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City in Ruins

Als Buch hier erhältlich:

Das fulminante Finale der Thriller-Trilogie und das letzte Buch des Ausnahme-Autors Don Winslow

Danny Ryan ist reich. Reicher, als er es sich je erträumt hätte. Früher war er ein Hafenarbeiter, Mafia-Gang-Mitglied und Gesetzesflüchtling, nun ist Danny ein erfolgreicher Geschäftsmann in Las Vegas. Doch er will mehr.

Als er versucht, ein altes Hotel auf einem erstklassigen Grundstück zu kaufen, löst er einen Krieg zwischen den mächtigsten Männern in Vegas aus. Danny glaubt, seine Vergangenheit begraben zu haben, doch nun droht sie ihn einzuholen. Alte Feinde kehren zurück – mit dem Ziel, ihm alles zu nehmen, was ihm wichtig ist: nicht nur sein Imperium, nicht nur sein Leben, sondern auch seinen Sohn.

Um zu retten, was Danny am meisten liebt, muss er wieder der skrupellose Mann werden, der er einst war – und der er nie wieder sein wollte ...

Das letzte Buch des großen Thriller-Autors ist ein epischer Kriminalroman über Liebe und Hass, Ehrgeiz und Verzweiflung, Rache und Mitgefühl, der von den Machtkorridoren von Washington, D. C., über die Wall Street bis hin zu den goldenen Casinos von Las Vegas reicht.


  • Erscheinungstag: 21.05.2024
  • Aus der Serie: Die City On Fire Saga
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749906888
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Shane Salerno,
der alle Versprechen gehalten hat.
Was für ein Abenteuer …
Danke dir, Bruder.

Um so zu enden, wie es begann –
Für Jean und Thomas, das wie und warum.

Konnten sie auf den Feldern
Troias sterben,
konnten sie, gefangen,
festgehalten werden?

Vergil
Aeneis
Siebter Gesang

PROLOG

Danny sieht das Gebäude einstürzen.

Es schaudert wie ein angeschossenes Tier, bleibt einen Augenblick vollkommen still stehen, als wollte es den Tod nicht wahrhaben, dann fällt es in sich zusammen. Wo eben noch das alte Casino aufragte, erhebt sich eine riesige Staubsäule, erinnert an die billigen Bühnentricks eines drittklassigen Magiers.

Implosion nennt man so was, denkt Danny.

Innerer Kollaps.

Ist es das nicht immer?

Meistens jedenfalls.

Der Krebs, der seiner Frau das Leben nahm, die Depressionen, die seine neue Liebe zerstörten, der moralische Verfall, der ihm selbst die Seele raubte.

Allesamt Implosionen.

Er stützt sich auf den Stock, weil sein Bein noch schwach ist, immer noch steif, es pocht, erinnert ihn an den …

Kollaps.

Er sieht den Staub aufsteigen, eine schmutzig braune Pilzwolke vor dem klaren blauen Wüstenhimmel.

Langsam legt sie sich, und der Dunst verschwindet.

Dann ist da nichts mehr.

Wie ich gekämpft habe, denkt er, was es mich gekostet hat, dieses …

Nichts.

Dieser Staub.

Er wendet sich ab und humpelt durch seine Stadt.

Seine Stadt in Trümmern.

ERSTER TEIL

Ians Party

Las Vegas, Nevada
Juni 1997

Gewissenhaft vollzog Aeneas
die Bestattung nach dem Brauch,
häufte den Erdhügel des Grabes auf …
dann setzt er die Segel zum Start …

Vergil
Aeneis
Siebter Gesang

EINS

Danny ist unzufrieden.

Er blickt aus dem Fenster seines Büros auf den Las Vegas Strip und fragt sich, warum.

Vor weniger als zehn Jahren hat er seine letzten Habseligkeiten zu seinem kleinen Sohn und seinem senilen Vater ins Auto gepackt und ist aus Rhode Island geflohen. Jetzt ist er Teilhaber zweier großer Hotels auf dem Strip, wohnt in einem eleganten Anwesen, besitzt ein Wochenendhaus in Utah und bekommt jedes Jahr einen neuen Wagen von seinem Unternehmen gestellt.

Danny Ryan ist Multimillionär, was er ebenso lustig findet wie surreal. Niemals hätte er sich träumen lassen – und auch niemand sonst, der ihn damals kannte –, dass er mal mehr als seinen Wochenlohn auf dem Konto haben würde, geschweige denn zum »Mogul« aufsteigen, einem der bedeutendsten Power Player im bedeutenden Power Game von Las Vegas.

Wer nicht glaubt, dass das Leben manchmal Späße mit einem treibt, denkt Danny, hat den Witz nicht kapiert.

Er kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als er zwanzig Dollar in der Tasche hatte und sich für reich hielt. Jetzt stecken meist über tausend in dem Clip, den er in der Tasche eines seiner maßgeschneiderten Anzüge mit sich herumträgt – einfach so zum Ausgeben. Danny erinnert sich, dass es früher ein großes Ding war, wenn Terri und er freitagabends chinesisch essen gingen. Inzwischen »diniert« er in Sterne-Restaurants, und zwar öfter, als ihm lieb ist. Nicht zuletzt ist das der Grund, weshalb sich ein paar Rettungsringe um seine Hüfte gelegt haben.

Wenn er gefragt wird, ob er auf sein Gewicht achtet, nickt er und sagt Ja, er sieht zu, wie sein Bauch über den Gürtel quillt … Die überschüssigen fünf Kilo, die er seinem größtenteils sitzend am Schreibtisch verbrachten Leben verdankt.

Seine Mutter wollte ihn zum Tennis überreden, aber er kommt sich blöd dabei vor, einem Ball hinterherzurennen und ihn über ein Netz zu schlagen, wenn er sowieso sofort wieder zurückgeschossen kommt. Golf spielt er auch nicht, erstens, weil er es todlangweilig findet, und zweitens, weil er den Sport mit Ärzten, Anwälten und Börsenmaklern verbindet, und mit denen hat er nichts am Hut.

Früher hat Danny solche Typen verachtet und – obwohl er eigentlich weit unter ihnen stand – auf verweichlichte Geschäftsleute herabgesehen. Er hat sich die Mütze über die zerzausten Haare gezogen, ist in seine alte Kapitänsjacke geschlüpft, hat sich stolz und grimmig die braune Tüte mit seinem Mittagessen geschnappt und ist in der Werft von Providence malochen gegangen – eher der Springsteen-Typ. Jetzt hört er Darkness auf einer Pioneer-Anlage, die ihn ein Vermögen gekostet hat.

Dabei ist ihm ein Cheeseburger immer noch lieber als Kobe-Rind, er zieht gute Fish and Chips (die es in Vegas für kein Geld der Welt gibt) Chilenischem Wolfsbarsch vor. Und wenn er mal fliegen muss, was selten vorkommt, nimmt er lieber eine Linienmaschine als den Firmenjet.

(Allerdings fliegt er dann erster Klasse.)

Sein Sohn ist endlos genervt, weil Danny nie den Learjet der Firma nutzt. Danny kann’s verstehen – welcher Zehnjährige fliegt nicht gerne im eigenen Flugzeug?

Danny hat Ian versprochen, dass sie ihn nehmen, wenn sie das nächste Mal weiter weg verreisen. Aber er wird ein schlechtes Gewissen haben.

»Dan ist ein unverbesserlicher Chowder-Head«, hat sein Partner Dom Rinaldi mal gesagt und gemeint, dass er für das alte New England steht, praktisch veranlagt – oder, anders gesagt, knauserig –, einer, dem jede Form von Luxus zutiefst suspekt ist.

Danny hat sofort vom Thema abgelenkt. »Kannst ja mal versuchen, einen ordentlichen Chowder zu bekommen. Nicht die milchige Babykotze, die sie einem hier vorsetzen, sondern echten Chowder mit klarer Brühe.«

»Für dich arbeiten fünf Spitzenköche«, hatte Dom erwidert. »Wenn du sie darum bittest, kochen sie dir Chowder aus den Vorhäuten jungfräulicher peruanischer Frösche.«

Schon klar, aber Danny würde so was nicht machen. Er möchte, dass seine Köche den Gästen kochen, was die Gäste möchten.

Nur so verdient man nämlich Geld.

Er steht auf, stellt sich ans Fenster – es ist getönt wegen der unerbittlichen Sonne in Las Vegas – und blickt auf das Lavinia Hotel.

Das alte Lavinia, denkt Danny, das Letzte, was vom Bauboom der Fünfzigerjahre geblieben ist – ein Relikt, ein Überbleibsel, kaum noch lebensfähig. Seine Glanzzeit liegt lange zurück, die Ära des Rat Pack, der Mafiosi und Showgirls, der Steuerhinterziehung und Bestechungsgelder.

