×

Ihre Vorbestellung zum Buch »Valentina Amor. All you need is love (oder so)«

Wir benachrichtigen Sie, sobald »Valentina Amor. All you need is love (oder so)« erhältlich ist. Hinterlegen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse. Ihren Kauf können Sie mit Erhalt der E-Mail am Erscheinungstag des Buches abschließen.

Valentina Amor. All you need is love (oder so)

hier erhältlich:

Die Neue an der Schule ist ’ne Liebesgöttin!

Liebe ist das Beste, was es gibt! Zumindest für Valentina. Schließlich ist sie die Tochter von Liebesgott Amor höchstpersönlich. Und sie kann es kaum erwarten, ihre Ausbildung zur vollwertigen Liebesgöttin zu beginnen. Als Amor plötzlich ausfällt, bekommt Valentina ihre Chance: Sie soll an einer Schule zwei Teenager zusammenbringen. Nichts leichter als das, glaubt Valentina. Sie weiß nämlich alles über die Liebe! Nur leider nichts über Sterbliche. Und sie ahnt auch nicht, wie kompliziert, peinlich und voller göttlicher Fettnäpfchen die erste Liebe sein kann. Doch sie kriegt das hin … oder?


  • Erscheinungstag: 19.03.2024
  • Seitenanzahl: 256
  • Altersempfehlung: 12
  • Altersempfehlung: 14
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505151859

Leseprobe

Widmung

Für JOHANNA und JONAS,

weil ich eure ganze Liebesgeschichte von Anfang an begleiten durfte – ein bisschen wie eure ganz persönliche Liebesgöttin.

Ich wette, Valentina hätte euch als Vorzeigeliebespaar in ihrem schlauen Ordner abgeheftet.

Kapitel 1

STUPID CUPID

Die Tür zum Zimmer meines Vaters war pink und herzförmig. Sie war perfekt symmetrisch, die Farbe strahlte wie am ersten Tag, und sie war insgesamt absolut makellos. Das wusste ich ziemlich genau, immerhin starrte ich sie nun schon seit gut zwanzig Minuten an und hatte mit jeder Faser eine tiefe Beziehung aufgebaut. Mittlerweile musste ich aber einsehen, dass dieses Herz mir nicht das Gespräch abnehmen würde, das ich gleich führen wollte. Ich drückte den großen pinken Aktenordner fester an mich. Langsam wurde er wirklich schwer. Kein Wunder – immerhin war er bis oben hin gefüllt mit Analysen sämtlicher Liebesfilme und -romane sowie penibelster Statistiken über Beziehungen aus aller Welt. Wenn es eine Antwort auf das Geheimnis der Liebe gab, dann hielt ich sie hier in den Händen. Das durfte auch schon mal ein bisschen mehr wiegen.

»Liebe ist ein knallhartes Geschäft«, murmelte ich vor mich hin. »Und ich bin bereit, in das Geschäft einzusteigen.« Ein absolut genialer Satz, wie ich fand. Ich hatte tagelang daran gearbeitet. Wenn das meinen Vater nicht sofort aus seinen Schuhen haute, dann wusste ich auch nicht. Diesmal würde ich ihn ganz sicher überzeugen.

Ich atmete tief durch und klopfte zaghaft an, in die Mitte des Herzens, im Rhythmus meines eigenen, wild schlagenden. Nichts. Gut, nicht aufgeben, Valentina! Ich klopfte erneut, lauter und öfter. Wieder nichts. Seltsam. Paps war ganz sicher in seinem Zimmer, er hatte es seit gestern Abend nicht verlassen, nachdem Mama überstürzt aus dem Haus geprescht war.

Ich legte mein Ohr an das Herz und lauschte. Leise Geräusche drangen durch die Tür. Ein paar Dialogfetzen, ein bisschen Musik. Das reichte, um zu erkennen, dass es sich um den Film Göttlich verliebt handelte. Okay, das war ein ziemlich guter Film, verständlich, dass man da ein Klopfen überhörte. Aber mein Anliegen konnte leider nicht warten, bis das Paar sich höchstromantisch am Strand im Sonnenuntergang küsste. Ich zählte bis drei – was ziemlich lange dauerte, weil ich in 0,2er-Schritten zählte –, und dann trat ich ein.

»Hallo, Paps, darf ich kurz …« Ich konnte den Satz nicht zu Ende bringen, so schockierend war der Anblick, der sich mir bot.

