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Wo Wintersterne leuchten

An einem kalten Winterabend nimmt Keira Carlesso den schwer erkälteten Laborassistenten Dalton mit in das Familienanwesen am Lake Washington. Gemeinsam genießen sie die Weihnachtszeit, packen Geschenke ein und trinken warmen Tee am Kamin. Keira und Dalton verstehen sich so gut, dass er fortan jedes Jahr den Heiligen Abend bei den Carlessos verbringt. Doch dann kommt der Tag, an dem aus besten Freunden mehr wird und mit einem Mal alles anders ist …


  • Erscheinungstag: 16.09.2019
  • Seitenanzahl: 60
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959678704
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Erstes Studienjahr – der absolut letzte Tag, um verpatzte Laborprüfungen nachzuholen. Wirklich der letzte.

„Ich glaube, unser Aufpasser ist gerade ohnmächtig geworden“, murmelte April Herskovic, während sie zwei Bechergläser in die Schublade zurückstellte.

Keira Carlesso wirbelte herum und warf einen Blick auf den Laborassistenten, der am Tisch neben der Tür saß. Okay, eigentlich saß er nicht – er war irgendwie zusammengesackt, aber immerhin. Als sie zu ihm rübersah, rappelte er sich ein bisschen auf. Gott sei Dank – sie mussten nur noch zwei Punkte auf ihrer Liste abhaken, und dann waren sie mit ihrer Aufgabe fertig. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war, dass sie ihren Physikkurs nicht schafften, weil der Laborleiter schlappmachte.

„Er bewegt sich noch. Lass uns weitermachen, und dann nichts wie raus hier.“

Während sie das sagte, wurde ihr klar, dass sie nicht das kleinste bisschen Mitgefühl zeigte. Wenn es dem Typen nun richtig schlecht ging? Wenn er niemanden hatte, der sich um ihn kümmerte? Was, wenn …

Sie stöhnte auf. Nein. Nein! Sie würde sich nicht ablenken lassen. Es war schon peinlich genug, dass sie und April diesen Versuch nachholen mussten, um ihren Pflichtkurs abhaken zu können. Aber so war es nun mal: Kurz vor Weihnachten standen sie beide hier noch herum. Weshalb Keira die ganze Sache auch möglichst schnell hinter sich bringen wollte, um dann endlich nach Hause zu fahren.

„Zangen, drei Größen“, sagte sie.

April hielt drei verschiedene Zangen hoch.

„Balkenwaage.“

Sie sahen sich beide im Labor um. Keira entdeckte sie als Erste.

„Ist hier.“ Sie nahm ihren Stift und Block und lief hinüber, um die Seriennummer aufzuschreiben, als Beweis, dass sie das Ding auch echt gesehen, in der Hand gehalten, es geknuddelt hatten und wussten, worum es sich handelte. Auf dem Weg zurück zu ihrem Platz kam sie am Empfangstisch vorbei. Der Typ dahinter war leichenblass, transpirierte und stöhnte leise.

Oje, dachte sie, während sie zu April zurückging.

„Erledigt.“ Keira wedelte mit dem Papierbogen. „Wir müssen’s nur noch abzeichnen lassen.“

April warf einen skeptischen Blick auf den Labortypen. „Ich will nicht, dass der meinen Schreiber in die Hand nimmt. Hast du Desinfektionsmittel dabei?

Keira förderte ein Desinfektionsgel mit Piña-Colada-Duft zutage, das sie immer dabeihatte, schließlich befanden sie sich hier im College, und speziell die Gemeinschaftsräume waren echte Brutstätten für Keime. Außerdem waren viele ihrer männlichen Kommilitonen ziemlich eklig, was die Hygiene betraf. Sie schauderte. Göttin sei Dank war sie clever genug gewesen, um sich in einer Etage nur für Studentinnen einquartieren zu lassen. Sie wollte auf keinen Fall das Badezimmer mit einem Haufen Jungs teilen.

Sie und April räumten den Rest der Materialien weg und gingen zu dem Typen hinüber, um ihren Bericht abzeichnen zu lassen zum Beweis dafür, dass sie ihre Aufgabe erledigt hatten. Da es wirklich der letzte Tag war, um was nachzuholen, hatte sich nur eine Handvoll Studenten hier sehen lassen, die anderen waren schon längst nach Hause gefahren. Sie und April saßen sozusagen noch als Letzte im Boot.

„Fertig?“, wollte der Typ wissen. Seine Stimme klang tief und heiser. Keira las den Namen „Dalton“ auf dem Schild, das er auf seinem weißen Kittel trug.