Wenn das Gemäuer sprechen könnte, denkt Danny, würde es Schweigegeld verlangen.

Jetzt steht es zum Verkauf.

Tara, Dannys Unternehmen, besitzt bereits die beiden auf der Südseite angrenzenden Immobilien, das heißt, auch das Gebäude, in dem er sich gerade befindet. Die Konkurrenz, Winegard, führt die Casinos im Norden. Wer das Lavinia zum Schluss bekommt, wird das prestigereichste Objekt auf dem Strip besitzen, und in Las Vegas geht es immer und vor allen Dingen um Prestige.

Vern Winegard hat den Kauf praktisch schon unter Dach und Fach, das weiß Danny. Ist wahrscheinlich besser so, Tara sollte vielleicht nicht zu schnell expandieren. Trotzdem, es ist nun mal das einzige seiner Art, das auf dem Strip noch zu haben ist, und …

Er piept Gloria über die Sprechanlage draußen im Büro an. »Ich geh ins Fitnessstudio.«

»Brauchen Sie eine Wegbeschreibung?«

»Sehr witzig.«

»Haben Sie den Termin zum Mittagessen mit Mr. Winegard und Mr. Levine auf dem Schirm?«

»Jetzt schon«, erwidert Danny, obwohl er wünschte, es wäre nicht so. »Wann?«

»Halb eins«, sagt Gloria. »Im Club.«

Danny spielt zwar weder Tennis noch Golf, ist aber Mitglied im Las Vegas Country Club, weil ihm seine Mutter klargemacht hat, dass so was fürs Geschäft unerlässlich ist.

»Du musst dich da sehen lassen«, behauptete Madeleine.

»Wieso?«

»Weil es das alte Las Vegas ist.«

»Ich gehöre aber nicht zum alten Las Vegas«, entgegnete Danny. Er ist jetzt seit sechs Jahren in der Stadt und gilt immer noch als »der Neue«.

»Aber ich«, sagte sie. »Ob es dir gefällt oder nicht, wenn du in dieser Stadt Geschäfte machen willst, brauchst du das alte Las Vegas.«

Also trat Danny dem Club bei.

»Und um drei Uhr wird die Hüpfburg geliefert«, sagt Gloria.

»Welche Hüpfburg?«

»Für Ians Geburtstag«, erwidert Gloria. »Sie haben doch wohl nicht Ians Party heute Abend vergessen?«

»Hab ich nicht«, sagt Danny. »Ich wusste nur nichts von einer Hüpfburg.«

»Hab ich bestellt«, sagt Gloria. »Kein Kindergeburtstag ohne Hüpfburg.«

»Wieso?«

»Wird erwartet.«

Na gut, denkt Danny, wenn es denn sein muss … Ein entsetzlicher Gedanke schießt ihm in den Kopf. »Muss ich die selbst aufbauen?«

»Die Männer pumpen sie auf.«

»Welche Männer?«

»Die Hüpfburgmänner«, sagt Gloria allmählich ungeduldig. »Dan, Sie müssen eigentlich nur hingehen und nett zu den anderen Eltern sein.«

Danny ist sicher, dass sie recht hat. Die gnadenlos effiziente Gloria hat die Party mit seiner ebenso ausgezeichnet organisierten Mutter geplant, und die beiden sind ein unschlagbares Team. Würden Gloria und Madeleine die Welt regieren – und sie denken, dass sie das sollten –, gäbe es keine Arbeitslosigkeit, keine Kriege, keine Hungersnöte, keine Seuchen und keine Plagen mehr, und alle wären immer pünktlich.

Nett sein zu den anderen Eltern, das bekommt Danny hin, er ist immer nett, freundlich und sogar charmant. Aber er hat nicht ganz unverdient den Ruf, sich bei Partys öfter mal davonzuschleichen, selbst bei seinen eigenen. Plötzlich fällt jemandem auf, dass er nicht mehr da ist, und dann findet man ihn allein in einem Hinterzimmer. Oder er spaziert draußen herum. Mehr als einmal ist er, wenn sich die Party bis spät in die Nacht zog, einfach ins Bett gegangen.

Danny hasst Partys. Er hasst das Getue, den Small Talk, Fingerfood, das Herumstehen und den ganzen Mist. Das ist hart, weil die Kontaktpflege einen Großteil seines Jobs ausmacht. Er bekommt das hin, gut sogar, aber seine Lieblingsbeschäftigung ist es nicht.

Als vor zwei Jahren das The Shores nach dreijährigen Bauarbeiten endlich eröffnet wurde, veranstaltete das Unternehmen eine große Feier, aber niemand kann sich erinnern, Danny dort gesehen zu haben.

Er hielt keine der zahlreichen Reden, tauchte auf keinem Foto auf, und mit der Zeit verbreitete sich das Gerücht, Danny Ryan sei nicht einmal bei der Eröffnungsparty seines eigenen Hotels gewesen.

Aber das stimmt nicht, er war dort, hat sich nur im Hintergrund gehalten.

»Ian wird zehn. Ist er da nicht ein bisschen zu alt für eine Hüpfburg?«

»Für eine Hüpfburg ist man nie zu alt«, erklärt Gloria.

Danny unterbricht die Verbindung und starrt wieder aus dem Fenster.

Du hast dich verändert, denkt er.

Das liegt nicht nur an den überflüssigen Pfunden, der streng zurückgekämmten Pat-O’Reilly-Frisur, den Anzügen von Brioni anstatt von Sears und den edlen Manschettenknöpfen. Vor Las Vegas hast du höchstens auf Hochzeiten und Beerdigungen einen Anzug getragen (vor allem auf Letzteren, davon gab es damals in New England nämlich deutlich mehr). Es liegt auch nicht daran, dass du jetzt ganze Bündel Papiergeld gefaltet in der Tasche mit dir herumträgst, dass du im Restaurant essen kannst, ohne dir wegen der Rechnung Gedanken zu machen, oder dein Herrenschneider mit Maßband und Stoffproben zu dir ins Büro kommt.

Es liegt daran, dass dir das gefällt.

Trotzdem ist da immer so ein …

Unbehagen.

Warum?, fragt er sich. Du hast mehr Geld, als du ausgeben kannst. Ist das nur Habgier? Wie hat der Typ in dem blöden Film gesagt – der mit dem Echsennamen: »Gier ist gut«?

Scheiß drauf.

Danny kennt sich. Trotz seiner Fehler, seiner Sünden – und das sind unzählige – ist er nicht gierig. Früher hat er mit Terri Witze gerissen, er könnte auch in seinem Wagen leben, und ihre Antwort war: »Dann viel Spaß!«

Also was ist es? Was willst du?

Beständigkeit? Stabilität?

Sachen, die du nie hattest.

Aber jetzt hast du sie.

Er denkt an das schöne Hotel, das er gebaut hat, The Shores.

Vielleicht willst du ja Schönheit. Ein bisschen Schönheit im Leben. Hässliches hast du weiß Gott genug gehabt.

Deine Frau ist an Krebs gestorben, dein Kind wächst ohne Mutter auf.

Freunde wurden ermordet.

Du selbst hast Menschen ermordet.

Aber du hast es geschafft. Du hast etwas Schönes erschaffen.

Dann ist es also mehr als das, denkt Danny.

Sei ehrlich zu dir selbst – du willst mehr Geld, weil Geld Macht ist, und Macht ist Sicherheit. Und man kann nie sicher genug sein.

Nicht in dieser Welt.

ZWEI

Danny trifft sich einmal im Monat mit seinen beiden größten Konkurrenten zum Mittagessen.

Vern Winegard und Barry Levine.

Die Idee kam von Barry, und sie ist gut. Ihm gehören drei Mega-Hotels auf der Ostseite des Strips gegenüber denen von Tara. Es gibt natürlich auch noch andere Casinobetreiber, aber die drei zusammen haben die Macht in Las Vegas. Und daher auch gemeinsame Interessen und Probleme.

Das größte ist gerade eine drohende Untersuchung durch die Bundesbehörden.

Der Kongress hat beschlossen, einen Ausschuss zu bilden, der feststellen soll, welche Auswirkungen die Glücksspielindustrie auf die Amerikaner hat.

Danny kennt die Zahlen.

Glücksspiel ist ein Milliardengeschäft, das sechsmal höhere Umsätze bringt als alle anderen Unterhaltungsindustrien zusammen. Im vergangenen Jahr wurden über sechzehn Milliarden Dollar verspielt, sieben davon allein hier in Las Vegas.

Langsam verbreitet sich die Vorstellung, dass das Glücksspiel nicht nur eine Angewohnheit oder gar ein Laster, sondern sogar eine Krankheit ist, eine Sucht.

