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Wort für Wort zurück zu dir

Vor fünfzehn Jahren nahm ihre Freundschaft ein abruptes Ende. Doch als Aggie hört, dass ihre ehemals beste Freundin Rosie dringend Unterstützung braucht, ist sie zur Stelle - ungeachtet der Schatten der Vergangenheit und der Entfernung, die sie mittlerweile voneinander trennt. Die beiden Frauen beginnen einen Briefwechsel, und schon bald ist die besondere Vertrautheit, die nur beste Freundinnen kennen, wiederhergestellt. Gemeinsam lachen und weinen sie über bisherige Entscheidungen, schmieden Pläne für die Zukunft und bauen Luftschlösser - bis das Leben dazwischenkommt.


  • Erscheinungstag: 08.11.2019
  • Seitenanzahl: 368
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959678988
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Andrew, Edward und Meg

Prolog

Von: aggieb@yahoo.com

An: rosie-of-arabia@yahoo.com

Betreff: Mein erstes Kapitel!

Datum: 28. Juni 2003


Hi Rosie,

ich weiß, wir werden uns nächste Woche ohnehin wiedersehen, doch ich muss Dir unbedingt sofort schreiben, denn ich habe die ersten paar Kapitel meines neuen Romans fertig! Die Worte sind nur so aus mir herausgeflossen! Wahrscheinlich wird das Ganze vom Lektor noch mal auseinandergenommen, aber im Moment kann ich nur sagen: Gott sei Dank!

Ich möchte mich noch mal bei Dir bedanken, meine wundervolle beste Freundin, dass Du mir erlaubt hast, Deine Geschichte zu erzählen. Ich verspreche Dir, ich werde mich ihrer so gut ich kann annehmen. Bei dem Gedanken an das letzte Kapitel mache ich mir jetzt schon vor Aufregung in die Hose. Es wird so verflucht herzerwärmend sein, dass kein Auge trocken bleibt. Stell Dir nur mal folgende Szene vor: Ein unglaublich schöner Strand in Schottland, zwei alte Freundinnen treffen sich nach langer Zeit das erste Mal wieder, die eine ist gerade aus einem Kriegsgebiet in der Wüste nach Hause zurückgekehrt, die andere hat endlich einen Sinn in ihrem Leben gefunden, nachdem sie jahrelang in ihrer eigenen gedanklichen Wüste verloren war. Wir haben so viele Jahre verloren (und alles nur wegen eines Mannes und eines Missverständnisses – Frauen lernen auch nie dazu), aber sobald Du nach Hause kommst, können wir eine neue To-Do-Liste erstellen und einen Schwur aufsetzen (notfalls mit Blut statt Tinte), uns nie mehr aus den Augen zu verlieren. Na ja, genug herumgesülzt. Anbei sende ich Dir den Klappentext für das Buch. Schreib mir, was Du davon hältst.

Das Leben der Rosie Hughes

Von Agatha Braithwaite

Alles beginnt – wie vielleicht alle romantischen Geschichten beginnen sollten – mit einer unglücklichen Heldin, einer verrückten Idee und einer langen, abenteuerlichen Zugfahrt. Stella Valentine, eine schöne, aber einsame Liebesromanautorin, beschließt an einem nasskalten Dezembernachmittag spontan, in die Wildnis der schottischen Highlands zu fliehen – nachdem sie ihren Laptop und ihr neuestes Manuskript in den nächsten Fluss geworfen hat. Wie jeder weiß, der jemals eine lebensverändernde Reise nach dem Motto »Mir ist jetzt alles egal« unternommen hat, kann man zu Beginn nie sagen, ob der Weg zu dem heiß ersehnten »Und sie lebten vergnügt bis an ihr seliges Ende« führt, oder ob er sich einfach nur als eine weitere schäbige, mit Schlaglöchern übersäte Straße herausstellt, die in noch tiefere Abgründe der Verzweiflung führt.

Doch als Stella aus dem Fenster des alten Dampfzuges schaut, der durch die Schlucht rauscht, werden auch die letzten Zweifel in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins verdrängt. Sie bemerkt den tosenden Wind und den Regen nicht, sondern fühlt, wie ihr Herz buchstäblich anschwillt beim Anblick der tiefen, dunklen Seen, der gewaltigen Berge und der verblühten Heidelandschaft; eine Landschaft, die geradezu dazu geschaffen scheint, all die Verlorenen und Einsamen aufzunehmen. Als sie auf den Bahnsteig der Mallaig-Station tritt, fühlt sie ganz sicher, dass die nächsten sechs Monate über ihr restliches Leben entscheiden werden.

Was Stella jedoch nicht weiß: Just in dem Moment, als sie aus dem Zug steigt und den Bahnsteig entlanggeht, ihren Koffer hinter sich her zieht und lächelnd die Regentropfen begrüßt, denkt ihre Kindheitsfreundin Rosie Hughes an sie und tritt ihre eigene abenteuerliche Reise an – nur dass diese sie in einen viel gefährlicheren Teil der Welt führen wird.

Dies ist also nicht nur Stellas Geschichte, sondern auch die einer wieder aufblühenden Freundschaft zwischen zwei Frauen, die herausfinden, dass jeder einzelne Tag zählt, und dass nichts im Leben furchteinflößend erscheint, solange man eine Freundin an seiner Seite hat.

Alles, alles Liebe,

Aggie (auch bekannt als Stella Valentine. Ich hatte Dir doch gesagt, dass ich für diesen Namen noch eine Verwendung finden würde.)

Teil 1

Sechs Monate zuvor


Von: Agatha Braithwaite, Midhope-on-the-Moor, West Yorkshire

An: Leutnant Rosanna Hughes, Royal Navy, Hauptquartier der Britischen Armee, Kuwait

Datum: 2. Januar 2003


Oh mein Gott, Rosie,

ich habe gerade herausgefunden, dass Du in den Krieg gezogen bist!

Ich bin’s übrigens, Aggie Braithwaite. (Ich weiß, es ist beschämend lang her, seit wir zuletzt miteinander gesprochen haben.)

Heute Morgen bin ich Deinem Vater im Dorfladen über den Weg gelaufen und wusste sofort, dass irgendetwas faul sein muss. Er hat die ganze Zeit eine weiche Mango in seiner Hand hin- und hergedreht und mit leerem Blick in das Kühlregal mit den beinahe abgelaufenen Lebensmitteln gestarrt. Da Dein Vater zu der Generation von Männern aus Yorkshire gehört, denen es nicht im Traum einfallen würde, eine Mango zu kaufen (nicht einmal eine weiche), habe ich ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei. Er meinte »Ach, es geht, angesichts der Umstände …« Mist, dachte ich mir, da muss jemand gestorben sein. Also habe ich nachgehakt: »Angesichts welcher Umstände, Mr. Hughes?« Und er erzählte mir, dass Du gestern nach Kuwait geflogen bist – mit der Armee. Was hast Du Dir bloß dabei gedacht, Rosie? Khaki steht absolut niemandem – nicht einmal Dir.

