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Die blaue Mauer

Als Buch hier erhältlich:

Ein außergewöhnlicher Roman über Migration und Exil – eindringlich, bewegend und höchst aktuell

Drei unterschiedliche Frauen – Dima, eine aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Syrerin, Chochana aus Nigeria und Semhar aus Eritrea – finden sich an Bord eines Kutters wieder, vereint in der gleichen Hoffnung auf ein neues Leben in Europa.
Dima lebte ein privilegiertes Leben in Aleppo, bis die ersten Autobomben zu explodieren begannen. Die unternehmungslustige und ehrgeizige Chochana stammt aus einer jüdischen Igbo-Gemeinde in Nigeria. Sie war dazu bestimmt, Jura zu studieren, bevor Dürre und Armut sie zwangen, das Studium aufzugeben und aus ihrem Land zu fliehen. Semhar träumte davon, Lehrerin zu werden, bevor sie zum endlosen nationalen Dienst in der eritreischen Armee eingezogen wurde, wo sie sich weigerte, ihre Jugend zu verlieren.
Louis-Philippe Dalembert zeichnet ebenso einfühlsame wie unbeschönigende und humorvolle Porträts der drei Protagonistinnen. Während der schrecklichen Fahrt auf dem behelfsmäßigen Boot zeigen sie eine Solidarität, die ihre so verschiedenen Herkünfte nicht hätte vermuten lassen.
Inspiriert von der Tragödie eines Bootes mit illegalen Einwanderern, das 2014 von einem dänischen Öltanker gerettet wurde, legt Dalembert hier einen eindringlichen Roman über Migration und Exil vor.

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»... Nachbarn und Freunden aus Kindertagen war es nach zig mageren Jahren irgendwann gelungen, in Italien oder Deutschland Fuß zu fassen. Oder in England, in der alten Hauptstadt, wo mittlerweile eine große Diaspora lebte. Zu zwei alten Freunden hatte Chochana noch Kontakt. Glaubte man ihnen, dann war Europa eine so uneinnehmbare Festung wie die Eiswand in dieser Serie, der sie gerade verfallen war, ›Game of Thrones‹. Man brauche Jahre, um dort hinzugelangen, und noch länger, um hineinzukommen. Als liege dieser Kontinent auf einem anderen Planeten, Lichtjahre von der Erde entfernt.«
  • Erscheinungstag: 15.03.2021
  • Seitenanzahl: 320
  • ISBN/Artikelnummer: 9783312012084

Leseprobe

Leinen los!

Als der Kerkermeister das Lager betrat, brach über Sabratha gerade die Nacht herein. Mit einem Schlag machte die Sonne einem rabenschwarzen Himmel Platz, langsam stieg eine bleiche Mondsichel auf, über der angrenzenden Wüste standen die ersten Sterne. Der Mann richtete den Lichtkegel seiner Taschenlampe auf ein ergreifendes Gewirr aus zahllosen verknäuelten Leibern, die auf dem nackten Betonboden oder, wenn sie mehr Glück hatten, auf hie und da verstreuten Matten lagen. Als die Frauen hörten, wie der Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, rückten sie trotz der Schwüle noch enger zusammen. Als wollten sie sich vor einer Gefahr schützen, die nur von außen kommen konnte. Schnell breitete sich in dem Raum ein widerwärtiger Eau-de-Cologne-Gestank aus und vermischte sich mit der abgestandenen Luft. Der Lichtkegel schwenkte über von täglichen Schikanen und Entbehrungen entstellte Gesichter und machte schließlich auf einem halt, das sich vor Angst verzerrte. »You. Out!«, hallte es durch den Raum, ein entschieden ausgestreckter Zeigefinger räumte jeden Zweifel aus. Aber die junge Frau, die gemeint war, fasste sich trotz ihrer Verzweiflung schnell und nahm, um den drohenden Schlägen zu entgehen, das Bündel mit ihren Habseligkeiten hastig auf.

Normalerweise wählte der Kerkermeister, dieser oder ein anderer, drei oder vier Frauen aus. Stunden später, manchmal auch erst am Abend, brachte er sie zurück und warf sie den anderen, die am Boden kauerten, wie einen Müllsack vor die Füße. Die Frauen flüchteten sich dann meistens in eine Ecke, vergruben sich in ihren Schmerz oder in die Arme der wenigen, die noch ein bisschen Mitgefühl für sie übrighatten. Manche schluchzten leise, aber aus Scham- und Ehrgefühl höchstens kurz. Alle wussten, welche Hölle die »Wiedergängerinnen« durchmachten, wenn man sie der Gruppe entriss und irgendwann wieder ins Lager zurückbrachte. Auch die Neuankömmlinge: Sie wurden von den alten Häsinnen eingeweiht. Und sollte das nicht genügen, verriet ihnen der Zustand der Unglücklichen, die sich mit der einen Hand den Bauch, mit der anderen das Gesäß und manchmal auch das geschwollene Gesicht hielten, was sie demnächst erwartete, wenn sich der Schlüssel im Schloss drehte.

Doch an diesem Abend suchte der Aufseher wesentlich mehr Frauen als sonst aus und stieß sie, damit sie schneller machten, wüst schimpfend vorwärts: »Move! Move! Alles mitnehmen. Los, bewegt euren Arsch.« Gott allein wusste, wonach er die Frauen aussuchte, so schnell ging alles. Doch zufälligerweise gehörten Semhar und Chochona beide dazu. Wenn sie nicht gerade austreten mussten oder der Kerkermeister wie damals nur die eine holte, waren sie unzertrennlich. Wären da nicht die Unterschiede im Äußeren und der Herkunft – Semhar eine kleine, magere Eritreerin und Chochana eine füllige Nigerianerin – man hätte die beiden für eine Koala-Bärin mit ihrem Jungen halten können. Nicht nur schliefen sie eng aneinandergeschmiegt, teilten sich das wenige Essen, das sie bekamen, und sprachen sich auf Englisch, das Semhar als Nichtmuttersprachlerin ziemlich gut beherrschte, tröstende Worte der Hoffnung zu, beide beteten auch, zwar in einer der anderen unverständlichen Sprache, und summten ihre eigenen geheimnisvollen Lieder vor sich hin. »Egal was passiert«, dachte Semhar, »wenigstens haben wir uns.«

Schließlich standen in der Dunkelheit ungefähr sechzig Frauen vor dem Lager, drängten sich aneinander und warteten auf die Befehle des Zerberus. Instinktiv und durch Gerüchte, die sie gehört hatten, wussten sie, jede Flucht war sinnlos. Selbst wenn sie ihren Peinigern entkommen würden, wo sollten sie hin? Die Lagerhalle, in der man sie festhielt, lag weit von der nächsten Stadt entfernt. Eine Viertelstunde Fahrt über eine ungeteerte Piste, auf der aber offenbar nur die Aufseher mit ihren Geländewagen und die Pick-ups verkehrten, mit denen man sie in diesen gottverlassenen, baufälligen Kasten gebracht hatte. Andere Motorengeräusche waren jedenfalls nicht zu hören. Keine Chance, zufällig einer barmherzigen Seele zu begegnen, die den Mut hatte, ihnen zu helfen.