Als das Glücksspiel noch illegal war, war es die Haupteinnahmequelle für das organisierte Verbrechen, brachte nach dem Ende der Prohibition und des Alkoholschmuggels die mit Abstand größten Gewinne. Ob mit Zahlenlotto auf der Straße, Telegrafenschwindel, Sportwetten, Poker, Blackjack und Roulette im Hinterzimmer, die Mafia scheffelte Unsummen.

Die Politiker sahen das natürlich und hörten ihrerseits die Kasse klingeln. Was einst ein privates Laster war, wurde zur Bürgerpflicht, als der Staat sowie einzelne Bundesbehörden eigene Lotterien ausschrieben. Trotzdem war Nevada immer noch mehr oder weniger der einzige Ort, an dem man legal Glücksspiele oder Sportwetten anbieten durfte, sodass Las Vegas, Reno und Tahoe praktisch ein Monopol besaßen.

Später fand man ein juristisches Schlupfloch in den Ureinwohner-Reservaten und eröffnete auch dort Casinos. Manche Staaten schlossen sich dem Vorbild der Großen an, besonders New Jersey mit Atlantic City, und auch dort breitete sich das Glücksspiel immer weiter aus.

Inzwischen kann sich jeder einfach ins Auto setzen und irgendwo im näheren Umkreis das Geld für die Miete oder die Raten fürs Haus verzocken. Ein paar Sozialreformer vergleichen Glücksspiel mit Crack. Und deshalb soll es jetzt eine vom Kongress angeordnete Untersuchung geben.

Danny sieht die Beweggründe eher zynisch, unterstellt der Regierung, sie wolle nur selbst ein Stück vom Kuchen. Präsident Clinton hat schon mal eine Steuer von vier Prozent auf Glücksspieleinnahmen angeregt.

Für Danny wäre die Steuer nicht das Schlimmste.

So, wie es aussieht, ist der Ausschuss per Gesetz befugt, uneingeschränkt Zeugen vorzuladen, Anhörungen einzuberufen, Aufzeichnungen und Steuerunterlagen einzusehen, Subunternehmen und stille Teilnehmer unter die Lupe zu nehmen.

Mich zum Beispiel, denkt Danny.

Durch die Untersuchung könnte die gesamte Tara Group auffliegen.

Die könnten mich aus dem Geschäft drängen.

Vielleicht sogar ins Gefängnis bringen.

Ich würde alles verlieren.

Diese Untersuchungen sind nicht nur ein Ärgernis oder ein Problem – hier geht’s ums nackte Überleben.

»Wieso eine ›Krankheit‹?«, fragt Vern. »Krebs ist eine Krankheit. Polio ist eine Krankheit.«

Polio?, denkt Danny. Wer kann sich denn noch an Polio erinnern? Aber er sagt: »Wir können uns nicht dagegen wehren. Das würde schlecht aussehen.«

»Danny hat recht«, sagt Barry. »Wir müssen es machen wie die Alkoholindustrie, die Tabak...

Aber Vern lässt nicht locker. »Zeig mir mal den Roulette-tisch, an dem sich jemand Krebs geholt hat.«

»Wir können ja ein paar öffentliche Verlautbarungen über verantwortliches Glücksspiel herausgeben«, sagt Barry. »Wir stellen Broschüren von Gamblers Anonymous in den Casinos bereit und finanzieren ein paar Studien über Spielsucht.«

Danny sagt: »Wir streuen Asche auf unsere Häupter, investieren ein bisschen in solche Sachen, wie Barry sie vorgeschlagen hat, schön und gut. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass der Ausschuss seine Nase in unsere geschäftlichen Angelegenheiten steckt. Wir müssen verhindern, dass Zeugen vorgeladen und gezwungen werden, eidesstattlich auszusagen. Damit wäre eine Grenze überschritten.«

Niemand widerspricht. Danny weiß, dass keiner von ihnen scharf drauf ist, Finanzen offenzulegen. Was da zum Vorschein käme, wäre sicher nicht quietschsauber.

»Das Problem ist Folgendes«, sagt Danny. »Bislang haben wir immer nur den Republikanern Geld gespendet …«

»Weil sie auf unserer Seite sind«, erwidert Vern.

»Genau«, sagt Danny. »Und deshalb betrachten uns die Demokraten als ihre Feinde. Sollten sie in dem Ausschuss sitzen, werden sie uns ordentlich einheizen.«

»Also willst du unseren Feinden Geld schenken«, sagt Vern.

»Ich versuche nur, das Schlimmste zu verhindern«, sagt Danny. »Spendet weiter an die Republikaner, aber schiebt den Demokraten auch was zu.«

»Du meinst Bestechungsgeld«, sagt Vern.

»Würde mir nicht einfallen«, sagt Danny. »Ich rede von Wahlkampfhilfen.«

»Meinst du, wir können die Dems überhaupt dazu bringen, Geld von uns anzunehmen?«, gibt Vern zu bedenken.

»Meinst du, du kannst einen Hund überreden, einen Knochen abzunagen?«, fragt Barry. »Die Frage ist nur, wie wir auf freundlich umschwenken.«

Danny zögert, dann sagt er: »Ich hab Dave Neal zur Party heute eingeladen.«

Dave Neal ist eine wichtige Schlüsselfigur bei den Demokraten, aber ohne offizielles Amt, sodass er Spielraum zum Manövrieren hat. Es heißt, wenn man an den Präsidenten herankommen will, sollte man sich an Neal halten.

»Meinst du nicht, du hättest das vorher mit uns besprechen sollen?«, fragt Vern.

Nein, denkt Danny, ihr wärt nur dagegen gewesen. Das ist einer dieser Fälle, in denen man sich lieber hinterher entschuldigt, als vorher um Erlaubnis zu bitten. »Ich rede ja jetzt mit euch. Wenn ihr findet, dass ich ihn nicht drauf ansprechen soll, lasse ich’s bleiben. Er kommt zur Party, er isst und trinkt, dann geht’s zurück ins Hotel …«

»Auf der Ebene«, sagt Barry, »kommst du mit einer kostenlosen Suite und einem Blowjob nicht weg. Diese Typen erwarten echtes Geld.«

»Wir legen noch was drauf«, sagt Danny. »Verbuchen es unter Geschäftskosten.«

Keiner widerspricht – die anderen beiden erklären sich einverstanden, Geld rauszurücken.

Dann fragt Vern: »Dan, sind heute Abend auch die Ehefrauen eingeladen?«

»Natürlich.«

»Wusste ich nicht«, sagt Vern. »Dich betrifft’s ja nicht, du Glückspilz.«

Danny merkt, dass Barry leicht zusammenzuckt.

Die Bemerkung war unsensibel, alle wissen, dass Danny Witwer ist. Aber Danny denkt nicht, dass Vern es böse gemeint hat oder ihn verletzen wollte – Vern ist einfach so.

Danny hat nichts gegen Vern Winegard, auch wenn er viele kennt, die das anders sehen. Der Mann ist im Umgang mit anderen so geschickt wie ein Felsbrocken. Er ist grob, unsympathisch und arrogant. Trotzdem hat er etwas Liebenswertes an sich. Danny weiß nicht genau, was es ist, vielleicht eine gewisse Verletzbarkeit unter seinem ganzen oberflächlichen Getue. Und obwohl Winegard ein schlauer Geschäftsmann ist, hat Danny noch nie gehört, dass er jemanden hintergangen hat.

Er spürt einen Stich in der Brust. Terri wird auch diesen Geburtstag ihres Sohnes nicht erleben.

Aber das Treffen ist gut gelaufen, denkt Danny. Ich habe bekommen, was ich wollte, was ich gebraucht habe.

Wenn man diese Vorladungen mit Geld abwenden kann, dann ist das super.

Wenn nicht, werde ich mir was anderes überlegen müssen.

Er schaut auf die Uhr.

Gerade noch rechtzeitig für den nächsten Termin.

DREI

Danny wacht auf, vor sich schwarze Haare an einem schlanken Hals, schweres Parfüm und Schweißperlen auf nackten Schultern trotz der kühlen Luft in dem klimatisierten Schlafzimmer.

»Hast du geschlafen?«, fragt Eden.

»Bin eingedöst«, sagt Danny. Gedöst? So ein Blödsinn, denkt er, als er langsam zu sich kommt. Du hast geschlafen wie ein Toter, ein kurzes, aber tiefes postkoitales Nickerchen. »Wie spät ist es?«

Eden hebt ihre Hand und schaut auf die Uhr. Komischerweise das Einzige, das sie niemals auszieht. »Viertel nach vier.«

»Scheiße.«

»Was denn?«

»Ians Party.«

»Ich dachte, die fängt erst um halb sieben an«, sagt sie.