Sicher habt ihr alle einmal von den römischen und griechischen Göttern gehört. Zeus mit seinem Blitz, Hermes mit seinen Flügelschuhen, Persephone mit ihrem Hades. Unsterbliche, mächtige und wunderschöne Wesen. Einer von ihnen ist der Liebesgott Amor, von dem es ganz verschiedene Vorstellungen gibt. Ein kleiner frecher Junge, der nackt durch die Gegend fliegt und Leute mit herzförmigen Pfeilen beschießt, woraufhin sie sich verlieben. Oder ein großer muskulöser Mann, der ebenfalls durch die Gegend flügelt und ebenfalls mit herzförmigen Pfeilen um sich schießt. Nur dass er dabei ungemein besser aussieht als der kleine Junge. Und meistens genauso nackt ist.

Was man sich aber ganz bestimmt nicht vorstellt, ist ein Mann mittleren Alters mit ungepflegten Bartstoppeln, strubbeligem Haar und rosa Plüschbademantel, der auf einer quietschpinken Couch lümmelt und einen Liebesfilm guckt. Doch genauso sah der Liebesgott Amor gerade aus. Und wenn ihr es schon schlimm findet, euch den Gott der Liebe so vorzustellen, dann stellt euch jetzt den Horror vor, wenn es sich dabei auch noch um euren Vater handelt.

Als Paps mich bemerkte, setzte er sich aufrechter hin und pausierte den Film. »Oh, Herzchen, was gibt es denn?«, rief er überrascht. Als Antwort entglitt mir der Ordner und krachte donnernd auf den Boden.

»Wie siehst du denn aus?«, entfuhr es mir.

Paps zog eine göttliche Augenbraue hoch, die in Sachen Tadeln wirklich unerreicht war und die ich ganz hoffentlich von ihm geerbt hatte. »Was soll das denn heißen?« Er zuppelte sich den Bademantel zurecht. »Ich habe mir nur etwas Bequemes angezogen und meinen Lieblingsfilm angemacht, spricht etwas dagegen?«

Natürlich tat es das nicht. Aber ich kannte meinen Vater. Niemals würde der ehrwürdige Liebesgott Amor freiwillig seine Toga ablegen und weniger als absolut perfekt aussehen. Es gab nur eine Möglichkeit: »Du hast Liebeskummer!«

Ich hob den Ordner auf und fischte gezielt ein Blatt heraus – ich hatte diesen Ordner schon so oft aktualisiert, ich wusste im Schlaf, wo sich welche Seite befand. Ich hielt es ihm hin. »Die Anzeichen sind eindeutig.« Ich tippte auf die einzelnen Punkte, während ich sie rezitierte: »Ungepflegtheit, Hang zu gemütlicher Kleidung, Liebesfilme …« Die Liste ging noch weiter, aber es reichte, um meinen Standpunkt klarzumachen. Wir beide wussten, dass ich recht hatte. Mein Vater kannte die Anzeichen genauso gut wie ich.

Paps räusperte sich. »Nun, Valentina. Ich weiß, als Gott der Liebe sollte man wohl wirklich vor so etwas gefeit sein. Aber ich befürchte, wenn die Liebe deines Lebens ›etwas Abstand‹ braucht, wie sie es nennt, dann hat auch der Gott der Liebe mal, nun ja, Liebeskummer.«

Ich starrte meinen Vater an. »Mama und du hattet doch nur einen kleinen Streit.« Um ganz ehrlich zu sein, waren gestern Abend die Fetzen so dermaßen geflogen, dass wir froh sein konnten, dass das Haus noch stand. Da meine Eltern sich aber ziemlich häufig stritten, hatte ich dem nicht so viel Bedeutung beigemessen. Okay, gut, meine Mutter war danach noch nie aus dem Haus gerauscht und bis zum nächsten Morgen nicht wiedergekommen. Aber für alles gab es ein erstes Mal.

Paps lehnte sich auf dem Sofa zurück und schaffte es mit dieser Bewegung sogar, einem rosa Plüschbademantel etwas göttliche Anmut einzuhauchen. »Deine Mutter und ich sind das größte Liebespaar aller Zeiten. Ich meine, unsere Liebe ist unvergleichbar. Balladen wurden unseretwegen gesungen, Verse geschrieben, Sagen erzählt. Der legendäre Liebesgott Amor und seine Psyche. Ich habe sie auf den Olymp erhoben und ihr die Welt zu Füßen gelegt. Aber nach Tausenden Jahren Ehe ist sie anscheinend von mir … Wie hat sie gesagt? Gelangweilt

Innerlich verdrehte ich die Augen. Das Problem bei Göttern ist ihr verdammt großes Ego. Und nichts kränkte den Gott der Liebe mehr als der Vorwurf, die Ehe mit ihm sei langweilig. Aber irgendwie tat mir Paps auch leid.

»Kann ich irgendwas für dich tun?«, fragte ich vorsichtig, drehte die Liste um und überflog die weiteren Punkte. »Willst du vielleicht Eis oder so was?« In so ziemlich jeder romantischen Komödie löffelten die Figuren nach einer Trennung literweise Eis, es schien also ein wirksames Mittel, um darüber hinwegzukommen.

