfalls weißt du dann ja, wie mein Vater sein kann. Sagen wir einfach, er ist ‚überzeugend‘. Ein besseres Wort fällt mir nicht ein. Was immer ‚Der Dritte‘ haben will, in der Regel kriegt er es. Auf die ein oder andere Weise.“

„Was hat das mit deinem Auto zu tun?“

„Er hat einen Preis … nicht in Dollars oder Cents, aber dennoch ist es ein Preis, den ich nicht zu zahlen bereit bin.“

„Oh.“ Sie hätte gern weiter gefragt, weil sie herausfinden wollte, was Hayden wirklich dachte, doch dieser schwieg erneut. An seiner verschlossenen Miene erkannte sie, dass das Thema für ihn erledigt war.

Sie fuhren an trockenen Stoppelfeldern vorbei, in denen Gras und Wildblumen wuchsen, und Nadine bog auf eine Landstraße ab, die sich durch die Hügel zu dem kleinen Haus am Fluss wand. Noch nie war es ihr peinlich gewesen, wo sie wohnte, aber mit diesem reichen Jungen im Pick-up fühlte sie sich plötzlich verlegen. Es war schon schlimm genug, dass er den ramponierten Sitz eines verbeulten zwanzig Jahre alten Wagens mit einem übel riechenden Hund teilen musste, nachdem er gerade die gepflegte Lederinnenausstattungen eines neues Sportautos genossen hatte, doch jetzt würde Hayden auch noch die windschiefe Eingangsveranda, die rostigen Dachrinnen und den Garten sehen, der im Unkraut erstickte.

Sie hielt im Carport. „Es dauert nur eine Minute …“, meinte sie. Dann erinnerte sie sich an ihre guten Manieren und fügte hinzu: „Möchtest du mit reinkommen und meine Mom kennenlernen?“

Er zögerte, doch dann schien seine gute Erziehung die Oberhand zu gewinnen. „Gerne.“

Während Bonanza durch das trockene Gras flitzte und die Rotkehlchen in den Büschen aufschreckte, stieg Nadine vor Hayden die Treppe zur hinteren Veranda hinauf und öffnete die Fliegengittertür. „Mom?“, rief sie, während sie die Küche betraten.

Auf dem Herd kühlte ein Apfelkuchen ab, und der kleine Raum war erfüllt vom Duft gebackener Äpfel und Zimt. Hayden nahm seine Sonnenbrille ab, und Nadine blickte in intensiv blaue Augen von der Schattierung des Himmels kurz vor der Dämmerung. Beinahe stockte ihr das Herz, und ihre Stimme klang etwas schwach und atemlos, als sie den Blick von ihm losriss und noch einmal ihre Mutter rief. „Bist du zu Hause?“

„Bin gleich unten“, meinte Donna vom oberen Ende der Treppe, und schon hörte man sie über die bloßen Holzdielen eilen. „Weshalb hast du so lange gebraucht? Ben hat den Wagen. Ich muss ein paar Sachen einkaufen, und …“ Den Wäschekorb auf der Hüfte, ohne eine Spur ihres üblichen Make-ups und die Haare nachlässig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, kam Donna um die Ecke und blieb abrupt stehen. Überrascht schaute sie ihre Tochter und den Jungen an.

Nadine reagierte schnell. „Ich hole dir alles, was du brauchst. Ich muss ohnehin in die Stadt, ich habe es Hayden versprochen.“ Sie wies auf ihn. „Das ist …“

„Hayden Monroe?“, vermutete ihre Mutter und reichte ihm ihre freie Hand, wobei sie es schaffte, ihre Wäsche weiter festzuhalten. Sie rang sich ein künstlich wirkendes Lächeln ab.

„Richtig.“ Er schüttelte ihr kräftig die Hand.

„Und das ist meine Mutter, Donna Powell.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, erwiderte er.

„Gleichfalls.“

Nadine war erstaunt und beschämt zugleich. Normalerweise war ihre Mutter warmherzig und freute sich, jeden ihrer Freunde kennenzulernen, aber ihrem Lächeln zum Trotz verströmte Donna Powell eine Frostigkeit, die sie gewöhnlich für ihren Mann reservierte.

„Du solltest deinem Freund etwas zu trinken anbieten“, tadelte sie ihre Tochter und bedachte sie mit einem eiskalten Blick. „Und ja, du kannst die Lebensmittel besorgen. Die Liste hängt an der Pinnwand, und in meinem Portemonnaie steckt ein Zwanziger …“ Sie sah Hayden erneut an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann allerdings anders. „Aber trödel nicht. Ich brauche die Eier für den Hackbraten.“ Sie stellte die Wäsche auf dem Tisch ab und strich sich eine verirrte Locke hinters Ohr, bevor sie entschlossen zum Küchenschrank schritt, in dem sie ihre Handtasche aufbewahrte. Sie holte den Zwanzig-Dollar-Schein aus ihrer Geldbörse und reichte ihn ihrer Tochter.

„Ich bleibe nicht lange weg!“ Nadine war froh, dass sie verschwinden konnte. Sie nahm sich zwei Cola-Dosen aus dem Kühlschrank und schnappte sich auf dem Weg nach draußen die Einkaufsliste. Hayden verabschiedete sich noch von ihrer Mutter und blieb im Garten stehen, um Bonanza hinter den Ohren zu kraulen. Schließlich riss er die Tür auf der Beifahrerseite des Wagens auf und machte es sich auf dem Sitz bequem.

Nadine war so nervös, dass sie es kaum schaffte, den Motor zu starten. „Du musst meine Mutter entschuldigen. Normalerweise ist sie viel freundlicher … aber wir, ähm, haben sie überrascht, und …“

„Sie war doch nett.“ Wieder starrte er sie mit seinen blauen Augen an, und diesmal schien sein Blick – ohne Sonnenbrille – direkt in ihre Seele zu dringen. Sie fragte sich, was er von ihrem winzigen Haus am Fluss halten mochte. Lachte er innerlich über das Cottage, das ihm wie ein Symbol jämmerlicher Armut erscheinen musste? In dem Wagen schien er sich durchaus wohlzufühlen, und doch hatte sie den Verdacht, dass er daran gewöhnt war, in BMWs, Ferraris und Limousinen zu fahren.

„Halt mal fest.“ Sie reichte ihm die beiden Cola-Dosen, wendete den Pick-up und brauste los in Richtung Stadt. Nadine wusste, dass sie nicht danach fragen sollte, aber sie sprach immer aus, was ihr gerade durch den Kopf ging. Ihr Bruder Ben hatte ich schon oft vorgeworfen, dass sie erst redete und dann nachdachte.

„Was hast du damit gemeint, als du von dem Preis gesprochen hast, den du nicht zahlen willst … für den Mercedes?“

Er öffnete beide Dosen und gab ihr eine. Danach starrte er erneut vor sich hin nach draußen – trockene windgepeitschte Felder. Lässig lehnte er den Ellbogen raus und sagte: „Mein Vater will meine Freiheit kaufen.“

„Wie das?“

Er lächelte kühl und setzte die Brille wieder auf. „Auf viele Arten.“ Langsam trank er einen großen Schluck. Nadine wartete, doch Hayden sprach nicht weiter. Ohne seine kryptische Bemerkung zu erklären blickte er durch die Windschutzscheibe. Sie bemerkte, wie er ungeduldig mit den Fingern auf sein Knie trommelte. Es schien ganz so, als existierte sie überhaupt nicht. Sie sorgte lediglich für den Transport, und was ihn betraf, hätte das wohl ebenso gut ein grauhaariger Mann von achtzig Jahren erledigen können. Empört über den Gedanken, jonglierte sie mit ihrer Cola-Dose, während sie das Lenkrad umklammerte, die Gänge einlegte und über die vertrauten Straßen der Stadt fuhr, in der sie aufgewachsen war.

„Wohin soll ich dich bringen?“, fragte sie, nachdem sie die Unterführungen, die unter den Bahnschienen hindurchführte, erreicht hatten. Sie befanden sich jetzt im Randbezirk von Gold Creek, und die Hauptstraße war von Häusern gesäumt, die anscheinend alle nach denselben drei bis vier Bauplänen Ende der vierziger Jahre entstanden waren.

„Wohin?“, wiederholte er wie gedankenverloren. „Wie wär’s mit Anchorage?“

„Alaska?“

„Oder Mexico City.“

Sie lachte, denn sie hielt es für einen Scherz, aber er lächelte nicht einmal. „So viel Sprit habe ich nicht“, witzelte sie.

„Den würde ich bezahlen.“ Er sagte es, als wäre jedes Wort sein voller Ernst. Doch er meinte es nicht ernst. Das war unmöglich. Mit einer Hand strich er über das alte Armaturenbrett, in dem das Heizgebläse klapperte. „Was glaubst du, wie weit würde uns dieser Pick-up bringen?“

„Uns?“, fragte sie, wobei sie sich bemühte, lässig zu klingen.

„Hmmm.“

„Vielleicht bis nach San José. Oder Monterey, wenn wir Glück haben“, erwiderte sie nervös. Er machte Witze, oder? Das musste es sein.

„Das ist nicht weit genug.“

Er schaute sie an, und durch die verspiegelten Gläser hindurch hielten ihre Blicke einander eine Sekunde lang fest. Danach streckte er den Arm aus, packte das Lenkrad und half ihr auf der Straße zu bleiben. „Ich schätze, wenn wir weiter weg wollten, hätten wir doch besser einfach den verdammten Mercedes nehmen sollen.“

Mit zitternden Händen umfasste sie das Lenkrad. Obwohl er so verrückte Sachen von sich gab, mochte sie ihn. Seine rebellische Art faszinierte sie und nahm sie für ihn ein.

Er ließ sich in den Sitz zurückfallen und schob sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. Sie fuhren am Park vorbei und kamen an eine rote Ampel.