»Ist auch so«, erwidert Danny. »Aber ich muss vorher noch alles Mögliche erledigen.«

Sie dreht sich zu ihm um. »Du darfst auch mal ein bisschen Spaß haben, Dan. Sogar schlafen.«

Das hat Danny schon häufiger gehört, auch von anderen. Leicht gesagt, sogar vernünftig, aber mit seinem Leben hat das nicht viel zu tun. Er ist für zwei Hotels verantwortlich, für Hunderte Millionen Dollar, Tausende von Angestellten und Zehntausende Gäste. Das ist kein Acht-Stunden-Job – bekanntlich gibt es in Casinos keine Uhren, und Probleme fallen Tag und Nacht an.

»Ausgerechnet du solltest wissen, dass ich mir durchaus Zeit für angenehme Dinge nehme«, sagt er.

Stimmt, denkt sie.

Montags, mittwochs und freitags, immer um Punkt zwei.

Eigentlich kommt ihr das entgegen. Passt perfekt in ihren Zeitplan, denn dienstags und donnerstags sowie einmal die Woche mittwochabends unterrichtet sie: Psych 101 – Allgemeine Psychologie, Psych 416 – Kognitive Psychologie und Psych 441 – Abnorme Psychologie.

Sonst hat sie am späteren Nachmittag oder Abend Termine mit Patienten, und manchmal fragt sie sich, was die denken würden, wenn sie wüssten, dass sie gerade erst aus dem Bett gestiegen ist. Bei der Vorstellung muss sie schmunzeln.

»Was?«, fragt Danny.

»Nichts.«

»Lachst du oft über nichts?«, fragt Danny. »Vielleicht solltest du mal zum Nervendoktor gehen.«

»Tu ich ja«, sagt sie. »Ist vorgeschrieben. Aber ›Nervendoktor‹ ist abwertend. Versuch’s mit ›Therapeut‹.«

»Bist du sicher, dass du nicht zur Party kommen willst?«, fragt er.

»Ich hab heute noch Patienten. Außerdem …«

Sie beendet den Satz nicht. Sie wissen beide, was der Deal ist. Eden will, dass ihre Beziehung geheim bleibt.

»Warum?«, hat Danny gefragt.

»Ich will das einfach alles nicht.«

»Was alles?«

»Das, was es mit sich bringt, die Freundin von Dan Ryan zu sein«, hat Eden ihm erklärt. »Das Scheinwerferlicht, die Presse … Solche Prominenz würde meiner Arbeit schaden. Meine Studenten würden mich nicht mehr ernst nehmen und meine Patienten ebenso wenig. Zweitens bin ich introvertiert. Mag sein, dass du Partys hasst, aber ich hasse Partys noch viel mehr. Die Fachbereichsempfänge, zu denen ich gehen muss – ich komme immer zu spät und gehe früher. Drittens, und nimm es mir bitte nicht übel, aber ich finde Casinos deprimierend. Das Gefühl von Verzweiflung macht meine Seele krank. Ich glaube, ich bin seit zwei Jahren nicht mehr auf dem Strip gewesen.«

Ehrlich gesagt findet er genau das an ihr so attraktiv, dass sie das Gegenteil der meisten Frauen ist, die es auf ihn abgesehen haben. Eden ist nicht scharf auf Glamour, Gourmet Dinner, Partys, Shows, Geschenke und Ruhm.

Nichts davon.

Sie hat es kurz und bündig zusammengefasst: »Ich will freundlich behandelt werden. Guter Sex und gute Gespräche, dann ist alles gut.«

Dan erfüllt diese Anforderungen. Er ist rücksichtsvoll, einfühlsam, irgendwie altmodisch galant, fast schon ein bisschen sexistisch, aber eben nur fast. Er ist gut im Bett und spricht hinterher mit ihr, auch wenn er von Büchern keine Ahnung hat.

Eden liest viel. George Eliot, die Brontës, Mary Shelley. Gerade hat sie eine intensive Jane-Austen-Phase und sogar für den nächsten Urlaub schon eine Reise durch Austen Country gebucht, die sie sehr gerne allein antreten wird.

Sie hat versucht, Dan für Literatur abseits seiner Geschäftsbücher zu begeistern.

»Du solltest mal den Großen Gatsby lesen«, meinte sie einmal zu ihm.

»Und wieso?«

Weil du das bist, dachte sie, sagte aber: »Weil dir der Roman gefallen könnte.«

Eden weiß ein bisschen was über seine Vergangenheit. Wie alle, die in den vergangenen Jahren mal an einer Supermarktkasse anstanden und aus Langeweile das Zeitschriftenregal betrachtet haben – seine Affäre mit dem Filmstar Diane Carson wurde ausgiebig in der Boulevardpresse breitgetreten. Und als er Diane Carson verließ und sie daraufhin Selbstmord beging, gab es kein Halten mehr.

Dan wurde als Gangster und Mafioso bezeichnet, ihm wurde vorgeworfen, mit Drogen zu handeln und dass er ein Mörder sei.

Nichts davon passt zu dem Mann, den sie kennengelernt hat.

Der Dan Ryan, den sie kennt, ist freundlich, sanft und fürsorglich.

Aber sie kennt sich auch selbst und versteht genug von Psychologie, um zu wissen, dass sie auf einen gewissen Nervenkitzel steht, auf diese gewisse Respektlosigkeit, die mit seinem Ruf einhergeht, ob der nun der Wahrheit entspricht oder nicht. Sie ist in einer absolut anständigen, normalen Familie aufgewachsen, und natürlich reizt sie das andere sehr.

Eden hat ein schlechtes Gewissen, weil sie weiß, dass sie mit der Unmoral flirtet. Was, wenn die Geschichten über Dan wahr sind? Wenn auch nur ein Teil davon der Realität entspricht? Ist es dann immer noch richtig, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes mit ihm unter einer Decke steckt?

Das ist eine offene Frage, die sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantworten will.

Dans Affäre mit Diane Carson liegt sechs Jahre zurück, aber Eden denkt, dass er sie wirklich geliebt hat. Selbst jetzt hat er noch etwas Trauriges an sich. Außerdem weiß sie, dass er verwitwet ist, vielleicht ist es auch das.

Kennengelernt haben sie sich auf einem Wohltätigkeitsmarsch für Brustkrebs, beide hatten sich verpflichtet, drei Tage jeweils zwanzig Meilen zu Fuß zu gehen. Dan brachte seine reichen Freunde und Kollegen dazu, ihn mit viel Geld zu sponsern, Gott weiß, wie viel da zusammenkam.

Aber läuft mit, dachte sie, obwohl er genauso gut auch einfach einen Scheck hätte ausstellen können.

Deshalb sagte sie zu ihm: »Bist du persönlich betroffen?«

»Bin ich«, erwiderte er. »Meine Frau. Meine … verstorbene Frau.«

Weshalb Eden sich echt scheiße vorkam.

»Und du?«, fragte er.

»Meine Mutter.«

»Tut mir leid.«

Dann fragte er sie noch ein bisschen aus.

»Ich bin ein wandelndes Klischee«, behauptete Eden. »Ein jüdisches Mädchen von der Upper West Side, die die Barnard besucht hat und Psychologin geworden ist.«

»Was macht denn eine Psychiaterin aus New York ...«

»Psychologin.«

»Eine Psychologin … in Las Vegas?«

»Die Universität hat mir eine befristete Stelle angeboten«, sagte sie. »Wenn mir meine New Yorker Freunde diese Frage stellen, sage ich immer, dass ich Schnee hasse. Und du? Was ist mit dir?«

»Ich bin im Glücksspiel tätig.«

»In Las Vegas? Du machst Witze!«

Er hob die Hand. »Ist die Wahrheit. Übrigens, ich heiße Dan …«

»Ich hab nur Spaß gemacht«, sagte sie. »Dan Ryan kennt doch jeder. Sogar ich, dabei zocke ich nicht mal.«

Das war am ersten Tag. Er brauchte alle drei Tage, bis er sie nach gut zehn Meilen fragte, ob sie sich mit ihm verabreden würde.

Sie staunte, wie schlecht er darin war.

Für einen Mann, der eine Affäre mit einem Filmstar hinter sich hatte, mit einer der schönsten Frauen der Welt, für einen milliardenschweren Casinobesitzer, der an alle möglichen wunderschönen Frauen herankam, wirkte er unglaublich unbeholfen.

»Ich hab mich gefragt, ob … Ich meine, wenn du nicht willst, kann ich das verstehen … Nichts für ungut … Aber ich dachte … Weißt du … Vielleicht darf ich dich irgendwann mal zum Essen ausführen oder so.«

»Nein.«

»Okay, schon verstanden. Kein Problem. Tut mir leid.«

»Muss dir nicht leidtun«, sagte sie. »Ich möchte nicht ausgeführt werden. Aber wenn du willst, komm doch zu mir und bring was zu essen mit.«

»Ich kann einen der Köche …«

»Was vom Imbiss«, sagte sie. »Boston Market. Den Hackbraten dort liebe ich.«

»Boston Market«, sagte er. »Hackbraten.«

»Nächsten Donnerstagabend hab ich frei. Du auch?«

»Ich nehme mir frei.«

»Aber Dan«, sagte sie. »Das bleibt unter uns, okay?«

»Schämst du dich jetzt schon für mich?«

»Ich will nur nicht meinen Namen in den Klatschspalten lesen.«

Eden blieb dabei. Hin und wieder ein Abendessen, schön, dreimal die Woche am frühen Nachmittag, auch schön. Alles darüber hinaus, nein. Sie will ein ruhiges Leben. Sie möchte Danny geheim halten.