Paps musterte mich herablassend. »Valentina, ich bitte dich. Ich bin ein mehrere Tausend Jahre alter Gott, ich brauche ganz sicher keine Eiscreme, um mit ein bisschen Liebeskummer fertigzuwerden.« Er zögerte. »Aber wenn welches da ist, würde ich es nehmen.«

Ich verkniff mir ein Grinsen. Selbst Götter mussten sich den unumstößlichen Regeln beugen, die ich zusammengetragen hatte. Fehler waren ausgeschlossen. Die Frage war natürlich rein rhetorisch gewesen. Ich hatte nicht wirklich die Absicht, mich auf den Weg zu machen, um meinem Vater Eis zu holen. Denn tatsächlich war diese Situation sogar perfekt für mein Anliegen.

»Aber wenn du jetzt Eis isst«, begann ich, »heißt das doch, dass du Menschen gerade nicht die Liebe bringst, oder?« Ich nickte in Richtung seines herzförmigen Bogens mit Pfeilköcher, der an der Wand hing.

Paps kniff die Augen zusammen. Er strich seinen Bademantel glatt. »Nun, durch diese … Sache … ist mir bewusst geworden, dass das ständige Verlieben vielleicht überhaupt nicht nottut. Ich meine, das ist doch wirklich nicht sehr effizient, ständig fliege ich herum und verschieße Pfeile, die Sterblichen verlieben sich, nur um sich kurz darauf wieder zu trennen.«

Okay, anscheinend hatte ihn die Sache mit Mama mehr mitgenommen als gedacht.

Paps griff nach einer Pralinenschachtel, die neben der Couch stand. »Vielleicht sollte ich einfach mal eine Pause einlegen und meine Zeit mit sinnvolleren Sachen verbringen«, fuhr er fort, während er sich die erste herzförmige Praline in den Mund steckte.

Ich verzog das Gesicht. »Zum Beispiel damit, Göttlich verliebt zu gucken?«

»Ganz genau!« Paps fuhrwerkte in der Pralinenschachtel herum. »Und da ich ja anscheinend nichts von Liebe verstehe und langweilig bin, tu ich den Menschen ja auch einen Gefallen, wenn ich sie damit verschone«, murmelte er.

Jetzt benahm er sich aber wirklich bockig.

»So ein Quatsch!«, rief ich so laut, dass Paps erschrocken aufsah. »Die Menschen brauchen Liebe! Es ist doch das Tollste der Welt. Das Kribbeln im Bauch, das unfassbar selige Lächeln, wenn man die verliebte Person ansieht, dieses aufgeregte Gefühl des Glücklichseins und dass plötzlich die ganze Welt Sinn ergibt, weil man mit dieser einen Person zusammen ist. Und nur weil Mama gerade sauer auf dich ist, ist doch nicht Liebe an sich blöd!«

Paps starrte mich an, und eine seiner göttlichen Augenbrauen wanderte anerkennend in die Höhe. Vielleicht war es auch Verwirrung. Jedenfalls war ich wohl ein wenig übers Ziel hinausgeschossen.

Schnell räusperte ich mich. »Ich meine, du kannst natürlich gerne eine Pause machen. Aber du weißt bestimmt, dass sich trotzdem jemand um das Verlieben kümmern muss.« Ich hob den Ordner auf. »Und dafür habe ich eine Lösung.«

Paps stöhnte. »Oh nein, Valentina. Nicht dieses Thema schon wieder!«

Jetzt gab es kein Zurück mehr. »Doch! Das ist nun wirklich der perfekte Zeitpunkt, um endlich mit meiner Ausbildung zur Liebesgöttin zu beginnen.« Ich holte tief Luft, jetzt kam die Kür: »Liebe ist ein knallhartes Geschäft. Und ich bin bereit, in das Geschäft einzusteigen.« Ich sah meinen Vater grinsend an, bereit, seine Bewunderung für diesen überzeugenden Spruch zu empfangen.

»Nein.«

»Was?«

»Nein. Immer noch. Du bist noch nicht so weit.«

»Och, komm schon!« Ich blätterte durch den Ordner und hielt ihm verschiedene Seiten hin. »Ich weiß alles über die Liebe! Ich kenne die berühmtesten Paare der Welt, habe alle Liebesromane gelesen und alle Filme geguckt, die nur den Hauch einer romantischen Geschichte haben. Jeden einzelnen! Mehr als einmal! Ich lebe, atme und bin Liebe! Und zwar buchstäblich. Ich will endlich auch Menschen beim Verlieben helfen.«

»Das weiß ich doch, Schatz.« Amor seufzte. »Aber deine Großmutter Aphrodite entscheidet darüber, wer die Ausbildung beginnt. Und sie findet, dass du noch Zeit brauchst.«

»Dann leg doch ein gutes Wort für mich ein. Du bist schließlich ihr Sohn!«

»Und genau deswegen wird sie auch niemals auf mich hören«, murmelte er, den Blick in die Ferne gerichtet.