Als der Pick-up stand, warf Nadine ihrem Beifahrer einen Blick zu. „Da wir den Mercedes nicht haben und dieser Wagen es nicht über die Stadtgrenze hinaus schaffen wird, schätze ich, dass du mir sagen musst, wohin du willst.“

„Wohin ich will“, meinte er und schüttelte den Kopf. „Lass mich einfach am Busbahnhof raus.“

„Am Busbahnhof?“ Fast hätte sie gelacht. Der Junge, der die Schlüssel für einen Mercedes abgegeben hatte, wollte eine Fahrkarte für einen Bus kaufen?

„Damit komme ich hin, wohin ich will.“

Es wurde grün, und sie bog links ab. „Und wo ist das?“

„Überall und nirgends.“ Wieder versank er in tiefem Schweigen. Der Busbahnhof tauchte vor ihnen auf, und sie bog auf den Parkplatz ein. Dort hielt sie an, ließ jedoch den Motor laufen. Hayden stürzte die Cola herunter, legte die leere Dose auf den Sitz, griff nach seiner Jacke und holte seinen Geldbeutel aus der Tasche. „Ich möchte dich für deine Mühe bezahlen …“

„Das war keine Mühe“, entgegnete sie schnell.

„Doch für den Sprit und deine Zeit und …“

„Ich habe dich nur mitgenommen. Keine große Sache.“ Sie versuchte ihm in die Augen schauen, sah jedoch nur sich selbst in seinen verspiegelten Gläsern.

„Ich will aber.“ Er zog einen Zehner heraus und hielt ihn ihr hin. „Kauf dir irgendwas.“

„Ich soll mir was kaufen?“, wiederholte sie, und fühlte sich plötzlich extrem gedemütigt. Auf einmal war ihr wieder bewusst, dass sie eine ausgebleichte abgeschnittene Jeans trug und dazu eine Baumwollbluse nebst geerbten Sneakers.

„Ja, irgendetwas Schönes.“

Er hatte Mitleid mit ihr! Der Schein war direkt vor ihrer Nase, aber sie ignorierte ihn. „Ich lasse mich auch nicht kaufen“, stieß sie hervor und legte den Gang ein. „Es war eine Gefälligkeit. Weiter nichts.“

„Aber ich fände es schön, wenn du …“

Ich fände es schön, wenn du aussteigen würdest. Jetzt.“

Offensichtlich überrascht von ihrem Stimmungswandel, zögerte er. „Wenn du sicher bist …“

„Ich bin mir absolut sicher.“

Finster dreinschauend stopfte er den Schein wieder in seinen Geldbeutel. „Ich schätze, ich bin dir was schuldig.“ Auf seiner Stirn bildeten sich Falten. „Ich mag es nicht, wenn ich jemandem etwas schulde.“

„Mach dir deswegen keine Gedanken! Du schuldest mir nichts“, versicherte sie ihm, und allmählich regte sich Wut in ihr. Bei seinem ganzen Gerede davon, aus Gold Creek abzuhauen, hatte sie einen Moment geglaubt, dass er Interesse an ihr zeigte. Doch da hatte sie sich geirrt. Die Demütigung trieb ihr die Hitze in die Wangen. Wie dumm von ihr!

„Danke, dass du mich mitgenommen hast.“ Er öffnete die Tür und sprang auf den staubigen Asphalt.

„Kein Problem, Prinz.“ Bevor er überhaupt eine Chance hatte, die Tür zu schließen, trat sie aufs Gas. Es war ihr egal. Sie musste einfach weg von ihm. Die Reifen des alten Pick-ups quietschten. Beschämt beugte sie sich über den Sitz und riss die Beifahrertür zu, dann blinzelte sie frustriert gegen die Tränen an. Was hatte sie sich denn gedacht? Dass ein Junge wie er – ein reicher Junge – sie attraktiv finden würde?

„Dumme Kuh!“, schimpfte sie sich selbst, und hasste die Tränen in ihren Augen und die roten Flecken auf ihren Wangen. Ein wenig zu schnell fuhr sie um eine Ecke, und der Pick-up geriet leicht ins Schlingern, bevor die abgenutzten Reifen wieder griffen. „Vergiss ihn“, wies sie sich an, aber tief innen wusste sie, dass Hayden Monroe nicht zu den Jungs gehörte, die man leicht vergessen konnte.

2. KAPITEL

Nadines Mutter erwartete sie in der Küche. Gerade rieb sie mit einem fleckigen Tuch über die zerkratzten Schranktüren, als Nadine die Tür öffnete. Donna warf ihr einen Blick über die Schulter zu und wischte sich die Hände ab, während Nadine den Beutel mit den Lebensmitteln auf den Tresen stellte. Schwer lag der Duft von Möbelpolitur in der Luft, sodass man kaum noch atmen konnte.

„Du bist jetzt also mit einer ziemlich reichen Clique unterwegs?“

„Ich bin mit gar keiner Clique unterwegs.“ Nadine schob die Hand in die Tasche ihrer abgeschnittenen Jeans, holte das Wechselgeld für ihre Mutter heraus und legte vier Dollar und zweiunddreißig Cent neben den Beutel.

„Und wie ist Hayden Monroe dann in unserem Wagen gelandet?“

„Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort“, räumte Nadine ein.

„Ich dachte, du hättest deinen Vater zur Mühle gefahren.“

„Genau.“ Während sie anfing, die Lebensmittel auszupacken, erklärte sie ihrer Mutter in groben Zügen, wie sie Hayden begegnet war. Donna sagte kein Wort, hörte nur zu, faltete ihr Staubtuch und hängte es innen an die Schanktür unter der Spüle.

„Und er hat einen nagelneuen Mercedes einfach auf dem Parkplatz der Mühle stehen lassen?“ Sie drehte den Wasserhahn auf und wusch sich die Hände mit dem flüssigen Spülmittel.

„Japp.“

Während sie sich das Wasser von den Fingern schüttelte, sagte sie: „Weißt du, am besten gibt man sich gar nicht erst mit den Reichen ab. Das gilt vor allem für die Monroes.“

„Ich dachte, es wären die Fitzpatricks, von denen man sich fernhalten sollte.“

„Von denen auch. Sie sind alle miteinander verwandt, weißt du. Haydens Mutter, Sylvia Monroe, ist die Schwester von Thomas Fitzpatrick. Sie hatten ihr ganzes Leben lang Geld, und zwar reichlich. Sie wissen gar nicht, wie andere Leute leben. Und ich würde einiges wetten, dass dein Freund Hayden genauso ist.“

Nadine dachte an den Zehn-Dollar-Schein, den Hayden ihr hatte geben wollen, und plötzlich fühlte ihr Gesicht sich ganz heiß an. Aber ihre Mutter schien ihre Verlegenheit nicht zu bemerken, denn sie war bereits damit beschäftigt, Eier in eine Schüssel mit Hackfleisch, Brötchen und Zwiebeln zu schlagen.

„Wie Pech und Schwefel, wenn du mich fragst.“

„Du kennst ihn nicht. Er ist nicht …“ Ein kurzer Blick ihrer Mutter setzte Nadines Rechtfertigung ein Ende, und rasch biss sie sich auf die Zunge. Was wusste sie schon von Hayden? Und warum hatte sie das Gefühl, einen Jungen verteidigen zu müssen, der sie gedemütigt hatte? Sie erinnerte sich an seinen Gesichtsausdruck, als er versucht hatte, sie für ihre Freundlichkeit zu bezahlen. Er war definitiv überrascht gewesen, als sie sein Geld nicht annehmen wollte. Ihre Mutter hatte recht. Hayden hatte nichts anderes gelernt, als dass jeder, der ihm einen Gefallen tat, im Gegenzug Geld von ihm erwartete. Menschen waren für ihn Waren, die man kaufen konnte … wenn der Preis stimmte. „So ist er nicht“, sagte sie lahm.

„Eins ist er mit Sicherheit ‚nicht‘: Er ist nicht so wie wir. Es hat Gerüchte über ihn gegeben, Nadine, und auch wenn ich nicht jeden Klatsch glaube, der hier im Ort umgeht, weiß ich doch, dass da, wo Rauch ist, auch ein Feuer sein muss.“

„Was für Gerüchte?“, hakte Nadine nach.

„Vergiss es …“

„Du hast davon angefangen.“

„Also gut.“ Ihre Mutter trocknete sich die Hände an der Schürze und drehte sich zu ihrer Tochter um.

Nadine spürte, wie ihr Herz anfing wild zu klopfen, und sie wünschte, sie hätte lieber nicht nachgefragt.

„Genau wie seinerzeit sein Vater und davor sein Großvater hat auch Hayden Monroe einen Ruf.“

„Einen Ruf?“

„In Bezug auf Frauen“, erklärte ihre Mutter und wurde leicht rot. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Schüssel. „Ich habe in Verbindung mit mehreren Mädchen von ihm reden hören … vor allem eine …“

„Wer?“, drängte Nadine, aber ihre Mutter schüttelte den Kopf und würzte das Fleisch mit einer Prise Salz. „Wer?“, wiederholte Nadine.

„Ich glaube nicht, dass ich Klatsch verbreiten sollte.“

„Dann wirf ihm auch nicht vor, dass er irgendetwas Falsches getan hat!“, erwiderte Nadine heftiger als beabsichtigt.

