Welche Autoren und Autorinnen haben dich geprägt?
Das waren vor allem zwei: Annie Ernaux und Georges Perec (und Perec hatte auch großen Einfluss auf Ernaux!). Das Werk von Annie Ernaux entdeckte ich, als ich Ende der Neunziger in Paris studierte und »Eine Leidenschaft« vom vorderen Tisch im Fnac mitnahm. Es war das erste Buch, das ich nicht für die Schule, sondern zum Vergnügen auf Französisch las, und ich war von dessen Intensität überwältigt. Und auch von seiner Kürze! Ich konnte nicht glauben, wie diese Frau eine so konzentrierte Erzählung über eine Liebesaffäre schreiben konnte ohne nennenswerte Charaktere oder eine Handlung. Nur die Lust und der Körper und die Hingabe an eine geradlinige, schnörkellose Sprache – keine Ausschmückungen oder blumige Metaphern. Ich begann auch ihre restlichen Bücher zu lesen und merkte, dass sie es mir erlaubte, auch Schriftstellerin zu sein – ich war noch nie gut mit Charakteren oder Handlungen gewesen, aber durch Ernaux erkannte ich, dass es noch andere Dinge gab, über die man schreiben konnte: Affekte, Emotionen, Intensität, Atmosphäre, Situationen, und gleichzeitig auch über Klasse, Geschlecht, Politik, Macht, den weiblichen Körper. Das sind die Hauptthemen meines Romans »Fassaden«.
Kurz nach Abschluss meiner Promotion stieß ich auf Perec, und sein Werk wurde für mich grundlegend. Sein Interesse an Städten, am urbanen Raum, an der Art und Weise, wie wir Orten Bedeutung verleihen, Erinnerung, Identität, Rätsel, Strukturen – all das hat mich und alles, was ich seither gemacht habe, genährt. Wie »Eine Leidenschaft« so bildet auch »Das Leben Gebrauchsanweisung« leise den Hintergrund des Romans.