»Aber alle anderen Nachwuchsgötter in meinem Alter dürfen schon, nur ich nicht. Hast du eine Ahnung, wie sich das anfühlt? Ich bin immerhin deine Tochter, die des Liebesgottes Amor, beim Hades!«

Ich stampfte auf den Boden auf, was wirklich das Gegenteil einer erwachsenen Reaktion war und Paps sicher noch mehr darin bestätigte, dass ich nicht bereit war.

»Und weil du meine Tochter bist, wird Aphrodite es dir nicht erlauben. Von dir wird einiges erwartet. Für Liebe braucht es viel Verantwortungsbewusstsein und viel Verständnis.«

»Aber das habe ich! Gib mir einfach einen Bogen und ein paar Pfeile, und ich werde dich nicht enttäuschen«, rief ich und machte einen Schritt auf Paps zu. Blöderweise stolperte ich dabei über die Teppichkante und verlor das Gleichgewicht. Der Ordner flog mir aus der Hand und krachte auf den Couchtisch vor mir. Durch die Erschütterung fiel eine Lampe um, die auf dem Tisch stand. Blitzschnell war Paps zur Stelle und fing sie gerade noch rechtzeitig auf. Er musterte mich, und die göttliche Augenbraue wanderte Richtung unordentlicher Frisur.

»Ja, ich bin vollkommen überzeugt, dass nichts Schlimmes passieren wird, wenn ich dir einen Bogen in die Hand drücke«, sagte er und stellte die Lampe wieder hin.

Zumindest seinen Sarkasmus hatte er nicht eingebüßt.

Ich klaubte meinen Ordner auf. »Dafür, dass du Liebe überflüssig findest, ist sie dir aber ziemlich wichtig!«, zischte ich, marschierte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu, dass es schepperte.

Kapitel 2

FLY ON THE WINGS OF LOVE

Ich versetzte der pinken Herztür einen Tritt. All die Zeit, die wir eben noch miteinander verbracht hatten. Und doch verbarg sich hinter diesem Herzen nur Enttäuschung. Am schlimmsten war aber, dass meine Niederlage von der romantischsten Geigenmusik der Welt untermalt wurde. Sie stammte von einem Orchester fliegender Geigen, die unter der Marmordecke schwebten. Denn wenn man verliebt ist, hängt der Himmel ja bekanntlich voller Geigen. Bei uns in den Fluren war das eine sehr wörtliche Sache, und ja, als ich kleiner war, hatte ich immer mal wieder mit einer Steinschleuder die Instrumente abgeschossen, bis sie ganz aus dem Takt gekommen waren. Irgendwann hatte Paps meine Steinschleuder konfisziert. Jetzt gerade vermisste ich sie schmerzlich.

Die liebliche Melodie eines Glockenspiels mischte sich unter die Geigen, begleitet von einem Paar flatternder Flügelchen. Und dann tauchte eine Amorette vor mir auf. Davon gab es Dutzende in unserem Haus. Kleine nackte Engelchen, die herumfliegen und Amor alle möglichen Arbeiten abnehmen. Sei es im Haushalt oder sonst wo. Sie sehen alle exakt gleich aus, und ihr Gesichtsausdruck ist immer derselbe, wie bei einer Statue: ein festgekleistertes Lächeln und Augen ohne Pupillen im gleichen Cremeton wie ihr restlicher Körper – was schon ein wenig gruselig ist. Zudem sprechen sie nicht. Das Einzige, woran man Amoretten unterscheiden kann, ist die Melodie des Glockenspiels, die ihre Bewegungen begleitet. Die Amorette, die nun vor mir schwebte, war Eugene. Eigentlich hatten die Amoretten keine Namen, aber ich hatte irgendwann begonnen, ihnen welche zu geben. Das machte sie zumindest ein bisschen weniger gruselig.

In seinem Arm hielt Eugene einen großen Becher Himbeereis mit herzförmigen Schokoladenstückchen. Offenbar das Eis, das ich Paps gegen seinen Liebeskummer angeboten hatte. Die Amoretten spürten immer, wenn wir etwas benötigten. Oder zumindest, wenn Amor etwas benötigte, denn sie waren ausnahmslos ihm unterstellt. Wenn sie etwas für mich taten, dann nur, weil Paps ihnen das gesagt hatte oder es ihm irgendwie half.