Einen Augenblick herrschte Schweigen. Es war dasselbe ohrenbetäubende Schweigen, das jedes Mal eintrat, wenn ihre Eltern miteinander stritten. Donna spitzte die Lippen und fettete eine Kastenform ein, in der sie anschließend ihre Mischung an den Boden drückte. „Ich dachte, du würdest mit Sam ausgehen.“

Nadine hätte gern mehr über Hayden und seinen Ruf erfahren, wusste jedoch, dass ihre Mutter kaum umzustimmen war, wenn sie einmal beschlossen hatte, dass ein Thema erledigt war. Bei der Erwähnung von Sam Warne hob sie nur die Schultern. Sie hatte sich ein paar Mal mit ihm verabredet, und es machte Spaß, etwas mit ihm zu unternehmen. Aber für sie war es nichts Ernstes. „Vielleicht fahren wir am Freitagabend nach Coleville und gehen ins Kino.“

Auf den Lippen ihrer Mutter erschien der Hauch eines Lächelns. Mit Sam war sie einverstanden. Er war ein netter Junge, der aus einer guten Familie im Ort stammte. Sein Vater arbeitete bei „Fitzpatrick Logging“, und seine Mutter kam häufig in die Bücherei, wo Donna an ein paar Nachmittagen in der Woche arbeitete. Soweit es Donna betraf, erfüllte Sam Warne alle Kriterien eines zukünftigen Schwiegersohns. Sam sah gut aus. Sam gehörte zur Mittelklasse. Sam war nur ein Jahr älter als Nadine. Sam war sicher. Wahrscheinlich würde Sam eines Tages einen guten Ehemann abgeben; aber Nadine hatte noch lange nicht vor zu heiraten. Sie musste die Highschool abschließen und das College … wenn schon nicht für ganze vier Jahre, dann doch wenigstens das zweijährige Junior College.

Obwohl sie nicht aufhören konnte, an Hayden zu denken, hielt Nadine lieber den Mund. Sie beschloss, ihre Neugier auszublenden, während sie die nächsten Stunden damit zubrachte staubzusaugen und ihrer Mutter beim Unkrautjäten im Garten zu helfen, wo Erdbeeren, Himbeeren, Bohnen und Mais in Reihen nebeneinander wuchsen.

Eine Stunde vor dem Schichtende ihres Vaters sprang Nadine rasch unter die Dusche und kämmte anschließend ihre roten Haare so lange, bis sie ihr in glänzenden Wellen über den Rücken fielen. Sie schlüpfte in ein Sommerkleid und legte Lipgloss auf, weil sie glaubte, Hayden vielleicht noch einmal zu sehen. Ihr dummes Herz raste, als sie zum Pick-up lief und Bonanza hinter ihr her sprang. Schuldbewusst ließ sie den Hund zurück, denn sie konnte es nicht riskieren, dass er in seiner Begeisterung fürs Autofahren ihr Kleid verschmutzte oder gar zerriss.

Ein paar Minuten vor Feierabend fuhr Nadine mit dem alten Wagen auf den Parkplatz der Mühle. Andere Arbeiter trafen für die nächste Schicht ein, und die Männer versammelten sich mit ihren Schutzhelmen vor den Toren, wo sie lachten, rauchten oder Tabak kauten, sich miteinander unterhielten oder zwischen zwei Schichten ein paar Minuten entspannten.

Aus der Kabine des Fords suchte Nadine jeden Meter des Parkplatzes ab, musste jedoch feststellen, dass der Mercedes nicht mehr da war. Ihr Herz machte einen Sturzflug. Noch einmal sah sie sich um, in der Hoffnung, ein Zeichen von dem Wagen oder Hayden zu entdecken, wurde jedoch enttäuscht. Sie runzelte die Stirn und kam sich in ihrem Kleid plötzlich albern vor.

„Na, du siehst aber hübsch aus!“ Ihr Vater öffnete die Tür auf der Beifahrerseite. Der Geruch von Sägemehl und Schweiß drang herein, als er seine San-Francisco-Giants-Kappe ausschüttelte, sie wieder auf seinen Kopf setzte und in die warme Kabine stieg. „Gehst du aus?“

„Nee.“ Sie trat aufs Gaspedal. „Ich wollte nur sauber sein.“

Er lächelte sie an, und sie kam sich lächerlich vor. „Ich dachte, dass du mit Sam vielleicht irgendwo hinfahren wolltest.“

„Heute Abend nicht“, antwortete sie gereizt, weil er Sam erwähnte. Ja, sie ging mit ihm aus, aber das war auch alles. Jeder glaubte, sie würden miteinander gehen, selbst ihre Familie.

„Mensch, bin ich froh, dass Feierabend ist“, sagte er und knetete seine verspannten Muskeln im Nacken. „Heute hatte ich kaum Zeit fürs Mittagessen.“ Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und schloss die Augen, während Nadine ihn nach Hause fuhr.

Es war erst später, während des Abendessens, als Haydens Name fiel. Die Familie Powell saß – mit Ausnahme von Kevin, der die Nachtschicht in der Mühle machte – an dem kleinen Esstisch. Über dem Geräusch von Gabeln, die auf den Tellern kratzten, klang die Stimme des lokalen Nachrichtensprechers aus dem Wohnzimmer herüber. Von seinem Stuhl am Kopfende des Tisches aus hatte George einen Blick auf den Fernseher, und trotz der ständigen Einwände seiner Frau, sah er sich die Nachrichten an. „Es ist das gute Recht eines Mannes“, hatte er mehr als einmal gesagt, „zu erfahren, was in der Welt los ist, nachdem er acht Stunden lang Baumstämme sortiert hat.“

Donna hatte immer dagegen argumentiert, letztendlich aber den Mund gehalten und schweigend während des Essens weitergegrollt, während ihr Mann es entweder nicht bemerkt oder beschlossen hatte, die leise köchelnde Wut seiner Frau nicht zu beachten.

An diesem Abend jedoch hatte George kaum einen Blick für den Fernseher übrig. „Ihr hättet sehen sollen, wie heute Nachmittag die Fetzen in der Mühle geflogen sind“, berichtete er seiner Frau und den Kindern. Während er den Hackbraten und die Kartoffeln auf seinem Teller in Soße ertränkte, fuhr er fort: „Ich hatte gerade eingestochen, als der Junge vom Boss auftauchte.“ Er schob sich einen Bissen in den Mund und schluckte ihn schnell hinunter. „Der Junge war wütender als ein Bär in der Falle, das kann ich euch sagen. Sein Gesicht war knallrot, und er bestand mit geballten Fäusten darauf, seinen Vater zu sprechen. Dora, die Sekretärin, drehte fast durch und wollte ihn nicht ins Büro lassen. Aber der Alte hörte den Tumult und kam in den Empfangsbereich gestürmt. Kaum hatte er einen Blick auf Hayden geworfen, schmeißt der seinem Vater auch schon einen Schlüsselbund hin, knallt ihm ein paar sehr spezielle Worte an den Kopf, die ich an diesem Tisch lieber nicht wiederholen möchte, macht auf dem Absatz kehrt und marschiert wieder raus. Aber verdammt, war der wütend.“

„Worum ging es denn?“, fragte Ben, der sich Butter auf eine Scheibe Brot schmierte und wenig interessiert schien.

„Ich bin nicht lange genug geblieben, um das herauszufinden. Aber der Kleine wollte sein Auto nicht … eine Wahnsinnsmaschine … ich glaube, ein Mercedes-Cabriolet.“

„Warum nicht?“, fragte Ben, plötzlich aufhorchend.

„Hayden meinte, er wäre alt genug, um sich zu treffen, mit wem er will, und zu tun, was und wann und mit wem er will … ihr wisst schon, derselbe Bockmist, den wir hier zu hören bekommen. Wie auch immer, im Prinzip ging es darum, dass er sich von Garreth nicht sagen lassen wollte, was er zu tun hatte. Er meinte, er hätte nicht vor … wie hat er es ausgedrückt?“ Ihr Vater dachte einen Augenblick nach, während er langsam kaute. „Irgendwas in dem Sinne, dass er sich nicht kaufen und verkaufen ließe wie Garreths Rennpferde. Dann ist er einfach abgedampft. Dora und ich konnten ihm nur mit offenem Mund nachblicken, während der alte Garreth so wütend war, dass seine Halsvenen dick wie Regenwürmer hervortraten.“

„Klingt, als wäre Hayden endlich klug geworden“, bemerkte Ben, während er nach der Schüssel mit den Maiskolben griff. „Sein alter Herr hat ihn seit Jahren herumkommandiert. Es war wahrscheinlich an der Zeit, sich gegen ihn zu wehren. Obwohl … ich persönlich würde einen solchen Wagen niemals aufgeben.“

„Vielleicht würdest du es doch tun, wenn der Preis dafür zu hoch wäre“, warf Nadine ein.

„Himmel, nein! Ich würde dem Teufel meine Seele verkaufen, nur um einen Mercedes fahren zu dürfen.“

„Ben!“ Donna warf ihrem Sohn einen warnenden Blick zu, bevor sie Nadine wissend ansah. Eine Sekunde glaubte Nadine, ihre Mutter würde der Familie von Haydens Besuch erzählen, aber sie kam gar nicht zu Wort.

„So wütend habe ich Garreth noch nie erlebt“, berichtete George. „Der Alte sah aus, als würde er explodieren. Ich bin schnell in den Hof geflüchtet und habe mich an die Arbeit gemacht. Es geht mich eh nichts an, aber wie es aussieht, hat Garreth ganz schöne Schwierigkeiten mit ihm.“

Donna sah ihre Tochter immer noch an. „Nadine hat Hayden in die Stadt mitgenommen.“

Nadine wand sich auf ihrem Stuhl, als Ben sie neugierig anstarrte. „Tatsächlich?“, fragte er.

Auch ihr Vater blickte in ihre Richtung.

„Was hat er gesagt?“, wollte Ben wissen, wobei er sich bemühte, nicht zu lächeln.

„Ungefähr dasselbe wie das, was Dad erzählt hat.“

Ben schnaubte verächtlich. „Wenn ihr mich fragt, geht es bei dem ganzen Streit nicht um das Auto, sondern um Wynona Galveston.“

„Galveston?“ Donna griff nach ihrem Glas. „Die Tochter von Dr. Galveston?“

„Ich glaube, ja“, antwortete Ben. „Wie auch immer, ich habe von seinem Cousin Roy etwas darüber gehört.“

„Ich würde nichts von dem glauben, was Roy Fitzgerald erzählt“, warf Nadine ein.