»Dann bin ich im Prinzip doch so was wie ein ständig wiederholter One-Night-Stand?«, fragte Danny sie eines Nachmittags.

Sie lachte ihn aus. »Das geht nicht, du kannst nicht die Frau in dieser Beziehung sein. Lass mich dir eine Frage stellen. Ist der Sex gut?«

»Toll.«

»Ist die Gesellschaft gut?«

»Auch toll.«

»Also, wieso willst du das kaputt machen?«

»Hast du nie ans Heiraten gedacht?«

»Ich war schon mal verheiratet«, antwortete sie. »Und es hat mir nicht gefallen.«

Frank war ein guter Mann. Treu, nett, aber so bedürftig. Und wegen seiner Bedürftigkeit sehr kontrollsüchtig. Er hasste es, wenn sie abends noch Patiententermine hatte. Oder wenn sie lieber mal allein sein und lesen wollte. Er verlangte, dass sie ständig mit ihm und den Partnern seiner Kanzlei essen ging, obwohl sie bei diesen Verabredungen nichts zu sagen hatte und auch nicht interessant fand, was sie zu hören bekam.

Das Angebot aus Las Vegas kam genau zur richtigen Zeit.

Ein sauberer Schnitt, ein Grund, sowohl Frank als auch New York zu verlassen. Sie wusste, dass er wahrscheinlich erleichtert war, auch wenn er das niemals zugegeben hätte. Sie war nicht die Frau, die er brauchte.

Zu ihrer großen Verwunderung gefiel es Eden in Las Vegas. Sie hatte gedacht, sie würde dort nur auftanken, einen Zwischenstopp einlegen, um sich von ihrer gescheiterten fünfjährigen Ehe zu erholen, bevor es sie weiter an einen Ort mit mehr Kultur zog.

Aber sie stellte fest, dass ihr die Sonne und die Hitze gefielen. Sie liegt gerne am Pool ihres Apartmentkomplexes und liest. Ihr gefällt das unkomplizierte Leben, das sie hier führt, ganz im Gegensatz zu dem ständigen Konkurrenzkampf in New York, wo alle um Raum, Taxis, einen Platz in der Subway, einen Kaffee und alles Mögliche andere ringen.

Sie fährt in ihr Büro auf dem Campus und hat einen ihr zugewiesenen Parkplatz. Auch vor dem Praxisgebäude, wo sie ihre Patienten behandelt, gibt es einen überdachten Parkplatz. Vor ihrem Wohnhaus ebenso.

Es ist einfach.

In New York war selbst Einkaufen immer ein Riesenaufwand, besonders im Schneematsch. Und genauso war es mit den Wegen in die Apotheke, zur Reinigung, die ganzen profanen Erledigungen, die einem in New York so viel Zeit stehlen.

Jetzt kann sie sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren.

Ihre Studenten, ihre Patienten.

Eden liegen ihre Studenten am Herzen – sie möchte, dass sie etwas lernen, dass sie’s schaffen. Ihre Patienten liegen ihr ebenfalls am Herzen – sie möchte, dass es ihnen besser geht, dass sie glücklich sind. Sie möchte ihre ganze Intelligenz, ihre Bildung und ihr Können dafür aufwenden, das zu erreichen, und die Unkompliziertheit ihres Lebens gibt ihr die Energie, die sie dafür braucht.

Studenten sind sich alle ziemlich ähnlich, Patienten auch. Die Neurosen, die Unsicherheiten, die Traumata, es ist immer wieder derselbe beständige Trommelschlag menschlichen Leidens. Es gibt ein paar für Las Vegas typische Besonderheiten – die Spielsüchtigen, die Luxus-Callgirls –, aber das sind auch schon so ziemlich die einzigen Berührungspunkte zwischen der Welt der Casinos und Edens Leben.

Na ja, abgesehen von Dan.

Ihre New Yorker Freunde fragen sie: »Was ist mit Museen? Was ist mit Theater?«

Sie sagt, in Las Vegas gibt es auch Museen und Theater, und mal ganz ehrlich, in New York zu leben und zu arbeiten ist so aufreibend, dass kaum noch Zeit für Ausstellungen und Theateraufführungen bleibt.

Bist du nicht einsam?, fragen sie.

Jetzt nicht mehr, denkt sie.

Das Arrangement ist perfekt. (Kann man es Beziehung nennen?, fragt sie sich. Wahrscheinlich schon.) Sie schenken einander Zuneigung, haben Sex, eine Freundschaft, sie lachen miteinander. Und jetzt will er, dass ich die Geburtstagsparty seines Sohns besuche? Wo alle sein werden, die in Las Vegas Rang und Namen haben? Von wegen Sprung ins kalte Wasser … Aber so, wie sie Dan kennt, will er gar nicht, dass sie kommt, er will sie nur nicht verletzen, indem er sie nicht einlädt.

»Dan«, sagt sie. »Ich habe gar nicht das Gefühl, dass du mich versteckst. Ich möchte gerne versteckt bleiben.«

»Verstanden.«

»Verletzt dich das?«

»Nein.«

Danny hat in seinem Leben zwei Frauen geliebt, und beide sind jung gestorben.

Zuerst seine Frau Terri – Ians Mutter. Der Brustkrebs war gnadenlos, unerbittlich, unberechenbar und grausam.

Danny musste sie sterbend und im Koma im Krankenhaus zurücklassen.

Nicht mal verabschieden konnte er sich.

Die zweite Frau war Diane.

In einer anderen Zeit hätte man Diane Carson als »Leinwandgöttin« oder so bezeichnet. Sie war ein Filmstar, das typische Sexsymbol, das von allen geliebt wurde – nur sie selbst hat es nicht hinbekommen.

Danny hat sie geliebt.

Es war eine leidenschaftliche Affäre, die sie vor aller Welt zeigten, ein Fest für die Boulevardpresse, das Klicken der Kameras wurde zur Hintergrundmusik ihres gemeinsamen Lebens.

Aber es war zu viel.

Sie stammten aus verschiedenen Welten und wurden auseinandergerissen, brutal getrennt. Seine Geheimnisse vertrugen sich nicht mit ihrer Berühmtheit und umgekehrt. Doch zum Schluss war es dann doch eines ihrer Geheimnisse, eine tief sitzende Scham, die ihnen zum Verhängnis wurde.

Danny ging, weil er dachte, sie damit zu retten.

Und sie starb an einer Überdosis, ein tragischer Hollywoodtod.

Das Letzte, was Danny jetzt also will, ist Liebe.

Aber er war immer schon eine treue Seele, er hat nicht den Wunsch und auch nicht die Zeit, Frauen hinterherzujagen, nicht mal den professionellen, und er braucht regelmäßige Abläufe.

Die Nachmittage mit Eden funktionieren gut.

Eden ist toll.

Umwerfend schön – volles schwarzes Haar, volle Lippen, strahlende Augen, eine Figur wie aus einem alten Schwarz-Weiß-Film. Sie ist witzig, schlagfertig und charmant, und der Sex, also … Nicht lange nachdem sie zum ersten Mal zusammen im Bett waren, hatte sie ihm la spécialité de la maison angeboten, und die war definitiv speziell.

Jetzt springt Danny aus dem Bett und stellt sich unter die Dusche. Er bleibt vielleicht eine Minute drunter, dann kommt er raus und zieht sich an.

Typisch Dan, denkt Eden.

Immer effizient, er verschwendet keine Zeit.

»Bist du sicher wegen der Party?«, fragt er.

»Ganz sicher.«

»Es gibt auch eine Taco-Bar.«

»Verlockend.«

»Und eine Hüpfburg.«

»Das ist eine absolut vielversprechende Kombination«, sagt sie. »Aber …«

»Ich geb’s auf«, sagt Danny. »Montag?«

»Na klar.«

Er küsst sie und geht.

VIER

Offenbar ist die halbe Stadt gekommen.

Sie verteilen sich über Madeleines weitläufigen Rasen, trinken Wein, futtern Essen vom Büfett und tratschen.

Als Gloria darauf bestand, Ians sämtliche Schulfreunde und -freundinnen mitsamt ihren Eltern einzuladen, hat Danny nicht begriffen, dass er sich damit den Großteil aller ins Haus holte, die in Las Vegas etwas zu sagen hatten.

