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Der MacKay-Clan

Die komplette MacKay-Trilogie von Annika Dick - jetzt als E-Book bei books2read.

DIE STOLZE BRAUT DES HIGHLANDERS

Drei Dinge weiß Ramsay MacKay über die Lowlander: Erstens, sie sind verwöhnt. Zweitens, sie sind schwerfällig. Drittens, sie überleben keine Woche in den Highlands. Doch als er seine zukünftige Braut dabei ertappt, wie sie wagemutig in einen eiskalten Waldsee steigt, muss der der Krieger seine Ansichten überdenken. Denn Caitriona Sinclair ist so schön wie stolz - und von einem "ungehobelten Barbaren", wie sie ihn nennt, lässt sie sich erst recht nicht bezwingen. Dabei könnte sein Bett sie nicht nur vor den Unannehmlichkeiten des rauen Nordens, sondern auch vor den mächtigen Feinden seines Clans bewahren …

IN DEN FESSELN DES HIGHLANDERS

"Ich erwarte nicht deine Zustimmung. Tu einfach nur, was man dir sagt!" Lileas ballt die Hände zu Fäusten, als ihr Vater ihr seine Entscheidung verkündet: Sie soll ausgerechnet Malcom MacKay heiraten - den Erzfeind ihrer Familie und den Mann, der den Tod ihrer Schwester zu verantworten hat. Voller Furcht begibt sie sich in ihr Schicksal. Doch hat sie auch ein Ziel vor Augen: Denn was auch immer sich die MacKays von dieser Hochzeit versprechen, sie wird diese Pläne vereiteln - selbst wenn der starke Highlander tatsächlich so unwiderstehlich ist, wie alle sagen …

DER HIGHLANDER UND DIE DIEBIN

Keiner Frau ist es bisher gelungen, Alistair MacKays Interesse für mehr als eine Nacht zu halten. Keiner, außer der jungen Diebin Malina, die ihn vor zwei Jahren um seinen Besitz erleichterte - und dabei unbewusst sein Herz stahl. Nun steht er ihr erneut als Zeuge einer Straftat gegenüber. Nachdem sie einem skrupellosen Laird mehr als nur einen Beutel voll Geld gestohlen hat, will dieser ihren Tod … und Alistair muss sich entscheiden: Geht er das Wagnis ein, ihr zur Flucht zu verhelfen? Oder bringt er sich in höchste Gefahr für die Frau, die seine Leidenschaft geweckt hat?


  • Erscheinungstag: 20.04.2017
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 470
  • ISBN/Artikelnummer: 9783733785901
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Annika Dick

Der MacKay-Clan

IMPRESSUM

books2read ist ein Imprint der HarperCollins Germany GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg, info@books2read.de

 

 

Copyright © 2015 by books2read in der
HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

 

Umschlagmotiv: Romance Novel Covers, Ziviani, MartinM, Natalia Lukiyanova, milalala, George Doyle/Thinkstock
Umschlaggestaltung: Deborah Kuschel

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2015

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733785369

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
books2read Publikationen dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

www.books2read.de

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1. KAPITEL

Rosslyn Castle, Midlothian, Ende März 1425

„Unsere Eltern zu belauschen entspricht vermutlich nicht dem damenhaften Verhalten, das Mutter dir jeden Tag predigt.“

Caitriona Sinclair warf ihrem Bruder einen finsteren Blick zu, ehe sie sich wieder der verschlossenen Tür zuwandte, hinter der ihre Eltern gerade über ihre Zukunft sprachen. Die Stimme ihres Vaters klang zu ruhig und gefasst, um viel von seinen Worten verstehen zu können. Ihre Mutter hingegen war alles andere als zurückhaltend. Ihrem Unmut war es zu verdanken, dass Caitriona immerhin einige Fetzen dieser Unterhaltung aufschnappte. Die Worte Highlands, Barbaren und Hochzeit waren jedoch nichts, was Caitriona gerne hörte.

„Das ist mein letztes Wort!“, drang nun doch die Stimme ihres Vaters an ihr Ohr. In dem Wissen, dass dies nur bedeuten konnte, dass er sich auf dem Weg zur Tür befand, zog Caitriona sich hastig zurück und zerrte ihren Bruder mit sich.

„Heiraten“, murmelte sie vor sich hin, während sie die Halle durchschritt und auf die Eingangstür zuging.

„Überrascht dich das etwa? Du hättest wissen müssen, dass es nicht mehr lange dauert. Fearchara war ein Jahr jünger als du, als sie geheiratet hat. Eigentlich haben sich Mutter und Vater sogar viel Zeit bei dir gelassen.“

Caitriona blieb auf der Außentreppe stehen und fuhr zu ihrem Bruder herum. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und funkelte ihn an.

„Falls du versuchst, mich aufzuheitern, misslingt dir das gerade sehr, Monroe.“

Ihr Bruder grinste sie an und zuckte mit den Schultern.

„Ich sage nur, du hättest damit rechnen müssen.“

„Das habe ich auch. Nur noch nicht jetzt. Und nicht so weit weg von zu Hause.“ Mit großen Schritten überquerte Caitriona den Burghof. Dass ihre Mutter ihr diese Gangart sofort als äußerst unschicklich auslegen würde, war ihr im Augenblick egal. Sie wusste nicht, was sie von dieser neuen Entwicklung in ihrem Leben halten sollte. Und wenn sie verwirrt war, gab es nur eine Sache, die ihr half, ihre Gedanken zu ordnen. Zielstrebig ging sie zum Übungsplatz der Krieger und griff sich einen Bogen.

„Die Highlands. Glaubst du, Mutter hat Recht? Dass die Menschen dort alle Barbaren sind?“, fragte sie Monroe, während sie den Bogen spannte und mit zusammengekniffenen Augen die Zielscheibe auf der anderen Seite des Platzes anvisierte. Caitriona ließ die Sehne los und der Pfeil surrte durch die Luft, ehe er die die Mitte der Zielscheibe traf.

„Ich glaube, wenn es jemanden gibt, der sich keine Sorgen um Barbaren machen muss, dann du“, erwiderte Monroe, während Caitriona den nächsten Pfeil in die Sehne spannte.

„Wäre es dir lieber, mit einem Mann wie Sterling verheiratet zu sein?“

Caitriona erschauerte bei dem Gedanken an ihren Schwager. Nein, sie wollte wirklich nicht mit Fearchara tauschen. Iain Sterling war ein schrecklich langweiliger Mann, der kaum ein anderes Gesprächsthema kannte, als den neuesten Klatsch um die Intrigen und Ränkespiele auf Edinburgh Castle. Aber musste es deswegen gleich ein ungehobelter Highlander sein?

Der zweite Pfeil traf sein Ziel und durchbohrte die Scheibe neben seinem Vorgänger.

„Oder stell dir vor, du müsstest Davinas Platz einnehmen. Es gibt kaum eine Familie im Land, die nicht für einen ihrer Söhne um ihre Hand anhält.“

„Davina ist kaum dreizehn Jahre alt. Der König wird sie wohl kaum an den Meistbietenden verkaufen.“

„Wieso nicht? Sie ist seine Cousine, außer dieser Verbindung bringt sie den Namen Sinclair und ein beträchtliches Erbe in eine Ehe mit.“

Caitriona ließ den Bogen sinken und sah ihren Bruder lange schweigend an.

„Du denkst doch hoffentlich nicht selbst daran, um ihre Hand anzuhalten?“ Caitriona deutete mit dem Pfeil in ihrer rechten Hand auf Monroe und trat einen Schritt auf ihn zu. Ihr Bruder war nur ein Jahr älter als sie und auch wenn er sie um mehr als einen Kopf überragte, hatte sie nie gelernt, sich ihm unterzuordnen.