Schulterzuckend fuhr Ben fort: „Alles, was ich weiß, ist, dass Hayden sich mit ihr verloben soll, und dass sie die Tochter eines berühmten Herzchirurgen ist oder so. Dann hat Roy noch davon geschwafelt, wie reich sie sei.“

„Nun, wie es aussieht, ist Hayden nicht daran interessiert.“ George blickte zum Fernseher, wo die Sportergebnisse eingeblendet wurden. Die Unterhaltung erstarb, während er die Neuigkeiten über die Oakland Athletics und die San Francisco Giants verfolgte, und Nadine war froh, dass das Thema Hayden Monroe erledigt war. Sie nahm ihren Teller und ihr Glas und wollte beides gerade in die Küche tragen, als sie einen warnenden Blick von ihrer Mutter auffing. Siehst du, was ich meine, sagte ihre Mutter ohne Worte, indem sie die schön geschwungenen Augenbrauen hob. Hayden Garreth Monroe IV. spielt in einer völlig anderen Liga als du.

Das nächste Mal sah sie Hayden Sonntagnachmittag am See. Nadine und Ben waren mit dem kleinen Motorboot unterwegs, das Ben sich gekauft hatte, nachdem er für Nachbarn kleinere Arbeiten ausgeführt hatte. Den ganzen Nachmittag waren sie geschwommen, Wasserski gefahren oder hatten in der Nähe des Anglergeschäfts am Südufer des Sees in der Sonne gelegen.

Mehrere Jugendliche aus der Schule hatten sich zu ihnen gesellt und saßen auf Decken, die sie auf dem felsigen Strand ausgebreitet hatten, tranken Softdrinks und hörten Radio.

Um keinen Sonnenbrand zu bekommen, trug Nadine eine weiße Bluse über ihrem Badeanzug, die sie unter der Brust verknotet hatte. Während sie darauf wartete, beim Wasserski wieder an die Reihe zu kommen, beobachtete sie die Boote, die die glatte Seeoberfläche durchschnitten.

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Patty Osgood und ihr Bruder Tim eintrafen. Patty trug eine alte Decke und eine Strandtasche, während Tim die Kühlbox hin und her schwang.

„Ich hätte nie geglaubt, dass wir das schaffen!“, gestand Patty, während sie sich neben Nadine fallen ließ und anfing, an den Knöpfen des Radios herumzufummeln.

„Ich frage mich, wie sie entkommen konnte“, flüsterte Mary Beth Carter Nadine ins Ohr. „Ich dachte, Reverend Osgood predigt immer, dass der Sonntag ein Ruhetag ist.“

„Vielleicht hält er es für Ruhe, am Strand zu liegen“, erwiderte Nadine. Obwohl sie und Mary Beth Freundinnen waren, standen sie sich nicht besonders nahe. Mary Beth spitzte immer die Ohren, wenn getratscht wurde, und war sehr auf ihren sozialen Aufstieg an der Schule bedacht. Sie versuchte bereits, in die Clique um Laura Chandler zu kommen, und wenn sie erst einmal von der Cheerleaderin Laura akzeptiert worden war, würde Mary Beth ihre anderen Freundinnen wahrscheinlich fallen lassen.

Patty fand einen Softrock-Sender und summte einen Song von Olivia Newton-John mit, während sie anfing, ihre Haut mit Sonnenöl einzureiben. „Ist dein Bruder auch hier?“, fragte sie unschuldig, und Nadine kochte innerlich. In letzter Zeit hatte sie das Gefühl, dass Patty an Ben interessiert war, und Nadines Gesellschaft nur suchte, um an ihn heranzukommen. Patty band ihre glatten blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, zog sich die Bluse aus und enthüllte ein rosa Top mit Nackenträger, das Reverend Osgood den Schock seines Lebens versetzt hätte. Da war Nadine sicher.

„Er ist im Boot“, beantwortete sie die Frage, obwohl sie den Verdacht hatte, dass Patty, die den Blick längst über den See gleiten ließ, genau wusste, wo Ben war.

Als Bens kleines Boot in Sicht kam, verzog sie die hübschen Lippen zu einem Lächeln. „Hmm. Ich frage mich, ob er mich wohl einmal mitnehmen würde.“

„Bestimmt.“ Nadine blickte hinaus aufs Wasser. Es war ein heißer Tag, und das Sonnenlicht glitzerte auf der Oberfläche des Whitefire Lake. Mehrere Ruderboote trieben träge dahin, während Angler versuchten, Regenbogenforellen an ihre Haken zu locken. Andere etwas stärkere Motorboote fegten über das Wasser, zogen Leute auf Wasserskiern hinter sich her und schufen ein gewaltiges Kielwasser, das in leichten Wogen zum Ufer trieb.

Mit einer ungeheuren Geschwindigkeit raste ein Rennboot, rot wie ein kandierter Apfel, übers Wasser. Nadine stockte der Atem. Hayden stand am Steuer. Sie schloss den offen stehenden Mund rasch und versuchte das komische Stolpern ihres Herzens zu ignorieren.

Die Arme um die Knie gelegt, starrte Mary Beth auf das rote Boot und schnalzte mit der Zunge, als es an ihnen vorbeischoss. „Dann ist er diesen Sommer also wiedergekommen.“ Sie kniff die Augen leicht zusammen. „Ich dachte, er würde sich hier nicht mehr blicken lassen.“

„Seine Familie kommt doch jedes Jahr hierher“, erinnerte Nadine sie, und wunderte sich, warum sie wieder einmal das Gefühl hatte, ihn verteidigen zu müssen.

„Ich weiß. Aber nach dem letzten Sommer hätte ich nicht gedacht, dass er noch mal kommen würde.“ Mary Beth und Patty tauschten Blicke aus.

„Wieso?“, fragte Nadine und stieß einen Stein mit dem Zeh an.

„Oh, du weißt schon. Wegen Trish“, antwortete Patty lässig.

„Trish?“

„Trish London“, zischte Mary Beth, als nähme sie ein Schimpfwort in den Mund. „Du weißt doch. Sie hat letztes Jahr die Schule verlassen.“

„Sie ist nach Portland gezogen, um bei ihrer Schwester zu wohnen“, sagte Nadine und versuchte den Geheimcode der beiden zu entschlüsseln. Trish London war ein Mädchen, von dem es hieß, sie sei schnell und leicht für Jungs zu haben, ein Mädchen, das immer kurz davor gestanden hatte, in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten. Aber in Verbindung mit Hayden hatte Nadine nie von ihr reden hören. Eigentlich war sie sicher, dass die Gerüchte um Trish größtenteils massive Übertreibungen von Jungs waren, die sich mit sexuellen Heldentaten brüsteten, von denen sie nur geträumt hatten. Und das Gerede von Hayden war wahrscheinlich nichts anderes als gemeiner Tratsch.

„Du meinst, du weißt gar nicht, warum sie gegangen ist?“, fragte Patty unschuldig, obwohl ihre Augen vor hämischer Freude zu glänzen schienen.

Nadines Magen zog sich zusammen. Sie wollte den Mund halten, konnte aber ihre Neugier nicht bremsen. „Ich habe nie darüber nachgedacht.“

„Sie war schwanger!“, sagte Mary Beth, wobei sie das Kinn leicht anhob. „Sie ist nach Portland gegangen, um das Baby zu bekommen und es zur Adoption freizugeben, damit niemand hier etwas davon mitbekommt.“

„Aber …“

„Und das Baby ist von Hayden Monroe“, beharrte Patty, wobei ein grausames kleines Lächeln ihre Lippen umspielte.

„Woher willst du das wissen?“

„Das weiß jeder! Haydens Vater hat ihn letzten Sommer mit Trish im Bootshaus ertappt. Garreth hat sich darüber aufgeregt, dass sein Sohn sich mit einem Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen abgab, und hat ihn so schnell nach San Francisco zurückgeschickt, dass er nicht einmal Zeit hatte, sich von ihr zu verabschieden. Nicht, dass ihm daran etwas gelegen hätte. Jedenfalls ist Trish ein paar Wochen später nach Portland gezogen. Sehr schnell. Ohne jemandem ein Wort zu sagen. Man muss kein Genie sein, um sich zu denken, was passiert ist.“ Patty zog die blonden Augenbrauen so hoch, dass sie über den Rand ihrer Sonnenbrille hinausragten.

Nadine war nicht überzeugt. „Nur weil sie zusammen waren, heißt das noch längst nicht, dass …“

Patty tat ihren Einwand mit einer Handbewegung ab, während sie ihr Gesicht in einem Handspiegel betrachtete. Sie runzelte leicht die Stirn, griff in ihre Strandtasche und zog einen Lippenstift heraus. „Natürlich bedeutet das nicht, dass er der Vater ist. Aber Tim kennt Haydens Cousins Roy und Brian, und die beiden haben ihm erzählt, dass der alte Monroe einen Haufen Geld dafür hingelegt hat, dass Trishs Familie den Mund hält.“

„Roy und Brian Fitzpatrick sind selbst nicht gerade ein Ausbund an Tugend“, betonte Nadine.

„Glaub, was du willst, Nadine. Aber die Geschichte stimmt“, fügte Mary Beth selbstgefällig lächelnd hinzu. „Und was Trish angeht, überrascht mich überhaupt nichts mehr. Sie tritt in die Fußstapfen ihrer Mutter, und im Ort weiß jeder über Eve London Bescheid!“

Nadines Magen drehte sich um. Eve London hatte den Ruf, das Flittchen im Ort zu sein. Bei drei geschiedenen Ehemännern und mehreren Liebhabern hatte sie sich schon oft zum Stadtgespräch gemacht. Trish war im Schatten ihrer Mutter aufgewachsen.