April reichte ihm das Formular mit ihren beiden Namen darauf. Er sah auf das Blatt Papier.

„Ihr habt den ersten Labortermin im Semester versäumt?“, fragte Dalton. „Wie habt ihr das denn geschafft?“

April und Keira tauschten einen frustrierten Blick. Jeder stellte ihnen die gleiche Frage. Das war echt peinlich.

„Wir haben nicht genug Zeit eingeplant, um zum Labor zu kommen“, sagte Keira seufzend. „Und dann haben wir uns verlaufen. Wir waren zwölf Minuten zu spät, und unser Labor-Assistent hatte die Tür schon abgeschlossen.“

„Huygens“, sagte Dalton. „Das ist ein Arschloch, dem macht es Spaß, die Erstsemester zu quälen.“

„Und dir nicht?“, wollte Keira wissen.

„Ich kann mit meiner Zeit was Besseres anfangen.“ Er zog einen Stift aus der Tasche seiner weißen Laborjacke und unterschrieb das Formular. „Dann seid ihr für dieses Semester fertig, Ladys. Zumindest mit eurem Physiklabor. Schöne Ferien.“

„Dir auch“, erwiderte April auf dem Weg zur Tür.

Keira zögerte. Ihr war nicht entgangen, dass Dalton leichenblass war und ihm die Schweißperlen auf der Stirn standen. Er sah gar nicht gesund aus.

„Geht’s dir gut?“, erkundigte sie sich.

„Nicht wirklich.“

April blieb einen halben Schritt vor dem Flur stehen. „Keira, komm schon. Ich muss meinen Flieger kriegen.“

April lebte im Westen Washingtons und wollte über die Weihnachtsferien zu ihrer Familie fliegen. Keira dagegen hatte nur eine kurze Fahrt nach Hause und plante, ein Taxi zu nehmen.

„Geh du schon mal“, sagte sie zu April. „Ich muss erst mal dafür sorgen, dass Dalton gut nach Hause kommt.“ Sie wollte was unternehmen, um ihre egoistischen Gedanken von vorhin wiedergutzumachen.

April winkte ihr zu. „Schöne Ferien. Ich schreibe dir.“

„Tschüss.“

Dalton legte die Arme auf den Tisch und stützte seinen Kopf darauf. „Geh einfach. Alles in bester Ordnung.“

„Du siehst fürchterlich aus. Komm schon. Ich bring dich zu deinem Auto oder deiner Wohnung oder was auch immer. Du gehörst ins Bett.“

Sie erwartete schon ein blödes Grinsen wegen ihrer letzten Bemerkung. Aber Dalton blickte nicht mal hoch.

„Nein, danke.“

„Du bist echt krank.“

„Ist mir klar. Aber ich bin in der Lage, auf mich selbst aufzupassen.“

„So wie du hier rumhängst? Na gut, ich bleibe. Du kannst also genauso gut nachgeben. Nur zur Information, ich bin echt hartnäckig und kommandiere gern. Deshalb füge dich lieber ins Unvermeidliche. Das ist leichter, glaub mir.“

Einen Augenblick blieb Dalton einfach nur in dieser Stellung auf die Tischplatte gekauert, ohne sich zu bewegen. Keira nutzte die Gelegenheit, um festzustellen, dass sein zu langes Haar ein schönes dunkles Braun hatte. Dann befürchtete sie, dass er doch noch ohnmächtig geworden war. Schließlich hob er aber den Kopf, rückte seine Brille zurecht und seufzte.

„Ja, ich bin krank, aber ich werde auch wieder gesund. Der menschliche Körper hat erstaunliche Selbstheilungskräfte, meiner besonders. Ich weiß deine Sorge zu schätzen, aber das ist nicht nötig. Schöne Ferien wünsch ich dir. Du kannst jetzt gehen.“

„Oh, oh, welcher Teil meiner Information war unklar?“

Sie erwartete schon, dass er sie anschreien würde oder in der Art. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass er errötete. Weil er so bleich war, fiel diese plötzlich aufsteigende Röte besonders auf.

„Es ist etwas kompliziert“, murmelte er. „Bitte, geh einfach.“

„Auf keinen Fall. Jetzt bin ich neugierig.“ Sie setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs. „Welche Geschichte steckt denn dahinter? Ich hab alle Zeit der Welt.“

„Na, so ein Glück für mich.“

Sie grinste, entschlossen, so lange zu warten, bis er nachgab.