Das letzte Mal, als mir Dein Vater über den Weg gelaufen ist, war vor ungefähr anderthalb Jahren in Midhope beim Chinesen, als er gerade eine Portion Hühnchen süß-sauer zum Mitnehmen bestellt hat. Ich hab einen Glückskeks aufgebrochen und meine Nummer und Adresse auf die Rückseite des Papiers geschrieben. Hat er es an Dich weitergegeben? Er erzählte damals, Du und Josh würdet in einem Reetdachhaus in Devon wohnen, und dass Du beim Wetterdienst in Exeter arbeitest. Doch jetzt höre ich, Du seist wieder der Marine beigetreten, als Reservistin, und hättest die Scheidung eingereicht? Häh? Ich dachte, Du hättest die Marine schon vor Urzeiten verlassen. Ich bin vollkommen verwirrt und glaube, dass die ganze Welt nun endgültig und unrettbar verrückt geworden ist. So viele Dinge ergeben einfach keinen Sinn:

1. Was zum Teufel hat die Marine in der Wüste verloren? Habe ich da womöglich etwas missverstanden?

2. Falls Du nicht zufällig seit Neuestem regelmäßig ins Fitnessstudio gehst, sind Dein Körperbau und Deine Persönlichkeit nun wirklich nicht zum Kämpfen geeignet. Wenn Du wie ich gebaut wärst (also wie eine kriegerische Amazone), wär das natürlich etwas anderes.

3. Dein Name passt nicht zu einer Kriegsheldin (ich bin Schriftstellerin, also weiß ich über so etwas Bescheid). Wie kann jemand, der Rosie heißt, nur in den Krieg ziehen? Der Name klingt zu weich, eher nach einer Frau, die in einem gemütlichen Cottage sitzt, Marshmallows am Kaminfeuer röstet und ihren zwanzig Kindern etwas auf der Geige vorspielt.

4. Als Gründungsmitglied der Huddersfield-Abteilung der Drei Engel für Charlie weiß ich ganz genau, dass Du ein kleiner Angsthase bist.

Alles in allem – Rosie Hughes im Krieg? Ergibt keinen Sinn.

Trotz meiner Bemühungen konnte ich aus Deinem Vater nicht viel herausbekommen. Er musste gleich wieder los, weil er auf dem Behindertenparkplatz geparkt und seinen Behindertenausweis Deiner Tante Joan geliehen hatte – sie ist die Stufen eines Bücherbusses hinuntergefallen und hat jetzt Flüssigkeit im Kniegelenk. Aber bevor er verschwand, hat er mir noch etwas über die elektronische Feldpost erzählt und mir Deine Feldpostadresse (und seltsamerweise auch die Mango) in die Hand gedrückt. Das war für mich ein Wink des Schicksals – also die Adresse, nicht die Mango –, denn ich versuche schon seit Ewigkeiten, mit Dir wieder in Kontakt zu treten. Doch als Du weder angerufen noch geschrieben hast, nachdem ich Deinem Vater meine Nummer gegeben hatte, wollte ich schon aufgeben. Aber jetzt, da Du in den Krieg gezogen bist, hab ich beschlossen, Dir einfach mal ein »Hallo« und ein »Pass auf Dich auf« zu schicken – und ein »Was zum Teufel soll das, Du Idiotin?«

Doch genug von Dir. Mein eigenes Leben war bisher eine Folge von Fehlentscheidungen, die ich an einer Kette guter Absichten aufgereiht habe. Es wird Dich nicht überraschen zu hören, dass ich sie immer noch nicht gefunden habe – und mit »sie« meine ich diese Sache, die man »Liebe« nennt. Ich bin zurück nach Midhope gezogen und arbeite als Schriftstellerin, was mich zu Tode langweilt, obwohl es doch immer mein Traum war. Ich bin wieder dem Opernverein beigetreten, in der Hoffnung, mir vielleicht einen Hauptdarsteller zu angeln. Ja, ich weiß, ich lerne auch nie dazu. Allerdings sind die männlichen Mitglieder entweder schon vergeben oder einfach nur sterbenslangweilig, und außerdem hat die blöde Besetzungstante die Rolle der Maria in The Sound of Music an Jessie Cartwright vergeben! Ich hab denen gesagt, dass sie mich mal kreuzweise können. Ich meine, Jessie Cartwright? Als Maria? Also bitte!

Es war genauso wie damals in der Zwölften, als Cheryl Brown die Julia spielen durfte, nur weil sie leicht genug war, um gefahrlos auf diesem Balkon aus Balsaholz stehen zu können. Und als wär das nicht schon demütigend genug, haben sie mir »zum Trost« angeboten, eine der Nonnen zu spielen – und zwar nicht die hübsche, sondern die zickige mit dem zerknautschten Gesicht. Glaub mir, Rosie, Jessie Cartwright hat ein schwaches, blechernes Stimmchen, man wird sie in den hintersten Reihen kaum hören können. Aber ich schätze, ihr zwergenhaftes Aussehen passt zu dem stereotypen Bild, das man von Maria hat. Wann werden die Leute endlich einsehen, dass Maria in Wirklichkeit ein draller, unbeirrbarer, männermordender Vamp war, und dass man sie nur aus dem Frauenkloster geworfen hat, weil sie einen so großen Appetit auf Männer hatte? Außerdem war sie wahrscheinlich total gemein zu den Kindern, sobald der Ring an ihrem Finger steckte. Sei ehrlich: Wer sonst außer mir (zumindest im westlichen Yorkshire) wäre besser dafür geeignet, eine dralle österreichische Ex-Nonne zu spielen, die einen Kapitän verführt? Beim Vorsingen habe ich perfekt abgeliefert, meine übliche Ella-Fitzgerald-Nummer gebracht und Puttin’ On The Ritz rausgehauen (ein super Song, um die Bühne gut auszufüllen), gefolgt von With A Song In My Heart – etwas fürs Herz. Mrs. Butterworth war tatsächlich am Heulen, als ich die letzte Zeile gesungen habe. Und das alles nur, um am Ende gesagt zu bekommen: »Wir melden uns bei Ihnen.«

Wir melden uns bei Ihnen?!

Anscheinend kann ich also nicht einfach so nach zehn Jahren nach Yorkshire zurückkehren und erwarten, die Hauptrolle singen zu dürfen.

Aber wieso nicht?

Trotzdem soll ich meinen dicken Hintern vor dem Klavier parken und die Proben begleiten – was für eine Frechheit! Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich die Rolle der hässlichen Nonne – und das Klavier – sonst wohin schieben können. Ich bin nicht mal ansatzweise für diese Rolle geeignet und weigere mich, sie zu spielen – es ist eine Demütigung. Shaun Jones hat mich gefragt, ob ich meine Ella-Nummer wieder im Klub zum Besten geben möchte (wahrscheinlich habe ich ihm leidgetan), aber ich kann das jetzt einfach nicht. Ich habe abgeschlossen mit dem Singen. Außerdem fliehe ich eh bald nach Schottland.

Mehr dazu in Kürze.

Alles Liebe, Aggie

PS: Irgendwelche potenziellen Traumtypen für mich entdeckt? Vergiss nicht, er muss groß sein. Obwohl ich mich letztes Jahr im Urlaub zehn Stunden lang im Toten Meer eingeweicht habe, bin ich leider nicht eingegangen.

PPS: Ich weiß zwar, dass wir seit – wie viel? – fünfzehn Jahren keinen Kontakt mehr hatten, habe aber trotzdem beschlossen, in diesem Brief einen locker-fröhlichen Ton anzuschlagen (so als wäre nichts passiert, und wir würden nur ein wenig bei einer Tasse Tee und Kuchen plaudern). Hoffentlich stört Dich das nicht. Ich weiß, dass wir über einige Dinge sprechen müssen, um reinen Tisch zu machen, aber können wir vielleicht – zumindest für den Moment – die Vergangenheit ruhen lassen?