Patty tupfte sich den Mundwinkel ab, wo sie ein wenig Lippenstift verschmiert hatte. „Aber das ist alles Schnee von gestern. Ich habe gehört, dass Hayden kurz davor steht, sich mit einem reichen Mädchen aus San Francisco zu verloben. Ich frage mich, was sie dazu sagen wird, wenn sie das mit Trish herausfindet.“

„Das wird sie nie erfahren“, prophezeite Mary Beth.

Patty zuckte mit den Schultern. „Angeblich soll sie Hayden im Sommerhaus besuchen kommen. Da besteht immerhin die Möglichkeit, dass sie etwas Tratsch aufschnappt.“ Sie begann wieder am Radio herumzufummeln. „Ich frage mich, was sie sagen würde, wenn sie herausfände, dass Hayden Vater ist.“

„Das weißt du nicht …“

„Ach, Nadine, werd’ erwachsen!“, schaltete Mary Beth sich ein. „Was ist los mit dir? Warum willst du nicht glauben, dass Hayden Monroe es mit Trish getrieben hat?“

„Vielleicht hat Nadine sich in den reichen Jungen verknallt“, bemerkte Patty. Als sie einen Sender mit Country-Musik gefunden hatte, legte sie sich wieder auf die Decke und nahm Nadine ins Visier. „Ist es das?“

„Ich kenne ihn nicht einmal.“

„Aber ich wette, du würdest ihn gern kennenlernen“, sagte Mary Beth. „Nicht, dass man dir das zum Vorwurf machen könnte. Sexy, gut aussehend und reich. Ja, bei so einem Kerl würde ich wohl selbst schwach werden.“

Nadine hatte genug gehört. Es gefiel ihr nicht, welche Wendung das Gespräch genommen hatte, und den Klatsch, den Patty und Mary Beth erzählten, wollte sie nicht glauben. Die Tatsache, dass ihre eigene Mutter sie vor ein paar Tagen auf eine Art Skandal um Hayden hingewiesen hatte, beunruhigte sie, aber sie hatte lange genug in Gold Creek gelebt, um zu wissen, dass sich der Klatsch in dieser kleinen Stadt ausbreitete wie ein Lauffeuer. Manchmal entsprachen die Geschichten der Wahrheit, manchmal war es einfach so, dass die Leute Gerüchte in die Welt setzten, um ihrem eigenen langweiligen Leben etwas Würze zu verleihen.

Sie legte sich das Handtuch um den Nacken und ging zum Dock, wo sie sich an den Rand setzte und die Füße ins Wasser baumeln ließ. Die Sonne brannte. Nadine spürte ihre intensiven Strahlen auf der Kopfhaut, während die Bretter des Docks ihren Po wärmten. Blinzelnd beobachtete sie Hayden, der mit Höchstgeschwindigkeit über den See bretterte, während sein Motor aufjaulte und der Bug seines Boots das Wasser teilte.

Ihr Herz machte einen kleinen Purzelbaum, als sie sich auf seine dunklen Haare konzentrierte, die der Wind zerzauste, und auf seine nackte muskulöse Brust. Konnte die Geschichte über Trish London wahr sein? Oder war sie nur ein Fantasieprodukt, das der Einbildungskraft eines kleinen Orts entsprungen war? Und was war mit seiner angeblichen Verlobung mit Wynona Galveston? Bei dem Gedanken, dass Hayden heiraten könnte, spürte sie ein leichtes Stechen im Magen, aber sie schalt sich innerlich selbst wegen ihrer dummen Fantasien. Sie hatte ihm eine Mitfahrgelegenheit in den Ort geboten. Mehr nicht. Für Hayden existierte sie vermutlich nicht einmal.

Ben kehrte zurück, vertäute sein Boot und stemmte sich aufs Dock. „Kommst du mit?“, fragte er und tupfte sich das Gesicht mit einem Zipfel ihres Handtuchs ab. Nadine schüttelte den Kopf. „Na schön. Wie du willst.“ Über dem Klang der heiseren Stimme von Kenny Rogers hörte Nadine seine sich entfernenden Schritte und dann das leise Lachen von Patty Osgood. Als sie einen Blick über die Schulter warf, dachte Nadine, ihr würde gleich schlecht. Die korallenroten Lippen zu einem süßen Lächeln verzogen, hatte Patty sich auf den Ellbogen abgestützt und streckte kokett die von der Sonne gebräunte, vor Öl glänzende Brust heraus. Ben setzte sich neben sie und konnte seine Augen kaum vom Top der Tochter des Reverends und den darin eingeschlossenen üppigen Brüsten abwenden.

Schaudernd richtete Nadine ihre Aufmerksamkeit wieder auf den See und auf das Geräusch eines herannahenden Bootes. Fast wäre ihr das Herz stehengeblieben, als sie Hayden sah, der sich dem Dock mit seinem Rennboot näherte.

„Ich war mir ziemlich sicher, dass du es bist“, sagte er, als das Boot im Leerlauf auf dem Wasser trieb. Er trug eine abgeschnittene Jeans, die ihm tief auf den Hüften saß und eine gebräunte Brust freigab, auf der sich ein paar dunkle Haare abzeichneten. Wieder verdeckte eine Sonnenbrille seine Augen, während die alte abgeschnittene Hose nur wenig von seinem Körperbau verbarg.

Nadines Kehle fühlte sich plötzlich staubtrocken an.

Hayden warf ein Seil um einen der Stützpfeiler, sprang herüber und setzte sich neben sie an den Rand des Docks. Wassertropfen hingen in seinen dunklen Haaren und liefen ihm über die Brust. Nadine schmolz beinahe dahin, als sie ihn musterte. „Ich dachte, ich könnte mich vielleicht für neulich revanchieren.“

Bei dem Gedanken an ihr letztes Gespräch glomm leichte Wut in ihr auf. Warum hatte sie sich die Mühe gemacht, ihn ihrer Familie und ihren Freundinnen gegenüber zu verteidigen? Er war genauso schlimm, wie alle von ihm behaupteten. „Ich dachte, du hättest begriffen, was ich von deinem Geld halte.“

Ein träges sexy Lächeln legte sich über sein Gesicht. „Ich habe nicht von Geld geredet. Wie wär’s mit einer Mitfahrgelegenheit?“ Er wies mit dem Kopf zum Boot.

„Das halte ich für keine gute Idee“, sagte sie schnell, obwohl ein Teil von ihr sich danach sehnte, sein Angebot anzunehmen. Allein. Mit Hayden. Übers Wasser zu zischen, während der Wind einem die Haare ins Gesicht peitschte. Der Gedanke war mehr als verlockend, aber sie traute ihm nicht. Obwohl sie jeden Tag von ihm geträumt hatte, war sie nicht sicher, ob es richtig wäre, mit ihm allein zu sein.

„Hör zu, ich schulde dir …“

„Ich habe dir gesagt, dass du mir gar nichts schuldest. Wir sind quitt, okay?“

„Dann fände ich es einfach schön, wenn du mitkämst.“

Nadine blies sich den Pony aus den Augen. „Hör mal, Prinz, es ist nicht nötig, dass du …“

Plötzlich legte er eine große, warme Hand auf ihre, und ihr Herz geriet erneut ins Stolpern. „Ich will es, Nadine. Komm schon.“

Sie wusste, sie sollte ihm widerstehen, und wusste, dass es emotional gefährlich war, allein mit ihm mitzufahren. Wenn sie schon nicht auf die Warnungen ihrer Mutter und Schulfreundinnen hören wollte, sollte sie wenigstens auf den unregelmäßigen, fast schon ängstlichen Schlag ihres Herzens hören. Aber sie tat es nicht.

Er zog sie sanft am Arm und half ihr auf die Beine, und bevor ihr noch eine plausible Ausrede einfallen konnte, half er ihr auch schon ins Boot.

„Hey!“

Bens Stimme drang aus weiter Ferne zu ihnen, als Hayden das Anlegeseil losriss und Vollgas gab. Das Boot schoss mit einer solchen Wucht nach vorne, dass Nadine in den Sitz zurückgeworfen wurde und ihr die Haare aus dem Gesicht flogen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Ben barfuß übers Dock lief, aus voller Lunge schrie und wie wahnsinnig mit den Armen wedelte. Geschah ihm recht, weil er Patty Osgood so angegafft hatte!

„Nadine! Hey! Warte! Monroe, du Mistkerl …“, verklang Bens Stimme im Wind.

Nadines Lachen übertönte den Motor des Bootes. Sie drehte sich um, winkte zurück und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Ben winkte noch aufgeregter, und Patty, zurückgelassen auf der Decke, machte ein finsteres Gesicht, wahrscheinlich weil ihr Bens Aufmerksamkeit entzogen wurde. Zu blöd aber auch. Nadine lachte noch einmal, bevor ihr Blick auf den Jungen … oder eher den Mann fiel, der am Bug stand. Der Wind blies ihm die Haare aus der Stirn, auf der eine kleine Narbe zu sehen war. Seine Wangenknochen sahen aus wie gemeißelt, und sein Kinn hatte er leicht vorgeschoben.

„Wohin sollen wir fahren?“, rief er gegen den Wind.

Sie hob die Schultern und hoffte, dass er durch die Sonnenbrille nicht die Aufregung erkennen konnte, von der sie wusste, dass sie ihren Augen anzusehen war. „Du bist der Kapitän.“

In seinem sonnengebräunten Gesicht wirkten seine Zähne sehr weiß, als er grinste. „Wenn du mir nicht sagst, was dir am liebsten wäre, wirst du meine Entscheidung akzeptieren müssen.“

„Alles klar.“

Er lachte, und das tiefe Geräusch überraschte sie. „Ich hoffe, du wirst nicht enttäuscht sein.“

Sie dachte an die Gerüchte, die sie über ihn gehört hatte, tat sie dann aber alle ab. Während das Boot in einem Tempo, das ihr die Tränen in die Augen trieb, übers Wasser fegte, fühlte sie sich sorglos und auch etwas leichtsinnig.