Ihr Bruder hatte inzwischen gelernt, damit zu leben. So hob er nun auch abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück, als er das gefährliche Funkeln in den Augen seiner Schwester erkannte. Wenn es in ihrer Macht gestanden hätte, Caitriona hätte wohl alle Bewerber um Davinas Hand eigenhändig bekämpft, um ihre Cousine zurück nach Rosslyn Castle zu holen. Schließlich war sie seit dem Tod ihrer Eltern hier Zuhause gewesen, ehe König James I. sie nach seiner Rückkehr aus englischer Gefangenschaft nach Edinburgh geholt hatte.

„Gott bewahre, natürlich nicht. Ich bin froh, wenn dieser Kelch noch einige Jahre an mir vorübergeht, und selbst wenn es dereinst soweit sein sollte, so hoffe ich doch, dass Vater mich nicht mit einer Kindsbraut überraschen wird. Natürlich müsste er erst einmal mich selbst nicht mehr als ein Kind sehen.“ Den letzten Satz murmelte er leise vor sich hin, doch Caitriona entging er nicht. Ebenso wenig wie das kurze Aufflackern verletzten Stolzes, das sie im Gesicht ihres Bruders bemerkte.

„Er konnte dich nicht mit Dermid nach Frankreich gehen lassen“, versuchte sie die Entscheidung ihres Vaters zu rechtfertigen. „Wie hätte es denn ausgesehen, wenn er seine zwei ältesten Söhne außer Landes schickte?“

„Er hat noch drei weitere“, widersprach Monroe und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und er hat uns und vor allem Mutter mehrmals versichert, dass Dermids Auftrag vollkommen ungefährlich sei.“

„Wenn du ein Abenteuer suchst, wieso reist du dann nicht an meiner statt in die Highlands?“, zog Caitriona ihren Bruder auf und zielte erneut mit dem Bogen auf die Zielscheibe. „Ich bin mir sicher, dir würde es dort wesentlich besser gefallen, als es mir je könnte.“

Als auch dieser Pfeil sein Ziel fand, sah Caitriona aus den Augenwinkeln, wie Moira, die Zofe ihrer Mutter, auf sie zukam. Mit einem Seufzen stellte sie den Bogen ab und wandte sich wieder Monroe zu.

„Es scheint, als würde mir nun mein künftiges Schicksal mitgeteilt werden. Begleitest du mich? Ich fürchte, so aufgebracht wie Mutter vorhin reagiert hat, habe ich noch lange nicht alles erfahren, was ich wissen sollte.“

„Mylady, hier seid Ihr! Ich habe bereits die halbe Burg nach Euch abgesucht, ehe mir eines der Mädchen sagte, dass sie Euch hat das Haupthaus verlassen sehen. Schnell, beeilt Euch, Eure Eltern verlangen Euch zu sprechen.“ Moira war vollkommen außer Atem, als ihr Blick von Caitriona zu Monroe wanderte. „Euch beide.“

Überrascht sahen die Geschwister sich an, ehe sie Moira zurück in die große Halle folgten.

***

Hatte Caitriona noch Zweifel an dem Entschluss ihres Vaters, sie über eine bevorstehende Vermählung zu unterrichten, so schwanden diese gänzlich, als ihre Mutter beim Betreten der Halle sofort auf sie zukam. Dank der gleichen roten Haarfarbe, der braunen Augen und der ähnlichen, feinen Gesichtszüge sah Caitriona ihre eigene Zukunft deutlich vor sich, wenn sie ihre Mutter betrachtete. Im Augenblick sah sie vor allem die Sorge, die sich im Gesicht ihrer Mutter widerspiegelte. Sie ergriff ihre Hände und drückte sie fest, während sie ihr ein zaghaftes Lächeln schenkte, das ihre Augen nicht erreichen wollte.

„Ihr wolltet uns sprechen?“, fragte Caitriona und versuchte, gegen das lauter werdende Klopfen ihres Herzens anzukämpfen. Monroe hatte schließlich Recht, sie hatte seit Monaten mit diesem Tag gerechnet, gewusst, dass er irgendwann kommen musste, sobald ihr Vater einen geeigneten Kandidaten für ihre Hand gefunden hatte.

„In der Tat“, ergriff ihr Vater das Wort. „Ich stehe seit einigen Monaten bereits in Kontakt mit den MacKays in Sutherland, seit der Krönung von James, um genau zu sein.“

Sutherland. Caitriona ignorierte die Tatsache, dass ihr Vater bereits seit weitaus mehr als ein paar Monaten ihre Hochzeit plante. Sutherland. Nur noch die Inseln waren nördlicher gelegen. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie daran dachte, das ganze Land zwischen sich und ihrer Familie zu wissen.

„Sutherland …“, flüsterte sie, doch ihr Vater schien nicht zu bemerken, wohin ihre Gedanken wanderten. Er sprach unbeirrt weiter, auch wenn Caitriona ihm nicht mehr zuhörte.

„Ihr reist in zwei Tagen ab.“ Seine letzten Worte vermochten es sehr wohl, wieder an ihr Ohr zu dringen. Überrascht sah sie zu ihrer Mutter, hoffte, von ihr eine Antwort auf die tausend und abertausend Fragen zu erhalten, die sie sich nicht auszusprechen wagte.

„Ich wünschte so sehr, ich könnte dich begleiten, mein Kind“, sagte ihre Mutter und strich ihr mit der Hand über die Wange. „Aber die Ärzte raten mir so kurz vor der Geburt davon ab, eine so lange Reise auf mich zu nehmen.“

„Ich … ich muss allein reisen?“, fragte Caitriona fassungslos.

Ihr Vater runzelte die Stirn und räusperte sich, ehe ihre Mutter antworten konnte. „Ich denke kaum, dass man dies so sehen kann, wenn dein Bruder dich begleitet. Sicherlich wäre es besser, könnten wir mitkommen oder die Hochzeit gar hier stattfinden lassen, aber wir haben uns für diesen Weg entschieden.“ Sein Gesicht nahm sanftere Züge an und etwas von der Härte schwand aus seiner Stimme.

„Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen, Caitriona. Ramsay MacKay wird dir ein guter Ehemann sein. Ich bin mir durchaus bewusst, wie wenig du von deinem Schwager hältst, und ich hätte nicht versucht, dich mit einem Mann seines Formats zu verheiraten. MacKay hingegen … Ja, ich bin überzeugt davon, dass diese Verbindung unter einem guten Stern stehen wird. Nun schau nicht so trübselig, mein Kind. Du solltest deinem zukünftigen Ehemann mit einem Lächeln entgegentreten. Und du“, er wandte sich an Monroe, und Caitriona spürte, wie ihr Bruder sich neben ihr ein wenig aufrechter hinstellte und die Schultern durchdrückte.

„Ich muss wohl nicht betonen, dass du deine Schwester auf der Reise nach Norden beschützen wirst. Dass du deiner Familie keine Schande machen wirst. Du bist ein Sinclair, Monroe, lass den Namen nicht in Verruf geraten.“ Mit einem letzten Nicken in ihrer beider Richtung ließ Irvine Sinclair seine Frau mit ihren Kindern allein. Caitriona starrte ihrem Vater noch immer fassungslos nach, während Monroe langsam den Atem ausstieß, wobei Caitriona sich fragte, wie lange er ihn angehalten hatte.

„Mutter, das kann nicht sein Ernst sein. Es muss doch …“

Ihre Mutter schüttelte den Kopf und unterbrach sie, bevor sie weiterreden konnte.

„Dein Vater hat sich entschieden und es gibt keine Möglichkeit, ihn umzustimmen. Wir müssen darauf vertrauen, dass er weiß, was das Beste für den Clan ist. Fearchara ist glücklich in ihrer Ehe mit Iain. Ich hoffe, du wirst ihr Schicksal teilen.“ Ihre Mutter beugte sich vor, küsste ihre Wange und drückte erneut ihre Hände.