Von: Rosie

An: Aggie

Datum: 3. Januar


Oh Aggie,

ich habe mich so über Deinen Brief gefreut. Was für ein seltsamer Zufall: Erst gestern Abend, als ich in der Generalssitzung saß und am Eindösen war, musste ich an Dich denken. Ich hatte mir so gewünscht, mal von Dir zu hören. Und nun halte ich Deinen Brief in den Händen!

Weißt Du noch, wie wir als Schülerinnen das Proms-Musikfestival in Leeds besucht haben und sich diese Frau auf dem Balkon nach vorne gelehnt hat, um ihrer Freundin zu winken? Dabei sind ihre falschen Zähne aus dem Mund gefallen und in Deinem Bierglas gelandet! So was Urkomisches konnte nur Dir passieren. Hast Du das Bier eigentlich noch getrunken, nachdem Du die Zähne herausgefischt hattest? Vermutlich.

Auch ich wollte mich schon lange bei Dir melden, aber nachdem Du vor ein paar Jahren die Einladung zu meiner Hochzeit abgelehnt hattest, dachte ich, Du hättest wahrscheinlich noch immer nicht vergessen (und vergeben), was damals im letzten Sommer vor Beginn unserer Studienzeit geschehen war. Ich muss gestehen, dass mir mein Dad letztes Jahr Deine Adresse gegeben hat. Der Glückskeks bereitete mir Unbehagen. Auf dem Zettel stand: Alles, worum ein Freund dich bittet, ist Zeit, nicht Geld. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch gerade erst meine Ehe in die Brüche gegangen – nur eine von mehreren ähnlich schweren Katastrophen – und ich wollte mich einfach nur verkriechen.

Vor ein paar Wochen habe ich mich dann dazu entschlossen, Dich vor meiner Abreise nach Kuwait zu besuchen. Aber in letzter Minute habe ich gekniffen. Vielleicht wäre es doch besser, mich erst bei Dir zu melden, wenn ich wieder zu Hause bin und mehr Zeit habe, dachte ich.

Aber ja, lass uns das alles vergessen. Nur eine Sache noch: Falls Du Dich wegen der Geschichte mit Simon nicht gemeldet hast, dann tut es mir wirklich leid. Er kann manchmal ein rücksichtsloser Arsch sein. Aber vielleicht ist es Dir ein Trost, wenn ich Dir sage, dass er es nicht böse meint. Davon bin ich ehrlich überzeugt.

Was die Frage angeht, warum ich mit der Armee in Kuwait bin, so kann ich nur auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit plädieren. Nachdem Josh und ich Schluss gemacht haben, konnte ich den Gedanken nicht ertragen, das Haus im Dartmoor zu verkaufen. Kannst Du Dich noch erinnern, wie ich früher Bilder von meinem Traumhaus gemalt habe? Mit einem Reetdach, einem Ententeich, Rosenbeeten und vielen Kindern? Nun, bis auf die Kinder habe ich das ziemlich gut hinbekommen. Josh hatte sich bereit erklärt, seinen Anteil an dem Haus für einige Jahre angelegt zu lassen und sich in der Stadt eine Mietwohnung zu suchen. Die meiste Zeit war er ohnehin auf See. Wenn ich weiterhin in dem Cottage wohnen wollte, müsste ich die gesamten Nebenkosten allein tragen. Zwar willigte ich ein, doch auf Dauer konnte ich mir das nicht leisten. 1999 habe ich nach einer der kürzesten Militärkarrieren aller Zeiten die Marine verlassen. Dabei war ich wirklich gern Meteorologin bei der Marine. Doch nach der Hochzeit mit Josh wollte ich nur noch sesshaft werden und eine Familie gründen. Also habe ich den Job beim Wetterdienst in Exeter angenommen. Zunächst bin ich der Reserve beigetreten, um meine Verbindung zur Marine aufrechtzuerhalten, doch der Job ermöglichte es mir auch, nach der Trennung das Haus zu behalten. Bis sie mich dann im letzten November gefragt haben, ob ich eine Stationierung in Kuwait erwägen würde, um die Armee als Meteorologin zu unterstützen. Nenn mich impulsiv, aber ich habe Ja gesagt – wahrscheinlich, um nicht wie ein Feigling zu wirken. Der Wetterdienst entband mich für sechs Monate von meinen Pflichten, und ehe ich mich versah, hatte ich meine Ausrüstung zusammengepackt, mich einem kurzen Training unterzogen und bin in ein Transportflugzeug der Royal Air Force gesprungen.

Mist, schon so spät? Ich muss mich beeilen und eine Wettervorhersage für die 1800-Einsatzbesprechung vorbereiten. Aber ich schreibe Dir später noch mal einen längeren Brief. Bitte melde Dich so oft und ausführlich, wie Du kannst! Ich fühle mich sehr einsam hier draußen, so ganz ohne Freunde. Was treibst Du so? Du bist Autorin? Worüber schreibst Du? Hast Du jemals diesen erotischen Roman fertig geschrieben?

Alles Liebe, Rosie

PS: Tut mir leid, Dir das sagen zu müssen, aber trotz der großen Auswahl an Männern gibt es hier leider keine allzu heißen Typen.

PPS: Anscheinend wundert sich das ganze Dorf darüber, wie Du es geschafft hast, Dir diese ausgebaute Scheune mit Blick über den Fluss zu leisten. Um Himmels willen, Aggie, hast Du etwa im Lotto gewonnen?


Von: Mr. Hughes, Rosies Dad

An: Rosie

Datum: 3. Januar


Mein Liebes,

hast Du Dich schon eingelebt? Wie war die Reise? Mama würde gerne wissen, wo genau Du bist und ob Du in Kuwait bleiben wirst, wenn es zu Gefechten kommt. Bist Du in einem Bunker? Sie möchte außerdem wissen, ob Du genug zu essen bekommst, vor allem Ballaststoffe. Mir ist schon klar, dass Du erst seit ein paar Tagen dort bist, aber Du weißt ja, wie sie sich immer um Deine Verdauung Sorgen macht. Wo wir gerade davon reden: Wir haben Fluffy heute früh zum Tierarzt gebracht, weil sie ständig ihr Hinterteil an Mamas Schafwollteppich gerieben hat. Nachdem ihr die Analdrüsen ausgedrückt wurden (für 50 Pfund!), scheint es ihr jetzt besser zu gehen. Es besteht also Hoffnung, dass es keine weiteren unangenehmen Teppichszenen mehr geben wird. Gott sei Dank, schließlich kommt Tante Joan bald zu Besuch.

Mir ist das stämmige Mädchen begegnet, mit dem Du Dich zu Schulzeiten immer herumgetrieben hast. Sie ist jetzt nicht mehr so dick, aber man sieht ihr immer noch an, dass sie gern isst. Sie hat mir meine Mango geklaut (schön reif und zum halben Preis!). Ich wollte sie eigentlich klein geschnitten mit etwas Avocado Deiner Mutter servieren, wobei ich mit Avocados bisher nie viel Glück hatte. Entweder sind sie zu hart oder zu weich – ich erwische sie nie zur rechten Zeit. Jedenfalls sagte sie, sie wolle sich bei Dir melden – Agatha, nicht Deine Mutter. Deine Mutter sendet Grüße. Du weißt ja, dass sie es nicht so mit dem Schreiben hat.