Hayden drehte um und folgte der Uferlinie auf dem Weg, den sie gekommen waren. An der Südseite des Sees fuhren sie an dem alten Anglergeschäft und der Anlegestelle vorbei, wo Bens Boot noch immer auf den Wellen schaukelte. Ben stand auf dem Dock, und machte ein Gesicht, als wollte er sie umbringen. Nadine lächelte ihm zu. Sie ließen den öffentlichen Strand mit dem Liegeplatz hinter sich, ebenso das alte Sommercamp und die Kapelle. Der Uferbiegung folgend raste das Boot am Nordufer entlang, dem noblen Teil des Whitefire Lake. Nadine konnte ein paar kurze Blicke auf riesige Villen werfen, die diskret im dichten Gehölz aus Kiefern und Eichen eingebettet waren. Bootshäuser, Terrassen, Tennisplätze und Swimmingpools flogen vorbei. Gelegentlich ragte eine private Anlegestelle ins klare Wasser.

„Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich das hier fahre …“, sagte Hayden und deutete auf das Boat, als wäre er plötzlich verlegen.

„Gehört es dir?“

„Meinem Vater“, gestand er und schnitt eine Grimasse. Als würde er ihre nächste Frage erraten, fügte er hinzu: „Auch wenn ich den Mercedes nicht haben wollte, ist das hier etwas anderes. Das Boot kann ich benutzen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, dass irgendwelche Verpflichtungen daran geknüpft sind.“

„Kein Preis, den du zahlen musst?“

„Noch nicht. Das kann aber noch kommen.“ Sein Lächeln verflog. „Bei meinem alten Herrn kann man das einfach nie wissen. Ihm geht es nur ums Geld.“ Sich bewusst werdend, wie wütend er klang, verstummte er und sah sie an. „Willst du immer noch etwas mit mir unternehmen?“

„Das Gerede über deinen Vater schüchtert mich nicht ein.“

„Sollte es aber.“

„Ich habe zwei ältere Brüder. So schnell kann man mir keine Angst einjagen“, behauptete sie, obwohl sie bei der Lüge beinahe ins Stottern geriet. Sie hatte bereits jetzt Angst. Angst davor, mit ihm allein zu sein, Angst vor dem, was sie tun könnte.

Lachend schüttelte er den Kopf. „Du bist dem lieben guten Dad noch nicht begegnet.“

Offenbar überzeugt davon, dass sie es sich nicht doch noch anders überlegen würde, fuhr er langsamer und lenkte das Boot in eine kleine Bucht am Nordufer. Nadines Herz klopfte so laut, dass sie glaubte, er könnte hören, wie sehr es außer Takt geraten war. Was machte sie hier, allein mit einem Jungen, den sie kaum kannte? Einem reichen Jungen, der einen schlechten Ruf hatte? Er fuhr so langsam, dass das Rennboot übers Wasser zu kriechen schien, und lenkte es durch einen schmalen Zufluss, der sich zu einer baumbeschatteten Lagune hin öffnete. „Warst du schon einmal hier?“, fragte er, und sie schüttelte den Kopf.

Noch nie war sie den teuren Häusern auf dieser Seite des Sees so nahe gekommen. „Ist das euer Grundstück?“

„Es gehört meinem Vater.“ Eine Sekunde lang wirkte er betroffen. „Garreth bereitet es große Freude, Dinge und Menschen zu besitzen.“

„Wie dich?“

Er hob einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. „Nun, ich bin das Einzige, was er nicht kaufen kann. Jedenfalls nicht mehr. Darüber ist er ziemlich frustriert.“

„Und das freut dich sehr.“

Er lächelte verschmitzt. „Es macht mir wirklich Spaß, ihn auf die Palme zu bringen.“ Hayden nahm ihre Hand und führte sie zu einer Stelle am Strand, wo das Sonnenlicht durch das Dach aus Kiefernzweigen fiel und den Sand glitzern ließ. „Als Kind bin ich immer hierhergekommen.“ Kritisch musterte er die Beerenranken, die beinahe den Waldrand erreichten. „Aber das war vor langer Zeit, als mein Vater mich noch kaufen konnte.“

„Du tust so, als wäre dein Vater ein Monster.“

„Ist er das nicht?“

„Mein Dad sieht ihn nicht so.“ Nadine setzte sich auf einen glatten Felsen und bohrte die Zehen in den warmen Sand. „Eigentlich hält er deinen Vater eher für das Paradebeispiel des amerikanischen Traums.“

„Weil er ein oder zwei Sägemühlen geerbt hat?“ Hayden schnaubte verächtlich. „Er war nur zufällig der Sohn eines reichen Mannes.“

Ohne ein Wort zu sagen, blickte sie nur vielsagend zu ihm hoch.

„Ich weiß – wie ich. Das hast du doch gedacht, also kannst du es auch sagen.“

„Es ist einfach so, dass ich nicht viel sehe, worüber du dich beschweren könntest.“

„Aber du kennst meine Familie nicht, oder?“

Sie schüttelte den Kopf, wobei ihr die langen Haare über die Schultern fielen. Als sie aufschaute, hatte er die Beine weit auseinandergestellt, die Muskeln angespannt und starrte sie an. So deutlich wie die Brise, die die Zweige über ihr bewegte, spürte sie auch die unterschwellige Spannung in der Luft. Es roch nach Wasser und geschnittenem Zedernholz, und über ihrem wilden Herzklopfen hörte sie gedämpft das Zwitschern der Vögel und das Dröhnen der Motorboote aus der Ferne.

Ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Sie schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

„Weißt du, warum ich dich hierhergebracht habe?“, fragte er plötzlich.

Oh, Gott! Sie konnte nicht mehr atmen. Die Luft steckte in ihrer Lunge fest.

„Seit neulich, als du mich mitgenommen hast, kann ich nicht mehr aufhören, an dich zu denken.“

Nadine traute ihren Ohren kaum, und hätte sich am liebsten in den Arm gekniffen, um sicherzustellen, dass sie nicht träumte. „Du … hast mich nicht angerufen.“

„Ich wollte nicht anrufen. Ich wollte dich nicht wiedersehen.“ Langsam kam er auf sie zu und setzte sich neben sie. Sein Körper war nur Zentimeter von ihrem entfernt. „Ich meine, ich habe mir eingeredet, dass ich es nicht wollte.“

„Und warum bist du dann zum Dock gekommen?“ Das Blut pulsierte in ihren Adern.

„Weil ich dich wiedergesehen habe und nicht anders konnte.“ Er ließ die Sonnenbrille in den Sand fallen und schaute sie eindringlich an, mit Augen, die so blau waren, wie sie es noch nie gesehen hatte. Intensiv. Elektrisierend. Erotisch.

Sie leckte sich die Lippen, und er stieß pfeifend die Luft aus.

„Warum wolltest du mich nicht sehen?“

Er lachte höhnisch und berührte ihren Arm. Als er ihr Handgelenk umfasste, brannte ihre Haut mit einer solch intensiven Hitze, dass sie sich fast losgerissen hätte. „Weil es nur Ärger geben wird.“

„Ich dachte, Ärger liegt dir.“

Seine Augen funkelten leicht. „Kommt darauf an.“

„Aber …“

„Aber kein Ärger mit Mädchen.“ Er streichelte die Innenseite ihres Handgelenks. „Erzähl mir nicht, dass du die ganzen Geschichten, die über mich kursieren, nicht gehört hättest … all die dunklen Geschichten aus meiner Vergangenheit.“

„Ich … ich glaube nicht alles, was ich höre.“

Hayden sah sie lange und eindringlich an, und es breitete sich eine Wärme in ihr aus, die ihre Haut kribbeln ließ.

„Du hattest einen Spitznamen für mich.“

„Was meinst du?“

„Prinz.“

„Oh.“ Sie lächelte etwas nervös. „Den hattest du verdient.“

„Ja, vermutlich“, räumte er ein, ohne allerdings seine Hand zurückzuziehen. Wie ein Armband schlossen sich seine Finger fester, aber doch warm und zart, um ihr Handgelenk. „Was ist mit dir?“

„Mit mir?“

„Hast du an mich gedacht?“

Nadine wollte lügen. Sie sagte sich, dass sie ihn nicht wissen lassen durfte, was sie wirklich fühlte, und doch verachtete sie Frauen, die jede Tat und jedes Wort berechnend einsetzten, um Männer zu manipulieren. Obwohl sie ihm ihre Hand entziehen wollte, brachte sie es nicht fertig.

„Also, hast du?“

„An dich gedacht? Nicht besonders oft.“ Sie musste sich zwingen, diese Worte auszusprechen.

„Lügnerin.“

„Warum sollte ich lügen?“ Instinktiv hob sie ein wenig das Kinn, was dazu führte, dass sie in Augen blickte, die so blau waren, dass der Himmel vergleichsweise blass wirkte.

„Weil ich dir Angst mache.“

„Ich hatte dir bereits gesagt, dass ich keine Angst habe.“

Er zog eine Augenbraue hoch und hob die Hand, um die empfindliche Haut an ihrer Kehle zu berühren. „Du zitterst.“

„Ich habe keine Angst.“

„Was ist es dann?“

„Mir ist kalt“, schleuderte sie ihm entgegen, anstatt zuzugeben, dass seine Berührung sie erzittern ließ.

Ein Lachen, das er unterdrückte, zeichnete sich in seinen Augen ab. „Heute. Wo es über dreißig Grad ist. Da frierst du?“

„Ja …“

„Vielleicht brütest du ja etwas aus. Eine Erkältung mit Fieber“, sagte er schelmisch grinsend.