Die Wagemutigeren mussten teuer dafür bezahlen, vielleicht sogar mit dem Leben. Von diesen Draufgängerinnen hatte nie wieder jemand etwas gehört. Aber vielleicht hatten sie ihr Ziel ja doch erreicht. Wer weiß! Gott ist groß. Elohim ha-Gadol. Ihre Wanderschaft war zu Ende und sie lebten in einem Land, wo Milch und Honig flossen. Aber vorher mussten sie monate- oder jahrelang die Straßen der Kontinente durchmessen, Stürmen und Fluten, Wäldern, Wüsten und den verschiedensten Katastrophen trotzen. Um schließlich in einem miesen Land zu landen, das sie sich nicht ausgesucht hatten, in dieser namenlosen Hölle, in der man sie als Geiseln hielt. Wo sie zu Zwangsarbeiten aller Art verdammt waren und ungewollt mithalfen, ihre Verwandten in der Heimat zu erpressen. Weil sie auf eine Überfahrt hofften, die ganz und gar von den Launen der Schlepper abhing.

Die Frauen blieben also zusammen und wagten kaum zu atmen. Als weitere Taschenlampenkegel die Dunkelheit durchschnitten, erkannten sie, dass sie von drei bewaffneten Männern umstanden waren. Nach langen Minuten schließlich der Befehl des Aufsehers, voranzumachen. Wie immer in diesem harten Englisch, »Move!«, wie ein Peitschenschlag auf den Rücken einer Sklavin, und dann der gebrüllte Befehl auf Arabisch: »Yallah! Yallah!« Man trieb sie in Richtung zweier Pick-ups, die hundert Meter weiter standen. Um den Ladevorgang zu beschleunigen, waren die Klappen schon umgelegt. Trotz des Gedränges schafften es Chochana und Semhar auf dasselbe Auto; aber kaum hatten sie Platz gefunden, ließ ein lauter Knall alle zusammenzucken. Als habe man auf eine Flüchtende geschossen. Einer der Schlepper hatte hinter ihnen nur die Klappe zugeknallt. Die Frauen saßen auf der Ladefläche so dicht, dass sie sich kaum rühren konnten. Dann nahm der Kerkermeister vorn neben dem Fahrer mit Turban Platz, die beiden anderen Halunken stiegen in die Fahrer-kabine des nebenstehenden Pick-ups. Der Kerkermeister streckte einen Arm durchs Fenster und schlug mit der flachen Hand gegen den Wagen, das Signal zum Aufbruch. Die Autos rasten los, bretterten eine halbe Stunde mit ausgeschalteten Scheinwerfern über die Piste, bis sie das Meer erreichten. Semhar und Chochana merkten es am Geruch und der rauschenden Brandung. Wie spät es war und welches Datum, wussten sie nicht.

Etwas früher am selben Tag warteten in der ungefähr 70 Kilometer entfernten Altstadt von Tripolis mehrere klimatisierte zwanzigsitzige Minibusse vor einem Dreisterne-Hotel mit einem gutmütigen, livrierten Portier. Schon von Weitem verrieten erste Wortfetzen die wirbelnden Kinder, die in einem deutlich anderen arabischen Dialekt als dem libyschen durcheinanderschrien. Dicht dahinter elegant gekleidete Erwachsene mit Rollkoffern, die sie zum Einladen neben dem Auto abstellten, das man ihnen zuwies. Die Männer, iPhone am Ohr, vorneweg. Die Frauen stolz mit Markenhandtaschen; ab und zu fischten sie nach einem Schminkspiegel, rückten eine Haarsträhne zurecht, nahmen einen Lippenstift oder das Handy heraus, daddelten mit sorgfältig manikürten Fingernägeln darauf herum. Manchmal zogen sie auch ein Bonbon oder einen Keks für ein Kind hervor, das mal kurz vorbeischaute, doch dann war es endlich Zeit zur Abfahrt und sie konnten hinter den getönten Scheiben Platz nehmen.

Dima, ihr Mann Hakim und ihre beiden Mädchen waren unter den ersten, die einstiegen. Ihr Kontakt hatte sie am Abend benachrichtigt, dass es morgen losgehen würde. »Und diesmal ist es sicher? Kein fauler Trick?«, hatte Dima gefragt. »Beim Heiligen Koran«, gab der Typ selbstbewusst zurück. Es war der 16. Juli 2014, und sie warteten schon einen Monat. Immer wieder fragten ihre Töchter sie, wann es denn endlich nach Europa losgehen würde, und sie hatte keine überzeugende Antwort parat. Seit ihr Vorrat an glaubwürdigen Erklärungen erschöpft war, musste sie sogar auf Gemeinplätze wie »In zwei Tagen, inschallah, meine Süße« zurückgreifen und hoffte jedes Mal, dass die Mädchen es vergessen würden. Eines Tages sagte Hana, ihre Älteste, genervt, Allah wolle wohl, dass ihre Familie in diesem Hotel bleibe, zu viert in einem Zimmer, wo sie keine Freundinnen habe und sich, anders als zu Hause, ein Zimmer mit der kleinen Shayma teilen müsse. »Hör auf, das ist Gotteslästerung!«, hatte Dima geschrien. Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, setzt es was.« Und hinzugefügt: »Die Wege Allahs sind unergründlich. Nur er kennt das Schicksal der Sterblichen.« Sie wusste, dass sich hinter ihrem Ärger eigentlich Ohnmacht verbarg. Aber was blieb ihr anderes übrig? Und als der Typ dann sagte, am nächsten Tag würde es endlich losgehen, konnte sie, nachdem er weg war, die Freudentränen nicht zurückhalten.

Sie hatte es satt, sich zu viert in diesem 18-Quadratmeter-Zimmer zu verkriechen. Schon nach einer Woche hatte es ihr gereicht, in Tripolis und Umgebung die Touristin zu spielen. Darum waren sie schließlich nicht hier. Sie konnte es nicht mehr sehen: die Zitadelle Saint Gille, den Clock Tower, den Souk Al-Harajb, den Ezzedine Hammam und die zig Moscheen der libyschen Hauptstadt (Möge Allah in seiner Barmherzigkeit ihr verzeihen). Und sie wollte auch keine Leute mehr treffen, erst recht nicht zum Schein, die sie in Aleppo nicht einmal gegrüßt hätte. Gemeinsam Tee trinken, essen und dabei noch lächeln. »Wir sitzen doch alle im selben Boot«, sagte Hakim, um ihr den sauren Apfel schmackhaft zu machen. »Es sind doch Landsleute.« Na und? Und sie hatte auch genug von diesen verstohlenen Umarmungen, wenn die Kinder schliefen, wo sie doch gern richtig vögelte. Eigentlich sollte das Ganze nur drei Tage, höchstens eine Woche dauern. Und jetzt versauerten sie schon seit einem Monat in diesem schäbigen Zimmer. Wenn sie nicht aufpassten, würden sie hier noch Wurzeln schlagen. Es fehlte nicht viel, und sie war mit ihrer Geduld am Ende. Schmiss alles hin und kehrte nach Syrien zurück. Komme doch, was wolle! Und dann sagte der Typ, dass es losgehen würde. Endlich.