Was gibt es sonst zu berichten? Bill und Mary von gegenüber lassen sich neue Fenster einbauen. Wir sind der Meinung, dass sie die Sache nicht sehr gut durchdacht haben. Ich sage nur: Kunstholz. Einen großen Wintergarten lassen sie sich auch bauen. Dieser Dummkopf nennt es eine »Orangerie«. Wie soll bitte eine Orangerie in ein Reihenhaus passen? Der neue Nachbar neben Bill (dort, wo früher Tracy und Jack gewohnt haben), hat beim Stadtrat eine Beschwerde eingereicht. Er behauptet, dass der Anbau seinem Hühnerhaus das Licht raubt, aber Bill bleibt stur. Uns stört es nicht, denn ein Haus mit einer Orangerie in der Nachbarschaft wirkt sich auch auf den Wert unseres eigenen Hauses positiv aus, so sieht das zumindest Mama. Sie liebäugelt ja mit einem Bungalow. Aber nicht mit mir! Der einzige Weg, auf dem ich dieses Haus jemals verlassen werde, ist in einer Holzkiste.

Die letzte Woche über hatten wir recht stürmisches Wetter, aber zumindest ist es zu kalt für Schnee. Jetzt muss ich aber gleich Schluss machen, denn gerade eben habe ich den Postboten gehört, und ich warte schon eine ganze Weile auf mein Metalldetektoren-Magazin. Mama sitzt in ihrem Stuhl und sieht sich Reisebroschüren an. Sie behauptet, sie habe Lust auf eine Kreuzfahrt, aber Du und ich wissen doch genau, dass ihr die ganzen Leute und das viele Gerede auf den Geist gehen würden. Vielleicht leisten wir uns einen neuen Wohnwagen und fahren damit auf den Whitby-Campingplatz. Wobei diese Dinger heutzutage so teuer sind, dass wir es am Ende wahrscheinlich doch sein lassen.

So, mehr fällt mir nicht ein. Falls Du Dich die nächsten Wochen etwas bedrückt fühlen solltest, kannst Du Dir ja diesen Brief durchlesen und Dir vorstellen, wie ich zu Nat King Cole singe, ganz wie in alten Zeiten:

Light up your face with gladness, hide every trace of sadness …

Und denk dran: Immer schön aus der Schusslinie bleiben!

Alles Liebe,

Mama und Papa

PS: Hast Du meine Schneeschaufel mit nach Devon genommen? Sie hatte einen glatten Griff, und der Winkel des Schaufelblatts war genau richtig. Ich kann einfach keinen guten Ersatz finden.


Von: Aggie

An: Rosie

Datum: 7. Januar


Liebe Rosie,

natürlich habe ich das verdammte Bier ausgetrunken! Wir hatten nur noch unser Busgeld, und ich wollte nicht nach Hause fahren, ohne mir wenigstens einen Drink gegönnt zu haben. Zugegeben, er hat leicht nach Haftcreme geschmeckt, und ich musste ein Stück Popcorn rausfischen, aber ansonsten war er ziemlich lecker.

Also gut, hier ein kurzes Update, was in den letzten Jahren so passiert ist. Nach der Uni bin ich nach London gezogen und habe als Lektorin bei Maddison und Black gearbeitet. Das war ein super Job – die ganze Zeit war was los, viele Flirtgelegenheiten usw. Ein paar Jahre später hab ich dann meinen viel diskutierten ersten Roman veröffentlicht (und dann noch zwei weitere). Ich verrate Dir ein großes Geheimnis, aber nur, weil Du in der Wüste festsitzt und es niemandem weitererzählen kannst … Ich bin Ghostwriterin für romantische Komödien von keiner Geringeren als der Starkonditorin Isabella Gambini (von wegen, eigentlich heißt sie Sharon Froggatt). Isabella ist eine ganz Liebe, und ich finde es nur passend, dass ich – eine Frau, die schon mit Schüssel und Schneebesen in der Hand aus dem Mutterleib kam – nun Liebesromane für die beste Bäckerin der Welt schreibe. Isabella schickt mir Gratisexemplare all ihrer Backbücher, was bedeutet, dass ich jede Woche gefühlt einen Marathon laufen muss, um nicht zuckerkrank zu werden. Allerdings muss ich gestehen: Nachdem ich nun acht Bücher in acht Jahren rausgehauen habe, bin ich ausgebrannt. Meine Fantasie ist ausgeschöpft. Mit meinem neuesten Projekt, Mein törichtes Herz, geht es einfach gar nicht voran. Meine Charaktere hängen irgendwo in der Schwebe, und das können sie gar nicht leiden.

Es wird Dich nicht überraschen zu hören, wie frustriert meine Mum darüber ist, niemandem davon erzählen zu können, dass ich Schriftstellerin bin. Aber erstaunlicherweise hat sie es geschafft, all die Jahre die Klappe zu halten. Sie ist immer noch ein richtiger Drache, und es gibt Tage, an denen sie plötzlich nicht mehr mit mir spricht, doch alles in allem ist sie wohl froh, dass ich wieder zurück in die Heimat gezogen bin (eine spontane Entscheidung, der ein gebrochenes Herz vorausging – seines, nicht meines). Das Problem mit dem Schreiben ist, dass ich Stunde um Stunde allein dasitze, versunken in meine Fantasiewelt, in der es, wie Du weißt, oft wild zugeht. Und was noch schlimmer ist, meine Fantasiewelt muss sich als die Fantasiewelt einer anderen Person ausgeben, was das Ganze noch verrückter macht.

Aber wenigstens ist das Leben meiner ausgedachten Freunde spannend und interessant, was man von meiner miesen Existenz im Moment nicht behaupten kann. Schon traurig, wenn in den Schlafzimmern meiner Protagonisten mehr los als ist als in meinem eigenen *seufzt laut*. Meine letzte Eroberung war ein Angler, David. Als wir zum ersten Mal miteinander im Bett waren, meinte er, ich sei bisher sein größter Fang (Oh Mann!). Wir haben für eine Weile zusammengelebt, aber unsere Beziehung war nichts Besonderes. Wie vorherzusehen war, bin ich eines Morgens aufgewacht und habe realisiert, dass er mich zu Tode langweilt. Und selbst wenn er mich nicht zu Tode gelangweilt hätte, niemals hätte ich mich mit seinem ultimativen Fetisch messen können: Nein, nicht ich in roter Spitze, eine Peitsche schwingend, sondern der ausgesprochen schwer zu fangende, zwanzig Pfund schwere Conger-Aal (oder irgendein anderer Riesenfisch). Also habe ich mich eines Tages, als wir schweigend am Fluss saßen und ich mich gerade an einem heißen Kaffee verbrüht hatte, vom Lachs inspirieren lassen. Ich sagte David, dass es vorbei sei und kämpfte mich flussaufwärts nach Hause, um zu laichen.

Doch jetzt merke ich, dass hier akuter Mangel an Befruchtungsmöglichkeiten herrscht, was mir Sorgen bereitet. Vor ein paar Wochen hab ich im Internet einen Mann kennengelernt, der ganz nett zu sein scheint. Er ist Ire und (Gott sei Dank) sehr groß. In Gedanken sehe ich uns beide schon wie Maureen O’Hara und John Wayne in Der Sieger durch die Natur streifen – aber bitte ohne in Irland leben oder Rosen züchten zu müssen. Nicht dass ich irgendwas gegen die Grüne Insel hätte, aber es regnet mir dort zu viel, und ich habe meiner Mum versprochen, nächstes Jahr zusammen mit ihr im Cribbage-Turnier anzutreten. Sie ist fest entschlossen, die Konkurrenz zu vernichten – das heißt Janey Peters, die ihr vor zwanzig Jahren den Freund ausgespannt hat. Eines muss man meiner Mum lassen, sie ist beharrlich. Ich habe Dir ein Päckchen mit ein paar Süßigkeiten und Zeitschriften und einem meiner Bücher geschickt. Es heißt: Aber so meinte ich das doch gar nicht. Vielleicht hast Du keine Zeit, es zu lesen, da der Krieg ja bevorsteht und so, aber falls doch, schreib mir gerne eine Rezension (eine ehrliche).