„Nun macht nicht solche Gesichter, meine Lieben. Euer Vater hat Recht. Ihr brecht in zwei Tagen zu deiner Hochzeit auf und repräsentiert dabei unseren ganzen Clan.“

Caitriona sah ihrer Mutter an, dass ihre Worte nicht mit ihren eigenen Gefühlen entsprachen, doch sie sagte nichts. Wenn sie nur noch zwei Tage mit ihren Eltern haben sollte, wollte sie diese nicht im Streit verbringen. Die kostbare Zeit würde ohnehin zu schnell vergehen und sie alsbald auf ihrem Weg gen Norden sein.

„Sieh es doch so, mein Kind, du hast so viel Zeit bei Barabal in der Küche verbracht und von ihr die Sprache der Highlander gelernt, es wird dir zumindest nicht schwerfallen, dich dort zu verständigen.“

„Hätte ich gewusst, dass mir meine Sprachkenntnisse einen Highlander zum Mann bescheren, hätte ich mich von Barabal ferngehalten.“

Ihre Mutter warf ihr einen Blick zu, der deutlich zeigte, wie wenig sie den Worten ihrer Tochter glaubte. Caitriona unterdrückte ein Seufzen. Ihre Mutter hatte Recht. Als Kind hatte sie die fremde Sprache des Küchenmädchens fasziniert. Barabal war vor einem herrischen Vater aus den Highlands geflohen, hatte in einem Krieger der Sinclairs die Liebe ihres Lebens gefunden und war ihm nach Rosslyn Castle gefolgt. Ihre Fähigkeiten, Scots zu sprechen, waren bei ihrer Ankunft kaum vorhanden gewesen. Caitriona hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dies zu ändern und als Gegenleistung von diesem Gälisch gelernt. Barabal war seit Jahren kein einfaches Küchenmädchen mehr, sondern hatte sich ihren Posten als Köchin der Burg redlich verdient. Und Caitriona konnte sich noch heute gewiss sein, dass Barabal ihr stets die beste Wildpastete zukommen ließ. Nein, dachte sie, sie hätte die Freundschaft Barabals nicht missen wollen.

Im Gegensatz zu Caitrionas Stimmung schien sich die ihres Bruders offensichtlich rasch zu verbessern. Die Gelegenheit, sich endlich zu beweisen und nicht länger im Schatten des älteren Bruders als unmündiger Knabe zurückzustehen, ließ ihn bereits wenige Stunden nach dem Gespräch mit ihren Eltern mit den Kriegern auf dem Übungsplatz lachen und feixen.

Caitriona beobachtete ihn vom Fenster ihres Zimmers aus und konnte nicht umhin, ihn zu beneiden. Zu gern hätte sie seinen Platz eingenommen, wenn sie dafür den ihren hätte abtreten können. Kopfschüttelnd wandte sie sich vom Fenster ab. Es half nichts. So sehr sie sich auch wünschte, dass es anders wäre, sie würde diesen Highlander heiraten müssen. Ihr blieb nur zu hoffen, dass die Angst ihrer Mutter, bei den Highlandern würde es sich grundsätzlich um wilde und ungehobelte Barbaren ohne jegliche Manieren handeln, unbegründet war.

***

Mòrag MacKay stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihrem ältesten Sohn und musterte ihn eindringlich. In manchen Augenblicken fiel es ihr schwer, zu glauben, dass sie es bei ihm und seinen beiden Brüdern mit erwachsenen Männern zu tun hatte. Vielleicht war das aber auch das Los jeder Mutter, in ihren Kindern stets genau das zu sehen – Kinder.

„Das kann nicht dein Ernst sein!“, sagte sie an diesem Tag zum wiederholten Male zu Ramsay, während sie ihn dabei beobachtete, wie er ungerührt weiter seine Sachen zusammenpackte.

„Angus, geh und lass dir in der Küche einen Laib Brot, Käse und Wurst für mich einpacken. Und füll den hier mit Met.“ Ramsay reichte dem Jungen, der ihm beim Packen half, einen Trinkschlauch.

„Du kannst Diùranais Castle jetzt keinesfalls verlassen“, beharrte Mòrag und blickte zu ihrem Sohn auf, als sich Ramsay aus seiner knienden Position erhob.

„Ramsay! Die Sinclairs sind nur noch wenige Tagesritte von Diùranais Castle entfernt.“

„Ich werde rechtzeitig wieder hier sein, um meine Braut willkommen zu heißen, Mutter“, versicherte Ramsay ihr und legte die gleiche Verachtung in das Wort Braut, mit dem er es schon in den vergangenen Wochen bedacht hatte.

„Gib mir nur diese paar Tage, bevor ich mich den Ehefesseln beugen muss.“

Mòrag schnalzte missachtend mit der Zunge, während sich Ramsay durch das dichte, braune Haar strich, das er von ihr geerbt hatte.

„Rede nicht so verächtlich, Junge. Ich bin mir sicher, das Mädchen wird eine wundervolle Braut für dich sein.“

Ramsay verzog das Gesicht. Sinclairs. Lowlander, die vor ein paar hundert Jahren aus Frankreich und England gekommen waren. Wie seine Mutter auf den Gedanken kommen konnte, eine Frau dieser Familie sei eine geeignete Ehefrau für einen MacKay, würde ihm wohl für immer ein Rätsel bleiben. Die Männer des Clans schlossen bereits Wetten darauf ab, wie lange sie das Leben in den Highlands ertragen würde.

Ihr ganzer Clan würde zum Gespött der Highlands werden, davon war Ramsay überzeugt, doch seine Mutter hatte davon nichts hören wollen.

„Sicher“, erwiderte er ausweichend und ging mit seinem Packen an ihr vorbei.

„Du wirst schon sehen“, war seine Mutter überzeugt, während sie ihm die Stufen hinab folgte. Am Fuß der Treppe wartete Angus bereits darauf, seinem Clanoberhaupt die erbetenen Lebensmittel auszuhändigen.

„Das Pferd steht bereits gesattelt auf dem Hof.“

„Danke Angus. Bis in drei Tagen, Mutter.“

„Ramsay! Überleg dir das bitte noch einmal!“, rief Mòrag ihm hinterher, doch Ramsay ignorierte die Rufe seiner Mutter, was in seinem fast dreißigjährigen Leben nicht häufig passiert war. Er hatte es sich bereits gut genug überlegt. Er hatte sich mit dieser Hochzeit einverstanden erklärt, auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte. Doch das Wort seines Großvaters war Gesetz. Ramsay mochte der Anführer seiner Linie sein, doch Tasgall MacKay hatte als Chieftain noch immer das Sagen. Wenn Tasgall mit Ramsays Mutter darin übereinstimmte, dass es an der Zeit war zu heiraten, gab es nichts, was er noch dagegen hätte sagen können. Nun wollte er zumindest seine letzten Tage ohne eine Lowlanderbraut in der Abgeschiedenheit der Wälder genießen, die Diùranais Castle umgaben.

***

„Wie weit ist es noch?“, fragte Caitriona, als sie am Abend ihr Lager aufschlugen. Es war bereits die dritte Nacht in Folge, die sie fernab jeglicher Siedlung verbrachten. Seit zwei Wochen waren sie nun unterwegs, und Caitriona sehnte sich mittlerweile nach einem richtigen Bett, einem Tag, an dem sie nicht in der Kutsche durchgeschüttelt wurde, und sogar ein wenig nach den schützenden Mauern einer Burg. Zwar war ihre Reise ohne besorgniserregende Vorkommnisse verlaufen, aber seit sie die Dörfer, Städte und Burgen in immer größeren Abständen erreichten, war es Caitriona nicht entgangen, dass die Männer angespannt waren. Selbst Monroe schien seit einigen Tagen ständig auf der Hut. Einzig Fiona, Caitrionas Zofe, schien die zunehmende Unruhe der Soldaten entgangen zu sein.