In der Nacht machte Dima kaum ein Auge zu. Sie dachte an ihre Familie, ihre Freunde, ihr Land, den sicheren Job, an alles, was sie zurückgelassen hatte: Wenn sie mit der zweiten Reiseetappe jetzt Tripolis verließen, würde der Abstand zur Heimat noch größer werden. Dann gab es wohl kein Zurück mehr. Und dabei wussten sie nicht einmal, wie man sie dort aufnehmen würde. Ob man sie als Flüchtlinge anerkannte und sie ein neues Leben beginnen konnten. Auf jeden Fall würden sie eine neue Sprache, einen anderen Lebensstil, neue Sitten und Gebräuche lernen müssen. Ihren Gaumen an fremde Gerichte gewöhnen, die es mit der syrischen Küche bestimmt nicht aufnehmen konnten. Doch wenn sie es nach alldem wirklich nach England schaffen würden, wäre die Pille nicht ganz so bitter. Für ihre Töchter wäre das auch eine Chance. »Englisch kann man überall gebrauchen.«

Doch bislang stand nur eins sicher fest: dass sie das Schiff nach Lampedusa bringen würde. Dieses dreihundert Kilometer entfernte und gottverlassene Sandkorn mitten im Mittelmeer gehörte offenbar schon zu Italien. Wie Dima auf Google Maps gesehen hatte, lag die Insel auf Höhe von Tunesien, südlicher als manche nordafrikanische Stadt. Wenn man ihrem Kontakt glauben konnte, dauerte die Überfahrt eine Nacht und den folgenden Vormittag. Und wenn der Seewetterdienst recht hatte, vielleicht noch weniger. Allerdings hatte sie in diesem Monat gelernt, dem komischen Kauz zu misstrauen. Das Mittelmeer war hoffentlich vertrauenswürdiger. Ihren Lebtag hatte sie ja noch kein Schiff bestiegen, sie lebte schließlich weit entfernt vom Meer. Zum zehnten Hochzeitstag hatte ihr Hakim eine Woche Urlaub am goldenen Sandstrand von Lattakia versprochen und jeden Abend eine Schiffsrundfahrt mit Diner.

Aber drei Monate vorher kam der Krieg nach Aleppo und sie hatten andere Sorgen, mussten ihr tägliches Überleben sichern. Am Ende waren sie zu ihrem Bruder in Damaskus geflüchtet und hatten sich dann, eigentlich undenkbar, dazu entschieden, über Schlepperrouten nach Europa zu gelangen. Nächtelang hatte sie wach gelegen und gegrübelt. Und für alle Fälle Tabletten gegen Seekrankheit in ihre Handtasche gesteckt. Wer wusste schon, wie ihr und der Magen ihrer Töchter reagieren würde. Und jetzt war der Tag plötzlich da und zog sich fast unerträglich in die Länge. Eine Stunde kam ihr wie eine Woche vor. Dann auf einmal der heiß ersehnte Anruf. Sie sollten herunterkommen und bloß nicht vergessen, die Rechnung an der Rezeption zu bezahlen. Die Busse würden vor dem Hotel warten.

Erst als sie ausstiegen und aus dem Chaos der Fahrt langsam wieder auftauchten, begriffen Semhar und Chochana es wirklich. Zuerst dachten sie, sie wären einfach an einem anderen Ort. Das kam vor. Manche Frauen brachte man nach Tripolis, Zuwara oder in andere libysche Städte, ehe sie dann in der Lagerhalle strandeten. Und es war auch kein schlechter Scherz dieser Henker. Es ging wirklich los. Der große Tag war da. Genau dafür hatten sie, in wörtlichem wie übertragenem Sinn, den hohen Preis gezahlt, Grausamkeiten und Entbehrungen ausgehalten, zig Misslichkeiten erlitten. Doch es blieb kaum Zeit, sich zu freuen, schon schob man sie auf überfüllte Schlauchboote, in denen sie aber dennoch auf weitere Passagiere aus Minibussen warten mussten. Dann erst brausten die Boote in Richtung offenes Meer los. Nach dreißig bis vierzig Minuten legte das Schlauchboot, in dem die beiden Freundinnen saßen, an einem Schiff bei, das in der Dunkelheit riesig schien, also sicher. Das war Chochanas erster Gedanke. Semhar dachte etwas ganz anderes, nämlich das Mittelmeer rieche nicht so streng, irgendwie lieblicher als das Rote Meer.

Als sie mit Hochklettern an der Reihe waren, hingen sie plötzlich an der Strickleiter und kamen nicht weiter. Eine arabi-sche Lady, die offensichtlich keinen Gedanken an die Passagiere hinter ihr verschwendete, versperrte den Weg. Chochanas Geduld hatte ihre Grenzen, doch ein Schlepper erstickte den sich entzündenden Wortwechsel glücklicherweise im Keim. Der Abendhimmel tauchte das Deck in ein schwaches Licht. Drei Männer geleiteten die Freundinnen zu einer Leiter, die in den Frachtraum führte. Unten angekommen, bahnten sie sich mühsam einen Weg durch die vielen Menschen, die anscheinend schon dort versammelt waren. »Willkommen bei den Frachtlern«, scherzte jemand in der Dunkelheit auf Französisch. Semhar und Chochana hielten sich wie zwei Ertrinkende an einer Rettungsboje noch immer fest an der Hand. Einige Minuten später hörten sie, wie weitere Schlauchboote an dem Fischtrawler beilegten, dann Schritte über ihnen auf dem Deck.

Hana und Shayma waren einfach nur glücklich, dass es endlich losging. Das Warten hatte ein Ende. Aufgeregt hingen sie an ihren Eltern, die nach einem passenden Platz zwischen den vielen Passagieren suchten, die man auf Deck zusammengepfercht hatte. Hakim vorneweg, Dima am Schluss. Schließlich fand ihr Vater eine Stelle, wo sie eher unbequem am Boden saßen, aber nah bei der Reling, falls sich einer übergeben musste. Mit dem Schiff, von dem Dima geträumt hatte, hatte das hier wenig zu tun. Doch das war wohl der Preis, den sie zahlen mussten, um dem Krieg und den Albträumen zu entkommen. Die Überfahrt würde ja nicht ewig dauern. Nicht so ewig jedenfalls wie die wochenlangen Bombenangriffe und Kreuzfeuer der verfeindeten Parteien. Wie lange hatten sie im Keller ausharren müssen. Unter dem Arm die zwei Koffer, die ihr gesamtes Leben enthielten. Die Gesichter der anderen Passagiere konnte Dima im Halbdunkel kaum erkennen, aber Hauptsache, sie saßen nicht neben so komischen Leuten wie diesen beiden sindschiyat, diesen unverschämten schwarzen Weibern, mit denen sie sich beim Einschiffen in die Haare gekriegt hatte.

Als der Motor startete, stank es nach Diesel, und ein ohrenbetäubendes Knattern zerriss die mittlerweile pechschwarze Nacht. Kurze Zeit später merkte man, dass der Fischtrawler fuhr. Auch Chochana und Semhar unten im Frachtraum spürten die Bewegung. »Danke, mein Gott« und »Baruch Haschem« sagten sie jeweils im Stillen und hielten sich dabei so fest an der Hand, dass es schmerzte. Wie Kinder, die sich in der Dunkelheit Mut machen wollen. Semhar deutete bei ihren Worten ein Kreuz an, Chochana atmete einmal tief durch, um sich gegen das undurchdringliche Dunkel im Frachtraum zu wappnen.

