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Adele: ihre Songs, ihr Leben

Adele berührt die Herzen von Millionen Menschen, die sie für ihre Stimme lieben und für die Aufrichtigkeit in ihren Songs bewundern. Ihre Natürlichkeit macht sie in der oberflächlichen Musikszene zu einem wahren Phänomen. Der Bestseller-Biograf Sean Smith enthüllt das Geheimnis um Adeles Erfolg. Mit dem Blick eines Insiders erzählt er von ihrer Herkunft, ihrem sagenhaften Aufstieg und ihren privaten Rückschlägen. So offenbart sich die wahre, verletzliche Adele: der Mensch hinter dem Superstar.

"Ich schwöre bei Gott, ich lache über jeden Meilenstein meiner Karriere. Ich lache, weil ich glaube, dass es verdammt noch mal absurd ist. Irgendwann wird der Regisseur der Truman Show auftauchen und mir erzählen, mein Leben sei die Fortsetzung."
- Adele

"Wenn Adele singt, hört man eine ungefilterte Ehrlichkeit und Reinheit. Sie erschafft Songs, die berühren, ihre gefühlvolle Stimme offenbart Schmerz und Verletzlichkeit. Adele nimmt dich mit an Orte, die kein anderer Künstler heutzutage mehr betritt - wie in den 70er Jahren."
- Beyoncé

"Adele ist […] eines der größten Talente, die das Insel-Königreich in diesem Jahrtausend zu bieten hat."
- Christoph Dallach, Kulturspiegel


  • Erscheinungstag: 10.04.2017
  • Seitenanzahl: 320
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959676892
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Michael und Anna

EINLEITUNG

O2 Arena, London

Montag, 21. März 2016

Auf der großen Leinwand hinter der Bühne sind nur Adeles geschlossene Augen zu sehen. Perfekt geschminkt, mit den dichten falschen Wimpern. Es wird dunkel, und die Augen öffnen sich. Ein Orkan aus Begeisterung und Jubel geht durch die Menge. Adele-Rufe dröhnen durch die Arena.

„Hello … It’s me!“ Und da ist sie, in voller Größe, mit ihren über eins achtzig in den hochhackigen Schuhen. Sie steht nicht auf der großen Bühne, sondern auf einer Plattform im Zuschauerraum zwischen den zwanzigtausend Leuten. Die Pailletten ihres schwarzen Burberry-Seidenkleids glitzern von den gefühlt hunderttausend Handy-Flashlights, als sie den Song ihres Comebacks singt, der jetzt schon Kultstatus erreicht hat.

Wie schafft es ein ganz normales Mädchen aus Tottenham, einen solchen Sturm der Begeisterung mit einer gehörigen Portion echter Ergriffenheit zu entfachen? Um mich herum steht eine Gruppe gut gelaunter Amerikaner, die es toll finden, sich einen Auftritt von Adele in Europa anzusehen, obwohl sie 2016 noch durch die USA touren wird. Und wer weiß, vielleicht sind auch ein paar Leute im Publikum, die Adele noch aus ihrer Zeit in Tottenham kennen.

Die Lyrics von Hello kennen jedenfalls so gut wie alle. Die ganze Arena singt mit, während Adele von Sicherheitsleuten zur Hauptbühne geleitet wird. Aber weder die Stimmen des Publikums noch die Musik der Band kann ihre kraftvolle Stimme übertönen. Auch dieser Song hat längst alle Rekorde gebrochen. Die Verkaufszahlen sind schwindelerregend, und das in einer Zeit, wo die Auswahl nahezu unbegrenzt ist. Ich habe gelesen, in 102 Ländern schoss der Song direkt durch die Decke auf Platz eins der iTunes-Charts. Mir würden so schnell gar keine 102 Länder einfallen! Aber natürlich wird Adele den Song immer als Opener bringen müssen. Hello als Zugabe am Ende eines Sets wäre sicher ein bisschen komisch.

Die Augen mit den Dusty-Springfield-Wimpern schließen sich und werden ausgeblendet. Stattdessen erscheinen auf der großen Leinwand Fotos aus London, und Adele macht mit Hometown Glory weiter. Der Song ist mitreißend, voll jugendlichem Enthusiasmus und Melancholie. Es war der erste, den sie geschrieben hat, im Alter von sechzehn Jahren.

Bevor wir überhaupt Luft holen können, geht es weiter mit dem Megahit One and Only, dem wohl besten Song ihres Albums 21. Mit rauchiger Stimme trägt sie ihn gefühlvoll vor. Man braucht nur die Augen zu schließen, und schon fühlt man sich in einen Jazz-Club versetzt und sieht eine der Rhythm-and-Blues-Größen vor sich … Ella Fitzgerald vielleicht oder Sarah Vaughan – oder besser noch Adeles Lieblingssängerin Etta James.

Während der Arbeit an diesem Buch habe ich eine Menge von Ettas Platten gehört, und ihre gewaltige Stimme erinnert mich ungemein an Adele. Fool that I am stand in Adeles Anfangszeit noch auf der Setliste, und manchmal wünschte ich, es wäre immer noch so. One and Only trägt jedenfalls eindeutig Ettas Handschrift. Adele ist eine der großen Sängerinnen, die ihre Einflüsse immer mit sich tragen werden wie ihre Lieblingshandtasche.

Nach drei solchen Powersongs braucht Adele eine kurze Pause. Um ihre Stimme zu schonen, trinkt sie aus einem Kaffeebecher von einem Honigdrink und plaudert mit dem Publikum, locker wie immer. So kennt man sie. Es ist, als würde man an der Kasse eines Supermarkts mit ihr in der Schlange stehen – mittlerweile vermutlich in einer gehobeneren Kategorie, wie Waitrose zum Beispiel.

Das Geplänkel mit dem Publikum ist schon Standard geworden. Gleich zu Beginn der Tour in Belfast verschaffte Adele einem ihrer weiblichen Fans ein ganz besonderes Highlight: Auf der Bühne durfte sie ihrem Freund einen Heiratsantrag machen. Der sagte natürlich Ja, und die Szene ging um die Welt. In Manchester holte Adele ein zwölfjähriges autistisches Mädchen zu sich und ließ sie Someone Like You mitsingen. Einfach großartig!

In der O2 Arena dürfen zwei kleine Mädchen von sechs und sieben Jahren auf die Bühne kommen, und Adele entschuldigt sich bei ihnen für das F-Wort, das sie vorher ausgesprochen hat. Das kann ich mir bei keinem anderen Weltstar vorstellen. Später singt sie zusammen mit einem jungen Mädchen, das an diesem Abend seinen sechzehnten Geburtstag feiert, Make You Feel My Love von dem Album 19. Anschließend bedankt sie sich herzlich: „Es war toll, den Song mit dir zusammen zu singen. Du warst super!“ Für mich ist es das erste Mal, dass ich Adele bei einem Duett erlebe.

„Es geht auch um die Show, nicht nur um die Musik“, sagt Adele irgendwann. Genau das ist Entertainment im herkömmlichen Sinne, wie bei einem Auftritt des vier Tage zuvor verstorbenen Zauberkünstlers Paul Daniels im Freizeitpark von Great Yarmouth oder in der alljährlichen Weihnachtssendung von Cilla Black, die die Zuschauer nun so schmerzlich vermissen. Adele spricht mit dem Publikum, genau wie sie. Fehlt nur noch, dass sie uns fragt, was sie mit irgendeinem schrecklichen Exfreund machen soll. „Den Löwen zum Fraß vorwerfen!“, würde das Publikum dann wohl grölen.