Ciao, Bella!

Aggie

PS: Ja, ich hab mich wegen Simon ferngehalten. Dein Vater meinte, er sei für eine Weile nach Australien gezogen, was ein ziemlicher Schock für Euch gewesen sein muss. Ich weiß, wie sehr ihr ihn alle vergöttert.


Von: Wright und Longstaff Rechtsanwälte, Exeter

An: Rosanna Hughes

Gesendet: 3. Januar 2003

Gelesen: 7. Januar 2003


Sehr geehrte Mrs. Hughes,

anbei senden wir Ihnen eine Kopie Ihres vorläufigen Scheidungsurteils.

Wir haben ein Angebot über 245.000 Pfund für Rose Cottage erhalten, das Mr. Fletcher gerne annehmen würde. In Übereinstimmung mit Ihrer letzten Anweisung werden wir den Verkauf durchführen. Der Erlös wird gemäß Scheidungsvereinbarung zwischen Ihnen und Mr. Fletcher aufgeteilt.

Anbei finden Sie außerdem die aktualisierte Version Ihres Testaments gemäß Ihrer Anweisungen. Bitte unterzeichnen Sie an den markierten Stellen und senden Sie ein Exemplar an mich zurück, sobald es Ihnen möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen,

Justin Grant


Von: Aggie

An: Rosie

Datum: 7. Januar


Ich bin’s schon wieder!

Oh mein Gott, ich hatte soeben Telefonsex mit dem Iren! Was für eine tolle Stimme der hat. Zuerst war ich ein wenig besorgt, dass er vielleicht wie dieser irische Politiker Gerry Adams sprechen würde, aber nein, sein Akzent ist weich und sexy. Ich habe versucht, weniger wie eine Nordengländerin und mehr wie eine BBC-Nachrichtensprecherin zu klingen, doch wie sich herausstellt, ist es egal, mit welchem Akzent man stöhnt. Das nächste Mal ziehe ich mir etwas Aufreizendes an und lege mich aufs Bett, damit ich noch mehr in Stimmung komme. Es lenkt doch etwas ab, wenn man beim Telefonsex Häschenhausschuhe trägt und im Hintergrund Inspector Barnaby läuft, aber ich finde jedes Mal schon vor dem ersten Werbeblock heraus, wer der Mörder ist und wollte mir auch dieses Mal das Raten nicht entgehen lassen. Bitte verurteile mich nicht: Ich treffe Paddy (ob das wohl sein echter Name ist?) morgen in Venedig, für eine Nacht. Schon klar, das ist ziemlich überstürzt. Aber ich habe ein gutes Gefühl bei ihm.

Ciao, meine Süße, oder wie die Iren sagen: »Möge Dir dein Weg leichtfallen.«

Aggie

PS: Mist, ich hoffe, die Armee öffnet nicht Deine Post.

PPS: Stell Dir vor, ich habe gestern einige alte Tagebücher durchforstet und bin auf diese To-Do-Liste gestoßen, die wir in der Dreizehnten mal geschrieben haben. Die ist zum Totlachen, aber wir waren viel zu brav. Ich tippe sie Dir in einem meiner nächsten Briefe mal ab. Ist das zu fassen, dass wir das »Dokument« mit UNSEREM EIGENEN BLUT unterschrieben haben!?


Von: Rosie

An: Aggie

Datum: 8 Januar


Hi Aggie,

nur ganz kurz. Kannst Du mir bitte einen ganz großen Gefallen tun? Vor ein paar Jahren habe ich meinem Dad eine Schneeschaufel auf dem Wochenmarkt gekauft, die er heiß und innig geliebt hat. Sie hatte ein schwarzes Schaufelblatt aus Plastik und einen hölzernen Stiel. Der Griff war aus Kork, was ihm besonders gefallen hat. Nur leider ist sie kaputt gegangen, als Josh und ich sie auf unserem Ausflug nach Hound Tor als Schlitten missbraucht haben. Kannst Du so gut sein und auf dem Markt nachschauen, ob sie solche Schaufeln noch verkaufen? Und falls Du tatsächlich eine finden solltest, wäre es gut, wenn Du sie ein wenig abnutzen und sie dann neben dem Komposthaufen (hinter dem Stapel alter Schieferplatten beim Gewächshaus) abstellen könntest. Sag Bescheid, wenn das geklappt hat. Ich werde Dir heute Abend noch mal schreiben.

Alles Liebe, Rosie

PS: Du hast ganz beiläufig eine Reise nach Schottland erwähnt. Was hat es damit auf sich?


Von: Rosie

An: Aggie

Datum: 8. Januar


Hi Aggie,

ach herrje, die Liste an Dingen, die wir vor dem Tod noch erledigen wollten! Es war Deine Idee, mit unserem Blut zu unterschreiben. Für Dich war das auch leichter, denn Du musstest ja nur die Kruste von Deinem Ellbogen abkratzen (ein Rollschuh-Unfall, soweit ich mich erinnere). Ich dagegen musste mir mit einem Obstmesser in den Finger schneiden. Wir waren echt verrückt. Ich bin schon sehr gespannt zu lesen, was wir uns damals alles ausgedacht haben.

Bitte entschuldige den hastigen Brief mit der Schneeschaufel, aber Dad kann etwas schwierig sein, wenn es um seine Sachen geht, und ich wollte den Brief so schnell wie möglich zur Post bringen. Echt erstaunlich: Deine elektronischen Briefe werden hier manchmal noch am selben Tag ausgedruckt, an dem Du sie verfasst hast. Aber meine handgeschriebenen Briefe brauchen sicher ein paar Tage länger, bis sie Dich erreichen, oder? Du hast mich nach Einzelheiten aus meinem Leben in der Wüste gefragt, daher folgt nun die Kurzversion meiner ersten Woche.