„Wir sind mittlerweile auf MacKay-Land“, erklärte Monroe, als er sich zu Caitriona ans Feuer gesellte. „Noch zwei Tage, dann erreichen wir Diùranais Castle.“

Nur noch zwei Tage. Caitriona versuchte, sich ihre Besorgtheit nicht anmerken zu lassen. Das Land um sie herum war mit jedem Tag rauer geworden. Wilder und ungezähmter. Obgleich sie diese Eigenschaften an der Landschaft durchaus zu schätzen wusste, befürchtete sie dieselbe in den Menschen, die ihr in wenigen Tagen begegnen würden. Sie wusste nichts über den Mann, den sie heiraten sollte. Auch ihr Vater war Ramsay MacKay nie begegnet. So hatte sie nur die Einschätzung ihrer Mutter über die Highlander, um sich daran zu orientieren. Und die war alles andere als vorteilhaft, wenn ihre Mutter Recht behalten sollte.

Während sie am Feuer saßen und zu Abend aßen, versuchte Caitriona vergeblich, ihrem Bruder zu folgen, der sich darum bemühte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Schließlich gab er auf und riet ihr, schlafen zu gehen.

„Wir sollten morgen früh aufbrechen, um den größten Teil der verbleibenden Strecke zurücklegen zu können. Im näheren Umkreis von Diùranais Castle sollten auch wieder einen Gasthof finden, in dem wir die letzte Nacht verbringen können.“

Auch wenn Caitriona nichts dagegen hatte, die Reise noch ein wenig zu verlängern, nun, da sie so kurz vor ihrem Ziel standen, zog sie sich mit Fiona in ihr Zelt zurück.

„Nur noch zwei Tage, Mylady“, erinnerte ihre Zofe sie, während sie ihr aus dem Kleid heraushalf. Caitriona schloss für einen Moment die Augen.

„Ihr müsst sehr aufgeregt sein. Was glaubt Ihr, wie sieht Euer zukünftiger Gemahl wohl aus? Oh, ich bin so gespannt auf Eure erste Begegnung mit ihm.“

„Du solltest nicht zu viel erwarten“, warnte Caitriona sie.

„Aber wieso nicht? Wer weiß, vielleicht verliebt Ihr euch ja Hals über Kopf in ihn. Es wäre doch möglich.“

„Vielleicht finde ich ihn auch furchtbar abstoßend und die Ehe mit ihm wird eine reine Qual“, gab Caitriona leise zu bedenken.

„Oh, nicht doch“, entfuhr es Fiona. „Sagt so etwas nicht, Mylady. Ihr müsst nur selbst ganz fest daran glauben, dass alles gut wird.“

Caitriona zweifelte daran, doch wer war sie, die romantische Träumereien ihrer Zofe zu zerstören. Die Zeit würde dies sicher noch früh genug erledigen und Fiona jäh aus ihren Tagträumen reißen.

Ein wenig beneidete sie ihre Zofe sogar. Immerhin ließ Fionas Glaube an eine gute Zukunft für sie und ihre Herrin sie schnell in einen tiefen, friedlichen Schlaf fallen. Ein Umstand, der Caitriona in dieser Nacht verwehrt blieb. Obwohl sie auf der Reise nie Anlass zur Klage verspürt hatte, konnte sie heute einfach nicht einschlafen. Das Lager war unbequem, die Geräusche des Waldes, der Pferde und der Krieger, die ihr Nachtlager bewachten, zu laut. Immer wieder schreckte sie aus einem leichten Schlaf auf und brauchte anschließend lange, um wieder zur Ruhe zu kommen.

Als der Morgen graute, gab sie sich schließlich geschlagen und akzeptierte, dass sie keinen Schlaf mehr finden würde. Leise, um Fiona nicht zu wecken, zog sie ihr Kleid an und schnürte es notdürftig, so gut es ihr allein gelingen wollte. Sie schlich aus dem Zelt und entfernte sich einige Schritte davon, um einen der Männer zu fragen, ob sie in der Nähe einen Bach oder eine ähnliche Wasserquelle entdeckt hatten.

„Nicht weit von hier ist ein kleiner Waldsee“, erklärte der Krieger auf Caitrionas Frage hin, runzelte aber die Stirn, als sie sich abwandte und auf den Weg dorthin machen wollte.

„Ihr solltet dort nicht allein hingehen, Mylady. Er ist außer Hörweite des Lagers und wir wissen nicht sicher, welche Gefahren in der Gegend auf uns lauern.“

„Wir sind auf dem Land der MacKays, nicht wahr?“, erkundigte sich Caitriona, woraufhin der Mann eifrig nickte. „Wenn wir Überfälle rechnen müssten, so hätte man uns doch sicherlich darauf hingewiesen, bevor wir die Reise angetreten haben.“

„Mylady, wir sind bereits seit zwei Wochen unterwegs, in dieser Zeit kann sich viel verändert haben. Davon abgesehen würde man uns nicht vor wilden Tieren warnen. Ich muss darauf bestehen, Euch nicht ohne Begleitung gehen zu lassen. Euer Bruder …“

„Glaubt Ihr denn, meinem Bruder wäre wohler dabei, wenn er wüsste, dass mich einer seiner Männer bei meinem Morgenbad beobachtet?“

Jegliche Farbe wich aus dem Gesicht des Kriegers, ehe es sich purpurrot färbte.

„Nun … nein … ich meine … also … ich habe Befehl … Mylady, Ihr …“

Caitriona hatte beinahe Mitleid mit ihm, während er stotternd nach einer Antwort suchte.

„Nun, nachdem wir das geklärt hätten, mache ich mich nun auf den Weg zu diesem Waldsee. Wenn mein Bruder aufgewacht ist, könnt Ihr ihn ja darüber in Kenntnis setzen, wo ich bin, sollte ich noch nicht zurückgekehrt sein.“

„Aber … Mylady … allein …“

„Ja, allein“, bestätigte sie und wandte sich von ihm ab. Allein. Ein paar himmlische Augenblicke nur für sich. Wie sehr sehnte sie sich gerade danach. Und wie sehr ließ der Anblick des kleinen Sees, den sie am Ende ihres Weges erreichte, ihr Herz höher schlagen.

Der Krieger hatte nicht übertrieben. Der See lag tatsächlich außer Hörweite des Lagers. Keine Stimmen drangen an ihr Ohr, keine Pferdegeräusche. Nur ein paar Vögel zwitscherten in den Baumwipfeln über ihr. Selbst im Unterholz war alles ruhig. Nebel lag über dem Waldboden und schwebte über dem Wasser.

Wäre ihre Mutter hier gewesen, sie hätte Caitriona allein für die Idee gescholten, in diesem See zu baden. Caitriona warf einen raschen Blick über ihre Schulter. Ihre Mutter mochte weit weg in Rosslyn Castle sein, doch Fiona stimmte in vielen Dingen mit ihr überein. Ein morgendliches Bad in einem kalten Waldsee war ganz gewiss eines davon.

Als sie davon überzeugt war, allein zu sein, zog sie sich hastig das Kleid und das Unterkleid über den Kopf, stieg aus den Schuhen und blieb einen Moment lang einfach stehen. Caitriona bewegte die Zehen im kühlen Gras und spürte, wie die Halme ihre Zehen kitzelten. Der Nebel legte sich kalt und klamm um ihre Waden. Es war ein herrliches Gefühl.

Langsam ging sie die letzten Schritte zum Seeufer, ließ das Wasser ihre Füße umspielen. Eine Gänsehaut zog ihr über die Haut. Das Wasser war noch kälter, als sie erwartet hatte. Nur langsam ging sie weiter. Schritt für Schritt ließ sie sich tiefer in das kühle Nass sinken. Der See schlug mit sachten Wellen gegen ihre Beine und sie hielt einen Augenblick inne, um sich an die Kälte zu gewöhnen, ehe sie sich fortbewegte. Mit jedem Schritt ein Stück tiefer. Mit den Fingerspitzen tastete sie über die Wasseroberfläche, streifte darüber hinweg. Dann tauchten ihre Hände ein, ihre Hüften. Als das Wasser ihre Taille erreichte, wurde die Gänsehaut stärker. Noch einen Schritt, schließlich gab sie sich einen Ruck und stürzte sich kopfüber in den See. Ein glückliches Seufzen fiel ihr von den Lippen, als sie auftauchte. Das Wasser mochte kalt sein, doch jetzt, da sie ganz darin versunken war, war es ein herrliches Gefühl.