Und auf Deck flüsterte Dima, eingezwängt zwischen ihrer Familie, anderen Passagieren und der Reling: »Shukran Ya Rabbi«. Als eine leichte Brise ihr Gesicht streifte, trieb es ihr die Tränen in die Augen, Tränen der Erleichterung und Hoffnung.

Chochana

Wo Chochanas Heimatdorf von einer Dürre heimgesucht wird, so furchtbar wie die zehn Plagen, die HaSchem Ägypten sandte, damit der Pharao die Kinder Israels ziehen ließ. Der Fluss trocknet aus, die Erde wird unfruchtbar, die Herden schrumpfen, und schließlich treibt es die Jugend auf allen Wegen übers Mittelmeer.

Gedenke an ihn in allen deinen Wegen,

so wird er dich recht führen

Sprüche, 3,6

Der Aufbruch

Daran würde sich Chochana bis ans Lebensende erinnern. Es war ein Samstagabend nach dem Sabbat, und schon am Vorabend bereitete sie alles vor. Na ja. »Alles« war eigentlich nichts weiter als ein Rucksack mit dem Allernotwendigsten: Hose, zwei Oberteile, drei Mal Wechselwäsche, Monatsbinden. Essen für drei Tage, eine anderthalb Literflasche mit Wasser, die sie unterwegs nachfüllen würde. Das Geld verteilte sie auf mehrere Rucksackfächer, Schuhabsätze, Hosentaschen und ihren Jeansbund. Falls sie von Straßenräubern überfallen würde. »Man darf nicht alles auf eine Karte setzen, das weiß jede Fünfjährige.« Außerdem ihren »Hand der Fatima«-Anhänger, der einen Davidstern in der Mitte hatte – dieser Anhänger hielt böse Geister fern und half ihr in der Not. Wenn sie ihn wie im Dorf am Hals trug, würden ihr die Wahnsinnigen von Boko Haram, sollte sie denen in die Hände fallen, totsicher die Gurgel durchschneiden. Darum lag er ganz unten im Rucksack, unter lauter Kleinkram gut versteckt, in einer doppelten Tasche mit sicherem Reißverschluss. So hatte sie ihn jederzeit in Reichweite. Nur eine Tora packte sie nicht ein, obwohl ihre Mum das wollte, und natürlich hatte sie eigentlich recht, doppelt hielt besser, aber das war wirklich too much.

Das bereitete Chochana am Abend vor ihrem Aufbruch vor. Alles andere hatte sie schon seit Monaten, wenn nicht Jahren minutiös geplant, genauer gesagt, seit sie sich damit abgefunden hatte, dass es in ihrem Heimatland keine Zukunft für Menschen ihres Alters gab. Und sie nicht Jura studieren konnte, wie es ihr Vater erträumte, der sie schon als Staranwältin in Lagos oder Abuja sah, wo sie den Großkopferten das Maul stopfte. Irgendwann hatte sie das auch selbst geglaubt. Aber dann kam die große Dürre, so grausam wie eine elfte Plage, und hörte nicht mehr auf. Doch sie war nicht der Mensch, der sich aus einer Laune heraus für irgendetwas entschied. Sie nahm sich die Zeit, alles abzuwägen, von den Erfahrungen anderer, Erfolgen und Misserfolgen, zu profitieren. Den Alten zuzuhören, die nicht nur den Verhaltenskodex der Gemeinschaft bestimmten, sondern oft auch die richtige Richtung wiesen. Nach ihrer Meinung hatten sich die Zeiten geändert und verhießen nichts Gutes. Im Gegenteil. »Es werden noch dunklere Tage kommen«, prophezeite ihr einer mit dem weißen Vollbart des Patriarchen.

Wenn man früher, vor dieser finsteren Zeit, ein Samenkorn in die Erde legte, dann wuchs es von ganz allein. Man musste nichts tun. Manchmal schüttete man sogar nur Abwasser mit Tomatenkernen irgendwo hin, und ein paar Wochen später rankten schon die schönsten Pflanzen vorm Haus. Der Regen fiel so reichlich vom Himmel wie das Manna, das HaSchem den Israeliten in der Wüste vierzig Jahre lang schickte, um ihren Hunger zu stillen. Man konnte in Hülle und Fülle ernten, es reichte ein Jahr lang für die ganze Familie, und die Überschüsse verkaufte man noch in der Stadt. Und wenn es manchmal überreichlich regnete, sammelte man das Regenwasser als Vorrat für Äcker und Tiere. In der Erntezeit hatten die Familien gar nicht genug Arme und Hände, um alles zu ernten. Freunde und Freundesfreunde mussten mithelfen, damit die Früchte nicht am Feld verfaulten. Tage- und sogar wochenlang gab es genug Arbeit für alle. Frauen und Männer teilten sich die Aufgaben auf. Pflücken, Einkochen, je nach Können und Lust. Auch die ungeschickten Kinderhände halfen mit. So lernten sie für die Zukunft. Es war ein einziges großes Fest. Nach getaner Arbeit und trotz der müden Glieder redete, sang und tanzte man bis spät in die Nacht. Bis die Sterne am Himmel standen oder die ersten schon langsam verloschen. Beim ersten Tageslicht waren dann alle erneut auf den Beinen. Tagelang wurde nur gepflückt, außer in Familien wie der von Chochana. Dort begann am Freitag mit Sonnenuntergang der Sabbat, sie arbeiteten erst Samstagabend oder Sonntagmorgen wieder.

Nach den Worten der Alten fehlte es an nichts, und Chochana glaubte ihnen aufs Wort. Ihre Familie besaß unzählige Tiere. Soweit man gucken konnte, erklärte sie Semhar Jahre später. Schafe, Ziegen und sogar Kühe. Sie schaute gern beim Melken zu, und als Kind habe sie es mehrmals selbst versucht. Die sahnige, lauwarme Milch an den Fingern zu spüren, sei einfach göttlich. Einmal erwischte ihr Vater sie, als sie neben einer Ziege hockte, eine Hand am Euter. Er schimpfte sie aus, aber freundlich, denn ihr daddy liebte sie, seine Nachzüglerin, die er noch spät mit einer jüngeren Frau bekommen hatte, heiß und innig. Ihre Mutter tadelte ihn darum ununterbrochen. »Du vergötterst sie, Hiram. Du vergötterst sie geradezu.« Das sei keine Arbeit für seine Windrose, hatte ihr Vater damals noch hinzugefügt, er habe für sie größere Pläne.

Schakale oder Hyänen schafften es manchmal, die Hütehunde an der Nase herumzuführen, sich der Herde zu nähern und ein unerfahrenes Jungtier wegzuschleppen, das den Jäger nicht gewittert und die leisen Schritte überhört hatte. Die Hirten bemerkten den Verlust erst, wenn sie Wochen später das ausgeweidete Gerippe mit sonnenvergilbtem Gebiss entdeckten. Aber das, so sagten die Alten, sei eben die Natur. Und da nütze es nichts, sich querzustellen, es sei denn, man wolle, dass manche Arten aussterben. Aber diese Entscheidung stehe dem Menschen nicht zu. Jeder trage seinen Teil bei, jeder komme auf seine Kosten, das Leben gehe trotzdem weiter. Aber natürlich nur, wenn der Mensch nicht zu sehr unter den Folgen leide.