Wir sind am Abend des 1. Januar in Kuwait City gelandet. Als das Flugzeug still stand, habe ich aus dem Fenster gesehen und war überrascht, anstatt des erwarteten üblichen Flughafenbetriebs Mitarbeiter der Royal Air Force beim Ausladen des Flugzeugs zu beobachten. Alle trugen Sauerstoffmasken an ihren Gürteln. Und obwohl auch ich mit einer Sauerstoffmaske und einer Pistole ausgerüstet war, wurde mir die Möglichkeit, Opfer eines Gasangriffs zu werden, erst in diesem Moment so richtig bewusst. Wir sind aus dem Flugzeug gestiegen und wurden durch eine Reihe von Zelten manövriert. Das gehört zum Ankunftsprozess im Einsatzgebiet. Es herrschte absolute Stille. Niemand hat gelächelt. Kein Einziger, der an Bord des Flugzeugs gewesen war (hauptsächlich Soldaten), warf mir auch nur einen Blick zu. Man gab mir Mittel gegen Nervengift, eine Atropinspritze für den Fall eines chemischen Angriffs, ein paar äußerst starke Antibiotika im Falle eines Angriffs mit Biowaffen und zehn Patronen, die ich in meinem Munitionsbeutel verstaut habe. Nach dieser Prozedur wurde ich auf einen zugigen, klapprigen Laster verfrachtet und zum Hauptquartier der Britischen Armee gefahren. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie lange diese Fahrt gedauert hat. Auch hier wurde wieder kein einziges Wort gewechselt. Niemand nahm uns in Empfang, als wir im Lager ankamen. Alle sind in verschiedene Richtungen verschwunden und haben mich allein stehen lassen. Es war mitten in der Nacht. Ich war total erschöpft und hatte keine Ahnung, was ich tun oder wohin ich gehen sollte. Ich habe meine Stirnlampe aufgesetzt und bin eine Reihe von Zelten entlanggegangen, in denen Soldaten entweder auf Feldbetten oder direkt auf dem sandigen Boden geschlafen haben. In einem der Zelte habe ich zwischen zwei Soldaten eine Lücke entdeckt, die gerade groß genug für meine Matte war. Ich fiel auf die Knie, streifte meinen Rucksack ab, holte meinen Schlafsack heraus und versuchte zwischen den Männern einzuschlafen, aber ich musste so dringend auf die Toilette. Und es war bitterkalt. Man sollte meinen, dass ich mich als Meteorologin darüber informiert hätte, wie kalt es nachts in der Wüste im Winter werden kann. Wie Du siehst, bin ich eine absolute Amateurin.

Um 6 Uhr in der Früh standen wir auf. Ich wartete, bis alle das Zelt verlassen hatten, bevor ich meinen Bergen (das ist ein Armee-Rucksack) angelegt habe. Es war mir zu peinlich. Obwohl ich meine Ausrüstung vor der Abreise bereits auf ein absolutes Minimum reduziert hatte, ist das Gewicht immer noch beträchtlich. Ich muss in die Knie gehen, etwas zum Festhalten finden, die Träger über die Schultern ziehen und all meine Kraft in den Beinen aufbringen, um mit dem Rucksack auf dem Rücken aufstehen zu können. Fortbewegung ist nur möglich, indem ich mit einem kräftigen Schwung versuche, die Schwerkraft zu überwinden. Wie dem auch sei, ich folgte der Masse, fand die Toilettenhäuschen, säuberte alles so gut es ging mit Feuchttüchern und machte noch mal das Spielchen mit dem Rucksack-Anlegen durch. Ich fragte einen Amerikaner, wo ich Frühstück bekommen könnte und wurde in Richtung des Essenszelts verwiesen. Anschließend zeigte man mir endlich den Weg zum Hauptquartier, wo ich über eine Stunde nach jemandem gesucht habe, der mir weiterhelfen konnte. Am Ende stellte sich heraus, dass ich die Wetterprognosen ohne fremde Hilfe erstellen muss.

Generell ist ein deutlicher Qualitätsunterschied zu bemerken. Die Amerikaner sind mit dem modernsten Equipment ausgestattet, was man von uns Briten nicht behaupten kann. Unser Hauptquartier ist ein großes Zelt, das seine besten Tage längst hinter sich hat. Es sind zwei britische Einheiten und ein paar Fallschirmspringer in Kuwait stationiert. Außerdem werden später noch die Royal Marines zu uns stoßen, aber die sind momentan noch woanders stationiert. Den ganzen Tag über laufen die Fox News auf einem großen Fernseher im Hauptquartier. Daher weiß ich, dass ich Dir wahrscheinlich nichts Neues erzähle. Ich habe keinerlei Anweisungen erhalten, was ich in meinen Briefen erwähnen darf und was nicht, also ist das eh egal. Es ist wirklich seltsam, das ganze politische Hin und Her in den Nachrichten zu sehen. Angeblich bemüht man sich um einen friedvollen Ausgang, und darauf hoffe ich natürlich, aber von meiner Perspektive aus ist der Krieg eine beschlossene Sache.

Im Zentrum des Hauptquartiers befindet sich der sogenannte Vogel-Tisch. Das ist ein quadratischer Block, auf dem eine Karte mit den eingezeichneten feindlichen Linien ausgebreitet ist. Darauf liegt eine Plexiglasscheibe, auf der die Truppenpositionen mit Stickern markiert sind. Zweimal am Tag lassen sich der General (ein stiller Typ) und der Stabschef am Vogel-Tisch blicken, und die Repräsentanten der einzelnen Armeesektionen versammeln sich ebenfalls darum. Über dem Tisch hängt ein altmodischer grüner Telefonhörer an einem Kabel. Man drückt einen Knopf, um hineinzusprechen. Der Reihe nach erstatten wir Bericht über die aktuellen Geschehnisse in unseren jeweiligen Abteilungen. Diese Informationen werden an die Truppen und Fallschirmspringer weitergeleitet. Wir stehen in einer festen Reihenfolge um den Tisch herum. Die Wettervorhersage kommt immer als Erstes, weshalb ich unmittelbar neben dem Stabschef stehe. Daneben steht der General. Das bedeutet, dass meine Stimme die erste ist, die die Truppen jeden Tag über das Radio zu hören bekommen. Und zwar die gesamte Operation lang.

Wie üblich beschweren sich die Leute bei mir ständig über das schlechte Wetter. Manche Dinge ändern sich nie. 95 Prozent der Zeit über bin ich gelangweilt. Die Raucher haben es am besten. Neulich habe ich mich mit einer Tasse Kaffee zu den Rauchern gestellt, in der verzweifelten Hoffnung, dadurch mit anderen ins Gespräch zu kommen. Aber dummerweise hatte ich anstatt eines metallenen Bechers mit einem Verschluss, der den Tee warm hält, einen Becher aus Styropor erwischt, wodurch ich mich als militärische Anfängerin geoutet habe. Ganz offensichtlich gehöre ich nicht dazu und konnte daher auch nicht viel zur Konversation beitragen. Es hat sich angefühlt, als wäre ich eine von den Außenseiterinnen in der Schule. Als ich da so bei den Rauchern stand, musste ich an den Hauswirtschaftsunterricht in der Schule denken. Plötzlich habe ich es aus tiefstem Herzen bereut, mich damals nicht mit Jenny Jackson angefreundet zu haben. Die Arme wurde damals so gemobbt, und ich habe nur tatenlos zugesehen. Für diese Feigheit muss ich jetzt büßen.

Bitte entschuldige meine Negativität. Ich fühle mich einfach nur ein wenig verloren, wie eine Schiffbrüchige auf hoher See. Wobei ich mich auf dem Meer ironischerweise überhaupt nicht verloren fühlen würde. Ich hätte meine Koje, meinen Arbeitsplatz und meine vielen Verpflichtungen, die mich vom Grübeln abhielten. Meine Zeit auf See war ein Zuckerschlecken im Vergleich zu dem hier.

Ein weiterer Grund für meine schlechte Stimmung sind die Scheidungsunterlagen, die ich heute mit der Post erhalten habe. Ganz schön verrückt, oder? Wenn ich die Zeit um ein paar Jahre zurückdrehen könnte, würde ich Josh nicht verlassen und könnte mein Haus behalten. Mein gesamtes Leben liegt in Scherben, und ich bin diejenige, die es zerbrochen hat. Es ist, als wäre ich auf einer Mission, um mein Leben wieder auf seine Grundpfeiler zu stellen. Im Moment fühle ich mich nackt, heimatlos und allein. Ich bin so dankbar für Deine Briefe und die Unterstützung durch meine Eltern. Ohne Euch wäre ich vollkommen verloren.