Adele hat diese besondere Gabe, das Publikum miteinzubeziehen und zu begeistern, die manche Stars heute auszeichnet. „Wenn ich das Wort ‚Oscar‘ in den Mund nehme, klingt das, als hätte ich sie nicht alle“, sagt sie, bevor sie erzählt, wie Skyfall zustande kam. Damals, so gesteht sie, versuchte sie zu stillen beziehungsweise ‚abzupumpen und wegzukippen‘, wie sie es ausdrückt. Sie bringt uns sogar dazu, eine La-Ola zu machen. Uncool oder nicht, das ist ihr egal. Sie hat einfach Spaß daran.

Damit schafft sie es dann endgültig, das Publikum mitzureißen. Gleich darauf stimmt sie Skyfall an, und ihre erhabene Stimme klingt so gar nicht mehr nach dem Mädchen aus Tottenham, das F-Wörter benutzt und so herzhaft lachen kann. Mittlerweile freue ich mich richtig auf die Pausen zwischen den Songs. Mit dem Satz: „Ich habe ein Vermögen damit gemacht, dass ich sauer auf jemanden war“, bringt sie das ganze Publikum zum Lachen.

Sie erzählt uns auch, wie sie Million Years Ago geschrieben hat, eine der melancholischen Balladen vom Album 25. Sie hatte eine Freundin besucht, die in Tulse Hill wohnt, nur eine halbe Meile von West Norwood entfernt, wo Adele ihre Teenagerzeit verbrachte. Sie musste daran denken, wie sie jeden Abend nach der Schule mit ihren Freunden im Brockwell Park „herumhing, um zu quatschen“. Das machte sie so wehmütig, dass sie den Song in zehn Minuten fertiggestellt hatte.

Der emotionalste Moment ist eindeutig der, als sie von ihrem kleinen Sohn Angelo spricht, der 2012 geboren wurde: „Er erfüllt mein Leben mit einer solchen Freude, mit so viel Sinn. Alles hat sich total verändert.“ Und man merkt ihr an, wie aufrichtig sie es meint.

Dann geht es weiter mit Songs, in denen sich das Leben von heute spiegelt, wie Don’t Remember und Chasing Pavements. Vor fünf Jahren, erzählt Adele, hat sich für sie von heute auf morgen alles geändert, als sie mit Someone Like You bei den BRIT Awards auftrat. Damals bekam man eine Gänsehaut. Und jetzt scheint einem das Stück irgendwie so vertraut. Es ist immer noch ergreifend, aber es hat auch den Wohlfühlfaktor, den Songs einfach bekommen, wenn sie diesen Kultstatus erreicht haben. Das Stück hat ihr über schwierige Zeiten hinweggeholfen, sagt Adele und fügt hinzu: „Es hat mir das Leben gerettet.“

Mit Fire to the Rain geht das Main Set zu Ende. Dank Special Effects steht Adele dabei mit einem Schirm im strömenden Regen. In grauer Vorzeit, als es noch keine Handys gab, hätten wir alle unsere Feuerzeuge herausgekramt. Wie es heißt, ist Adele die Idee zu dem Song ja auch gekommen, als sie sich im Regen eine Zigarette anzünden wollte.

Bei der Zugabe steht sie wieder auf der Plattform im Publikum. Ohne dass die Zuschauer es gemerkt haben, wurde sie in einer Art Altpapiercontainer von der großen Bühne zu der kleineren gekarrt. Als Erstes singt sie All I Ask, meinen Lieblingssong von 25 und sicher auch das traurigste Lied auf dem Album. Zum Glück gibt es keine Probleme mit dem Sound wie bei den Grammys. Das Stück ist unglaublich schwer zu singen, und ich finde, es ist das beste des ganzen Abends.

Bevor sie uns dann in beschwingter Stimmung mit Rolling in the Deep den Heimweg antreten lässt, singt sie noch eine Ballade von ihrem neuen Album. Zu When We Were Young erscheinen auf der Leinwand Kinderfotos von Adele – eins davon mit zahnlosem Lächeln am Strand in Südwales mit ihrer Mutter.

Ein seltener Blick auf das kleine Mädchen, das zu einem Weltstar wurde. Es sind Schnappschüsse, aber wie war sie als Kind, und wie ist sie heute, jetzt, wo sie selbst schon Mutter ist?

TEIL 1

WHEN SHE WAS YOUNG

1. EINE ÜBERRASCHENDE ANKÜNDIGUNG

Das Livevideo zu Adeles Single When We Were Young von 2016 wirkt locker und ungezwungen. Adele trägt ein schickes schwarzes Outfit, im Hintergrund spielt die Band, und mit ihrer Powerstimme bringt sie die melancholische Ballade perfekt rüber. Das Video wurde in den topmodernen Church Studios aufgenommen, die in einer alten viktorianischen Kirche im vornehmen Crouch End von North London untergebracht sind. Und wie es der Zufall will, hat Adele Adkins’ Geschichte keine hundert Meter weit entfernt ihren Anfang genommen: im angesagten Pub The King’s Head.

Heute gehören die Studios dem gefeierten Produzenten und Adeles langjährigem Weggefährten Paul Epworth, mit dem sie zwei ihrer bekanntesten Songs geschrieben hat: Rolling in the Deep und Skyfall. Früher, in den Achtzigern, waren es übrigens Annie Lennox und Dave Stewart, die den Studios Rang und Namen in der Londoner Musikszene verschafften. Als Eurythmics spielten sie im obersten Stockwerk ihr Debütalbum Sweet Dreams ein. Bald darauf wurden sie zu einem der erfolgreichsten Acts der Achtziger und erwarben schließlich das Gebäude mit den Studios, wo Superstars wie Bob Dylan, Depeche Mode und Elvis Costello ein und aus gingen.

The King’s Head, der Pub ein Stück weiter unten an der Straße, Ecke Crouch Hill, stammt ebenfalls aus viktorianischer Zeit. Es hatte sich in den Achtzigern zu einer trendigen Bar für junge Leute entwickelt, die hofften, auf Tuchfühlung mit Musikern gehen zu können und vielleicht den einen oder anderen Star anzutreffen, der dort auf einen Drink einkehrte. Im Kellergeschoss befand sich einer jener kleinen Räume mit viel Atmosphäre, wo Comedians oder aufstrebende Bands auftraten. Mit etwas Glück konnte man in jenen Tagen Dave und Annie beim Jammen erleben. Es ist gut vorstellbar, dass Adele dort aufgetreten wäre, hätte sie damals ihre Karriere begonnen.

Es war genau so ein Lokal, das eine achtzehnjährige Kunststudentin namens Penny Adkins anlockte. Sie kam an einem Sommerabend 1987 mit dem Bus aus Tottenham hierher, wo sie noch bei ihren Eltern wohnte, um sich mit Freunden zu treffen.

Penny war groß, schlank, hatte rabenschwarzes Haar und stach aus der Menge heraus. An der Bar im Obergeschoss erregte sie die Aufmerksamkeit der meisten jungen Männer, so auch die eines breitschultrigen, gut aussehenden blonden Fensterputzers, der Marc Evans hieß und aus Südwales nach London gezogen war. In dem aufblühenden Stadtteil verdiente er mit seiner Arbeit gutes Geld.

Es war nicht Liebe auf den ersten Blick, doch als Marc selbstbewusst zu Penny hinüberschlenderte, um etwas Small Talk zu machen und nach ihrer Telefonnummer zu fragen, lag eindeutig ein erotisches Knistern in der Luft. Marc, ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren, war nicht auf den Mund gefallen. In seinem ersten Jahr in London waren reihenweise junge Frauen seinem Charme erlegen.

Er und sein jüngerer Bruder Richard wuchsen im walisischen Seebad Penarth auf. Inzwischen ist der Ort mit Cardiff zusammengewachsen, doch damals war es ein beschauliches Küstenstädtchen. John, der Vater, hatte sich selbstständig gemacht, nachdem er richtig erkannt hatte, dass es für einen Klempner immer etwas zu tun gab. Bald war er so erfolgreich, dass er für seine Familie ein viktorianisches Stadthaus mit fünf Schlafzimmern kaufen konnte. „Meine Eltern hatten sich ihre eigenen vier Wände mit ehrlicher, harter Handwerkerarbeit verdient“, bemerkt Marc nicht ohne Stolz.