Obwohl Eugenes Gesichtsausdruck regungslos blieb, wusste ich, dass er darauf wartete, dass ich die Tür freigab und er somit zu seinem Herrn und Meister vorflügeln und ihm das dringend benötigte Eis bringen konnte. Das machte mich wütend. Wie ich mich gerade fühlte, war ihm – und natürlich Paps – total egal. Überhaupt war es total absurd, dass Eugenes größtes Verlangen war, Amor Eis zu bringen.

Haushaltshilfen hin oder her, eigentlich sollten sie Paps hauptsächlich dabei assistieren, Leute zu verlieben. Auch sie flogen in seinem Auftrag in der Welt umher und verliebten Sterbliche per Pfeil und Bogen miteinander. Aber jetzt teilte Paps ihnen wohl andere Aufgaben zu. Es war eine unerhörte Frechheit, wie nebensächlich er die Liebe der Menschen behandelte. Und wer so drauf war, verdiente kein Eis. Sollte er sich doch in seinem Unglück suhlen.

»Gib mir das!« Ich entriss Eugene das Eis und stapfte den von Säulen gesäumten Flur hinunter. Eugene geriet natürlich in hellen Aufruhr und flatterte wild um mich herum, um mir irgendwie das Eis wieder abzunehmen. Seine Glockenspielmelodie wurde immer dramatischer. Doch ich hielt das Eis außerhalb seiner Reichweite, was nicht besonders schwer war. Nur nervig.

Noch nerviger war es, als plötzlich George, eine weitere Amorette, auftauchte, der einen Eislöffel in der Hand hielt. Klar, den hatte Eugene wohl vergessen, und da brauchte es mal eben zwei Amoretten. Was für eine Verschwendung.

Nun schwirrten beide um mich herum.

»Haut ab!«, rief ich und schlug mit der Hand, in der ich das Eis hielt, um mich. Und tatsächlich erwischte ich Eugene am Kopf, der gegen eine Kommode krachte. Ups. Ohne eine Miene zu verziehen – natürlich –, rappelte die Amorette sich wieder auf und flatterte davon, als wäre nichts gewesen. Außer dass seine Flugbahn etwas schief war und sein Glockenspiel leicht verstimmt klang. Gehirnerschütterung durch Himbeereis.

Immerhin verlor nun auch George das Interesse an mir. Er ließ den Löffel fallen und folgte Eugene. Vermutlich hatte er Angst, ebenfalls mit einer gefrorenen Nachspeise verprügelt zu werden.

Ich nahm den Löffel und ging zu meinem Zimmer. Dabei passierte ich eine weitere Amorette, Roberto, die gerade die Vorhänge vor einem Fenster zuzog. Draußen an den Scheiben klebten jede Menge rosarote Briefe mit winzigen Flügelchen, die darauf drängten, hereinfliegen zu dürfen.

Ich kannte diese Briefe – es war die Art meiner Großmutter Aphrodite, mit uns zu kommunizieren. Denn Smartphones oder E-Mails waren viel zu neumodisch für die alte olympische Göttin. Bis vor einigen Jahren hatte Aphrodite uns noch einen singenden Boten auf einem weißen Pferd geschickt. Zumindest damit hatte sie aufgehört.

Aphrodite hatte die Angewohnheit, wegen jeder Kleinigkeit einen Brief zu schicken. Trotzdem überraschte mich die schiere Masse vor dem Fenster doch ein wenig. Es musste wirklich sehr dringend sein. Bestimmt hatte es mit Paps’ spontanem Arbeitsstreik zu tun. Die Tatsache, dass Roberto die Vorhänge zuzog, ließ kaum Zweifel daran. Paps war ein Riesenfan des Mottos »Aus den Augen, aus dem Sinn«.

Kapitel 3

MY HEART WILL GO ON

In meinem Zimmer ließ ich mich mit einem tiefen Seufzer auf mein Himmelbett fallen.

Als wäre das ihr Stichwort, erschien eine große schneeweiße Möwe auf meiner Fensterbank. Sie putzte sich unter den Flügeln, plusterte sich auf und setzte sich aufrecht hin. »Und, was hat er gesagt?«

Die Stimme der Möwe war sehr tief, was nicht so recht zu ihrem zarten Auftreten passte. Aber man gewöhnt sich ja an alles.

»Er hat abgelehnt. Wie immer.« Ich ließ den Ordner mit einem lauten Poltern zu Boden plumpsen und stellte den Eisbecher auf dem Nachttisch ab.

»War doch klar«, sagte die Möwe. Dann fiel ihr Blick auf den Eisbecher. »Ist das etwa Himbeereis mit Schokoherzen?«

Ich schielte zu dem Becher. Ich mochte diese Eissorte überhaupt nicht. »Ja. Kannst du haben.«

Blitzschnell schoss die Möwe auf den Becher zu. »Eiscreeeeeeme!«

In Windeseile machte sie sich darüber her. »So gut«, krähte sie, während sie Eisspritzer über meinen Boden verteilte.

