Lauren Elkin im Gespräch über »Fassaden«, Annie Ernaux & ihre Liebe zu Paris


Welche Autoren und Autorinnen haben dich geprägt?

Das waren vor allem zwei: Annie Ernaux und Georges Perec (und Perec hatte auch großen Einfluss auf Ernaux!). Das Werk von Annie Ernaux entdeckte ich, als ich Ende der Neunziger in Paris studierte und »Eine Leidenschaft« vom vorderen Tisch im Fnac mitnahm. Es war das erste Buch, das ich nicht für die Schule, sondern zum Vergnügen auf Französisch las, und ich war von dessen Intensität überwältigt. Und auch von seiner Kürze! Ich konnte nicht glauben, wie diese Frau eine so konzentrierte Erzählung über eine Liebesaffäre schreiben konnte ohne nennenswerte Charaktere oder eine Handlung. Nur die Lust und der Körper und die Hingabe an eine geradlinige, schnörkellose Sprache – keine Ausschmückungen oder blumige Metaphern. Ich begann auch ihre restlichen Bücher zu lesen und merkte, dass sie es mir erlaubte, auch Schriftstellerin zu sein – ich war noch nie gut mit Charakteren oder Handlungen gewesen, aber durch Ernaux erkannte ich, dass es noch andere Dinge gab, über die man schreiben konnte: Affekte, Emotionen, Intensität, Atmosphäre, Situationen, und gleichzeitig auch über Klasse, Geschlecht, Politik, Macht, den weiblichen Körper. Das sind die Hauptthemen meines Romans »Fassaden«.

Kurz nach Abschluss meiner Promotion stieß ich auf Perec, und sein Werk wurde für mich grundlegend. Sein Interesse an Städten, am urbanen Raum, an der Art und Weise, wie wir Orten Bedeutung verleihen, Erinnerung, Identität, Rätsel, Strukturen – all das hat mich und alles, was ich seither gemacht habe, genährt. Wie »Eine Leidenschaft« so bildet auch »Das Leben Gebrauchsanweisung« leise den Hintergrund des Romans.

 

In welchem Verhältnis stehst du zu Paris, dem Schauplatz deines Romans?

In Paris fühle ich mich am stärksten wie ich selbst und in mein Leben eingebunden, anstatt auf ihm herumzutrampeln, wie es in New York und London der Fall ist. Das Leben hat dort ein langsameres Tempo – ich gehe auf Märkte, in Bäckereien, koche, treffe mich auch zwanglos mit Freunden; und vor allem kann ich schreiben. Es ist der Ort meiner Vergangenheit und Zukunft (so Gott will!), aber im Moment ist es ein Ort, um den ich kämpfen muss. Wir mussten aus einer Vielzahl von langweiligen Gründen nach London ziehen, aber ich fahre so oft wie möglich nach Frankreich, manchmal einmal im Monat oder alle zwei Monate, um bei Verstand zu bleiben.

 

Glaubst du an Beziehungen?

Ja, absolut. Als ich klein war, sagte einer meiner Lehrer zu meiner Mutter einmal, ich wäre eher verschlossen, und es stimmt. Die meisten Dinge, die ich gerne tue, sind einsam, wie das Schreiben, das Klavierspielen oder das Lesen, aber wenn ich mein Buch beiseitelege oder vom Klavier weggehe, möchte ich unter Menschen sein. Wenn ich zum Beispiel an einem Buch arbeite, hilft es mir, mich auch mit meinem Partner oder Freunden darüber auszutauschen, um mir darüber klar zu werden, was ich sagen will, oder um auf neue Ideen zu kommen. Und ich lehne die Vorstellung ab, dass wir unglücklich sein müssen, um Künstler zu sein. Es stimmt, dass ich in Momenten intensiver Sehnsucht oder Herzschmerz viel geschrieben habe, aber einige meiner besten Arbeiten sind auch entstanden, wenn alles in ruhigen Bahnen verlief.

 


Mehr über »Fassaden«

Im Jahr 2019 verarbeitet Anna, eine Psychoanalytikerin, eine kürzlich erlittene Fehlgeburt. Ihr Mann David nimmt einen Job in London an, und so verbringt sie die Tage damit, wie besessen die Küche zu renovieren, während sie sich mit einer jüngeren Frau namens Clémentine anfreundet, die in das Haus eingezogen ist und zu einem radikal-feministischen Kollektiv namens les colleuses gehört. In der Zwischenzeit, 1972, renovieren Florence und Henry ihre Küche. Florence beendet gerade ihr Psychologiestudium und hofft, schwanger zu werden. Aber Henry ist sich nicht sicher, ob er für die Vaterschaft bereit ist... Beide Paare stehen vor den Herausforderungen der Ehe, der Treue und der Schwangerschaft. Die Figuren und ihre Geister stoßen aufeinander und umkreisen sich, ohne zu wissen, dass sie einst alle denselben Raum bewohnten.

Ein außergewöhnlicher Roman über die Bindungen, die wir mit anderen Menschen eingehen, und die Schwierigkeit, sie jemals ganz zu lösen; über die Art und Weise, wie Menschen, die wir gekannt haben, in uns weiterleben; und die Häuser, die wir bauen, Erinnerungen und Geschichten speichern und weitergeben.


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