Dann wuchs das Dorf: Die Zahl der Geburten war hoch und auf der Flucht vor Unwettern, Naturkatastrophen und menschengemachten Plagen zogen viele aus anderen Landesteilen dorthin. Die Neuankömmlinge wohnten in provisorischen, schnell errichteten, schmucklosen Häusern. Das Dorf wandelte sich in kürzester Zeit, bei ihrer Bat-Mitzwa-Feier traf Chochana Leute, die sie noch nie im Leben gesehen hatte. Das Dorf verlor seinen Charme und seine Seele. Dann wurde der Regen seltener, die Erde trockener, und die Tiere starben, ohne dass man wusste, warum. Die einen zeigten mit dem Finger auf die vielen »Fremden«. Die Erde gebe genug, aber so viele Münder könne sie nicht ernähren. Andere meinten, die Neuankömmlinge, die den Boden nicht mit dem Schweiß und Blut ihrer Ahnen getränkt hätten, würden animistischen Riten anhängen und gewalttätige Geister wie Shango oder Ogun, den Hundefresser, herbeirufen. Und das würde Gott nicht gefallen. Dem Einzigen. Wahren.

Wenn man morgens aufstand, fand man sechs, sieben leblose Tiere, die Bäuche so aufgequollen, als hätten sie giftige Pflanzen gefressen. Auf den Kadavern saßen die Fliegen, dann kamen die Aasfresser und wurden langsam zum festen Bestandteil der Landschaft. Weil sie dort bequem schlemmen konnten, bewohnten sie bald Himmel und Erde. Chochana sah sie stundenlang über ihrem Kopf kreisen oder mit ihren großen Flügeln und krummen Schnäbeln auf der reglosen, toten oder sterbenden Beute hocken. Nicht selten stritten sich Schakale, Hyänen und Geier um die besten Stücke, während die Menschen hilflos zuschauten und nicht einmal mehr versuchten, sie zu verjagen. So musste man wenigsten keine Erde ausheben und die Kadaver zum Schutz vor Epidemien vergraben. Mit einem Flügelschlag war die Meute der Aasfresser da und räumte auf.

Offenbar lag ein Fluch über der Erde, die so unfruchtbar war wie Saras Leib, ehe HaSchem die Frau Abrahams in seiner unendlichen Güte gebenedeite und sie ein Kind gebar. Eine Erde, so hart wie trockenes Brot und voller Risse, die so breit waren wie zwei Erwachsenenhände. Wenn man barfuß lief, bekam man an den Fersen Schürfwunden. Mit dem Regen versiegten, anders als die Tränen der Menschen, auch die Wasservorräte. Chochana lief mit den anderen Kindern kilometerweit, nur um einen Eimer Wasser auf dem Kopf nach Hause zu balancieren. Die Brunnen der Umgebung reichten nicht mehr für alle. Doch niemand konnte sich das Unglück erklären. Sonst hätte man es vielleicht besser bekämpfen und wie in den gesegneten Zeiten, von denen die Alten sprachen, noch einmal von vorn anfangen können. Die Agraringenieure, die aus Abuja, Lagos oder mit NGOs aus aller Welt herbeieilten, sahen die Ursache einstimmig in der Erderwärmung. Aber niemand wusste, wie man die Erde herunterkühlen konnte. Wie man den Eltern helfen konnte, die Träume wahr zu machen, die sie für ihre Kinder hegten. Oder was man tun konnte, damit die Kinder ihren Vater nicht wie eine überempfindliche Frau weinen sehen mussten und glaubten, er fasele nur und die von ihm heraufbeschworenen gesegneten Zeiten seien nichts als Hirngespinste.

Chochana war sich nicht sicher, aber genau damals verließen wohl die ersten Leute das Dorf. Selbst die Neuankömmlinge gingen woandershin. Viele suchten ihr Glück in Lagos, aber kamen völlig hoffnungslos und starr vor Enttäuschung wieder zurück. Die größte Stadt des Kontinents mit ihren einundzwanzig Millionen Einwohnern sei das reinste Inferno. Voll endloser Verheißungen, die sich am Ende in Luft auflösten. Dort treffe sich das Übel aller Welt, Sodom und Gomorrha seien nichts dagegen. Die Dörfler sagten sich, dass sie weiter in die Ferne irren müssten, und machten sich ins Ausland auf. Überall dorthin, wo es irgendwie nach einem Leben aussah. In die Golfstaaten, wo sie, wenn die Gerüchte stimmten, wie Sklaven behandelt wurden. Die Männer Lasttiere, die Frauen Mädchen für alles waren. Doch sie bissen die Zähne zusammen, beugten sich, das war ja nicht ihr Land. Oder auch nach Libyen, wo die Bauindustrie im Höhenflug war und man gefügige Arme brauchte, die etwas aushalten konnten. Dorthin gingen vor allem zigtausende Männer. Die Frauen folgten später.

Die wirklichen Traumziele lagen in den nahen europäischen Ländern, während die weit entfernten Vereinigten Staaten wie eine Fata Morgana schienen. Den Atlantischen Ozean konnte man nicht eben mal so überqueren wie die Mittelmeer-Pfütze. Es sei denn, man gewann bei der jährlichen Einwanderer-Lotterie, die aber mehrere Hundert Dollar kostete. Da ist man zu sehr vom Zufall abhängig, sagte sich Chochana, als sie langsam ernsthaft überlegte zu gehen.

Nachbarn und Freunde aus Kindertagen war es nach zig mageren Jahren irgendwann gelungen, in Italien oder Deutschland Fuß zu fassen. Oder in England, in der alten Hauptstadt, wo mittlerweile eine große Diaspora lebte. Zu zwei früheren Freunden hatte Chochana noch Kontakt. Glaubte man ihnen, dann war Europa eine so uneinnehmbare Festung wie die Eiswand in dieser Serie, der sie gerade verfallen war, Game of Thrones. Man brauche Jahre, um dort hinzugelangen, und noch länger, um hineinzukommen. Als liege dieser Kontinent auf einem anderen Planeten, Lichtjahre von der Erde entfernt. Aber vielleicht erzählten die Leute aus der Diaspora das nur aus Egoismus?, fragte sich Chochana. Der Letzte macht die Tür zu, die Regel war doch so alt wie die Menschheit. Nach und nach wurden ganze Straßen im Dorf zu Geisterorten und verwandelten sich durch die Fantasie der Kinder, etwa von Chochanas kleinem Bruder Ariel, in Spielplätze.