»Bussi!«, ermahnte ich den Vogel, doch das interessierte ihn überhaupt nicht. Zum Glück war Bussi so gierig, dass nachher nicht das kleinste Fitzelchen Eis übrig bleiben und mein Teppich aussehen würde wie frisch gereinigt.

Bussi war ein Geschenk meines Vaters zum Geburtstag gewesen. Paps hatte sich vorgenommen, mir eine liebliche magische Turteltaube zu schenken, passend für ein Kind des Liebesgotts. Blöderweise kannte er sich mit Tieren nicht gut aus, weshalb er eine Möwe statt einer Taube aussuchte.

Ich legte mich auf den Rücken und starrte die Säule meines Himmelbetts an, die sich neben meinem Kopf befand. Sie war vollgeklebt mit Bildern berühmter Liebespaare aus der Geschichte – Arbeiten meines Vaters – oder aus bekannten Liebesfilmen – romantische Happy Ends, die ich auch mal ermöglichen wollte.

»Es ist so unfair!«, stöhnte ich. »Ich könnte so vielen Menschen bei der Liebe helfen. Gerade jetzt, wo Paps sich nicht um sie kümmert. Ich kann das!« Ich strich über ein Liebespaar, Jack und Rose aus Titanic, diesem alten Film aus den Neunzigern. Wie es sich wohl anfühlte, so eine Liebe zu verantworten? Zwei Menschen aus verschiedenen Welten, die für ihre Liebe alles aufgaben. In meinem Bauch kribbelte es. Irgendwann würde ich ebenfalls dafür sorgen, dass zwei Menschen sich so ansahen. Warum konnte »irgendwann« nicht jetzt sein?

»Die Liebesgöttin, die so etwas Wundervolles kreiert, muss wahnsinnig stolz sein«, säuselte ich.

Bussi sah auf. »Ist er am Ende nicht gestorben?«, fragte er.

»Nebensächlich!«, schnappte ich. »Jack hat sich für Rose geopfert – aus Liebe! Nur das zählt.« Typisch. Bussi verstand mal wieder gar nichts von Romantik. Ich drehte mich von dem Bild weg. Zu sehr schmerzte die Aussicht, noch ewig darauf warten zu müssen, jemanden so unfassbar verliebt zu machen, dass er im Eiswasser für den anderen starb.

»Der Tag kann echt nicht schlimmer werden«, murmelte ich.

Als wollte das Universum mir widersprechen, erklang plötzlich ein Flirren und Flattern, das Rauschen der Lüfte, die Melodie eines Windspiels und ein heller, fröhlicher Engelschor. Dann erstrahlte ein so gleißend helles Licht, dass ich die Augen zusammenkneifen musste. Kaum öffnete ich sie wieder, stand die schönste Frau der Welt in meinem Zimmer. Das war nicht meine persönliche Einschätzung – sie war tatsächlich die schönste Frau der Welt. Venus, Göttin der Liebe und der Schönheit. Beziehungsweise Aphrodite. Sie bevorzugte mittlerweile diese Form ihres Namens, seit die Menschen unter dem Namen »Venus« auch Rasierer vertrieben. »So weit kommt es noch, mich mit einem Objekt gleichzusetzen, das nur existiert, weil Frauen eingeredet wird, mit Haaren an den Beinen seien sie hässlich«, sagte sie immer.

Aphrodite strahlte mich an. »Valentina, mein Herzmädchen, wie schön, dich zu sehen!« Sie trat auf mich zu, stieß mit dem Zeh an den Ordner und stolperte. »Verfluchtes Mistteil!«, rief sie, gefolgt von einem viel schlimmeren, ganz und gar nicht göttlichen Fluch.

Das hob meine Laune nun doch. Ich grinste und erhob mich vom Bett. »Hi, Oma.«

Sogleich verdunkelte sich Aphrodites wunderschöne Miene. »Nenn mich nicht so!«

»Okay«, sagte ich und unterdrückte ein Lachen, weil ich es natürlich absichtlich gesagt hatte. »Was bringt dich her?«

Aphrodite lächelte gequält. »Ich muss mit deinem Vater sprechen, und er antwortet einfach auf keine meiner Nachrichten. Er hat schon den ganzen Vormittag nicht gearbeitet. Eine Katastrophe!«

Das kam mir doch ziemlich dramatisiert vor. »Von so ein paar Stunden ohne Liebe geht doch nicht gleich die Welt unter.«

»Hast du eine Ahnung!«, rief sie. »Die Trennungen gehen schon jetzt exponentiell in die Höhe, Leute melden sich vermehrt auf Datingportalen an und hinterlassen schlechte Rezensionen, weil sie sich nicht verlieben. Die Unzufriedenheit steigt, die Leute werden unglücklich, Ehepaare werden sich auseinanderleben, dann gibt es Scheidungen. Niemand wird sich neu verlieben. Und dann gibt es irgendwann keine Kinder mehr, und die Menschen werden aussterben.«

Man musste ihren Optimismus einfach lieben.