***

Als Ramsay sich früh am Morgen auf den Weg zu dem kleinen Waldsee machte, in dessen Nähe er spät in der letzten Nacht sein Lager aufgeschlagen hatte, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen.

Die Geschichten, denen er als kleiner Junge am winterlichen Kamin auf Diùranais Castle gelauscht hatte, kamen ihm in den Sinn. Geschichten von Waldelfen und Feen, die nackt im Kreis tanzten und unvorsichtige Wanderer anlockten, um sie für ihre restliche Lebenszeit mit an den Hof des Feenvolks zu nehmen. Oder von Wassernymphen, die einen Mann mit einem tödlichen Kuss zu sich hinab in ihr Reich zogen, das sein ewiges Grab bedeutete.

Vor ihm, am Rand des Sees stand ein solches Feenwesen. Nackt im spärlichen Morgenlicht, das durch die Blätter fiel. Zumindest schien es so, denn der Nebel breitete sich wie ein Schleier um ihre Beine aus, als sie den ersten Schritt ins Wasser tat.

Ihre Haut war so hell, als habe sie nie das Tageslicht gesehen, ihr Haar hingegen so rot wie die Sonne, wenn sie im Meer versinkt, und ihr Körper würde jeden Mann verlocken, ihr blind in den Tod zu folgen.

Im nächsten Moment schallt Ramsay sich einen Narren. Feen, Elfen, Nymphen. Nichts davon gab es wirklich. Was er vor sich sah, war eine Frau aus Fleisch und Blut, die so einfältig war, sich in das eiskalte Wasser des Sees zu begeben. Sie würde sich den Tod holen. Vielleicht war dies sogar der Grund für diese närrische Tat, schoss es Ramsay durch den Kopf.

Er unterdrückte ein Fluchen und rannte auf den See zu, als er sah, dass sie sich kopfüber ins Wasser stürzte. Er löste den Gürtel und die Fibel, die seinen Belted Plaid hielten und ließ ihn ins Gras fallen, ehe er nur noch mit seinem Leinenhemd bekleidet in den See rannte. Die Fremde war inzwischen wieder aufgetaucht, doch Ramsay konnte nur ihren Kopf sehen und wusste nicht, ob ihr Gesicht noch unter Wasser war. Ohne zu zögern griff er nach ihr und schlang die Arme um ihre Mitte. Sobald sie ihn bemerkte, begann sie zu schreien, schlug um sich und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Scheinbar suchte sie tatsächlich den Tod in diesem See. Doch er wollte verdammt sein, wenn er diese Tat zulassen würde.

Ramsay hielt sie fest und trug sie aus dem See hinaus ans Ufer, wo er sie auf dem Boden absetzte und ihr den Weg zum See verstellte – bereit, sie abzufangen, sollte sie ihren närrischen Plan erneut in die Tat umsetzen wollen.

Die Fremde wirbelte zu ihm herum. „Was erlaubt Ihr Euch?“, fuhr sie ihn an. Ihre braunen Augen funkelten.

Sie spricht kein Gälisch, dachte Ramsay und wunderte sich über sich selbst. Da stand diese Frau vor ihm – nackt, durchnässt und wütend – und das erste, was ihm auffiel, war, dass sie die Sprache der Highlands nicht sprach.

Vor ihm stand eine Lowlanderin. Und dafür gab es nur eine einzige Erklärung: Er stand seiner künftigen Braut gegenüber. Langsam ließ er seinen Blick über ihren Körper wandern. Vielleicht hatte er sich doch zu lange gegen eine Ehe gewährt.

2. KAPITEL

„Ich erlaube mir, Euch das Leben zu retten“, antwortete der Fremde, während er sie eindringlich musterte.

Plötzlich fiel Caitriona ein, dass sie gänzlich nackt vor ihm stand. Mit Mühe unterdrückte sie einen Aufschrei und spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Schützend schob sie die Arme vor ihren Körper und sah sich nach ihrer Kleidung um. Sie lag nur zwei Schritte von ihr entfernt, doch in diesem Augenblick schienen sie unendlich weit weg zu sein.

„Das Einzige, vor dem ich gerettet werden muss, seid Ihr“, erwiderte Caitriona und reckte das Kinn in die Höhe. Sie würde keine Angst vor diesem Wilden zeigen. Sie trat einen Schritt zurück. Einen Schritt näher zu ihren Kleidern. Der Mann schnaubte und wandte sich von ihr ab. Caitriona nutzte diese Gelegenheit, um den letzten Schritt zurückzulegen und sich hastig ihr Unterkleid über den Kopf zu ziehen. Nachdem sie auch ihr Übergewand verschnürt hatte und gerade in ihre Schuhe schlüpfte, stand der Fremde erneut vor ihr, eine dunkle Wolldecke in der Hand, die er ihr entgegenhielt.

„Eines möchte ich nur gern wissen: Seid Ihr nur eine Närrin oder sehnt Ihr Euch wirklich nach dem Tod?“

Caitriona sah ihn entrüstet an. Was glaubte dieser Wilde, wer er war, dass er so mit ihr sprechen konnte? Ihre Mutter hatte offensichtlich Recht gehabt, in den Highlands lebten Barbaren. Keine Manieren, kein Anstand und keine Beinkleider. Letzteres fiel ihr erst jetzt auf. Ihr Gegenüber trug nichts außer einem Hemd, das ihm bis zu den Oberschenkeln reichte. Was hatte sich ihr Vater nur dabei gedacht, sie an einen solch gottlosen Ort zu schicken?

„Ich bin weder das eine, noch das andere“, erwiderte Caitriona und ignorierte den angebotenen Umhang. Es war ohnehin höchste Zeit für sie, ins Lager zurückzukehren. Dorthin, wo anständige Menschen waren. Sie hoffte nur, Monroe war noch nicht aufgewacht, damit sie diese Begegnung für sich behalten können. Gott behüte, dass ihr Bruder durch einen solchen Vorfall auf den Gedanken kam, sie könne nicht allein auf sich achten.

Der Fremde schnaubte verächtlich in Erwiderung ihrer Worte, und eine zügige Rückkehr ins Lager war für Caitriona vergessen. Sie stemmte die Hände in die Hüften und baute sich so gut sie konnte vor ihm auf. Dass er sie um mehr als einen Kopf überragte, störte sie dabei nicht. Monroe und Dermid waren nur wenig kleiner als er.

„Was glaubt Ihr eigentlich, wer Ihr seid?“, fuhr sie ihn an.

Bevor der Highlander antworten konnte, drang Monroes Stimme an ihr Ohr, der ihren Namen rief.

Caitriona presste die Lippen zusammen. Sie hätte doch sofort zurückgehen sollen, statt sich auf ein Wortgefecht mit diesem Wilden einzulassen, schallt sie sich, als sie ihren Bruder erneut nach ihr rufen hörte. Ein rascher Blick über ihre Schultern sagte ihr, dass Monroe sie soeben gefunden hatte. Mit schnellen Schritten kam er auf sie zu, eine Hand auf seinem Schwertgriff.

„Cait?“, wandte er sich fragend an sie, während er sich schützend vor sie stellte und den Highlander mit einem finsteren Blick bedachte.

Zuhause auf Rosslyn Castle hätte Caitriona dagegen protestiert, dass Monroe sich als ihr Beschützer aufspielte. Hier in der Wildnis des Nordens erschien es ihr jedoch sicherer, ihn gewähren zu lassen.

„Ich war früh auf und wollte die Gelegenheit nutzen, mich in Ruhe zu waschen, als dieser … Kerl auftauchte.“ Sie deutete unwirsch auf den Fremden.