Marcs Mutter Rose war gläubige Christin und über viele Jahre ein angesehenes Mitglied im Kirchenchor der Tabernacle Babtist Church. In seiner Jugend sang auch Marc im Chor, und zwar in der All Saints Church am Victoria Square in Penarth, zehn Minuten Fußmarsch entfernt. Rückblickend sieht er sich als „so eine Art Aled Jones vor dem Stimmbruch“. Als Teenager wollte er Sänger oder Schauspieler werden. Er schrieb sogar Schauspielschulen an, entschied sich dann aber doch für eine Ausbildung zum Klempner, die er an einem technischen College in Llandaff absolvierte. Anschließend stieg er in das Geschäft seines Vaters ein. Sein Bruder Richard hatte unterdessen eine Laufbahn bei der Polizei eingeschlagen.

Mit seinem himmelblauen MG Roadster und einer bildhübschen Freundin führte Marc das genüssliche Leben eines Penarth-Playboys. Als sich die Romanze abgekühlt hatte, fragte ihn sein bester Freund Nigel, ob er bei ihm einziehen wolle. Nigel studierte in London, und seine Eltern waren recht wohlhabend, sodass er sein Dasein nicht in Studentenwohnheimen zu fristen brauchte, sondern sich eine eigene Bleibe leisten konnte.

Die Dreizimmerwohnung in der Turnpike Lane war günstig gelegen. Bis zum Crouch End oder nach Tottenham waren es nur etwa zwei Meilen. Marc fand rasch Arbeit als Abteilungsleiter in einer Filiale der Baumarktkette Wickes in Edmonton.

Einmal kam ein älterer Herr in den Baumarkt und fragte nach „Mull“. Er wolle das strapazierfähige Gewebe zur Fensterreinigung verwenden, sagte er. Die beiden kamen ins Gespräch, und er erzählte Marc, er verdiene sich eine goldene Nase damit, die Fenster neureicher Hausbesitzer zu putzen. Das brachte Marc auf eine Idee. Ein paar Tage später, an einem herrlichen Sommerabend, machte er sich mit Hemd und Krawatte schick und klopfte mit einer Leiter über der Schulter an die Türen erfolgversprechender Häuser im Crouch End und im benachbarten Highgate. „Guten Abend, Sir. Guten Abend, Madam. Möchten Sie Ihre Fenster putzen lassen?“

Für die zwanzig Minuten Arbeit, die er für die Reinigung der Fenster eines zweistöckigen Hauses mit jeweils zwei Zimmern pro Etage benötigte, strich er zehn oder fünfzehn Pfund ein. Als er etwas später Penny kennenlernte, war er auf dem besten Weg, seine zwanzigtausend Pfund pro Jahr zu verdienen. Das war damals ein hübsches Sümmchen für einen jungen Mann.

Penny stammte aus North London. Sie wuchs aber nicht in Tottenham auf, sondern in der Chalfont Road in Islington, eine Meile vom ehemaligen Highbury-Fußballstadion entfernt, das 2006 geschlossen wurde. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass in ihrer Familie alle eingefleischte Arsenal-Fans waren. Daran änderte sich auch nichts, als ihre Mutter Doreen und ihr Vater John in eine Sozialbauwohnung der Tower-Gardens-Siedlung umzogen, die in unmittelbarer Nähe der betriebsamen Lordship Lane in Tottenham lag.

Als Penny als Jüngste von fünf Geschwistern geboren wurde, verdiente John Adkins seinen Lebensunterhalt als Lastwagenfahrer. Später jedoch, als sie in die Oberstufe kam, arbeiteten er und seine Frau als Obst- und Gemüseverkäufer auf dem New Covent Garden Market in Nine Elms.

Penny war künstlerisch veranlagt und zeigte schon früh Talent im Zeichnen und Malen. Oft saß sie stundenlang in ihrem Zimmer und zeichnete oder spielte auf ihrer geliebten Akustikgitarre. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, ihren Interessen nachzugehen und Kunst zu studieren. Also schrieb sie sich wie viele andere Studenten für einen einjährigen Grundlagenkurs ein und begann ihr Studium in Kunst und Design am College in Barnet.

Penny stammte zwar aus einer typischen Familie der Nord-Londoner Arbeiterklasse, aber sie hatte nichts von deren rauen Ecken und Kanten abbekommen. Marc beschreibt sie so: „Penny spricht nicht mit diesem Cockney-Akzent. Sie könnte irgendwo in einen Pub marschieren, und man würde ihr nicht anmerken, dass sie aus einem Londoner Arbeiterviertel kommt. Das liegt aber nicht daran, dass sie sich für etwas Besseres hält – sie ist bloß zurückhaltend.“

Marc hatte zwar zu jener Zeit eine Freundin, trotzdem funkte es zwischen ihm und dem Teenager. „Sie war echt attraktiv. Lange, dunkle Haare, Beine bis zum Hals. Einfach toll. Da stimmte wirklich alles.“

Marc verschwendete keine Zeit und rief sie an, um ein Date auszumachen. Und ein paar Tage später trafen sie sich in seinem Lieblingspub Punch and Judy in Covent Garden. Obwohl sie sich näherkamen, war Marc schnell klar, dass Penny nicht zu der Sorte Mädchen gehörte, die beim ersten Date gleich ins Bett zu kriegen waren. „So war sie nun mal nicht“, erinnert er sich.

„Auf lange Sicht war es nicht die große Liebe“, räumt er ein. Aber damals trafen sie sich weiterhin im Punch and Judy, das zu ihrer Stammkneipe wurde, und nach einigen Wochen kam Schwung in die Sache. Penny war einverstanden, die Nacht bei ihm in der Turnpike Lane zu verbringen.

Etwa zwei Monate waren vergangen, seit sie sich kennengelernt hatten. Sie saßen wieder einmal im Punch and Judy, als Penny plötzlich herausplatzte: „Marc, ich bin schwanger.“ Er war völlig verdattert, setzte aber eine tapfere Miene auf und sagte zu seiner achtzehnjährigen Freundin: „Okay, Baby. Keine Sorge. Das kriegen wir schon hin.“

Ihrem zarten Alter zum Trotz erwies sich Penny als äußerst hart im Nehmen. Sie wollte das Kind bekommen. Das war für sie von Anfang an klar, und darüber gab es auch nichts zu diskutieren. Die größte Sorge der beiden war, wie sie die Nachricht Pennys Eltern beibringen sollten, die zum damaligen Zeitpunkt den neuen Freund ihrer Tochter noch nicht einmal zu Gesicht bekommen hatten.