Hätte mir klar sein müssen, denkt er jetzt. Ian geht auf The Meadows, und das ist die Schule, auf die alle einflussreichen Leute ihre Kinder schicken. Die meisten haben die Einladung angenommen – manche, um ihre Kinder zu begleiten, andere, weil sie sich nicht trauen, eine Einladung von Madeleine McKay und Dan Ryan auszuschlagen, und der Rest ist einfach aus Neugierde hier angerückt.

Außerdem sind noch ein paar Freunde, Geschäftspartner und leitende Angestellte von Tara mit ihren Ehefrauen oder Freundinnen erschienen.

Danny will gar nicht wissen, wie viel ihn die ganze Veranstaltung kostet – der Alkohol, das Essen, die Band, die verfluchte Hüpfburg, auf der jetzt, wie von Gloria prophezeit, eine ganze Bande von Kindern – einschließlich Ian – laut schreiend und lachend tobt. Danny erinnert sich an seine eigenen Kindergeburtstage – sein Vater hat sie meistens einfach vergessen. Wahrscheinlich war es sein neunter Geburtstag, an dem er Marty einen Dollar aus der Tasche geklaut hat, damit zum Drugstore gegangen ist und sich eine Cola, einen Schokoriegel und zwei Comics gekauft hat. Er hat sich auf den Bordstein gesetzt und alles verschlungen.

Jetzt denkt er, dass es einer der besten Geburtstage seines Lebens war.

Madeleine unterbricht seine Träumerei. Sie tritt von hinten an ihn heran und sagt: »Ian scheint Spaß zu haben.«

»Warum auch nicht?«, fragt Danny.

»Und sein Vater?«

»Ich find’s wunderbar«, sagt Danny. »Partys sind mein Leben.«

»Sarkasmus funktioniert nur bei Schwulen und Stand-up-Comedians«, sagt Madeleine. »Zu dir passt das nicht – du bist viel zu ernst.«

Meine Mutter, denkt Danny, aufgewachsen in einem Trailer-Park in Barstow, stellt sie in letzter Zeit ständig solche majestätischen, allgemeingültigen Behauptungen auf. Sarkasmus ist nur was für Schwule, nur Haustürverkäufer tragen Karos, Frauen über dreißig sollten das Haus niemals ohne BH verlassen … Wahrscheinlich guckt sie zu viel englisches Fernsehen.

Allerdings hat sie in ihrem weißen Kleid tatsächlich etwas Majestätisches, sie erinnert an eine griechische Göttin, die roten Haare trägt sie als Hochsteckfrisur, dazu ist sie wie immer dezent, aber perfekt geschminkt.

Jetzt sagt sie: »Anscheinend sind auch alle Mütter gekommen.«

Danny weiß schon, was als Nächstes kommt, und will es abkürzen. »Nur die von Ian nicht?«

»Er braucht eine Mutter«, behauptet Madeleine.

»Nein, braucht er nicht«, erwidert Danny. »Er hat dich.«

Ian war noch ganz klein, als Teresa starb, er kann sich nicht an sie erinnern. Er hatte seine Großmutter, und Danny denkt, wenn er jetzt mit einer anderen Frau ankäme, würde das den Jungen nur verwirren. Es wäre ein Einschnitt in ein ansonsten erstaunlich stabiles Leben. Man hat nur eine Mutter im Leben, denkt Danny, und die von Ian ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Engel. In der Vorstellung seines Sohnes ist sie perfekt. Eine echte Frau käme da niemals heran.

»Was ist mit dir?«, fragt Madeleine.

»Mir geht’s gut.«

»Du musst doch Bedürfnisse haben.«

»Wenn du denkst, dass ich mein Sexualleben mit ...«

»Was haben die Nonnen bloß bei dir angerichtet«, sagt Madeleine. »Du solltest dich unter die Leute mischen.«

Aus beruflichen wie aus persönlichen Gründen, denkt sie. Wenn es in Las Vegas einen heiratsfähigen männlichen Single gibt, dann ist das ihr Sohn. Vermögend, erfolgreich, gut aussehend – er müsste sich nur eine aussuchen. Ein Mann in seinem Alter sollte eine Frau an seiner Seite haben, die einen Teil seiner sozialen Verpflichtungen übernimmt – in Wohltätigkeitsausschüssen sitzt und Geschäftspartner bezirzt.

Aber seit Diane …

Sie war eine Katastrophe.

Eine liebe, schöne, warmherzige und total kaputte Person, deren Seele sich nicht mehr heilen ließ. Und Danny, der liebe, sanfte Danny, hat sie von ganzem Herzen geliebt, so, wie er seit Teresa niemanden mehr geliebt hatte.

Der arme Danny, er hat einfach kein Glück in der Liebe.

FÜNF

Danny mischt sich unter die Leute.

Nicht gerne, aber er tut’s.

Er spricht mit den Vorstandsmitgliedern des Casinos über Geschäftliches und Sport, mit ihren Ehefrauen über die Kinder und die Schule, nimmt Komplimente entgegen für sein Haus (»Gehört meiner Mutter, nicht mir«), das Essen und die Party.

Dann geht er zu Gloria.

»Um halb acht tritt der Jongleur auf«, teilt sie ihm mit.

Ian hat darauf bestanden, dass keine Zauberer oder Clowns eingeladen wurden. Stattdessen gibt es jetzt also einen Jongleur.

»Der Kuchen ist um acht Uhr dran«, fährt Gloria fort. »Dann kommt das Feuerwerk.«

»Was ist mit den Elefanten?«, fragt Danny. »Den Gladiatoren und den Menschenopfern?«

»Sehr witzig«, erwidert Gloria. »Das Feuerwerk ist der Wink an die Gäste, dass es Zeit wird zu gehen, und dann können Sie Ian die Geschenke geben.«

In diesem Punkt ist Danny standhaft geblieben – keine Geschenke von den Gästen, stattdessen hat er sie um eine Spende in Ians Namen an das St. Jude’s oder das Sunrise Children’s Hospital gebeten. Ian hat es vollkommen verstanden (»tolle Idee, Dad«), und Danny war wahnsinnig stolz auf seinen Sohn.

Natürlich fehlt es Ian an nichts. Er hat alles, was sich ein Kind nur wünschen kann, und von Danny bekommt er ein teures Mountainbike, um das er schon einige Zeit gebettelt hat.

Aber das ist gut. Es wird ihn von den verfluchten Videospielen fernhalten, und in Utah können sie’s auch benutzen. Das ist sein anderes Geschenk. Eine ganze Woche nur für sie beide. Ein Roadtrip, dann Fahrradfahren und Wandern, Zelten, schlechtes Essen im Diner und auf den Parkplätzen von Drive-in-Fast-Food-Restaurants runterschlingen.

Der Himmel für einen Zehnjährigen.

Für Danny auch, denkt er, jedenfalls das mit dem Fast Food.

»Besorgen Sie mir lieber auch ein Mountain Bike«, sagt Danny. »Und ein Buch mit den besten Radstrecken.«

»Beides bereits unterwegs«, sagt Gloria.

Natürlich, denkt Danny.

Er entdeckt Jimmy Mac an einem der Büfetttische.

Jimmy MacNeese, sein Kindheitsfreund, langjähriger Fluchtwagenfahrer und seine rechte Hand. Wären Danny und seine alte Crew keine Iren, sondern Italiener, wäre Jimmy der consigliere gewesen.

Jetzt lebt er in San Diego, wo er sehr erfolgreich drei Autohäuser führt. Sein breites Sommersprossengesicht ist voller geworden, und auch sonst hat der ohnehin speckige Jimmy ein bisschen zugelegt. Sein Grinsen ist aber immer noch das alte – breit und strahlend.

»Schöne Party, Danny«, sagt er.

Die beiden umarmen sich.

»Danke, dass du die Maschine geschickt hast«, sagt Jimmy. »Das war toll. Die Jungs sind vor Freude ausgeflippt.«

»Wo sind sie denn?«, fragt Danny. Jimmys Söhne mussten jetzt wie alt sein? Vierzehn und zwölf?

»Ich glaube, sie sind am Taco-Stand«, sagt Jimmy. »Ist das dein Ernst, Danny? Ein Taco-Stand?«

»Weißt du, was mir an Tacos gefällt?«, fragt Danny. »Sie bringen ihren eigenen Teller mit.«

»Du hättest das Flugzeug nicht schicken müssen«, sagt Jimmy. »Wir hätten auch fahren können. So weit ist das nicht, vier oder fünf Stunden?«

»Die können sich ganz schön ziehen.«

Danny hat den Learjet losgeschickt, um Jimmy und seine Familie zur Party abzuholen. Und Bernie Hughes, den alten Buchhalter, der sich wie Jimmy in Kalifornien niedergelassen hat und Danny nicht nach Las Vegas gefolgt ist.