Auch vor den Familien der Gemeinde, die lange verschont geblieben war, machte das Unglück nicht halt. An einem Samstag nach dem Sabbat trafen sich die Alten, darunter auch Chochanas Vater, und beratschlagten in der Synagoge die ganze Nacht. Als sie die Versammlung im Morgengrauen und nach endlosen Haarspaltereien verließen, empfahlen sie den auswanderungswilligen Gemeindemitgliedern das Alyah. Es sei besser, nach Israel auszuwandern, als sich auf den unsicheren Pfaden der Welt unkalkulierbaren Gefahren auszusetzen oder die Meere zu überqueren, die schnell zum Grab werden würden und sich nicht öffneten wie damals das Rote Meer für die Hebräer auf der Flucht vor den Soldaten des Pharao. Schließlich gebe es für alle Juden das Rückkehrrecht Ibos Bnei Israel. Im Heiligen Land würden die Dörfler Aufnahme unter Menschen ihrer Religion finden. Die äthiopischen Juden, die Falaschen, seien vor Jahrzehnten dank der Operationen Moses und Salomon ins Land Israel heimgekehrt. Jetzt seien sie an der Reihe.

Man schickte einen Abgesandten in die Hauptstadt Abuja, der einen Diplomaten der Botschaft kontaktieren und sich über die Situation informieren sollte. Es gebe, so erfuhr er, in Israel tatsächlich eine Kommission für Einwanderungsangelegenheiten, Integration und Diaspora, die sich allerdings an das Groß-Rabbinat von Jerusalem wenden müsse, das dann darüber entscheide, ob jemand Jude sei oder nicht. Und ob es sich um eine echte Gemeinde handele. Wenn sie als Juden anerkannt würden, gelte für sie das Rückkehrrecht. Und dann könne man die entsprechenden Schritte zur Einwanderung ins Eretz Israel in die Wege leiten. Im Übrigen könne die Gemeinde vollkommen beruhigt sein, ihr Vorgang liege ihm sehr am Herzen. Und der Regierung ebenso. Das Treffen, von dem der Bote in allen Einzelheiten berichtete, ließ die Gemeinde hoffen. Es sei, sagten die Alten, nur eine Frage der Zeit. Schließlich seien sie seit jeher Kinder Israels.

Ein langes Jahr später wurde der Abgesandte in die Botschaft von Abuja geladen. »Wir unterhalten uns besser von Angesicht zu Angesicht.«, sagte der Beamte mit einem an Verfolgungswahn grenzenden Misstrauen, »Mit den neuen Technologien weiß man ja nie, Sie verstehen schon.« In der Botschaft wurde dem Sondergesandten dann mitgeteilt, dass die Prüfung durch das Groß-Rabbinat länger dauern würde als erwartet. Man habe noch keine greifbaren Beweise für ihr Judentum gefunden, dafür, dass sie beispielsweise von einem der zehn verlorenen Stämme des Königreich Israel abstammten oder einem schwachen Moment König Salomons mit der Königin von Saba. Aber er könne ganz zuversichtlich sein, man nehme sich ihres Falls an oberster Stelle mit höchster Gewissenhaftigkeit an. Als der Bote den Alten davon berichtete, meinten sie, es handele sich dabei wohl wieder einmal um eine Talmud-Geschichte und die könnten Jahrhunderte dauern. Da führe eine Frage zur nächsten und jede wiederum zu neuen Haarspaltereien.

Solange das Ganze noch dauere, sollten sich die jungen Gemeindemitglieder, sofern sie die Mittel dazu hätten, ruhig woanders in Sicherheit bringen. Die Älteren blieben da, für sie sei es zu spät. »Ein Jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde«, habe schon der Prediger Salomo gesagt, urteilte der alte Hiram. Aber sie würden mit offenen Augen über die Synagoge wachen. In diesen unruhigen Zeiten mit Boko Haram wolle man schließlich nicht das Land verlassen und dann im Ausland erfahren, dass die Synagoge wie der erste Tempel Salomos zerstört worden sei. Und wenn die Antwort aus Jerusalem nicht erst nach biblischer Zeitrechnung eintraf, wäre jemand da, der sie entgegennehmen und alle Gemeindemitglieder informieren könne. Das Wichtigste sei, dass sie, egal, wohin sie auswanderten, mit der Gemeinde in Kontakt blieben. »Wir sind seit Jahrhunderten schwarz und jüdisch und werden das auch in Zukunft sein. Auch wenn es Jerusalem nicht gefällt.«, wetterte der Vater von Chochana, der sämtlichen Bärtigen der Heiligen Stadt am liebsten die ewige Verdammnis an den Hals gewünscht hätte.

On the Road

Nachdem Chochana alle Für und Wider, alle Chancen und Risiken sorgfältig gegeneinander abgewogen hatte, beschloss sie, sich ebenfalls auf die Reise zu machen. Die Alten und ihre Eltern gaben ihr den Segen. Und sie akzeptierten auch, ihre Mutter allerdings nur widerwillig, dass sie das Abenteuer mit ihrem siebzehnjährigen Bruder Ariel wagte. »Hier hat er keine Zukunft«, flehte Chochana und brachte alle Argumente vor, die während der langen Überlegungsphase in ihr gereift waren. Das weckte die Bewunderung ihres Vaters, der seinen Traum von der Tochter in Anwaltsrobe nun endgültig aufgeben musste. Ohnehin waren die Geschwister ja unzertrennlich. Ariel hing seiner älteren Schwester von klein auf am Rockzipfel. Er folgte ihr auf Schritt und Tritt, auch wenn er manchmal so müde war, dass seine große Schwester ihn auf dem Rückweg Huckepack nehmen musste und ihn anmotzte: »Ich bin nicht dein Packesel. Warte, bis du größer bist, dann ist es aus damit!«

Aber das hatte sich nicht geändert. Halb widerwillig, halb amüsiert schleppte Chochana ihn überall hin mit. Im Spaß warf sie ihm oft vor, dass er ihr von morgens bis abends an den Fersen klebe und sie so nie einen Freund finden würde. Und ihr schlagfertiger kleiner Bruder: »Du kapierst es nicht, sis. Ich bin doch dein Liebster.« Dann rannte er weg und Chochana, die ihm hinterherlief, drohte ihm Peitschenhiebe an, sollte sie bis fünfundzwanzig keinen würdigen Freund aufgegabelt haben. »HaSchem sei mein Zeuge.« Sofort ging Choulamite, ihre Mutter, die die Ohren immer gespitzt hatte, ärgerlich dazwischen und erinnerte ihre Tochter an das zweite Gebot: HaSchems Namen nicht zu missbrauchen. »Außerdem bist du ein schlechtes Vorbild für deinen Bruder.« Chochana, die sich umfassend informiert hatte, warnte ihren Bruder. Das hier wäre kein Spaziergang oder einer seiner Abenteuerfilme, die er so abgöttisch liebte.