Marc mochte zwar ein Draufgänger sein, doch er hatte eine gute Erziehung genossen und wusste, was sich gehörte. Er wollte seine Freundin nicht im Stich lassen, wenn sie ihren Eltern die Neuigkeit verkündete. Also arrangierte Penny einen gemeinsamen Sonntagslunch. „Ich nahm mir vor, meinen Mann zu stehen, und so fuhr ich da hin und erklärte ihnen, dass ich der Vater bin. Sie fielen natürlich aus allen Wolken und fragten mich, wie ich mir das Ganze vorstelle. Und ich sagte, ich hätte keine Ahnung.“

Eine Woche später trafen sie sich wieder in ihrem Lieblingspub. Marc hatte einen Entschluss gefasst und fragte Penny, was sie in den nächsten dreißig Jahren vorhabe. „Wie wär’s, wenn wir die Sache offiziell machen?“ Obwohl sie mit ihren gerade einmal achtzehn Jahren schwanger war, sagte sie Nein, mit der Begründung, sie seien noch zu jung. Schon damals zeigte sich ihre Charakterstärke, und Marc sagt im Nachhinein: „Sie war ein sehr zielstrebiges junges Ding, schon eine sehr starke Frau. Hätte sie mich heiraten wollen, hätte sie gesagt: ‚Gut, okay, du hast mich gefragt, also ziehen wir das durch.‘ Aber das stand gar nicht zur Debatte. Sie dachte nicht einmal darüber nach. Wahrscheinlich hielt sie mich für einen Vorstadt-Casanova und dachte, es würde sowieso nicht hinhauen.“

Nun war es an Marc, seinen Eltern beibringen, dass sie zum ersten Mal Großeltern würden. Er nahm den Zug nach Penarth und erzählte ihnen, er habe ein Mädchen namens Penny kennengelernt, die jetzt von ihm schwanger sei. Sein Vater John, ein willensstarker Mann und alles andere als ein gefühlsduseliger Mensch, nahm die Nachricht unerwartet gelassen auf.

In den folgenden neun Monaten standen für Marc und erst recht für Penny wichtige Entscheidungen an. Marcs Kumpel Nigel hatte eine Stelle als Bauinspektor für den Bezirk Tower Hamlets angenommen und zog nach Chingford in North-East London. Da Marc eine neue Bleibe brauchte, suchte er sich ein WG-Zimmer im Crouch End, um näher an seinem Arbeitsrevier zu wohnen. Penny hatte mittlerweile beschlossen, ihr Studium abzubrechen, damit sie sich voll und ganz um das Kind kümmern konnte. Da sie unbedingt allein zurechtkommen wollte, zog sie von zu Hause aus in eine Notunterkunft für alleinerziehende Mütter am Queen’s Drive, einem trostlosen Straßenzug in der Nähe der Finsbury Park Station. Zudem nahm sie die Unterstützung des National Childbirth Trust (NCT) in Anspruch, einer Wohltätigkeitsorganisation für junge Mütter.

Marc besuchte sie regelmäßig, aber sie wirkten nicht wie ein Pärchen, das bis über beide Ohren verliebt war. Er war nicht der Typ, der seine Frau zum Geburtsvorbereitungskurs begleitet und ihr bei den Atemübungen die Hand hält.

Zwei Wochen vor dem Geburtstermin klingelte bei Marc das Telefon, als er gerade beim Frühstück saß. Pennys Mutter Doreen war am Apparat. „Glückwunsch, Marc! Du bist Vater von einem Mädchen geworden.“ Trotz der Frühgeburt gab es keine Komplikationen, und das Baby wog gesunde 2567 Gramm.

Marc flitzte schnurstracks zum Floristen, kaufte einen riesigen Blumenstrauß und sprang in den nächsten Bus, der ihn zum North Middlesex Hospital in Edmonton brachte, unweit der North Circular Road. Es war der 5. Mai 1988, als er seine Tochter zum ersten Mal in den Armen hielt.

Jetzt fehlte den frischgebackenen Eltern nur noch ein Name für das Baby. Marc schlug vor, es Blue zu nennen. Das hatte allerdings nichts mit einer Vorliebe für Bluesmusik zu tun. Der Name gefiel ihm einfach, außerdem war Blau seine Lieblingsfarbe. Penny dachte kurz darüber nach und antwortete sehr bestimmt: „Blue kommt überhaupt nicht infrage.“

Sie hatte nämlich längst beschlossen, ihrer Tochter den Namen Adele zu geben. Eine ungewöhnliche Wahl, aber vielleicht lag gerade darin die Motivation. In der Literatur gibt es eine Adele im Klassiker Jane Eyre. Sie ist Rochesters junges französisches Mündel. Als Jane von Mr. Rochester als Adeles Gouvernante eingestellt wird, nimmt sie das Mädchen unter ihre Fittiche. Da Penny Kunst studierte, war ihr möglicherweise auch bekannt, dass die Mutter des postimpressionistischen Malers Toulouse-Lautrec Gräfin Adèle hieß.

Beim zweiten Namen entschied sich Penny für Laurie, was sowohl auf einen Jungen als auch auf ein Mädchen passte. Als Zugeständnis an Marc war sie mit Blue als Drittnamen einverstanden, worüber er sich natürlich freute. Penny war jedoch nicht begeistert, als Marc seine Tochter fast nur noch Blue nannte. „Du sollst sie nicht so nennen. Sie heißt Adele“, fauchte sie dann ärgerlich. Penny kürzte den Namen auch nie ab zu Addie oder Della. Da es in beiden Familien unüblich war, drei Vornamen zu tragen, war Adele Laurie Blue in dieser Hinsicht schon etwas Besonderes.

Penny, die man nur einen Tag im Krankenhaus behalten hatte, musste zum Glück auch nicht lange am Queen’s Drive ausharren. Man wies ihr eine Dreizimmer-Sozialwohnung in der Shelbourne Road in Tottenham zu. Wenn der Wind aus der entsprechenden Richtung wehte, konnte sie samstags das Gejohle der Menge an der White Hart Lane hören. Die berühmte Heimspielstätte der Spurs lag keine Meile entfernt an der Park Lane, die ironischerweise den gleichen Namen trägt wie die berühmte Prachtstraße im West End, von deren Prunk sie allerdings meilenweit entfernt war.

In Adeles Kindheit waren die Fußballfans, die mit ihren schwarz-weißen Tottenham-Hotspur-Schals zum Match pilgerten, ein gewohntes Bild. Der Fußball förderte das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem sonst ziemlich desolaten Stadtteil. An Spieltagen verwandelten sich die Shelbourne Road und die umliegenden Straßen in einen einzigen riesigen Parkplatz.

Die Spurs standen etwas im Schatten des benachbarten Arsenal, doch als Paul Gascoigne 1988 für 2,2 Millionen Pfund von Newcastle nach Tottenham wechselte, schien eine rosige Zukunft anzubrechen. Gazza verhalf Tottenham Hotspur in jener Saison zum sechsten Platz in der Premier League, aber Erster wurde wieder einmal Arsenal London – sehr zur Freude der Familie Adkins.

Tottenham war damals ein heißer Anwärter auf die Trophäe für den unattraktivsten Wohnort Englands. Das negative Image hatte viel mit den berüchtigten Broadwater-Farm-Krawallen im Oktober 1985 zu tun. Penny ging noch zur Schule, als die perspektivlosen jungen Schwarzen aus dem Viertel die Straßen eroberten, um ihrem Unmut über den Tod von Cynthia Jarrett Luft zu machen. Die Mutter aus der Siedlung in der nahe gelegenen Thorpe Road erlag einem Herzinfarkt, als vier Polizeibeamte unangemeldet ihre Wohnung durchsuchten. Während der anschließenden Unruhen, bei denen auch Schusswaffen und Molotowcocktails zum Einsatz kamen, fiel der Polizist Keith Blakelock einer Messerstecherei zum Opfer.

Marc half Penny beim Umzug in eine unmöblierte Wohnung, die sich im oberen Stockwerk eines Hauses befand. In der nicht gerade einladenden Straße sollten sie und ihre Tochter die nächsten neun Jahre verbringen. Das ältere Ehepaar Henry und Jane Barley aus der Wohnung unter ihnen hütete in den folgenden Jahren Adele, wenn ihre Mutter einmal außer Haus zu tun hatte. Marc wohnte vorerst nicht mit ihnen zusammen. Doch etwa einen Monat nach ihrem Einzug gab er seine eigene Bleibe auf und zog zu ihnen.