„Kann sein“, stimmte sie ihm zu, obwohl sie annahm, dass sie beide wussten, weshalb ihr die Röte den Hals hinaufkroch, ihr ganzer Körper bebte und ihr Herz raste.

Sanft zog er sie am Arm zu sich und drehte sie so, dass sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt war und sein Atem warm über ihre Wangen strich. „Oder es könnte sein, dass du Angst hast“, wiederholte er.

„Ich habe keine …“

Ihr Protest brach ab, als seine Lippen sich leicht auf ihre legten. Sein Mund fühlte sich warm und fest an, und überzeugend. Nadines gesamter Widerstand löste sich auf wie kleine Wellen, die langsam zum Strand strebten.

Seine kräftigen Arme umschlossen ihre Taille, und er presste sie enger an sich. Als sie auf den Boden sanken, schnappte sie nach Luft, und er glitt mit der Zunge zwischen ihre geöffneten Lippen, liebkoste und erforschte sie.

Sie wurde von einer berauschenden Wärme erfüllt und machte den Mund noch ein wenig weiter auf, schmeckte ihn, fühlte ihn, roch den Duft des Seewassers auf seiner Haut.

Sie erwiderte seine Leidenschaft und bog sich ihm entgegen. Als Hayden sich an ihr rieb, wurden ihre Brustspitzen unter dem aquamarinblauen Stoff ihres Badeanzugs ganz hart. Hayden stöhnte und drückte sie so fest an sich, dass ihr Körper wie eine Welle gegen ihn brandete.

Sie beide bebten vor Lust, und als er sich kurz von ihr löste, um sie anzusehen, brannte ein solches Verlangen in seinen Augen, wie sie sie noch nie erlebt hatte.

Erneut küsste er sie, und diesmal waren es ihre Lippen, die seine suchten. Die Begierde loderte in ihnen, und sie spürte seine Erektion, die sich an ihren Bauch drängte. Hayden ließ die Finger forschend über ihren Oberkörper wandern, während er ihr mit seinen Küssen den Atem raubte. Sanft schob er seine Hände langsam nach oben zu ihren Brüsten und streichelte sie.

Stöhnend schmiegte sie sich instinktiv noch enger an ihn, und er umschloss eine ihrer Brüste mit der Hand.

Irgendwo tief in sich wusste sie, dass sie ihn aufhalten sollte, dass sie in Schwierigkeiten geraten würde, an die sie bislang nicht einmal gedacht hatte, aber die Lust überwältigte sie, und die leichten Berührungen seiner Finger auf ihrem Badeanzug überzeugten sie, dass das, was sie taten, richtig war.

Hayden griff nach dem Knoten ihrer Bluse, löste ihn rasch und schob den Baumwollstoff auseinander, bevor er dazu überging, heiße, feuchte Küsse auf ihrem Hals bis hinunter zum Ansatz ihrer Brüste zu verteilen. Sie wölbte den Rücken, und etwas Wildes in ihr verwandelte sich unter seinen Liebkosungen und Küssen in Wachs. Während sie die Finger in seinen dichten Haaren vergrub, strich er mit der Zunge über ihr Brustbein, und sie erschauerte in köstlicher Vorfreude.

In ihren Ohren erklang ein dumpfes Dröhnen; es war ihr Herz, das heftig gegen ihre Rippen hämmerte, sowie er mit den Händen am Ausschnitt ihres Badeanzugs entlangstrich. Sie ersehnte seine Berührung an ihren Brüsten, deren Spitzen sich fordernd und flehend zugleich gegen den Stoff ihres Badeanzugs drückten.

„Verdammt, Nadine, ich habe geahnt, dass es mit dir so sein würde“, raunte er und hob den Kopf. Seine Augen waren lustverhangen, und seine Haare fielen ihm in die Stirn, wo sie die Narbe über einer dunklen Augenbraue verdeckten.

Sie konnte kaum sprechen. „Wie denn?“

Er lächelte, und es war ein sexy jungenhaftes Lächeln, das ihr Herz berührte. „Als könnte es niemals genug sein.“

„Oh.“ Sie leckte sich die geschwollenen Lippen, und wieder küsste er sie, diesmal heftiger und mit einer zunehmenden Leidenschaft, die von ihm auf sie überschwappte. Schnell hatte er sie auf den Rücken gedreht und ein Bein zwischen ihre Schenkel geschoben, während sie sich an ihn klammerte, fieberhaft seinen Kuss erwiderte und jeden Gedanken an Zurückhaltung vergaß. Er ließ das Becken kreisen, und sie stöhnte laut auf, erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder. Mit einer Hand fuhr er ihr durch die Haare, wobei er mit der anderen zart über ihre Taille strich. Seine Lippen schienen überall zu sein. Auf ihrem Gesicht, ihrem Hals, ihren nackten Schultern. Und sie wollte mehr. Er schob einen Träger ihres Badeanzugs hinunter, und das elastische Material, aus dem er war, gab ihre Brust frei.

Keuchend umschloss er die nackte Brust und massierte die harte Knospe mit dem Daumen.„So schön“, sagte er, und sein warmer Atem auf ihrer Brust ließ sie heftig erschauern. Er berührte die Brustspitze mit seiner Zunge, und Nadine reckte sich ihm entgegen, damit er sie noch intensiver verwöhnen konnte. Als er anfing, an der harten Perle zu saugen, rauschten Wellen von Hitze durch ihren Körper, und sie drängte sich an ihn und wollte mehr von seiner Berührung. Seine freie Hand glitt um ihre Taille und umfasste eine ihrer Pobacken.

Sie stöhnte laut auf.

„Oh, Nadine, tu mir das nicht an“, flehte er und hob den Kopf wieder. Ihre Brustspitze, plötzlich der Luft ausgesetzt, versteifte sich vor Kälte.

„Hayden“, flüsterte sie, und er kniff die Augen zu.

„Du willst das nicht“, meinte er.

„Doch, ich …“

„Verdammt, Nadine, nein.“

Seine Finger auf ihrer Hüfte gruben sich in ihren Po. „Ich nicht!“, rief er, stieß einen kehligen Laut aus und riss sich von ihr los. „Verflucht noch mal, Nadine!“, murmelte er, kniete sich neben sie und strich sich mit zitternden Händen die Haare aus dem Gesicht. „Wir können das nicht machen!“

Plötzlich all der sinnlichen Empfindungen beraubt, spürte Nadine, wie eine Welle der Verlegenheit über ihr zusammenschlug und eine verräterische Röte in ihrem Gesicht aufstieg. Als wäre es ihre Idee gewesen, hierherzufahren und miteinander rumzumachen! „Du wolltest doch, dass ich mit dir hierherkomme“, stellte sie klar.

„Hör zu … ich wollte nicht … ach, verdammt!“ Er schlug mit der Faust auf den Boden, rollte sich auf den Rücken und starrte durch die Kiefernzweige zum Himmel hinauf. Die Wölbung in seiner Hose war noch immer deutlich zu erkennen, und dasselbe galt für die gespannten Muskeln in seinem Kiefer. „Ich wollte mit dir zusammen sein. Mir war nur nicht klar, dass die Dinge so außer Kontrolle geraten könnten.“

„Keine Sorge“, sagte sie, wobei sie hoffte, die irrationale Enttäuschung verbergen zu können, die sich tief in ihre Seele eingegraben hatte. Sie sollte ihm für seine Selbstbeherrschung dankbar sein. Weiß Gott, ihre hatte sich unter seinen Berührungen schlagartig in Luft aufgelöst. Sie wischte sich den Sand von der Haut und aus den Falten ihrer Bluse, und rang sich ein tapferes Lächeln ab. „Nichts passiert.“

Noch nicht. Bis jetzt ist noch nichts passiert. Aber es hätte nicht mehr lange gedauert.“ Er bedachte sie mit einem Blick, der sie an die knisternde Spannung von eben erinnerte. „Versuch nicht, so zu tun, als hättest du das nicht auch gespürt.“

„Ich denke, du solltest mich einfach zum Dock zurückbringen.“ Sie fragte sich, wie sie sich so schamlos hatte verhalten können. Sie dachte an Trish London, und erkannte, dass sie sich viel zu leicht von Hayden hätte verführen lassen. Oder war es anders herum? Hatte sie versehentlich angefangen, ihn zu verführen? Ihre Beziehung war schon jetzt zu kompliziert und beängstigend, um darüber nachzudenken.

„Versteh mich nicht falsch“, sagte Hayden. „Es hat mir gefallen, was zwischen uns passiert ist. Es war das, was ich mir gewünscht habe. Oder geglaubt habe, dass ich es mir wünsche. Aber …“ Frustriert öffnete er eine Faust und schloss sie wieder. „Wir sollten an die Konsequenzen denken.“

Die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn man sich mit einem Mädchen einlässt, das auf der falschen Stufe der sozialen Leiter steht, dachte sie und hatte auf einmal einen bitteren Geschmack im Mund. „Wir sollten nicht darüber reden.“

Er schüttelte den Kopf. „Und einfach so tun, als würde das, was wir füreinander empfinden, nicht existieren?“

Was wir für einander empfinden. Seine Worte schnürten ihr die Kehle zu. „Ich … Ich weiß nicht. So etwas habe ich noch nie erlebt!“

„Ich auch nicht“, gestand er unsicher lächelnd und zog sie wieder in seine Arme. Sie wollte ihm widerstehen, aber als er sie zart auf die Wange küsste, zerschmolz sie innerlich. Seufzend legte er die Stirn an ihre. „Das ist ein Chaos, was?“

Fast hätte sie gelacht.

„Komm her“, flüsterte er heiser, hob ihr Kinn an und gab ihr einen Kuss, der süß war und keusch, und so zärtlich, dass es Nadine beinahe das Herz brach.