Vor ihrer endgültigen Entscheidung fragte Chochana noch Rachel, ihre beste Freundin aus Kindergartenzeiten, um Rat, und die packte die Gelegenheit sofort beim Schopf. Schon seit Ewigkeiten spiele sie mit dem Gedanken, dieses Kaff endlich zu verlassen, sie habe die Nase gestrichen voll, aber so was von. »Das kannst du dir gar nicht vorstellen, ewig läuft man einem Job oder einem Typen hinterher, der dir dann erzählt, er könne keine Familie ernähren, sich aber eigentlich zu nichts verpflichten will. Sie wollen dich schwuppdiwupp flachlegen, aber es soll bitte sehr nichts kosten, verstehst du, keine Verpflichtungen bitte.« Chochana meinte, sie müssten vielleicht noch ein oder zwei weitere Männer auftun. »Du meinst wirkliche Männer, nicht nur Chochanas Filzlaus?«, wie Rachel Ariel nannte. Chochana gab zu, dass Ariel noch grün hinter den Ohren und zu sehr Muttersöhnchen sei, aber das stehe außer Diskussion, Ariel komme auf jeden Fall mit. Doch andere Männer würden ihnen vielleicht den Arsch retten, für alleinreisende Frauen sei es einfach noch gefährlicher. »Das ist das einzig Gute an den Typen. Nachts wird es verdammt kalt in der Wüste, du weißt, was ich meine?«, sagte Rachel lachend. Die Frage war nur: Wen?

»Keine Sorge, darum kümmere ich mich. Männer sind mein Gebiet«, sagte Rachel.

»Aber du sagst mir vorher, auf wen du ein Auge geworfen hast«, antwortete Chochana. »So oder so.«

Am Ende waren sie zu fünft. Chochana kannte Ezechiel und Nathan nur um drei Ecken, aber nachdem sie Lebenslauf, Stammbaum und Führungszeugnis geprüft hatte, gab sie ihr Okay. Alle fünf, außer Ariel, waren gleich alt, alle Gemeindemitglieder. Man kannte sich zumindest entfernt. Im Ernstfall, wusste Chochana, würde sich jeder auf jeden verlassen können.

Die junge Nigerianerin brauchte fast ein Jahr, um die richtigen Kontakte herzustellen. Sie wollten schließlich keinen Gaunern auf den Leim gehen. Von denen es in dem Land genug gab. Jeder suchte für sich irgendwie einen Ausweg, also einen Dummen, den man schröpfen konnte. »Wir haben so lange gewartet, da können wir auch noch länger warten. Wir dürfen nichts übereilen, sonst fallen wir auf Betrüger herein.«, sagte Chochana, pingelig wie immer, während die anderen langsam ungeduldig wurden, ihre Heimat unbedingt hinter sich lassen und in eine bessere Zukunft aufbrechen wollten. Dank der Buschtrommeln und Informationen, die sie im Internet fanden, waren sie gegen die plumpesten Tricks gewappnet. Die ersten sogenannten Agenten, also Bauernfänger auf Kundensuche für ihr Schleppernetzwerk, mit denen sie Kontakt aufnahmen, versuchten vergeblich, sie nach Benin City zu locken. Chochana lehnte das Angebot rundum ab.

Benin City, drei Stunden von der Hafenstadt Onitsha entfernt, hatte den Ruf, Zentrum eines Frauenhändlerrings zu sein, in dessen Netzen sich immer wieder naive Anwärterinnen auf eine Europareise verfingen. Zunächst nimmt man Kontakt mit einer »Madame« auf, einer ehemaligen Prostituierten und Puffmutter, die einem Arbeit in einem Kosmetiksalon in Italien oder Frankreich verspricht. »Du musst nur in dem Salon arbeiten, bis du deine Schulden für die Flucht zurückgezahlt hast.« Vor der Abreise wird das Mädchen noch einer Zeremonie, dem juju, unterzogen, das angeblich Glück bringen soll. In Wahrheit handelt es sich um ein Unterwerfungsritual, bei dem das Mädchen den magischen Kräften eines Zauberers erliegt und bei der Göttin Ayelala schwört, alle Befehle zu befolgen. Schon ist sie lebenslang an die Madame gebunden, von der sie selbst aus der Ferne überwacht wird. »Wenn du den Bund brichst«, sagt ihr der Zeremonienmeister, der mit der Madame unter einer Decke steckt, »ist Ayelala sehr verärgert. Deine Familienangehörigen sterben einer nach dem anderen wie die Heuschrecken. Und dann bist du an der Reihe, und dein Tod wird fürchterlich sein.« Das Mädchen wieder zu entzaubern, ist höllisch schwer.

Solchen und anderen Fallstricken konnte Chochana entgehen, und schließlich trieb sie einen Kontakt auf, der die fünf über Agadez in Niger nach Libyen bringen wollte, wo sie sich dann nach Europa einschiffen würden. Allerdings für eine ansehnliche Summe, die ratenweise vor jeder Etappe zu zahlen war. »In spätestens drei Monaten werdet ihr in Europa sein, garantiert.«, sagte der Agent, und gab ihr sogar sein Ehrenwort, dass sie von Abuja die Westroute nach Niger nehmen und so die gesetz- und gottlosen Banditen von Boko Haram meiden würden, die sich im Nordosten des Landes mehr und mehr breit machten. Selbst der Teufel würde diese Typen meiden wie die Pest, sagte der Agent, selber Muslim.

»Wir sind also vernünftige Leute und kümmern uns um eure Sicherheit. Aber ihr könnt gern anderswo nach Besserem suchen«, fügte er mit trockenem Humor hinzu.

Zunächst ging es um den Preis: 1200 Dollar pro Kopf nur bis Agadez. Aber Chochana, eine harte Geschäftsfrau, konnte auf 1000 Dollar herunterhandeln. Und damit nicht genug. Als sie den Rabatt herausgeschlagen hatte, verhandelte sie nach. Sie könnten doch auf eigene Faust bis nach Sokoto reisen, und in der Stadt, ungefähr hundert Kilometer vor der nigerianischen Grenze, würde sie die Karawane dann an einer vereinbarten Stelle aufsammeln. Sechshundert Dollar schienen ihr dafür angemessen. So würden sie ordentlich sparen, dachte sie, und argumentierte, was das Zeug hielt. Der Typ verteidigte seinen Happen wie ein hungriger Schakal, doch da kannte er Chochana schlecht, auch sie gab keinen Millimeter nach. Der Typ hatte Blut gerochen, das wusste sie, und wollte jetzt auch zum Zuge kommen.

»So funktioniert das nicht«, sagte er schon leicht verärgert. »Erstens haben wir unser Transportnetzwerk, für uns bliebe so nichts übrig. Zweitens ist es für alle einfacher. Nach der Abfahrt kann man nicht mehr herumtrödeln, sonst ist die Chance noch vertan. Da kann man nicht hier und da noch Leute aufklauben.«

Nach endlosem Schlagabtausch einigten sich Chochana und der Agent schließlich auf siebenhundertfünfzig Dollar. Dafür mussten sie auf eigene Kosten am festgesetzten Tag in Abuja erscheinen, sonst und das sei ganz einfach – für den Agenten war immer alles ganz einfach , würden sie eben nicht mitfahren. Und sie bräuchten nicht auf die Idee zu kommen, die Organisation würde ihnen dann die Rate zurückzahlen. Das sei hier ein Geben und Nehmen. Zu gegebener Zeit würde er ihnen die Kontaktdaten von der Person nennen, die sie am Busbahnhof abholen würde. Und der sie dann, ehe sie in den Geländewagen stiegen, die zweite Hälfte der Rate übergeben müssten.