Aphrodite atmete tief durch und setzte wieder ihr strahlendes Lächeln auf. »Ach, entschuldige, mein Herzmädchen. Das soll natürlich alles gar nicht deine Sorge sein.« Sie tätschelte mir den Kopf, als wäre ich ein Kleinkind. Oder ein Dackel. Ich zog eine Augenbraue hoch und hoffte, dass es einigermaßen so tadelnd und göttlich wirkte wie bei meinem Vater.

»Und warum bist du dann in meinem Zimmer erschienen statt in dem von Paps?«

Aphrodite zögerte, dann lachte sie so bezaubernd, dass ich kurz an den Weltfrieden glaubte. Göttliches Lachen war schon ein ganz anderes Kaliber. »Ich wollte einfach vorher meine Enkelin sehen.« Sie lächelte und strich mir versöhnlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ich zog die andere Augenbraue hoch. »Kann es etwa sein, dass du dich im Zimmer geirrt hast? Mal wieder?«

Aphrodite zog pikiert ihre Hand zurück und winkte ab, ein Zeichen dafür, dass ich recht hatte. »Pah, wie auch immer. Ich werde jetzt deinen Vater suchen und ihn fragen, was, zum Hades, er sich eigentlich denkt, nicht mehr zu arbeiten.« Schon schritt sie zur Tür.

»Oh, das kann ich dir sagen«, rief ich ihr hinterher.

Wie erwartet, drehte Aphrodite sich um. »Warum sagst du es dann nicht gleich?«

»Du hast ja nicht gefragt.« Meine kleine Rache für den Kopftätschler.

Aphrodite strich über ihr Kleid, das dabei das Licht von tausend Sternen reflektierte, obwohl gerade Tag war. »Valentina, wenn du etwas weißt, dann raus damit. Es geht hier immerhin um die Liebe. Das betrifft die ganze Welt! Bitte.«

Wow. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie jemals das Wort »bitte« bei mir benutzt hätte. Sie schien wirklich verzweifelt zu sein, und das beunruhigte mich jetzt doch.

»Mama brauchte eine Beziehungspause«, erklärte ich also.

Aphrodite war verwirrt. »Psyche? Und was hat das mit deinem Vater zu tun?«

Ich stöhnte. Dafür, dass sie die Göttin der Liebe war, war sie erstaunlich ignorant Ehepaaren gegenüber. Natürlich könnte es auch daran liegen, dass sie Mama nie gemocht hatte. Ich fischte den Zettel von vorhin aus dem Ordner und hielt ihn ihr hin.

»Liebeskummer?«, fragte Aphrodite. Und dann schien sie es zu verstehen. »Das ist doch ungeheuerlich! Dein Vater ist ein Liebesgott, beim Olymp noch mal. Da sollte er nun wirklich nicht so etwas Banales wie Liebeskummer haben, schon gar nicht wegen einer Menschenfrau, die er nie hätte heiraten sollen!«

»Lieb, wie du über meine Mutter sprichst.«

Aphrodite ignorierte meinen Einwurf und marschierte aus dem Zimmer. »Wegen so etwas darf er sich ganz sicher nicht vor seinen Pflichten drücken! Die Menschen müssen sich verlieben, und das ist nun mal seine Arbeit.«

Tja, es war wohl schon etwas dran an der Aussage, dass man Privates und Geschäftliches niemals vermischen sollte. Blöd nur, wenn man ein Liebesgott war.

Eine Idee schoss mir durch den Kopf. Paps wollte sich zwar nicht für mich bei Aphrodite einsetzen, aber vielleicht konnte ich sie selbst überzeugen. Immerhin war sie ja ehrlich verzweifelt, jetzt, da die Liebeswelt sich der Apokalypse näherte. So eine Chance kam nie wieder.

»Dann lass mich meine Ausbildung beginnen!«, schlug ich vor und versuchte lässig zu klingen, obwohl mein Herz so doll schlug, dass mein ganzer Körper zitterte.

Aphrodite fuhr herum und sah mich so fassungslos an wie Paps. Sie war definitiv seine Mutter. Auch Bussi hob neugierig den Kopf – dieses Schauspiel wollte er sich nicht entgehen lassen.

»Was?«, fragte die Göttin.

»Ja. Das ist doch besser, als das Aussterben der Menschheit zu riskieren«, versuchte ich sie mit ihrer eigenen Furcht zu überzeugen.