„Was zum Teufel geht hier vor?“ Bens Stimme dröhnte durch den Wald, hallte zwischen den Bäumen wider und veranlasste Nadine, von Hayden wegzuspringen. Allerdings kam sie nicht sehr weit. Blitzschnell griff er nach ihr und hielt sie am Handgelenk fest. Mit seinen mehr als ein Meter achtzig kam Ben wutschnaubend auf die Lichtung gestapft. Seine fast schwarzen Augen glühten vor Zorn.

„Ben, nicht …“, versuchte Nadine ihn zu bremsen.

„Was zum Teufel denkst du dir dabei?“ Er musterte sie von oben bis unten und presste die Lippen noch fester aufeinander, während er ihre Haare und die offene Bluse anstarrte. Ihr Badeanzug bedeckte ihre Brüste zwar wieder, aber noch immer hing ein Träger an ihrem Arm herunter.

„Oh, Gott, Nadine, was tust du nur?“

„Ich wüsste nicht, dass dich das etwas angeht!“ Sie verknotete die Bluse unter ihrer Brust.

„Ja, klar!“

„Du warst nicht eingeladen, Powell“, sagte Hayden, der weiterhin besitzergreifend ihre Hand festhielt.

„Sie ist meine Schwester.“

„Ich kann selbst auf mich aufpassen!“, warf Nadine ein.

„Du bist erst siebzehn!“

„Kein Grund für dich zu glauben, dass du mein Aufpasser bist!“, schoss sie zurück.

„Nun, wie es aussieht, brauchst du aber einen!“

„Das reicht“, sagte Hayden warnend und verengte die Augen.

Er spannte alle Muskeln an, aber Ben wich keinen Zentimeter zurück. Tatsächlich schien er sich regelrecht zu freuen, einen Grund zum Kämpfen zu haben.

Drohend ballte er die Fäuste. „Lass deine Pfoten von meiner Schwester!“

„Oh, hör auf damit!“, rief Nadine und riss sich von Hayden los.

Haydens Nasenflügel bebten, und auch er wirkte mehr als begierig auf den Kampf, der in der Luft lag. „Lass dir nicht von ihm sagen, was du tun sollst, Nadine.“

„Das habe ich nicht vor!“ Stinksauer marschierte sie zu ihrem Bruder und stieß ihm einen Finger gegen die Brust. „Lass mich in Ruhe, Ben. Ich komme ohne dich klar! Ich bin ein großes Mädchen.“

„Das dabei ist, einen großen Fehler zu machen! Wenn es nicht bereits geschehen ist.“ Ben zog einen Zweig aus ihren Haaren und zwirbelte ihn vor ihrer Nase.

„Dann ist es mein Fehler.“

„Verdammt, Nadine. Benutz doch mal deinen Dickschädel.“

„Und du verschwinde und spiel den großen Bruder woanders.“ Zitternd vor Wut starrte sie Ben in Grund und Boden.

„Nadine …“

„Ich habe dir gesagt, dass ich selbst auf mich aufpassen kann.“

„Du warst schon immer sturer, als es gut sein kann!“ Er fluchte unterdrückt und warf noch einen tödlichen Blick über die Schulter seiner Schwester. „Wage es nicht, sie anzurühren, Monroe. Nicht mal mit einem Finger …“

„Ben!“

Ihr Bruder funkelte sie nur an, aber unter seiner Wut bemerkte sie auch ein tiefes Bedauern, das in seinen Augen lag. Seine Worte trafen sie jedoch wie ein Peitschenhieb. „Hör zu, Nadine, ich erwarte dich in fünfzehn Minuten am Dock. Wenn du nicht dort bist, werde ich nicht auf dich warten. Dann kannst du das alles …“, er breitete die Arme aus, „Mom und Dad erklären.“

Prompt überbrückte Hayden die kurze Distanz und baute sich wütend vor Ben auf. Von seinem Körper schien Hitze aufzusteigen, und die Anspannung, die er brauchte, um sich zurückzuhalten, zeigte sich an der Ader, die an seiner Schläfe pulsierte. „Wage es nicht, ihr zu drohen“, befahl er.

„Nur, wenn du sie in Ruhe lässt.“ Ben warf dem reichen Jungen noch einen vernichtenden Blick zu, murmelte noch einen ausgesucht derben Fluch, drehte sich um und verschwand einen Pfad hinunter. Sekunden später hörte Nadine den Motor seines Bootes aufheulen, das sich laut dröhnend entfernte und eine beunruhigende Stille hinterließ.

„Es tut mir leid“, sagte sie, während Haydens Miene sich versteinerte. „Ich weiß nicht, was in Ben gefahren ist …“

„Ich bringe dich besser zurück.“

„Das ist nicht nötig.“

Er presste die Kiefer aufeinander. „Ben hat recht …“

„Ben hat nie recht!“

„Hör zu, du wirst wegen mir keine Schwierigkeiten bekommen. Komm schon.“ Ohne ein weiteres Wort der Erklärung griff er nach den Anlegeseilen und warf sie ins Boot. Nadine blieb gar nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

3. KAPITEL

Überraschenderweise brachte Ben es fertig, den Mund zu halten. Nadine wusste nicht recht, ob er sich damit ehrenhaft an ihre unausgesprochene Übereinkunft hielt, sich gegenseitig nicht zu verpetzen, oder ob er genauso schuldig war wie sie, nachdem er sich mit Patty Osgood eingelassen hatte. Die lila Flecken auf seiner Haut, direkt unter seinem Hemdkragen, reichten als Beweis für Pattys Leidenschaft. Sollte Reverend Harry Osgood je herausfinden, dass Patty ihren Körper zur Schau gestellt und sich mit Ben in seinem Boot geküsst hatte, würde es beim Gottesdienst am Sonntag Feuer und Schwefel regnen.

Beim Abendessen hätte Ben reichlich Gelegenheit gehabt, die Familie davon in Kenntnis zu setzen, dass Nadine Zeit mit Hayden verbracht hatte, aber er war eifrig bemüht, das Thema Wasserskifahren am See zu vermeiden. Obwohl er Nadine mehrmals einen vielsagenden Blick über den Tisch zuwarf, verlor er kein Wort über den Tag am See. Nicht einmal, als ihr älterer Bruder Kevin von der Sägemühle sprach.

„Man sollte doch meinen, dass der alte Monroe mal einen Getränkeautomaten vor den Schuppen aufstellt“, sagte er, während er eine Scheibe Schinken mit der Gabel aufspießte.

Ihr Vater, wie immer der Verteidiger von Garreth Monroe, schaufelte sich Nudelsalat auf den Teller. „In der Cafeteria gibt es doch Softdrinks.“

„Na toll.“ Kevin funkelte seinen Vater böse an und beugte sich über seinen Teller, obwohl ihm ihre Mutter oft genug gesagt hatte, er solle gerade sitzen, aber mit zweiundzwanzig war er weit davon entfernt, auf sie zu hören. Nadine war der Meinung, dass er in mancherlei Hinsicht noch immer ein Kind war. Er mochte jüngere Mädchen, hatte jedes Interesse am College verloren, nachdem er dort nicht hatte Basketball spielen können, und schien sich hier nicht wohlzufühlen, obwohl er auch nicht aus Gold Creek weggehen wollte. „Alles, was Monroe interessiert, ist Geld zu machen.“ Er griff nach dem Salzstreuer.

„Und das ist genau das, woran er denken soll. Vergiss nicht, ich habe Geld bei ihm investiert.“

Als er das Geld erwähnte, das er bei Garreth Monroe „investiert“ hatte, ließ Nadines Mutter die Gabel fallen. Es war ein heikles Thema, das während der Essenszeit gewöhnlich vermieden wurde.

„Das hat mir nicht viel genützt, als mein Basketball-Stipendium ausgelaufen ist“, stellte Kevin klar, und George schien vor Wut zu kochen.

Er wandte sich seinem Schinken zu und schnitt mit mehr Kraftaufwand als nötig ein mundgerechtes Stück davon ab. „Diese Dinge brauchen Zeit. Das Geld wird kommen … es ist nur eine Frage der Geduld.“

„Ein paar von uns sind es leid, darauf zu warten“, sagte Donna.

„Wenn du mich fragst, wirst du das Geld nie wiedersehen. Der alte Monroe wird einen Weg finden, seine eigenen Taschen damit zu füllen“, prophezeite Kevin.

„Es wird sich auszahlen.“

Nadine fielen die kleinen Schweißtropfen an der Schläfe ihres Vaters auf.

„Monroe ist ein Schweinehund.“

Donna sog hörbar die Luft ein. „ Kevin!“

„So etwas will ich an meinem Tisch nicht hören“, befahl ihr Vater, und plötzlich wurde es still im Esszimmer. Ohrenbetäubend still. Abgesehen von dem Moderator aus dem Fernseher im Wohnzimmer, gab keiner einen Ton von sich.

In Nadines Kehle schien sich ein Stück Schinken festgesetzt zu haben. Sie trank einen großen Schluck Wasser, wobei sie über den Glasrand hinweg Bens besorgten Blick auffing. Auf der Stelle löste sich ihre Feindseligkeit in nichts auf, und sie wurden wieder Verbündete in dem Familienkrieg, der täglich schlimmer zu werden schien. Ein Krieg – da war Nadine sich sicher –, in dem es keinen Sieger geben würde.

In der darauf folgenden Woche drehte sich alles um den vierten Juli. Zur Feier des Unabhängigkeitstages sowie im Hinblick auf die zunehmende Brandgefahr in den Wäldern blieben die Sägemühle und die Abholzungsfirma der Fitzpatricks geschlossen. Der ganze Ort machte Urlaub. In Gold Creek breitete sich fiebrige Aufregung bei der Vorbereitung einer Parade aus, die der Bürgermeister anführen würde. Außerdem sollte es in der ganzen Stadt Barbecues geben, die die Kirchen organisierten, und dazu einen Tanz im Park.

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