Monroe warf ihr einen raschen Blick zu. „Deine Haare sind nass“, stellte er anklagend fest.

„Das kommt vor, wenn man versucht, sich zu ertränken“, warf der Fremde ein.

„Ich habe nicht versucht, mir das Leben zu nehmen“, entgegnete Caitriona aufgebracht. „Ich wollte lediglich im See baden“, fügte sie als Erklärung für ihren Bruder hinzu. Sie sah, wie Monroe die Hand um seinen Schwertgriff versteifte und die Klinge ein wenig hervorzog.

„Du warst im See?“

Caitriona verzog das Gesicht über den Vorwurf, der in der Frage ihres Bruders mitschwang.

„Das heißt er …“

„Hat sie aus dem Wasser geholt, bevor sie eine größere Dummheit begehen kann“, fiel ihm der Fremde ins Wort. Die Miene ihres Bruders verfinsterte sich. „Das Wasser des Sees ist eiskalt. Und wenn sie noch länger mit nassen Haaren hier herumsteht, hätte ich sie genauso ertrinken lassen können.“

„Was erlaubt Ihr Euch?“, erwiderte Monroe und wiederholte unwissentlich die Worte seiner Schwester. „Was glaubt Ihr, wer Ihr seid?“

Ein grimmiges Lächeln legte sich auf das Gesicht des Fremden, als sein Blick von Monroe zu Caitriona glitt.

„Ramsay MacKay.“

Diese zwei Worte genügten, um Caitriona beinahe schwarz vor Augen werden zu lassen. Sprachlos starrte sie den Mann an. Monroe fing sich schneller als sie. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er sein Schwert wieder gänzlich in der Scheide verschwinden ließ und die Hand, die er eben noch um dessen Griff geklammert hatte, dem Fremden entgegenstreckte.

„Ich bin Monroe Sinclair“, stellte er sich vor und trat einen Schritt zur Seite. Gerade jetzt, wo es Caitriona lieb gewesen wäre, er hätte sich wieder schützend vor sie gestellt, ließ er sie derart sträflich im Stich. „Meine Schwester, Caitriona“, sagte er und rückte einen Schritt zur Seite. Ein Schauer lief Caitriona über den Rücken, während sie zitternd zu Boden blickte.

„Eure Schwester scheint zu frieren. Ich will nicht derjenige sein, der Euren Eltern mitteilt, dass sie nicht einmal die Reise nach Diùranais Castle überlebt hat.“

Caitriona sah, wie Monroe sich bei diesen Worten anspannte und sich zu ihr umwandte.

„Er hat Recht. Du solltest sofort zurück ins Lager.“

Caitriona traute ihren Ohren kaum. Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Monroes Blick hielt sie für einen Moment davon ab. Im nächsten Augenblick war er neben ihr, ergriff ihren Arm und lenkte sie in Richtung des Lagers.

„Wo habt ihr Euch niedergelassen?“, fragte der Highlander ihren Bruder, ehe dieser ihm ebenfalls den Rücken zuwenden konnte. Monroe erklärte ihm, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten.

„Ich hole mein Pferd und mein Gepäck und treffe Euch gleich dort“, erwiderte Ramsay MacKay und kam ein letztes Mal auf sie zu.

„Bevor Eure törichte Schwester erfriert“, wandte er sich an Monroe und reichte ihm den Umhang, den Caitriona bereits verweigert hatte. Monroe nahm ihn mit einem Nicken entgegen und schlang ihn um ihre Schultern. Als der Highlander sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung davonging, wollte sie sich den Umhang von den Schultern ziehen, doch Monroe hielt sie davon ab.

„Lass ihn an“, sagte er düster und schob sie vor sich her in Richtung des Lagerplatzes.

„Was soll das?“, fragte Caitriona schließlich, als sie ihre Stimme endlich wiedergefunden hatte. „Noch vor wenigen Augenblicken warst du dabei, dein Schwert gegen ihn zu ziehen und jetzt?“

Monroe blieb stehen. Caitriona trat einen Schritt zurück. Sie wusste, wie sie mit ihrem Bruder umzugehen hatte, wenn er tobte vor Wut oder die Lippen zusammenpresste und sie aus zusammengekniffenen Augen ansah. So wie jetzt hatte sie ihn jedoch nur selten gesehen. Er war vollkommen ruhig und beherrscht. Zu ruhig. Es brodelte unter der Oberfläche, das konnte sie ihm deutlich ansehen.

„Was soll ich deiner Meinung nach tun?“, fragte er sie gefährlich leise. „Soll ich ihn zwingen, dich zu heiraten, damit deine Ehre erhalten bleibt? Oh, warte, das tut er ohnehin. Er wird dein Mann werden, Cait. Es gibt nichts, was du oder ich daran ändern können, also gewöhn dich daran.“

„Er ist ein Wilder! Hast du ihn dir angesehen? Ungekämmt und unrasiert. Und seine Kleidung! So kann man sich doch nicht anziehen.“

„Du wusstest, dass die Highlander nicht wie wir sind“, erinnerte Monroe sie, doch Caitriona schüttelte den Kopf.

„Sag mir nicht, du hättest das Ausmaß ihrer Barbarei auch nur ahnen können. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt unsere Sprache spricht.“

„Nicht, dass es ein Problem wäre, immerhin sprichst du seine.“ Der erste Anflug eines Lächelns legte sich auf Monroes Lippen, verschwand aber so schnell, wie es aufgetaucht war.

„Ich kann diesen Mann unmöglich heiraten, Monroe!“

„Nenn mir einen vernünftigen Grund, weshalb nicht“, forderte er sie auf, „einen Grund, den ich unserem Vater nennen könnte, ohne wie ein größerer Narr auszusehen, als ich es gerade eben getan habe.“ Seine Worte waren so schneidend, dass Caitriona überrascht zusammenzuckte.

„Herr im Himmel, Cait, wie konntest du dich allein aus dem Lager entfernen? Auf fremdem Land, das wir nicht kennen? Dich dann auch noch splitternackt ausziehen, nur, um in einem See zu baden? Weißt du überhaupt, welches Glück du hattest, von ihm gefunden zu werden?“

Im Gegensatz zu ihrem Bruder konnte Caitriona nicht erkennen, was an dieser Begegnung als glücklich zu bezeichnen wäre.

Monroe wartete nicht auf eine Antwort, sondern schob sie nur schweigend weiter aufs Lager zu.

Caitriona dachte über Monroes Worte nach. Gab es Gründe, die dagegen sprachen, dass sie diesen Wilden heiraten konnte? Oh, sie hatte viele Gründe. Hatte sie ihm nicht sogar schon welche genannt? Er war ein Wilder, ein Barbar, ein Hinterwäldler. Er konnte sich nicht wie ein anständiger Mensch kleiden, sein Haar war lang genug, dass man es mit den Fingern kämmen konnte – was er offensichtlich nicht getan hatte – und sein Gesicht war schon mehr als ein paar Tage nicht rasiert worden.

Am schlimmste an seiner äußeren Erscheinung jedoch waren seine Augen. Sie hatten eine Farbe, die Caitriona nur schwer benennen konnte, irgendwo zwischen grau und blau – die gleiche Farbe wie der See, als der Nebel über ihm gelegen hatte – und sie hatten jeden Zentimeter ihrer nackten Haut gesehen.

Ein Schauer rann ihr bei diesem Gedanken über den Rücken und unwillkürlich zog sie den Umhang fester um ihre Schultern. Als sie bemerkte, was sie da tat, ließ sie den dicken Stoff los, als habe sie sich die Finger an ihm verbrannt.

Kaum hatten sie die ersten Zelte des Lagers erreicht, kam Fiona auf sie zugerannt. „Mylady, da seid Ihr ja! Oh, ich habe mir solche Sorgen gemacht. Wieso habt Ihr mich nicht geweckt? Ich hätte Euch doch begleiten können.“

Caitriona spürte Monroes vielsagenden Blick in ihrem Rücken, als Fiona sie bei der Hand ergriff und sie in ihr Zelt führte. Auch wenn sie es ungern zugab, so hatte ihr Unterkleid die Nässe aufgesogen und klebte nun unangenehm kalt an ihrer Haut.