Gemeinsam nahm die junge Familie den Zug nach Penarth, um Adele ihren walisischen Großeltern vorzustellen. Penny fühlte sich verständlicherweise etwas unbehaglich. Sie hatte Marcs Eltern nie zuvor gesehen und stand nun unvermittelt mit einem Baby im Arm vor ihrer Tür. Marcs Mutter konnte sich jedoch nur zu gut in Penny hineinversetzen. Sie hatte Marc mit achtzehn Jahren bekommen und wusste ganz genau, was es bedeutete, im Teenageralter Mutter zu werden. Auch Marcs Vater war mit den Herausforderungen vertraut, die junge Eltern zu bewältigen haben, wenn sie ihr Leben in die eigenen Hände nehmen.

Marc erinnert sich: „Meine Mum war völlig vernarrt in das Baby. Mein Vater dagegen reagierte mit so was wie ‚Oh, wie nett‘, schließlich sehen ja alle Babys gleich aus, oder nicht? Penny war am Anfang natürlich ein bisschen schüchtern, aber meine Eltern sind umgängliche und gutmütige Leute und haben sie sofort ins Herz geschlossen. Nach einer Stunde war Penny völlig gelöst, und von da an verstanden sie sich richtig gut.“

Südwales wurde in den kommenden Jahren zu Adeles zweitem Zuhause. Die walisischen Großeltern spielten eine wichtige Rolle in ihrem Leben, und die regelmäßigen Reisen über die Severn-Brücke gehören zu ihren schönsten Kindheitserinnerungen.

Zurück in London, machte sich Penny daran, die Wohnung nach ihrem Geschmack einzurichten. Dazu übernahm sie von ihren Schwestern ausrangierte Möbel oder durchstöberte Trödelläden nach Schnäppchen. Adele hat ihre Mutter oft als Künstlertyp beschrieben, und ihre Wohnung war der beste Beweis. Die Wände konnte sie glücklicherweise mit ihren eigenen Werken schmücken. Marc drehte seine Runden als Fensterputzer, und Penny beanspruchte in den Anfangsjahren die Sozialleistungen, die ihr zustanden. Adele hatte alles, was ein Baby benötigt. Dazu bemerkt Marc: „Penny war nie blank. Sie hatte eine große Familie, sie hatte mich, sie hatte meine Eltern. Es fehlte ihr an nichts.“

Penny versteht sich noch heute besonders gut mit ihren beiden Schwestern Kim und Nita, die zusammengenommen sieben Kinder haben. Dazu kommen zwei Brüder, Gary und John Anthony. Insgesamt hatte Adele dreizehn Cousins und Cousinen in und um Tottenham, es war also immer jemand zum Spielen da. Sie hat oft darüber gescherzt, wie gern sie ihre Verwandten besuchte, um in das Chaos so vieler spielender Kinder einzutauchen. Danach kehrte sie nach Hause in ihr aufgeräumtes Zimmer zurück, wo alles seinen festen Platz hatte. Dabei war ihr Zimmer gar nicht so besonders ordentlich.

Pennys Familie legte zusammen, um ihr einen alten Citroën 2CV zu kaufen. Der Designklassiker mit aufrollbarem Verdeck war die perfekte Wahl für eine junge Frau mit unkonventionellem Geschmack. Sie konnte ihr Baby rasch auf den Vordersitz schnallen und war in ein paar Minuten bei ihrer Mutter oder ihren älteren Schwestern.

Marc war stolz, der Vater eines so süßen Babys zu sein, das seinen Eltern zudem kaum schlaflose Nächte bereitete. Er genoss es jedes Mal, nach Hause zu kommen und Penny dabei zu überraschen, wie sie ihrer schlafenden Tochter Wiegenlieder auf der Gitarre vorspielte. „Sie konnte richtig gut Gitarre spielen“, erinnert er sich.

Eigentlich hätte dem Glück der jungen Eltern nichts im Wege gestanden. Tatsächlich aber waren die beiden mehr eine Schicksalsgemeinschaft als ein gut harmonierendes Paar. „Ich habe Penny geliebt“, versichert Marc, „aber nach ein paar Monaten stimmte die Chemie nicht mehr so richtig.“ Und so kam es zur Trennung. Adele war gerade einmal neun Monate alt.

Es wurde nie ein Geheimnis aus Marcs Vaterschaft gemacht, doch auf Adeles Geburtsurkunde ist er nicht als Vater aufgeführt. Penny sagte ihm, sie habe das Feld leer gelassen. Als praktisch denkende Frau hatte sie dabei vielleicht im Sinne, dass man einer alleinerziehenden Mutter schneller eine Wohnung zuteilen würde. Jedenfalls hatte diese Entscheidung nichts mit der Trennung zu tun. Vielmehr dürfte sie es den beiden erleichtert haben, getrennte Wege zu gehen. Sie blieben aber freundschaftlich miteinander verbunden.

Marc zog es nicht weit weg. Er mietete ein Haus in Highgate in der Nähe des Pubs The Flask. Er verbrachte nach wie vor viel Zeit mit Penny und Adele und übernachtete des Öfteren in der Shelbourne Road. Er hatte nie eine formelle Übereinkunft mit Penny über Unterhaltszahlungen getroffen. Hatte er eine einträgliche Woche, brachte er ein Bündel Scheine mit oder kam mit Kleidung oder Spielzeug vorbei. Und sein Vater, der es mittlerweile zu einigem Wohlstand gebracht hatte, unterstützte Penny mit einem monatlichen Geldbetrag.

Als Adele etwas älter war, ging Marc regelmäßig mit ihr in den Londoner Zoo im Regent’s Park. Sie war immer hellauf begeistert. Er erzählt: „Am allerliebsten mochte sie die Äffchen. Für ein Kind sind das richtige Lausebengel.“ Marc neckte sein Töchterchen gern: „Ich werde diesen einen Tag im Zoo nie vergessen. Sie musste aufs Klo, und als sie wieder rausgekommen ist, hat sie bemerkt, dass ich einen Kratzer an der Hand hatte.“

„Was ist mit dir passiert, Dad?“, fragte sie.

„Na ja, der Löwe ist über das Gehege gesprungen und hat mich erwischt“, antwortete ich.

Sie schaute mich mit großen Augen an und sagte: „Ist das wahr, Dad?“

Es war klar, dass Penny und Marc nie wieder zusammenfinden würden. Er hatte eine Lehrerin kennengelernt, mit der er bald eine ernsthafte Beziehung einging. Als Adele zwei Jahre alt war, kehrte Marc den Sommer über nach Südwales zurück, um seinem Vater bei der Arbeit in einem Imbiss zu helfen, den er für eine Saison gepachtet hatte. Der Imbiss befand sich auf Barry Island, einer Halbinsel ein paar Meilen von Penarth entfernt. Das Küstenstädtchen sollte später als Setting der populären Comedy-Serie Gavin and Stacey Berühmtheit erlangen. An drei Theken standen die Urlauber manchmal Schlange, um Burger, Hotdogs, Eis, Zuckerwatte oder Zuckerstangen zu kaufen, wenn sie an der Strandpromenade entlangschlenderten.

Aber dennoch liefen die Geschäfte im ersten Jahr nur mäßig, vielleicht auch weil das Seebad mit rückläufigen Besucherzahlen zu kämpfen hatte. Als der Sommer zu Ende ging, kehrte Marc nach London zurück, um Adele und seine Freunde um sich zu haben. Er hielt auch engen Kontakt zu seinem Bruder Richard, der mittlerweile ebenfalls in London Wurzeln geschlagen hatte und sich dort recht wohlfühlte. Sie trafen sich fast jede Woche auf ein Bier im Punch and Judy. Im darauffolgenden Sommer wollte Marcs Vater einen zweiten Versuch auf Barry Island wagen. Die Pacht betrug achtzehntausend Pfund für die Saison – eine Summe, die man nicht leichtfertig investiert. Er bat Marc, den Imbiss zu betreiben, während er selbst sich um das Klempnergeschäft kümmerte.