Derweil stürzte sich der Club der Fünf, wie Ariel die Gruppe nannte, in einen Wettlauf gegen die Zeit, um das Geld für die Etappen aufzutreiben, die mit zunehmender Entfernung immer teurer wurden. Die Strecke Nigeria/Niger kostete noch weniger als Niger/Libyen, die ihrerseits günstiger war als die Mittelmeerüberfahrt. Für Letztere brauchten sie tausendfünfhundert pro Nase; nicht verhandelbar, wie der Kontakt sagte. »Und wir müssen auch noch unvorhersehbare Zwischenfälle miteinplanen«, mahnte Chochana. Die fünf nahmen jede Arbeit an, die sie auftreiben konnten. Ariel wollte unbedingt die letzten Fische aus dem Fluss angeln, der nur noch ein lächerliches Rinnsal in einem riesigen Flusskieselbett war. Doch er glaubte fest daran, er könne Tilapia fischen und auf dem Dorfmarkt verkaufen. Großzügige Verwandte und Freunde im Ausland, die sie anbettelten, warnten sie davor, große Summen dabeizuhaben, boten sich aber an, bei Bedarf bereitzustehen.

Chochana und ihr Bruder konnten außerdem auf ihre Eltern zählen, die für die Ausbildung ihrer Kinder etwas zurückgelegt hatten, auch wenn das Ersparte durch die schwierige Situation der letzten Zeit beträchtlich geschrumpft war. Wenn sie in Agadez, in Niger, angekommen wären, würden die Eltern die zweite Rate per Hawala überweisen, über das von den Schleppern bevorzugte informelle und spurenlose Überweisungssystem. Die junge Nigerianerin besorgte außerdem Sonnenbrillen und Sturmhauben, um für den Staub in der Sahelzone und den Sand in der Sahara gerüstet zu sein. Ein Alter aus der Synagoge schenkte jedem eine warme Jacke für die kühlen Wüstennächte. Wenigstens das Geld konnten sie sparen und mussten es nicht diesen Mistkerlen in den Rachen werfen.

Der Abschied am Samstag nach dem Sabbat war kurz, damit es kein Geflenne gab. Choulamite warf ihrem Mann zwar Gefühlsduselei hinsichtlich seiner Tochter vor, aber wenn es um ihren Sohn ging, ihr eigen Fleisch und Blut und Augenstern, sah es bei ihr nicht anders aus. Chochana spürte einen Stich im Herz und suchte schnell nach einem Scherz. »Keine Panik«, sagte sie zu ihrer Mutter, »ich pass schon auf dein Baby auf.« »Masel tov«, sagte der Vater und drückte beide fest an sich. »Bestimmt werdet ihr heil und gesund ankommen, Beezrat Haschem.« Dann brachen Chochana und ihr Bruder zu dem Treffpunkt auf, den sie mit den drei anderen ausgemacht hatten.

Die Chefin

Ehe sie aufbrachen, stellte Chochana erst mal ein paar Dinge klar. Erstens sei das ihre Idee. Außerdem habe sie sich des Langen und Breiten und mehr als alle anderen mit der Sache beschäftigt. Also gebe es jetzt auch nichts zu meckern: Sie allein sei die Chefin und bestimme, wo es lang geht.

»Das hier ist verdammt noch mal kein Talmud-Kreis.« Ihre Mutter war nicht hier, da nahm sie kein Blatt vor den Mund. »Die Demokratie mag ihre guten Seiten haben, aber wenn wir über alles und jedes diskutieren, gibt es kein Halten mehr. Und bei unserem Gegenüber, da haben wir nichts zu lachen. Das sage ich vor allem dir, Rachel. Ist das klar?«

»Klar wie Eiswürfel, Chefin«, sagte Rachel.

»Sehr klar«, sagten Ezechiel und Nathan, ihre anderen Mitreisenden.

»Yes, Sir«, trumpfte Ariel auf.

»Und du hörst sofort mit dem Quatsch auf. Falls du es noch nicht gemerkt hast, ich bin kein Mann. Boss, meinetwegen, aber Sir nicht.« Und da sie schon in Schwung war: »Abmarsch, los!«

Die selbst ernannte Chefin führte ihre Truppe zum Busbahnhof, um dort ein Taxi-Brousse nach Abuja zu nehmen. Die zwölfsitzigen Minibusse nahmen selten weniger als sechszehn Leute mit, in jede Reihe quetschte man noch einen dazu. Manchmal fanden auch zusätzlich ein oder zwei auf dem Trittbrett oder neben dem Beifahrer Platz, das kostete dann aber mehr. Mit dem Zug wäre es natürlich bequemer gewesen, aber man konnte den fünf nicht versprechen, dass sie bis Sonntag Abend ankommen würden. Die Züge krochen nicht nur im Schritttempo, sondern hielten auch mitten in der Pampa, ohne dass man wusste, warum. Mit dem Minibus, bei dem sich zwei Fahrer abwechselten, und selbst den Pipipausen waren sie am nächsten Morgen gegen halb elf am Busbahnhof Abuja.

In der brütenden Hitze wimmelte es vor Menschen aus ganz Nigeria, die in alle Winkel des Landes oder des Kontinents wollten. Und vor Taschendieben, deren Arbeitstag schon früh begann. Auch Behinderte strandeten hier und bettelten um Almosen, weil anderswo keiner einen Funken Mitleid für sie übrighatte. Da Abuja zentral lag und Verwaltungshauptstadt des Landes war, kamen alle hier vorbei. Ein Kommen und Gehen von Männern, Frauen und Kindern, die sich in Pidgin-Englisch, Yoruba, Hausa, Igbo und anderen Sprachen etwas zuriefen.

Die fünf, die in ihrem Leben vielleicht ein oder zweimal in Onitsha, der nächsten Stadt, gewesen waren, fühlten sich verloren. Und Rachel spielte sich natürlich wieder auf: »Lass mal, ich mach das.« Darum mussten sie mehrmals nach dem Weg fragen. Doch dass ihre Kindheitsfreundin Rachel scheiterte, stärkte Chochanas Autorität. Sie wusste, wenn sie ihrer Freundin jetzt die Zügel überließ, würde sie ständig machen, was sie wollte.

»Vergiss nicht, was wir gesagt haben, Rachel. Ich entscheide hier, ich frag’ dich schon, wenn es nötig ist …«

»… wie Eiswürfel, Frau Chefin«, sagte sie, noch ehe Chochana fragen konnte, ob das klar sei.

Der Kontakt, ein knapp Dreißigjähriger mit verfilzten Haaren und Rasta-Armband, wartete am vereinbarten Ort. Er gab jedem die Hand, zog ihn entschlossen zu sich heran und umarmte ihn mit dem freien Arm so herzlich, als wären sie beste Freunde. Dann ballte er die rechte Faust vorm Herz und sagte: »Jah Rastafari.« Nach Ende des Rituals verkündete er unvermittelt, dass sich die Abfahrt verschieben würde. Zwei der Geländewagen seien in der Werkstatt, man habe sie noch nicht wieder zurück.

»Ihr könnt euch vorstellen, vor einer solchen Fahrt braucht der Wagen eine Generalüberholung. Wir haben drei Tage Fahrt vor uns, wenn alles gut geht. Besser, die Kiste ist gut in Schuss«, sagte der Typ.

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