Die Maschine zu schicken war ein Geschenk an Jimmy, aber es gab noch einen anderen Grund. Die Bundespolizei beobachtet genau, wer per Linienflug am McCarran International Airport ankommt und abfliegt, und Danny will nicht, dass jemand von seiner alten Crew dort gesehen wird. Also sind Jimmy, seine Familie und Bernie im Learjet angereist; ein Wagen hat sie direkt auf dem Rollfeld abgeholt und zur Party gebracht.

»Ist Angie mitgekommen?«, fragt Danny. Er mag Jimmys Frau. Sie kennen einander auch schon seit der Highschool, und Angie ist eine tolle Ehefrau und Mutter. Er vermutet, dass sie in San Diego bleiben wollte, aber er nimmt es ihr nicht übel.

Er vermisst Jimmy – seinen lässigen Humor, seinen guten Rat, seine Freundschaft. Aber der Mann hat ein Recht auf ein eigenes Leben, und er hat sich ein gutes aufgebaut.

»Die treibt sich hier auch irgendwo herum«, sagt Jimmy. »Machst du Witze? Die lässt sich doch die Chance nicht entgehen, mal von mir und den Kindern wegzukommen, Wein zu trinken und was zu essen, das sie nicht selbst kochen musste.«

»Ich hab euch eine Suite im Shores gebucht«, sagt Danny. »Im VIP-Bereich. Kostenfrei natürlich.«

»Das hättest du nicht machen müssen.«

»Ich weiß«, sagt Danny. »Bleibt, solange ihr wollt. Hängt doch noch ein bisschen Urlaub dran.«

»Ein oder zwei Nächte vielleicht«, sagt Jimmy. »Aber dann muss ich zurück. Das Geschäft ruft, du weißt ja, wie das ist.«

Allerdings weiß Danny das.

»Also, wenn Angie und die Kinder länger bleiben wollen, dann können wir auch einen getrennten Rückflug organisieren«, sagt Danny. Aber Jimmy will nicht, er will seinem alten Freund nicht auf der Tasche liegen. »Wie war’s im Flugzeug mit Bernie?«

Jimmy lacht. »Hat die ganze Zeit geschimpft, wie viel das wahrscheinlich wieder kostet. Aber die Muffins hat er trotzdem gefuttert.«

»Weil sie umsonst waren«, sagt Danny.

Beide lachen. Bernie war über viele Jahre für die Finanzen der irischen Mafia in Providence zuständig, zuerst im Dienst von Dannys Vater, dann für John Murphy und schließlich für Danny. Er ist mit Danny nach Kalifornien gegangen und hat sich entschieden, dort zu bleiben – Danny vermutet, vor allem wegen des kostenlosen Frühstücks im Residence Inn.

Dort wohnt er bis heute in einem Zimmer, das Danny bezahlt.

Danny und Jimmy sehen einander an, und es gibt einen kurzen Moment engster Vertrautheit – alles, was sie gemeinsam erlebt haben, blitzt darin auf. Ihre Kindheit, ihre krummen Touren, die Kriege, die sie gekämpft, die Freunde, die sie verloren, und das Leben, das sie anderen genommen haben.

Auch das große Ding, das sie gedreht haben. Der bewaffnete Überfall auf die Geldvorräte eines Drogenkartells – vierzig Millionen Dollar.

Mit seinem Anteil hat Danny sich bei Tara eingekauft.

Und Jimmy hat sein erstes Autohaus erworben.

Jetzt ist er reich, Millionär, aber längst nicht so vermögend wie Danny. Danny wollte ihn überreden, auch in Tara zu investieren, aber Jimmy war zu vorsichtig.

Andererseits ist er kein missgünstiger Typ, das ist nicht seine Art. Er ist viel zu gutmütig, um sich nicht mit Danny über dessen Erfolg zu freuen. Jimmy Mac war schon immer einfach zufrieden mit dem, was er hatte.

Bei Angie ist Danny nicht so sicher – ein kleines bisschen Verbitterung könnte bei ihr schon vorhanden sein –, und er nimmt sich vor, den richtigen Augenblick abzupassen, um sich mit den beiden hinzusetzen und (erneut) anzubieten, ihnen einen Teil seiner eigenen Tara-Anteile zu einem guten Preis abzutreten.

»Ich mische mich lieber mal unter die Gäste«, sagt Danny. »Bleibt nach dem Feuerwerk, danach gibt’s noch so eine Art Privatparty nur für die Familie.«

»Gerne, wir haben Ian was mitgebracht.«

»Ihr solltet doch keine Geschenke mitbringen.«

»Nichts Großes«, sagt Jimmy. »Nur so eine Super-Soaker-Wasserpistole.«

»Die wird er lieben.«

»Geh schon zu den Leuten«, sagt Jimmy.

Danny geht und sucht Bernie. Der alte Mann ist nicht schwer zu finden – groß, gebeugt, mit finsterer Miene und weißem Haarschopf, der an frisch gefallenen Schnee erinnert.

Es heißt, Meyer-Lansky habe einmal behauptet, Bernie Hughes sei der einzige Ire, der rechnen könne, und ihn abzuwerben versucht. Aber Bernie wollte Providence nicht verlassen.

»Bernie, danke, dass du gekommen bist«, sagt Danny.

»Danke für die Einladung.«

»War der Flug okay?«

»Wunderbar, danke.«

Bernie ist eindeutig älter geworden, aber immer noch hellwach. Danny lässt sich nach wie vor in Finanzfragen von ihm beraten. Seine Angelegenheiten sind unendlich komplizierter als früher, aber die Grundlagen sind dieselben.

»Zwei plus zwei sind vier«, hat Bernie gesagt. »Zwei Millionen plus zwei Millionen sind vier Millionen. Das ändert sich nicht.«

Die Teilhaber der Tara Group sind überaus ehrlich und ihre Buchführung absolut nicht zu beanstanden, was Bernie sehr zu schätzen weiß. Trotzdem schüttelt er regelmäßig den Kopf, wenn er sich die Bücher ansieht, weil er einige Ausgaben für überflüssig oder verschwenderisch hält. Bernie wird Las Vegas niemals verstehen, und Danny will das auch gar nicht. Er braucht Bernies altmodische, sparsame Herangehensweise, die er noch aus New England mitgebracht hat. Einer von Bernies Lieblingssprüchen ist: »Wer einen Dollar spart, hat schon einen Dollar verdient. Sogar einen Dollar zehn, mit Zinsen.« Wahrscheinlich ist er entsetzt über das luxuriöse Zimmer, das Danny für ihn gebucht hat, aber wenn er wie von Danny angewiesen um Punkt sieben sein Frühstück bekommt, freut er sich bestimmt.

Danny wiederholt die Einladung zur Party im privaten Familienkreis, und vorübergehend zeigt sich Besorgnis in Bernies Blick.

»Ganz früh«, sagt Danny. »Allerspätestens um zehn.«

Bernie wirkt erleichtert.

Das sind die Angehörigen der alten Crew, die mit dem Flugzeug angereist sind.

Der Rest lebt in Las Vegas.

Danny findet den Parteifunktionär der Demokraten an einem Stand, an dem Rostbraten im Brötchen serviert wird.

»Tolles Fest, Dan«, sagt Neal. »Danke für die Einladung.«

»Danke, dass Sie gekommen sind.«

Dave Neal ist ein sympathischer Mann mit freundlichem Gesicht und kastanienbraunem Haar. Er ist Mitte vierzig, knapp einen Meter achtzig groß und nur ein klitzekleines bisschen zu stämmig.

»Lust auf einen schnellen Rundgang über das Gelände?«, fragt Danny.

»Klingt gut.«

Danny führt ihn über das Grundstück. »Das alles hat mal einem Mann namens Manny Maniscalco gehört, er war der König der preiswerten Dessous. Meine Mutter und er waren einige Jahre verheiratet, dann ließen sie sich scheiden, aber sie kam zurück und hat sich um ihn gekümmert, als er im Sterben lag. Er hat ihr alles hinterlassen. Außerdem ein paar Millionen Dollar, aber das war eher Eulen nach Athen tragen … Meine Mutter hatte längst aus eigener Kraft, durch kluge Investitionen, ein Vermögen angehäuft.«

Danny erzählt ihm die Geschichte, hat aber das Gefühl, Neal ist längst bestens über Madeleine und ihre Beziehungen zu den höchsten Kreisen an der Wall Street und auf dem Capitol Hill im Bilde. Danny kommt er vor wie einer, der seine Hausaufgaben macht.