Penny reiste mit ihrer Tochter an und quartierte sich bei Adeles Großeltern in Penarth ein. Adele, die inzwischen drei war, genoss es sichtlich, auf der Promenade zu spielen oder bei Rabaiotti einen der weithin bekannten Eisbecher zu schlemmen. Für ein kleines Mädchen aus Tottenham war das ein unvergleichliches Erlebnis. Wenn er Zeit hatte, ging Marc mit Adele schwimmen. Er hatte ihr das Schwimmen bereits früher in einem Freizeitzentrum beigebracht, das von der Shelbourne Road zu Fuß erreichbar war. Und wie sich herausstellte, war Schwimmen eine Sportart, für die sie sich geradezu begeistern konnte.

Gegen Ende des Sommers beschloss Marc, vorerst nicht nach London zurückzukehren. Er wollte abwarten, wie sich die Dinge in Südwales entwickelten. Das Leben hatte sich sowohl für ihn als auch für Penny verändert. Sie hatte inzwischen einen festen Freund, sodass er nicht mehr so einfach unangekündigt hereinplatzen konnte, um seine Ex und Adele zu besuchen. Mit ihren einundzwanzig Jahren hatte Penny ihr Leben immer noch vor sich. Und sie ließ es sich nicht nehmen, ihr eigenes Leben zu führen, auch wenn sie für Adele sorgen musste.

2. SPICE WORLD

Eine Woche vor Adeles viertem Geburtstag im Frühling 1992 versteckte Penny sie unter ihrem Trenchcoat und schmuggelte sie in die Brixton Academy in South London. Sie wollten The Beautiful South live sehen. Rückblickend sagt Adele: „Es war toll! Das ist die lebhafteste Erinnerung an meine Kindheit.“

The Beautiful South wurde 1988 von Paul Heaton und David Hemingway gegründet, zwei ehemaligen Mitgliedern der Housemartins aus Hull in Yorkshire. Es war eine schräge, selbstironische Truppe, die aber sehr gut ankam. Zwei Jahre später wurde die bekannteste Single A Little Time zum Nummer-eins-Hit. Es sollte ihr einziger bleiben, doch die Singles schafften es in den Neunzigerjahren regelmäßig in die Charts. In dem Song geht es um das Ende einer Liebesbeziehung und um das Bedürfnis nach Freiheit. Kein Wunder, dass er bei Penny so hoch im Kurs stand.

Penny war ein großer Fan der Band und wollte unbedingt, dass ihre Tochter sie auch erlebte. Da die Academy über keine Sitzplätze verfügte, konnte Adele überhaupt nichts sehen. Aber Penny löste das Problem, indem sie einen muskelbepackten Hünen fragte, ob es ihm etwas ausmachen würde, ihre Tochter auf die Schultern zu nehmen. Adele ergatterte also den besten Platz im Saal. Der Mann half ihr auch, als es Luftballons regnete und sie keinen zu fassen bekam. „Er stapfte durch die Menge und gab einem Typen, der mir keinen Ballon überlassen wollte, eins aufs Maul.“

Als Paul Heaton dann im Herbst 2015 Adele kennenlernte, fühlte er sich geschmeichelt, dass sie sich nach so vielen Jahren immer noch so gut an das Konzert erinnern konnte. „Aber sie schuldet mir das Geld für die Eintrittskarte“, scherzt er. „Leider betrug der Preis damals nur läppische zwei Pfund.“

Obwohl die Familie Adkins bis dahin selbst noch keine großen Musiker hervorgebracht hatte, wuchs Adele mit Musik auf. Wenn Penny ihre Lieblingshits auflegte, spielte sie dazu Gitarre und ermunterte Adele, aufs Sofa zu steigen und mitzusingen.

Dabei muss man sich bewusst machen, wie jung Penny damals war. Eigentlich hätte sie in dieser Zeit studieren sollen, doch es war anders gekommen. Aber Adele ist ihr dafür heute noch dankbar. „Ich war für sie wohl so etwas wie ein fantastisches Geschenk. Anstatt auf die Uni zu gehen, hat sie sich für mich entschieden.“ Adele hat ihre Mutter auch schon mal als „Hippie Mum“ bezeichnet.

Penny gab Adele nie das Gefühl, dass sie ihr zur Last fallen würde, sondern bezog sie bei allem mit ein. Sie hatte einen großen Freundeskreis, und abends kamen immer Leute vorbei, um Musik zu hören und sich über alles zu unterhalten, was damals interessant war. Und Penny wollte, dass ihre Tochter daran teilhatte. Zum Glück war Adele nicht schüchtern und blieb abends gern lange auf.

Deshalb durfte sie sich auch im Fernsehen Later … with Jools Holland ansehen, obwohl die Freitagabendshow erst um 23.15 Uhr ausgestrahlt wurde. Der ungezwungene Mix aus mehr oder auch weniger bekannten Bands aller möglichen Musikrichtungen kam bei den Zuschauern gut an und wurde zu einem anhaltenden Erfolg. So traten zum Beispiel The Kinks in derselben Sendung auf wie die schwedische Rapperin Neneh Cherry und die spanisch-baskische Punkrockband La Polla Records.

Unzählige gemeinsame Erlebnisse, viele davon Konzerte, schweißten Mutter und Tochter für ihr weiteres Leben zusammen. Penny hatte auch kein Problem damit, mit der damals erst Achtjährigen im voll bepackten Citroën zum Glastonbury Festival zu fahren, wo sie im Schlamm hockten und sich Radiohead und The Prodigy ansahen, die auf der Pyramid Stage, also auf der Hauptbühne, auftraten.

Und es war nicht Adeles erstes Festival. Was das betraf, war sie schon längst ein alter Hase. Im Juni 1993, kurz nach ihrem fünften Geburtstag, nahm Penny sie mit zum Popfestival Great Xpectations im nahe gelegenen Finsbury Park, das einen ganzen Tag lang dauerte. Es war eine Benefizveranstaltung zugunsten einer Kampagne, die dem Radiosender XFM zu einer dauerhaften Sendegenehmigung verhelfen sollte.

Damon Albarn und Graham Coxon von Blur, den damaligen Publikumslieblingen im Bereich des Britpops, spielten ihre neueste Single For Tomorrow unplugged. Damon ist einer der Menschen, dessen Wege sich noch öfter mit denen von Adele kreuzen sollten, auch wenn die späteren Begegnungen nicht immer erfreulich waren. In Glastonbury sah Adele ihn jedenfalls zum ersten Mal. Allerdings waren Blur nicht der Headliner.

Diese Ehre gebührte The Cure mit dem charismatischen Sänger und Songwriter Robert Smith. Die Band ist eins der Urgesteine in der britischen Musikszene, und auch siebenunddreißig Jahre nach ihrer Gründung 1979 in der Postpunk-Ära ist ihre Popularität ungebrochen. In Pennys Teenagerjahren war der düstere Gothic-Sound das Markenzeichen von The Cure, und Disintegration wurde zum erfolgreichsten Album ihrer gesamten Karriere. Das war in Pennys Grufti-Phase, und damals war sie natürlich ein Riesenfan. Adele fand The Cure eher unheimlich. „Ich habe mich richtig vor Robert Smith gefürchtet“, erzählt sie. „Er sah aus wie Edward mit den Scherenhänden.“

Das Album lieferte den Soundtrack zu Adeles Tottenham-Jahren. Ganz besonders das Lieblingsstück ihrer Mutter, Lovesong, hat sie seither nicht mehr losgelassen und erinnert sie noch heute an jene Zeit. In Glastonbury spielten The Cure den Song nicht, aber ihr vielleicht bekanntester Hit, Friday I’m in Love, kam immerhin als Zugabe.