Aber was noch viel wichtiger ist: Venedig mit einem Wildfremden? Hast Du völlig den Verstand verloren? Schreib mir, sobald Du nach Hause kommst.

Alles Liebe, Rosie


Von: Rosie Hughes

An: Joshua Fletcher, Drake, Plymouth

Datum: 8. Januar


Hi Josh,

ich wollte Dich kurz wissen lassen, dass ich wohlbehalten in Kuwait angekommen bin. Bin mir zwar nicht sicher, ob Du immer noch daran interessiert bist zu erfahren, dass es mir gut geht, aber nach all den gemeinsamen Jahren käme es mir seltsam vor, den Kontakt so ohne Weiteres abzubrechen. Gestern sind die Scheidungsunterlagen angekommen, und mein Anwalt hat mir mitgeteilt, dass es für das Haus ein Angebot gibt. Es ist wahrscheinlich das Beste, wenn der Verkauf während meiner Abwesenheit über die Bühne geht. Ich würde es nicht übers Herz bringen, das Haus leer zu räumen. Kannst Du bitte meine Sachen für mich einlagern? Vor meiner Abreise habe ich all meine wertvollen Besitztümer in einer blauen Plastiktruhe verstaut. Du findest sie im kleinen Schafzimmer. Sie trägt die Aufschrift Rosies besondere Sachen. Kannst Du die Truhe und meine Violine bitte so lange bei Dir verstauen, bis ich wieder nach Hause komme und sie abhole? Ich hoffe, bei Dir ist alles in Ordnung?

Rosie


Von: Mr. Hughes

An: Rosie

Datum: 9. Januar


Mein Liebes,

ich habe furchtbare Neuigkeiten: Die Schule ist letzte Nacht bis auf die Grundmauern abgebrannt! Grauenvoll. Mama ist um 3 Uhr morgens durch die Explosion eines LPG-Tanks wach geworden. Die Kinder haben für den Rest der Woche schulfrei bekommen, was den berufstätigen Eltern natürlich Probleme bereitet. Bisher gibt es noch keine Meldungen, was den Brand verursacht haben könnte, aber das Ganze hat eine Menge Tränen und Aufregung verursacht. Es ist auch schlimm für die Kinder, zu sehen, dass von ihrer Schule nur noch ein verkohlter Haufen Asche übrig ist. Die Kostüme für das Weihnachtskrippenspiel zum Beispiel wurden schon von Generationen von Schülern getragen. Einfach schrecklich.

Für heute Abend ist eine Notversammlung im Gemeindezentrum anberaumt. Danach werde ich Dir mehr sagen können.

Alles Liebe, Dad


Von: Aggie

An: Rosie

Datum: 9. Januar


Hi Rosie,

gerade bin ich aus Venedig zurückgekommen, nur um erfahren zu müssen, dass die Grundschule von Midhope abgebrannt ist! Die Mädchen laufen alle mit hängenden Köpfen herum, während die meisten Jungs auf den Putz hauen. Und da wundern sich die Leute noch, wieso Mädchen in der Schule in der Regel besser abschneiden als Jungs. Im ganzen Dorf riecht es nach verbranntem Toast. Gott weiß, wie viel Asbest wir im Moment einatmen.

Ich schreibe Dir später noch die Einzelheiten über meinen Venedig-Trip, aber eigentlich kann ich es in einem Wort zusammenfassen: Desaster.

Alles Liebe,

Aggie


Von: Aggie

An: Rosie

Datum: 9. Januar


Hi Rosie,

gerade war das Meeting wegen der abgebrannten Schule. Ich wusste gar nicht, dass Dein Dad noch im Beirat sitzt! Der Arme. Ich werde es ihm überlassen, Dir die Details des Treffens zu erzählen, weil ich weiß, dass Du sowieso viel lieber mehr über meine Nacht in Venedig hören willst und was für ein katastrophaler Fehler das Ganze gewesen ist.

Paddy ist nur so groß wie ein Jockey – ein Meter sechzig, höchstens! Was für ein Lügner. Wie es scheint, war die einzige korrekte Angabe in seinem Onlineprofil, dass er aus Irland stammt – doch er könnte seinen Akzent auch gefälscht haben. Wer weiß das heutzutage schon bei diesem Online-Dating?

Mein Flugzeug kam eine Stunde vor seinem an. Natürlich habe ich die Zeit genutzt, um mein Make-up aufzufrischen und eine frische Unterhose anzuziehen (ein Spitzentanga wäre für den Flug viel zu unbequem gewesen). Dann hab ich mich in der Ankunftshalle herumgetrieben. Ich fühlte mich sexy, optimistisch und sehr groß. Als sein Flieger ankam, war ich so damit beschäftigt, die Menge nach Männern in meiner Größe abzusuchen, dass ich den übersah, der direkt vor mir zum Stehen gekommen war und mit heraushängender Zunge in meinen Ausschnitt starrte.

Ich fürchte, mein bemüht freundlicher Gesichtsausdruck konnte meine Enttäuschung nicht verbergen. Auf eine unangenehme Taxifahrt folgte eine hitzige Auseinandersetzung über das Thema Ehrlichkeit mitten auf dem Markusplatz, die erst ein Ende fand, als wir an der Seufzerbrücke (wie passend!) in eine Gondel stiegen. Die Konversation war allerdings gar nicht mal so einseitig – er ist redegewandt, aber so sind die Kelten nun mal. Er bezeichnete mich als »verdammte Heuchlerin«, da ich ganz offensichtlich kein 27-jähriges Model und deshalb genauso sparsam mit der Wahrheit umgegangen sei. Aber wenn ich mein wahres Alter im Profil angeben würde, würden gleichaltrige Männer nicht mal daran denken, mich anzuschreiben, weil sie alle Scheißkerle sind und nur Frauen daten wollen, die mindestens sieben Jahre jünger sind als sie selbst. Immerhin hatte er den Anstand, das zuzugeben. Unter der Brücke hab ich ihm den Rücken zugewandt und Paulo angewiesen weiterzurudern, und zwar »presto«. (Das Verb »staken« war mir kurzzeitig entfallen, obwohl – selbst wenn es mir wieder eingefallen wäre, hätte ich es nicht ins Italienische übersetzen können. Meine Mum hat zwar indirekt zur Verbesserung meiner Russisch-, Französisch- und Spanischkenntnisse beigetragen, indem sie Männer aus all diesen Ländern gedatet hat, aber einen Italiener hat sie nie mit nach Hause gebracht).

Irgendwann haben wir dann beschlossen, Schadensbegrenzung zu betreiben und sind zusammen essen gegangen. Im Restaurant habe ich mich entschuldigt und erklärt, dass mein ablehnendes Verhalten aus meiner Enttäuschung resultiert. Zwischen uns könne nie etwas laufen, da:

a) wir aussehen wie ein Komikerduo, wenn man uns beide nebeneinander stehen sieht.

b) er zu klein ist, um mich über die Schwelle tragen zu können. Und es ist nun mal schon immer mein Traum gewesen, über die Schwelle getragen zu werden. Dieser Punkt ist absolut nicht verhandelbar.