»In meiner Anfangszeit in Las Vegas bin ich vorläufig hier eingezogen«, sagt Danny. »Ich dachte, ich bleibe nur ein paar Wochen, bis ich ein eigenes Haus gefunden habe. Aber das ist jetzt sechs Jahre her. Ich weiß nicht, woran’s liegt – Trägheit vermutlich. Außerdem hat mein Sohn eine sehr enge Beziehung zu seiner Großmutter.«

»Das ist schön für alle beide«, sagt Neal. »Aber Sie haben mich doch nicht von den anderen Gästen fortgeführt, um mit mir über Ihre häusliche Situation zu sprechen.«

»Nein«, sagt Danny. »Wir sind besorgt wegen des Untersuchungsausschusses über die Auswirkungen des Glücksspiels.«

»Aus gutem Grund«, sagt Neal. »Sie und Ihre Leute spenden Millionen an die Republikaner.«

»Weil sie Unternehmer unterstützen«, sagt Danny.

»Ich weiß, wer Sie sind, Dan«, sagt Neal. »Sie kommen aus einer Arbeiterstadt. Mag sein, dass Sie inzwischen Millionär geworden sind, aber Ihrem Instinkt und Ihren Neigungen nach sind Sie doch im Grunde immer noch ein Arbeiter. Und wir sind nicht Ihre Feinde.«

»Trotz vier Prozent Steuern?«

»Wie viele Milliarden wurden im vergangenen Jahr mit dem Glücksspiel verdient?«, fragt Neal. »Sie verdienen an Menschen, die es sich überhaupt nicht leisten können, noch mehr zu verlieren. Können Sie sich nicht vorstellen, ein bisschen was abzuzweigen, um diesen Menschen zu helfen? Aber über dieses Thema lässt sich verhandeln.«

Danny versteht dies als mögliches Entgegenkommen.

»Was ist mit dem Recht, Zeugen vorzuladen und Anhörungen anzuberaumen?«, fragt Danny. »Lässt sich darüber auch verhandeln?«

»Können wir mit dem Geplänkel aufhören?«, fragt Neal.

»Ich bitte darum.«

»Wir wissen, dass Ihnen ein großer Teil von Tara gehört«, sagt Neal.

»Ich bin dort nur angestellt«, sagt Dan.

Auf dem Papier gehört Tara zwei Bauunternehmern aus Missouri – Dom Rinaldi und Jerry Kush –, und Danny leitet den laufenden Betrieb.

»Ein aggressiver Untersuchungsausschuss wird das als Märchen enttarnen«, sagt Neal. »Die Bush-Administration hat das nicht interessiert. Damals kam von ganz weit oben die Weisung, Dan Ryan sei tabu. Anscheinend ging es um irgendeine undurchsichtige Geschichte in Zusammenhang mit einer Aktion gegen ein Drogenkartell, das linke Aufstände in Zentralamerika unterstützt hat? Aber dieser Schutz greift jetzt nicht mehr, Dan. Sie haben Feinde. Im Kongress sind ein paar Abgeordnete, die es nicht abwarten können, sich in den Ausschuss wählen zu lassen und den Ast abzusägen, auf dem Sie sitzen.«

»Man kann Ihnen wirklich nicht vorwerfen, dass Sie um den heißen Brei herumreden«, sagt Danny.

Neal lehnt sich an den Zaun der Pferdekoppel und blickt zurück auf das Gelände. »Sie kommen mir vor wie ein anständiger Kerl. Ihre Vergangenheit ist uns egal. Wir wollen Ihnen nicht schaden.«

»Na schön, dann kommen wir direkt zur Sache«, sagt Danny. »Was kostet uns der Spaß?«

Neal sagt: »Wenn die Glücksspielindustrie von Las Vegas, sagen wir mal, eine glatte Million beisteuern würde, könnte uns das davon überzeugen, dass Sie nicht unsere Feinde sind.«

»Das ist realistisch«, sagt Danny.

»Es muss aber richtig gemacht werden«, sagt Neal. »Auf keinen Fall darf bekannt werden, dass wir eine Spende in solcher Höhe von Casinobetreibern annehmen. Und natürlich muss der Transfer legal sein.«

»Selbstverständlich«, sagt Danny. »Wie wäre es, wenn es ein Mittagessen gäbe, eine Wohltätigkeitsveranstaltung mit einem prominenten Demokraten der Stadt als Gastgeber?«

»Gibt es so etwas in Las Vegas?«

»Das können wir organisieren«, sagt Danny. »Die Hälfte des Geldes könnte im Rahmen einer solchen Veranstaltung gespendet werden. Die andere Hälfte wird von verschiedenen Einzelpersonen direkt an das Democratic National Committee überwiesen.«

»Könnte funktionieren.«

Danny geht zum nächsten heiklen Thema über. Es ist riskant. »Sie haben sicher auch Ausgaben, Dave.«

Neal zuckt mit den Schultern.

Aber die Geste bedeutet nicht Nein.

»Wenn Sie heute Abend in Ihr Hotel zurückkehren, werden zweihundertfünfzigtausend Dollar in Form von Chips in Ihrem Zimmersafe liegen. Die können Sie an sich nehmen oder auch nicht. Was Sie damit machen, ist Ihre Sache, ob Sie damit im Casino spielen oder die Chips einfach einlösen.«

»Ich mache mir nicht viel aus Roulette«, sagt Neal.

»Wenn die Chips morgen früh nicht mehr da sind«, sagt Danny, »wissen wir, dass der Deal steht. Aber ich möchte Ihr Wort darauf, dass es keine Vorladungen geben wird.«

»Sie können uns vertrauen.«

»Nehmen Sie’s mir nicht übel«, sagt Danny, »aber Sie sollten Folgendes wissen: Wenn Sie mich verarschen, wird das Konsequenzen haben.«

»Alles hat Konsequenzen.«

»Das ist wahr«, sagt Danny. »Sie sollten mal die Tacos probieren, die sind super.«

Er bringt Neal zur Party zurück und mischt sich erneut unter die Gäste.

Vern Winegard kommt auf ihn zu. »Wie ist es gelaufen?«

»Eine und eine Viertelmillion.«

»Warum überrascht mich das nicht?«

Auch Danny wundert eigentlich nur, wie billig sie davongekommen sind.

Aber er möchte trotzdem noch eine Rückversicherung und nimmt sich vor, Monica Sayer anzurufen, die exklusivste Bordellbetreiberin der Stadt, um ein Mädchen zu der geplanten Wohltätigkeitsveranstaltung zu bestellen. Außerdem wurde in Neals Zimmer bereits eine Kamera angebracht, die filmen wird, wie er die Chips aus dem Safe nimmt.

Vertrauen?

Vertrauen haben Kinder, wenn sie auf den Weihnachtsmann warten.

SECHS

Danny geht mit einem vollen Teller in der Hand zu den Ställen, wo früher die Rennpferde untergebracht waren, bevor Madeleine sie abgeschafft hat. Ein Teil des Gebäudes wurde zu einem Zwei-Zimmer-Apartment umgebaut, ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit Kochnische und einem daran angeschlossenen Bad.

Danny klopft an die Tür.

Ned Egan öffnet.

Danny grinst, als er Ned sieht – Ned ist gebaut wie ein Feuerhydrant, hat Unterarme wie Popeye und ein Gesicht wie ein Mops. Er sieht aus wie ein Handelsmatrose, und genau das war er auch, bevor er Marty Ryans Vollstrecker wurde. Es heißt, Marty habe den Jungen vor seinem gewalttätigen Vater gerettet und Ned sei aus Dankbarkeit sein treu ergebener Bodyguard geworden. Später übernahm er diese Aufgabe für Danny.

Die gesamte Unterwelt von New England machte sich aus Angst vor Ned Egan in die Hose, und das völlig zu Recht.

Ned war ein eiskalter Killer.

Aber das war damals, denkt Danny.

Nach Martys Tod und Dannys Rückzug aus dieser Szene hatte Ned nichts zu tun und keine Bleibe. Danny holte ihn nach Las Vegas und ließ das Apartment für ihn bauen. Ned wollte in irgendein SRO-Hotel in der Innenstadt, aber so was gab es in Las Vegas gar nicht. Danny hatte Angst, dass Ned zu einsam werden würde, und befahl ihm praktisch, in das Apartment zu ziehen, unter dem Vorwand, Madeleine und Ian bräuchten Schutz.

»Du bist ja gar nicht zur Party gekommen«, sagt Danny und tritt ein.

Ned zuckt mit den Schultern. Unter Menschen fühlt er sich nie richtig wohl und hatte außerdem Sorge, seine Gegenwart könnte zum Problem werden. Die Leute könnten fragen: Wer ist der Typ?, und die Antwort könnte schwierig sein.

»Ich hab dir was zu essen mitgebracht«, sagt Danny.

»Danke.«

Ned wird älter (wer nicht, denkt Danny), inzwischen ist er Mitte fünfzig und nicht mehr ganz der Alte (gilt das nicht auch für uns ...

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