Nummer eins in den Charts war in diesem Monat Dreams, womit Gabrielle, eine junge schwarze Sängerin aus Hackney mit samtweicher Stimme, den Durchbruch schaffte. Louise Gabrielle Bobb war erfrischend anders. Sie schrieb ihre Songs selbst, hatte eine der unverkennbarsten Soulstimmen im Bereich der Popmusik und ließ sich in der von Männern beherrschten Branche nicht unterkriegen. Darüber hinaus trug sie eine paillettenbesetzte Augenklappe, um ihr hängendes Lid zu verdecken.

Mit ihrem kurz geschnittenen schwarzen Haar hob sie sich von den durchschnittlichen Popsternchen ab. Den Grundstein ihrer Karriere legte sie mit Auftritten in Nachtclubs. Dazu sagt sie: „Hätte es Anfang der Neunziger schon Talentshows wie The X Factor gegeben, hätte ich mich da bestimmt total blamiert. Als sich dann der Erfolg einstellte, war das ein richtiger Triumph. Ich glaube, damit hatte niemand gerechnet.“

Adele war von Gabrielles Augenklappe so begeistert, dass Penny als pflichtbewusste Mutter ihrer Tochter auch eine anfertigte. Adele hatte sich eine Bindehautentzündung zugezogen, und als die Ansteckungsgefahr vorüber war und sie wieder zur Schule gehen durfte, überraschte Penny sie mit ihrer Spezialanfertigung. Sie hatte bei Boots eine Augenklappe gekauft und Pailletten aufgenäht. Adele streifte sie sich über das Gesicht, sprang auf den Tisch und gab ihre eigene Version von Dreams zum Besten.

Gabrielle trug ihre berühmte Augenklappe acht Monate lang, dann mottete sie sie ein. Adeles Klappe hatte eine noch kürzere Lebensdauer. Denn als Adele deswegen in der Schule gehänselt wurde, verlor die Augenklappe natürlich ihren Reiz. Sie verschwand bei erstbester Gelegenheit in der Schublade und wurde nur noch für besondere Anlässe hervorgeholt. Penny ermutigte ihre Tochter, vor ihren Freunden zu singen, und richtete sogar die Beleuchtung so ein, dass es aussah, als stünde Adele bei ihrer Darbietung im Scheinwerferlicht.

Gabrielles faszinierender Lebenslauf weist fast schon unheimliche Parallelen zu Adeles Werdegang auf. Gabrielle und ihre drei jüngeren Halbbrüder wuchsen bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf, die aus der Dominikanischen Republik stammte und Gabrielles Vater nicht in der Geburtsurkunde eintragen ließ. Als Kind hatte Gabrielle noch regelmäßigen Kontakt zu ihm, aber mit den Jahren ließ das nach.

Gabrielle hatte immer wieder mit ihrem Aussehen zu kämpfen, nicht nur wegen ihres Auges, sondern auch wegen ihres Gewichts. Sie entsprach nie dem spindeldürren Ideal eines Models. Als sie 1995 einen Sohn bekam, stellte sie ihre Karriere hintenan und widmete sich in erster Linie ihrer Rolle als Mutter. Sie war ja inzwischen Multimillionärin und hatte es nicht mehr nötig zu arbeiten.

Auch sie schrieb Songs, die ihre Stimmung widerspiegelten. Und sie wurde von einem Independent-Label entdeckt, dem sie ein Demoband geschickt hatte. In den ersten sechs Jahren ihrer Karriere veröffentlichte sie nur drei Alben. Und sie legte Wert darauf, die Kontrolle über ihr Leben zu behalten, anstatt sich auf Gedeih und Verderb einer Plattenfirma auszuliefern: „Ich war dafür berüchtigt, dass ich für ein Album drei Jahre brauchte. Ich mache gern Musik, aber nicht an 365 Tagen im Jahr. Wahrscheinlich bin ich einfach zu faul, aber ich kann mich nicht dazu zwingen, Songs zu schreiben. Erst wenn ich das Bedürfnis danach habe, gehe ich wieder ins Studio. Um gute Songs zu liefern, muss ich in der richtigen Stimmung sein.“

Gabrielle sah sich selbst nie als Star und stahl sich am liebsten unauffällig aus dem Rampenlicht, wenn sie nicht gerade ein Album oder einen Song promoten musste. Auch das ist eine auffällige Ähnlichkeit mit Adele. Ihr „Abtauchen“ verstärkte nur das Publikumsinteresse, und als 1999 ihr drittes Album Rise herauskam, landete es in den Charts sofort auf Platz eins, die gleichnamige Single übrigens auch. Der Song handelt vom Schmerz nach einer Trennung, und er klingt sehr melancholisch. Aber er hat auch etwas Ermutigendes: „… ready to rise again.“ Die meisten ihrer Songs haben einen autobiografischen Bezug – Gabrielle nennt sie „Tagebucheinträge“.

Adele ging auf die Coleraine Park Primary School in der Halefield Road gleich um die Ecke. Sie sagte einmal, sie sei das einzige weiße Gesicht in einer Klasse mit dreißig Schülern gewesen. Das ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber es ist klar, was sie damit meinte. Gut möglich, dass sie das einzige Kind englischer Herkunft war. Die Bevölkerung des Stadtteils war damals schon multikulturell. In den 1990ern bestand sie aus etwa acht verschiedenen Einwanderergruppen. Am Ende des folgenden Jahrzehnts waren es zweiundvierzig Nationalitäten, und auf dem Schulhof wurden um die sechsundzwanzig Sprachen gesprochen.

Adele war beliebt, nicht zuletzt, weil sie den Schulhof-Tyrannen den Kampf angesagt hatte. Marc erinnert sich: „Tottenham ist ein hartes Pflaster. Und wenn ein anderes Kind gemobbt wurde, war sie diejenige, die sofort einschritt. Sie hat sich immer für ihre Freunde eingesetzt.“

Adele war keine Musterschülerin, und wahrscheinlich fiel ihren Lehrern gar nicht auf, dass sie Talent zum Schreiben hatte. Sie verfasste kleine Gedichte und spielte mit Reimen, kaum dass sie ihren Namen schreiben konnte. Ihrer Mutter schrieb sie kleine Briefe, besonders dann, wenn Penny ihr Ärger machte, weil sie ihr Zimmer nicht aufgeräumt hatte. Dann schloss sie sich ein, schob eine Notiz unter der Tür hindurch und ließ ihre Mutter wissen, dass sie erst nach einem Jahr wieder herauskommen würde. Schon als kleines Mädchen fiel es ihr leichter, ihre Gefühle zu Papier zu bringen, als sie auszusprechen.

Alle paar Monate, vor allem in den Schulferien, packte Penny ihre Siebensachen in den Kofferraum des Citroëns, schnappte sich Adele und fuhr über die M4 nach Penarth zu Oma und Opa. Penny wusste, bei ihren Großeltern war ihre Tochter in guten Händen, wann immer sie eine Auszeit brauchte. Und Adele liebte ihre Großeltern über alles.

Ihr Opa John widmete ihr viel Zeit und wurde für sie zu einer Vaterfigur. Er war richtig vernarrt in seine kleine Enkelin. Marc erzählt: „Adele verbrachte fast den ganzen Sommer bei meinen Eltern, und meistens spielte mein Dad mit ihr. Oder er erzählte ihr Geschichten und zeigte ihr irgendwelche Sehenswürdigkeiten.“

John war erst Mitte vierzig, als Adele zur Welt kam. Kräftig und energiegeladen, war er mit seinen dunklen Haaren im Gegensatz zu seinen Söhnen eher ein keltischer Typ. Er entsprach nicht unbedingt der gängigen Vorstellung von einem Großvater, aber er stand für konventionelle Werte: „Mein Dad hat immer viel gearbeitet. Er war eine durch und durch ehrliche Haut. Einfach ein netter Kerl.“

John verstand sich auch prima mit Penny. „Er hatte meine Mum einfach gern“, erinnert sich Adele. Manchmal wollten John und Rose nicht so lange warten, bis Penny und Adele wieder einmal nach Penarth zu Besuch kamen. Dann machten sich die stolzen Großeltern auf den Weg nach London und nahmen sich ein Zimmer in einem B&B.