„Meine Wohnung ist für die Ferien vermietet“, begann er schließlich. „An die Familie eines Profs, die zu Besuch kommt.“

„Das ist nett von dir.“

Er räusperte sich. „Ich hätte eigentlich zusammen mit meiner Freundin nach Aspen fahren sollen.“

„Ich hab gehört, Aspen ist um diese Jahreszeit großartig.“

Er legte den Kopf wieder auf die Arme. „Ja, das hab ich auch gehört.“

„Ich nehme an, du fährst dann doch nicht, oder?“

„Sie hat Schluss gemacht.“

„Hast du dich danebenbenommen?“

Er hob den Kopf. Die Röte war verschwunden, und er sah wieder aus, als würde er jeden Moment ohnmächtig werden. „War gar nicht notwendig. Sie ist eine Schönheit. Ich meine, unglaublich schön. Ich hatte von Anfang an keine Chance.“

„Aber sie war doch deine Freundin.“

„Für zwei Wochen.“ Erneut ließ er den Kopf sinken. „Das ist meine Schwäche. Ich bin wahnsinnig intelligent. Ehrlich, wahrscheinlich bin ich der klügste Typ, dem du je begegnet bist. Ich hab mit vierzehn angefangen zu studieren. Mein Medizinstudium hab ich schon hinter mir, und jetzt mach ich meinen Doktor. Aber wenn es um Frauen geht, bin ich ein Idiot.“

„Du meinst, wenn es um schöne Frauen geht“, lästerte Keira. „Du hast was für sie übrig, das ist süß.“

„Vielen Dank.“

„Dann hast du also kein Zuhause, keine Freundin und kannst nicht nach Aspen fahren, bevor es dir nicht besser geht.“

„Ich kann sowieso nicht fahren. Sie hat mir das Ticket geklaut und ich glaube, auch die Skiklamotten, die ich gekauft habe.“

„Hört sich nach einer erstaunlichen Frau an. Ich wünschte, ich hätte sie kennengelernt.“

„Sie war nicht sehr erstaunlich. Sie war einfach nur …“

„Schön.“

„Genau.“

Sie dachte kurz nach. „Wo wolltest du denn über die Semesterferien bleiben?“

„In meinem Auto. Das ist nicht so übel. Hab ich schon mal gemacht.“

„Ich dachte, du wärst so wahnsinnig intelligent.“

„Bin ich ja, aber ich bin auch arm. Diese Kombination ist nicht so großartig, wie man vermuten könnte.“

Keira warf sich den Rucksack über die Schulter. „Komm schon, Dalton. Nimm dein Zeug mit.“

„Willst du mich zu meinem Auto bringen?“

„Genau. Und dann nehme ich dich mit zu mir nach Hause. Wir haben ein Gästezimmer. Da kannst du bleiben, bis du wieder gesund bist. Niemand sollte über Weihnachten in seinem Auto wohnen.“

„Vielleicht bin ich ja jüdisch.“

„Na schön. Dann eben über Chanukka.“

Er sah sie mit verschwommenem Blick an. „Ich bin nicht jüdisch, aber es gefällt mir, was du da gesagt hast. Du bist so vorbehaltlos.“

„Für mich geht es um die Stimmung, die an diesen Tagen herrscht. Mit Religion hat das nichts zu tun. Aber was weiß ich schon? Ich bin ja erst achtzehn.“ Sie runzelte die Stirn. „Wie alt bist du eigentlich?“

„Vierundzwanzig.“

„Und du hast schon ein Medizinstudium hinter dir?“

„Genau.“

„Aber du bist noch kein Arzt.“

„Ich gehe in die Forschung, um Krebs zu heilen.“

Sie musste ein Lachen unterdrücken. „Na klar.“

Er kniff die Augen zusammen. „Habe ich schon erwähnt, wie intelligent ich bin?“

„Des Öfteren. Du solltest dir ein neues Gesprächsthema überlegen. Meine Familie wird Erwartungen an dich stellen.“

Er zuckte zusammen. „Du hast eine Familie. Natürlich. Ich kann keinen beeindrucken.“

„Keine Sorge. Sie sind schon daran gewöhnt, dass ich Streuner auflese.“ Dalton wäre zwar der erste menschliche Streuner, den sie anschleppte, aber Keira ging nicht davon aus, dass es jemanden überraschen würde.

„Ich wohne mit meiner Schwester, ihrem Mann und den Kindern zusammen. Frick und Frack sind zwei und vier Jahre alt.“

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