Er ging mit einer erfrischenden Ehrlichkeit darauf ein, indem er zugab, nicht mal im Ansatz die Schwelle im Sinn gehabt zu haben, als er mich um ein Treffen gebeten hatte. Er war in der Erwartung nach Venedig geflogen, Sex mit einer Frau zu haben, die die wundervollsten Titten und den schönsten Hintern besäße, die er jemals auf einem Foto gesehen habe. Dass er an dieser Aussage festhielt, schmeichelte mir dann doch ein wenig. Falls meine Virtuosität im Bett an meine Performance am Telefon herankäme, wäre er ein glücklicher Mann, so seine Vermutung, und daher hat er sofort den Flug gebucht. Na ja, ich habe daraus gelernt, dass ein romantischer Treffpunkt noch lange keine Garantie für ein romantisches Treffen darstellt.

Letzten Endes haben wir über alles gelacht, und ich bestellte Hummer, der dieselbe Farbe hatte wie mein Gesicht, nachdem ich mich wieder an den Telefonsex erinnert hatte. Nach einem angenehmen, wenn auch etwas angespannten Abend verabschiedeten wir uns am nächsten Tag am Flughafen und flogen nach Hause.

Ich bin so enttäuscht. Ich war wirklich davon überzeugt, es endlich gefunden zu haben – das unerreichbare Ideal. Aber keine Sorge, ich atme einfach tief ein und schwinge mich – so wie der Jockey Paddy – sozusagen gleich wieder aufs Pferd.

Alles Liebe

Aggie

PS: Hört sich ja an, als wäre es bei Dir der reinste Albtraum. Lass Dich nicht unterkriegen, Butterblümchen!

PPS: Die To-Do-Liste kommt mit dem nächsten Brief, versprochen.


Von: Rosie

An: Aggie

Datum: 10. Januar


Hi Aggie,

es klingt so, als sei das mit Venedig ein ziemlicher Fehler gewesen.

Schade, dass Du mit dem Jockey nicht im Bett gelandet bis, aber wahrscheinlich ist es besser so. Vielleicht solltest Du Dir an Deinen eigenen Worten ein Beispiel nehmen? Hast Du nicht geschrieben, Dein nächstes Buch wird Mein törichtes Herz heißen? Will Dir dieser Titel vielleicht etwas sagen?

Bei mir hier hat sich nicht viel verändert. Ich kann mir auch weiterhin keine nahe friedliche Lösung vorstellen. Neulich bin ich einem Piloten begegnet, den ich aus der Navy kenne. Er sagte, dass ihm immer ganz übel wird, wenn er von seinem Helikopter aus die amerikanischen Truppen in der Wüste sitzen und darauf warten sieht, anzugreifen. Ich frage mich, wie sich wohl die irakische Zivilbevölkerung dabei fühlen muss, die ganze Zeit darauf zu warten, angegriffen zu werden. Was zum Teufel sollen wir nur mit all den Bomben und Patronen anfangen? Den ganzen Nahen Osten in die Luft jagen?

Schreib mir, sobald Du kannst.

Alles Liebe, Rosie


Von: Josh

An: Rosie

Datum: 11. Januar


Hi Rosie,

danke für Deinen Brief. Ich habe die Immobilienfirma für den Verkauf des Hauses beauftragt. Ein genaues Datum für die Übergabe steht noch nicht fest, aber es wird wohl noch eine Weile dauern, weil der Markt ziemlich am Boden ist. Ich habe dem Makler gesagt, dass wir warten, bis ein konkreter Käufer gefunden ist, weil ich mir das Gerede ersparen möchte, wenn das Haus öffentlich angeboten wird. Also wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis alles durch ist. Ich sage Dir Bescheid, sobald ich mehr weiß.

Wäre es eigentlich in Ordnung, wenn ich die Tiffany-Lampe, die ich Dir geschenkt hatte, meiner Mutter gebe? Du hast sie ja eh nie wirklich gemocht, und sie liebäugelt schon lange damit. Kannst Du mir sagen, wo sie ist? Hast Du sie weggegeben?

Pass auf Dich auf.

Josh


Von: Rosie

An: Mr. Hughes

Datum: 11. Januar


Liebe Mama, lieber Papa,

alles ist ruhig an der Ostfront. Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, ich bekomme genug zu essen. Das ist der einfachste Job, den ich jemals hatte. Jeder könnte ihn ausüben. Ich beschaffe mir die aktuelle Wettervorhersage von den Amerikanern und lese sie vor, das ist alles. In der Wüste ist das Wetter eh immer gleich, weshalb ich viel Zeit zum Bücherlesen und Briefeschreiben habe. Ich vermisse Euch beide, aber es ist wirklich nicht so schlecht hier. Da ich zum Generalstab gehöre, ist für meine Sicherheit gesorgt, selbst wenn die Truppen weiter vorrücken.

Gebt dem Hund eine dicke Umarmung von mir. Ich habe keine Ahnung, was mit der Schneeschaufel passiert ist. War da nicht der Griff abgebrochen?

Hab Euch lieb,

Rosie

PS: Habt Ihr Simon meine Feldpost-Adresse gegeben? Bisher habe ich noch nichts von ihm gehört.


Von: Rosie

An: Josh

Datum: 12. Januar


Josh,

nachdem ich mir den Inhalt Deines Briefes mehrmals durch den Kopf habe gehen lassen, muss ich sagen, dass ich etwas verärgert bin und mir ein paar Dinge von der Seele schreiben muss. Nach zehn gemeinsamen Jahren hast Du mir nichts weiter zu sagen, als mich zu fragen, ob Deine Mutter meine blöde Lampe haben kann, während ich hier Tag für Tag in Lebensgefahr schwebe?!

Was das Haus angeht, bin ich Deiner Meinung. Lass uns auf vernünftige Käufer warten. Ich will, dass das Haus Leute bekommen, die mir sympathisch sind.

Rosie


Von: Mr. Hughes

An: Rosie

Datum: 13. Januar


Mein Liebes,

bei uns ist Einiges los. Die Asche ist noch nicht verglüht, und die Stadtverwaltung hat bereits verkündet, dass sie die Schule vielleicht nicht wieder aufbauen werden. Währenddessen werden die Kinder mit dem Bus fast fünfzig Kilometer weit nach Oakworth kutschiert, was wirklich eine Zumutung ist. Wir weigern uns, das so ohne Weiteres hinzunehmen. Während ich Dir schreibe, wird gerade eine Petition aufgesetzt. Um noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, möchte Cecil Robinson das Schulgelände nun kaufen und darauf Häuser bauen. Was bildet sich dieser Kerl bloß ein? Aus allem wird Geld gemacht! Das hat ganz schön für Aufruhr gesorgt. Ich habe Bill beim Einkaufen im Dorfladen getroffen. Er sagte: »Ich baue doch keine verfluchte Orangerie, nur damit dann das Feld hinter meinem Haus mit einer Reihe von Schuhschachteln zugepflastert wird!« Janet an der Kasse hat sein Genörgel mitbekommen (Du kennst ja seine dröhnende Stimme) und ihn scharf zurechtgewiesen. Vielleicht erinnerst Du Dich daran, dass sie und Cecil früher mal was am Laufen hatten. Sie meinte, er solle den Mund halten, weil in der Gegend dringend günstiger Wohnraum benötigt wird, und außerdem wäre es sowieso totaler Schwachsinn, in einem solchen Klima eine Orangerie an die Rückseite eines Reihenhauses zu klatschen. Er ist wütend rausgestürmt, aber er wird bald wieder reinstürmen müssen, wenn er in Zukunft nicht einen 30 km langen Umweg fahren will, um seine Milch zu kaufen.

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