Doch während mein Vater wenigstens noch argumentiert hatte, lachte Aphrodite nur. Und auch fieses Göttinnenlachen war extrakrass. »Sei nicht albern, Valentina, du bist noch nicht so weit. So schlimm ist die Situation nun auch wieder nicht.«

Sie stolzierte aus der Tür.

Ihre Worte fühlten sich an, als hätte mich ein Pfeil mitten ins Herz getroffen. Aber nicht einer, der Liebe brachte, sondern so einer mit fiesen spitzen Widerhaken, die sich schmerzhaft durch die ganze Brust bohrten. So wenig vertraute sie mir also? Ich war eine schlechtere Option als der Weltuntergang?

Das konnte ich nun wirklich nicht auf mir sitzen lassen! Ich sprang auf und rannte ihr hinterher. »Gib mir wenigstens eine Chance, mich zu beweisen!« Auch Bussi folgte uns.

Aphrodite schritt den Gang entlang und drehte sich nicht mal zu mir um. Sie hatte es so eilig, dass sie beinahe mit Eugene zusammenstieß, der einen leeren Becher Eiscreme davontrug. Die Amorette verlor den Becher und flitzte in die andere Richtung davon.

»Hat die Amorette«, Aphrodites Blick glitt zu Boden, »einen leeren Eisbecher getragen?«

Schon stürzte Bussi sich auf die Reste, als würde sein Magen nicht bereits zu achtzig Prozent aus Eiscreme bestehen. Aphrodite konnte sich nicht mal mehr darüber aufregen. Immerhin wusste auch sie, dass Eiscreme schlimmen menschlichen Liebeskummer bedeutete. Und dass die Amoretten definitiv andere Aufgaben erledigen sollten.

»Valentina!« Der markerschütternde Schrei meines Vaters lenkte unsere Aufmerksamkeit von dem Eis weg. »Valentina, wo bist du?« Das Schlappen von Pantoffeln kam näher. Aphrodite und ich tauschten einen fragenden Blick.

Paps bog um die Ecke, ein Handy in der Hand. Im Gegensatz zu Aphrodite konnte er mit neuer Technik umgehen. Noch immer trug er den pinken Bademantel, und seine Haare waren noch zerstrubbelter als vorher. Er war so aufgebracht, dass er seine Mutter neben mir gar nicht bemerkte. Und das war bei Aphrodite schon eine ganz schöne Leistung.

»Wusstest du, dass deine Mutter bei deiner Schwester ist? Das habe ich gerade von Hermes erfahren. Ich habe dieses Kind eigenhändig Tausende von Jahren aufgezogen, und jetzt hat Hedi nicht einmal den Anstand, mir das selbst mitzuteilen!«

Nein, das hatte ich tatsächlich nicht gewusst. Hedone, Göttin der Wollust, war meine wesentlich ältere Schwester. Wir haben nicht besonders viel Kontakt. Klar, wenn man eine halbe Ewigkeit ein Einzelkind gewesen war, wollte man Mami und Papi nur ungern teilen. Dass sie sich mit Mama jetzt gegen Paps verbündete, passte irgendwie zu Hedi.

Aphrodite räusperte sich, und Paps sah auf. Die Farbe wich ihm aus dem Gesicht.

»Mutter«, stammelte er. Sein Blick glitt zu dem Eisbecher auf dem Boden, in dem Bussis Kopf steckte. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.«

Doch Aphrodites Miene nach zu urteilen, hielt sie es noch für viel schlimmer, als es aussah. Langsam drehte sie sich zu mir um, ihre Augen vor Entsetzen geweitet. Und wenn eine Göttin – vor allem diese Göttin – entsetzt war, dann war die Welt wirklich kurz vorm Untergehen.

»Eine Chance!«, zischte sie. »Du kriegst genau eine Möglichkeit, um mir zu beweisen, dass du so weit bist. Du wirst einer Person zur Liebe verhelfen, die ich bestimme. Alles klar? Und wehe, ich bereue das!«

Kapitel 4

TEENAGE DREAM

Das Gebäude war groß, kastenförmig, grau, hatte viele dicht aneinandergereihte Fenster über mehrere Stockwerke und war sicher schon bei der Erbauung nicht mehr modern gewesen. Na gut, es war kein Palast im Olymp oder eine Villa in Hollywood, nicht mal ein Luxusdampfer auf dem Ozean, der ein Problem mit Eisbergen hatte. Aber in diesem Moment war es der beste Ort der Welt. Über meiner Schulter hing neben einem Rucksack auch mein eigener herzförmiger roter Bogen und ein Köcher mit zwei Pfeilen, deren Spitzen ebenfalls herzförmig waren. Dieses Gefühl allein war schon fantastisch.

Ich sog tief die Luft ein. Sie roch verheißungsvoll und nach Tatendrang. Und ein bisschen nach viel zu süßem Blümchendeo.

Autor