Auch bei der großen Familie ihrer Mutter fühlte sich Adele wohl, aber in Tottenham war sie nur eine von vielen. In Penarth dagegen stand sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Manchmal brachte Adele ihre Cousine Cema mit, Tante Kims Tochter, die gleichzeitig ihre beste Freundin war. Kim war seit 1982 mit Ahmet, einem Türken, verheiratet und hatte mit ihm vier Kinder: Bren, Cema-Filiz, Erol und Erden.

Ab und zu verbrachten Penny und Adele auch Weihnachten in Südwales, wo sie natürlich rundum verwöhnt wurden. Eins der ersten Weihnachtsgeschenke, das Adele von ihrem Vater bekam, war eine rote Spielzeuggitarre, an der sie sehr hing. Vorher hatte sie oft versucht, auf Pennys Gitarre zu spielen, doch dafür war sie schlicht und einfach noch zu klein. Und jetzt hatte sie endlich selbst eine.

Die Feiertage waren immer etwas Besonderes, und Penny ließ sich jedes Mal etwas für ihre Tochter einfallen. Einmal schnitt sie an Heiligabend, als alle anderen schon schliefen, Fußabdrücke aus Zeitungspapier aus und legte sie auf die Treppe. Als Adele am nächsten Morgen aufstand, rief sie: „Schau mal, Adele, da ist das Christkind hochgelaufen. Es war also schon bei uns.“

Die beste Zeit des Jahres waren für Adele aber die Sommerferien, wenn sich ihre Großeltern mit dem Wohnwagen auf die Reise machten. Marc, der auch mitfuhr, wenn er nicht arbeiten musste, erinnert sich: „Mum und Dad waren begeisterte Camper. Sie trafen sich immer mit ein paar gleichgesinnten Freunden. Da wurde viel gelacht und gesungen. Mein Dad konnte eine echte Stimmungskanone sein. Adele hat das großen Spaß gemacht. Sie war ja noch klein. Für sie war das ein echtes Abenteuer.“

Obwohl sie in der näheren Umgebung blieben, kam es einem Mädchen aus Tottenham wahrscheinlich vor wie die große weite Welt. Sie fuhren an der Küste entlang und machten an der Three Cliffs Bay auf der malerischen Gower-Halbinsel Station, oder sie fuhren weiter in Richtung Westen zum Kiln Park in Tenby, einem der schönsten Urlaubsziele in Pembrokeshire.

Adele mit ihren grünen Augen war ein fröhliches blondes Mädchen, und es fiel ihr nicht schwer, in Südwales Freunde zu finden. Von Marcs alten Bekannten hatten viele mittlerweile selbst kleine Kinder, und sein Töchterchen aus London war ihnen immer willkommen. „Sie war ein liebenswertes kleines Mädchen“, erzählt der stolze Vater. „Sie war eins von den Kindern, die, wenn sie eine Tüte mit Süßigkeiten haben, allen anderen etwas abgeben, bis für sie selbst fast nichts mehr übrig bleibt.“

Damals war Adele eher ein bisschen zu dünn, obwohl sie kaum Sport trieb. Und sie war nicht besonders mädchenhaft. „Sie war witzig und kam immer sofort mit allen in Kontakt“, sagt Marc. „Sie war ein richtiger Wildfang. Mit Puppen hatte sie nichts am Hut. Sie hat lieber draußen herumgetobt.“

Einmal wurde die Idylle jedoch getrübt. Niemand wird den Tag so schnell vergessen, an dem Adele in Tenby spurlos verschwand. Marc war zum Windsurfen am anderen Ende des Strands gewesen, und als er zu seinen Eltern und seiner Freundin zurückkam, fragte er: „Wo ist Adele?“ Aber sie war nirgends zu sehen. Kurz vorher war sie noch auf einem Trampolin herumgehüpft, und dann war sie plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.

Marc geriet sofort in Panik: „Stell dir vor, du verlierst dein Kind an einem überfüllten Strand. Das ist ein echter Horror. Meine Mum kreischte hysterisch herum. Hinter uns trieben sich zwei alte Penner in den Sanddünen herum. Ich bin also direkt zu ihnen hin und habe sie gefragt, wo meine Tochter ist. Es war der reinste Albtraum. Dann bin ich zur nächsten Frittenbude gelaufen und habe gefragt: ‚Kann ich mal telefonieren?‘ Ich wählte 999, und die Polizei, dein Freund und Helfer, war in fünf Minuten da.

Inzwischen herrschte regelrechte Panik. Ich habe mich hingesetzt, tief durchgeatmet und mich gefragt: ‚Wo kann sie sich nur verkrochen haben?‘ Dann ist mir das Boot eingefallen. Einen Tag vorher hatten wir einen Bootsausflug gemacht, also bin ich zu den Booten rübergelaufen. Eine Frau kam mir entgegen und fragte: ‚Suchen Sie vielleicht ein kleines Mädchen mit einem gelb-rosa Kleid?‘ Sie zeigte auf die Anlegestelle – und tatsächlich: Da saß Adele am Ufer und spielte. Ich habe sie auf die Beine gestellt und ihr vor Schreck und Erleichterung einen Klaps auf den Hintern gegeben. Sie hat gar nicht mehr aufgehört zu heulen. Tagelang hat sie kein Wort mit mir geredet.“

Während in Pennys Wohnung der coole Sound der Achtziger lief – außer The Cure auch 10,000 Maniacs und Jeff Buckley –, schwärmte Adele für die Bands, die auf dem Schulhof für Furore sorgten. Und im Sommer 1996 gab es für die Mädchen nur eine Gruppe: die Spice Girls.

Adele tanzte schon bald durchs Schlafzimmer und sang dazu Wannabe, den ersten Nummer-eins-Hit der Girlie-Band, der im Juli alle Rekorde brach. Adele gehörte zu den Millionen Menschen rund um den Globus, die den Song Wort für Wort mitsingen konnten, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was „zig-a-zig-ah“ eigentlich bedeuten sollte. Auch zwanzig Jahre später hat sie den Text noch drauf, wie sie bei einer Autofahrt durch London mit James Corden beweist. Für den Einspieler „Carpool Karaoke“ in seiner Talkshow singt sie den Song einfach so aus dem Stand.

Eine Zeit lang waren die Spice Girls die erfolgreichste Band der Welt. Mit ihrer Mischung aus energiegeladenen, eingängigen Songs und aufreizenden Posen hatten sie sich ein gut verkäufliches Girl-Power-Image zugelegt und schafften auch in Amerika den Durchbruch. Geri Halliwell hatte ein echtes Händchen für Publicity und verkörperte einen völlig neuen Typus des weiblichen Popstars. Auch Adele war beeindruckt von ihrem Temperament: „Als ich Geri zum ersten Mal sah, dachte ich nur: ‚Scheiße, das will ich auch machen. Ich will so sein wie Ginger Spice.‘“

Ginger war Adeles Favoritin, doch als Geri Halliwell bei den Spice Girls ausstieg, wechselte Adele zu Mel B, Scary Spice, die ein ebenso loses Mundwerk hatte und nicht weniger provokativ auftrat. Trotz ihres jungen Alters ließ sich Adele von der Girl-Power-Bewegung inspirieren. Die von den Spice Girls aufgestellten goldenen Regeln lauteten:

Sei positiv!

Sei stark!

Lass dich von niemandem unterkriegen.

Nimm dein Leben und dein Schicksal in die eigenen Hände.

Hilf deinen Freundinnen, und lass dir auch von ihnen helfen.

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