„Wo habt Ihr diesen Mantel her? Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen“, erkundigte Fiona sich, als sie Caitriona aus ihren Kleidern half.

„Er gehört meinem zukünftigen Ehemann“, presste Caitriona zwischen ihren Zähnen hervor.

„Er ist hier?“

„In der Nähe“, bestätigte sie und sehnte sich geradezu nach einer weiteren Strecke in ihrer stickigen Kutsche, die sie sonst nur zu gern verließ. Immerhin würde sie dort vor ihm sicher sein. „Er wird bald zu uns stoßen, und ich fürchte, er wird uns den Rest des Weges begleiten wollen.“

***

Nach der unangenehmen Begegnung mit den Sinclairs wusste Ramsay, seine letzten Tage in Freiheit waren gezählt. Alleine würde er sie ohnehin nicht mehr genießen können, also schloss er sich den Lowlandern auf der Reise nach Diùranais Castle an.

Ihm entging nicht, dass seine zukünftige Braut ihm aus dem Weg ging. Zwar erleichterten ihr die Umstände der Reise dieses Vorhaben ungemein, da sie den ganzen Tag über mit ihrer Zofe in einer Kutsche saß, doch selbst, wenn sie für eine Rast anhielten oder nachts ihr Lager aufschlugen, bekam er sie fast nie zu Gesicht.

Am Morgen war sie jedoch so in ein Gespräch mit ihrer Zofe vertieft, dass es ihr nicht gelang, sich mit dieser bereits in die Kutsche zurückzuziehen, ehe Ramsay mit Monroe zu ihnen stieß und sich zu einem gemeinsamen Verzehr von Brot und Käse zu ihnen gesellten. Dabei war Caitriona anzumerken, wie sehr es in ihrem Inneren kochte. Sie war noch immer wütend auf ihn. Doch während Ramsay ihre störrische Miene bei ihrer ersten Begegnung noch als närrisch angesehen hatte, so fand er sie mittlerweile recht erheiternd. Ihre Weigerung, sich mit ihm zu unterhalten, ihn auch nur anzusehen, gab ihm die Gelegenheit sie wiederum ausgiebig zu mustern. Er war davon überzeugt, dass sie dennoch spürte, wenn er sie beobachtete. Sie reckte jedes Mal ihr Kinn eine winzige Spur in die Höhe und presste ihre vollen Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Hin und wieder streifte ihn ein Blick ihrer braunen Augen und die Funken, die darin sprühten, zeigten zu deutlich, dass ihre ruhige Fassade eben nur das war: eine Fassade.

Ramsay glaubte zwar noch immer, dass es ein Fehler war, eine Ehe mit einer Lowlanderin einzugehen, weil es hier im Norden zu gefährlich für sie war, doch von einem war er bereits jetzt überzeugt: langweilig würde eine Ehe mit dieser Frau sicher nicht werden, wenn es ihm erst gelingen würde, dieses Feuer an die Oberfläche zu bringen.

Am Abend des zweiten Tages, den er mit ihnen ritt, ließ er es sich nicht nehmen, selbst die Tür zu ihrer Kutsche zu öffnen und ihr die Hand zu reichen, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Ohne ihn zu beachten, den Blick auf die zerklüftete Landschaft gerichtet, die sich vor ihr erstreckte, legte sie ihre Handfläche in seine. Ramsay runzelte die Stirn. Ihm war nicht entgangen, wie kalt ihre Hand im Vergleich zu seiner eigenen war.

„Es ist kälter geworden, nicht wahr, Mylady?“, plapperte ihre Zofe, die hinter Caitriona bereits aus der Kutsche stieg und ohne Hilfe die Stufen hinabsprang. Es war über Tag tatsächlich kühler geworden und ein frischer Wind war aufgekommen, der zum Abend hin stärker geworden war und einen Wetterumschwung in den nächsten Tagen ankündigte. „Ich sollte besser ein paar weitere Decken für heute Nacht ins Zelt legen.“ Sie stutzte, als sie Ramsay bemerkte, machte einen hastigen Knicks und eilte davon.

„Ich sagte doch, Ihr holt Euch den Tod“, brummte Ramsay, als er mit Caitriona allein zurückblieb. Ihr Kopf schnellte herum und sie sah ihn mit großen Augen an.

„Mir geht es gut“, erwiderte sie knapp und versuchte ihm ihre Hand zu entziehen. Doch Ramsay verstärkte seinen Griff um ihre kalten Finger.

„Ihr solltet langsam lernen, auf einen Mann zu hören. Offensichtlich sind Eure eigenen Entscheidungen nicht von viel Verstand gekrönt.“

Da war es wieder, dieses Feuer in ihren Augen. Röte zierte ihre Wangen und sie hob das Kinn. Ramsay musste ein Grinsen unterdrücken.

„Es ist nicht meine Schuld, wenn Ihr eine Situation gänzlich missversteht.“

„Was ist daran zu missverstehen, wenn es ein schwerer Fehler ist, um diese Jahreszeit in den frühen Morgenstunden in kaltes Wasser zu steigen? Es ist ein Wunder, dass ihr noch nicht vor Fieber glüht.“

„Mir geht es ausgezeichnet“, zischte sie und versuchte erneut, ihm ihre Hand zu entziehen. Ramsay trat einen Schritt näher auf sie zu. Caitriona folgte seiner Bewegung und trat ihrerseits einen Schritt zurück.

„Eure Haut ist kalt wie Eis.“

„Wenn Ihr mich nur loslassen würdet, könnte ich schon längst am Feuer stehen und mich wärmen.“

Als Ramsay einen weiteren Schritt auf sie zutrat, versperrte die Kutsche in Caitrionas Rücken ihr einen weiteren Fluchtversuch.

„Kommt mir noch näher und ich schreie“, warnte sie Ramsay leise.

Er lächelte. „Ist es in den Lowlands etwa verboten, dass Mann und Frau sich vor der Hochzeit unterhalten?“

„Allein? Selbstverständlich.“

„Aber wir sind doch nicht allein. Ihr müsst nur schreien, schon sind Euer Bruder, Eure Zofe und all Eure Soldaten bei uns.“ Ramsay schloss die verbliebene Distanz zwischen ihnen und stand nun dicht vor ihr.

Sie presste erneut die Lippen aufeinander. Nein, sie würde nicht schreien, davon war Ramsay von Anfang an überzeugt gewesen. Dazu war seine Braut viel zu stolz. Zudem war er überzeugt davon, dass Lowlander nichts dabei finden konnten, wenn sie sich unterhielten. Zumal sie ohnehin mit dem Aufbau des Lagers beschäftigt waren und daher nichts bemerkten.

„Sollte ich Eurer Meinung nach nicht dennoch zum Feuer gehen und mich dort aufwärmen?“

Ramsay senkte leicht den Kopf. „Ich könnte Euch ebenfalls wärmen.“

Hatte er geglaubt, zuvor ein Feuer in ihren Augen zu sehen, so loderten die Flammen nun lichterloh. Wind kam auf und blies durch ihre roten Locken. Ramsay hob seine freie Hand an ihr Haar und ließ seine Finger hindurchgleiten, bis er sie in ihrem Nacken ruhen ließ.

„Wie könnt Ihr es wagen …“

„Ihr redet zu viel, Mylady“, flüsterte Ramsay und senkte seinen Mund auf ihren.

Seit zwei Tagen hatte er sich ausgemalt, wie diese Lippen schmecken würden, wie es sich anfühlen würde, diese Frau, die bald seine Frau sein würde, in den Armen zu halten, ihren Körper an seinem zu spüren.

Wenn er jedoch geglaubt hatte, sie würde durch einen Kuss in seinen Armen dahinschmelzen, so hatte er sich bitterlich getäuscht.

Das Glücksgefühl, das ihn durchfuhr, als er sie küsste, hielt nur einen kurzen Augenblick. Im nächsten Moment war es ihr gelungen, den Kopf von ihm abzuwenden und eine schallende Ohrfeige landete auf seiner Wange. Augenblicklich ließ er sie los und hielt sich eine Hand ans Gesicht.

„Ihr erlaubt Euch zu viele Freiheiten! Noch bin ich nicht Eure Frau.“ Damit raffte Caitriona ihre Röcke und zwängte sich zwischen der Kutsche und Ramsay hindurch an ihm vorbei.

„Aye, aber wenn das ein Vorgeschmack auf die Hochzeitsnacht ist, kann ich sie kaum erwarten“, murmelte er auf Gälisch und warf ihr einen bewunderten Blick über die Schulter zu. Er sah, wie Caitriona stehenblieb, zu ihm herumfuhr und ihn entsetzt musterte.

„Was habt ihr gesagt?“, fragte sie und Ramsay dankte dem Herrn, dass die Lowlander die Sprache der Highlands nicht verstanden. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass seine Bemerkung seine Braut nicht glücklich machen würde.

„Ich sagte nur, dass es nicht mehr lange dauert, bis wir heiraten. Ihr solltet Euch also daran gewöhnen, geküsst zu werden.“ Es gefiel ihm eindeutig zu sehr, sie zu ärgern, schoss es Ramsay durch den Kopf, als er sah, wie sie erneut errötete. Er kam zu ihr und bot ihr seinen Arm.

„Denn ich verspreche Euch, dieses Vergnügen noch viele Male zu wiederholen“, flüsterte er verschwörerisch. Caitriona bedachte ihn keiner Antwort mehr. Sie ignorierte seinen Arm und ging mit schnellen Schritten zum Lagerplatz, wo sie Zuflucht bei ihrer Zofe suchte. Ramsays fuhr sich mit der Zunge langsam über seine Lippen. Die Liebkosung war eindeutig zu kurz gewesen. Aber er hatte vor, sein Versprechen zu halten und Caitriona noch mehr zu entlocken als ein paar sanfte Küsse.

***

Caitriona versuchte das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, als sie den Umhang entgegennahm, den Fiona aus ihrem Gepäck für sie herausgesucht hatte.

„Kommt, setzt Euch ans Feuer, Mylady, dann wärmt Ihr Euch sicher auf“, riet Fiona ihrer Herrin und ließ sich neben ihr nieder. „Ich frage mich, ob die Art, wie Euer künftiger Ehemann diese Decke trägt, für das kühlere Klima hier im Norden nicht vielleicht besser ist.“

Caitriona war dankbar dafür, dass Fiona ihr Zittern fehlgedeutet hatte. Ihr war nicht kalt. Nicht mehr. Im Gegenteil. Sie brannte. Ihre Hand, ihre Wangen, ihr Nacken. Selbst ihr Mund schien zu glühen. Für einen Augenblick presste sie die Lippen aufeinander, bis sie bemerkte, was sie tat. Überall, wo dieser Wilde sie berührt hatte, schien ihre Haut in Flammen zu stehen.

„Es zeigt lediglich, dass er nichts davon versteht, sich anständig zu kleiden. Ein Mann, der eine Decke um die Beine wickelt und sich einen viel zu langen Stoffballen über die Schulter wirft … So etwas würde ein zivilisierter Mensch nie tragen“, versuchte sie, sich selbst von ihren Gedanken abzulenken. Fiona erwiderte nichts, reichte Caitriona nur schweigend einen Becher Met, den diese dankbar annahm. Sie wusste, dass ihr Gesicht von Schamesröte überzogen war, dank der bereits eingesetzten Dämmerung hoffte sie, es würde niemandem auffallen.

Wie hatte er es wagen können, sie zu küssen?

„Geht es dir gut?“ Monroes Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

Caitriona rang sich ein kleines Lächeln ab. „Natürlich“, versicherte sie ihrem Bruder. „So gut es mir gehen kann in Gesellschaft dieses … ungehobelten Barbaren.“

„Ich weiß nicht, Cait, ich glaube, du solltest langsam anfangen, ihn beim Namen zu nennen. Du wirst deinen Ehemann schwerlich mit solchen Beschimpfungen ansprechen können. Die Leute könnten glauben sonst, dir gefalle das Eheleben nicht.“

Caitriona warf ihrem Bruder einen wütenden Blick zu. Mehr als einmal hatte sie ihn mit Ramsay MacKay lachen sehen. Er verstand sich offensichtlich bereits hervorragend mit diesem Wilden und fiel ihr nun in den Rücken. Als der Highlander sich zu ihnen gesellte, wandte Caitriona sich wieder Fiona zu und verwickelte diese in ein Gespräch, um Ramsay davon abzubringen, sich in das Gespräch mit ihrem Bruder einzumischen.

In dieser Nacht fiel es ihr erneut schwer, einzuschlafen. Es war ihr, als könnte sie die Ramsays Berührungen noch immer auf der Haut und stärker noch auf ihren Lippen spüren. Sie hatte Monroe ursprünglich davon erzählen wollen, doch sie ahnte, dass er ihre Entrüstung nicht geteilt hätte. Die Worte von Ramsay MacKay kamen ihr wieder in den Sinn. Hatte er tatsächlich geglaubt, sie verstünde kein Gälisch? Ihre Wangen fingen an zu glühen. Sie hatte ihn verstanden. Sehr gut sogar. Der Gedanke an die Hochzeitsnacht mit ihm half ihr nicht im Geringsten dabei, in den Schlaf zu finden. Nur die Befürchtung, im Lager erneut auf ihn zu treffen, hielt sie davon ab, bei einem nächtlichen Spaziergang zur Ruhe zu finden. So blieb Caitriona im Bett liegen und wartete darauf, dass der Schlaf sie endlich übermannen würde.

***

Am späten Nachmittag des nächsten Tages durchquerten sie die Tore zu Diùranais Castle. Hatte Caitriona bis zu diesem Zeitpunkt noch gehofft, dass das äußere Erscheinungsbild Ramsay MacKays eine Ausnahme darstellte und man sich zumindest auf der Burg anders kleiden würde, so wurde sie nun eines Besseren belehrt. Zwar trugen nicht alle Männer, die sie sah, diese Wolldecken als Rock um ihre Beine, die, die dies nicht taten, trugen jedoch nicht mehr als eine längere Tunika, über der sie einen Umhang trugen, den sie sich mit einem Gürtel um ihre Mitte festgebunden hatten. In den Highlands schien jegliche Art von anständigen Beinkleidern undenkbar zu sein. Auch Fiona schien überrascht, als sie hinter Caitriona aus der Kutsche stieg, denn zum ersten Mal erlebte sie ihre Begleiterin sprachlos.

Als sie sich nach ihrem Bruder umsah, entdeckte Caitriona ihn im Gespräch mit Ramsay MacKay und einer dunkelhaarigen Frau. Monroe reichte ihr mit einer angedeuteten Verbeugung die Hand und lächelte freundlich. Es musste sich um ihre zukünftige Schwiegermutter handeln, und Caitriona war erleichtert zu sehen, dass zumindest sie ein richtiges Kleid trug. Wenn es auch nicht der Mode entsprach, die sie aus dem Süden kannte.

„Lady MacKay, darf ich Ihnen meine Schwester vorstellen?“, hörte Caitriona Monroe fragen, als die drei auf sie zukamen.

„Lady MacKay, Caitriona.“

„Bitte, Mòrag ist vollkommen ausreichend“, unterbrach die Frau Monroe und ergriff Caitrionas Hände.

„Ich freue mich so, dass ihr wohlbehalten hier angekommen seid. Ich hoffe, die Reise war nicht zu anstrengend.“ Sie schenkte Caitriona ein strahlendes Lächeln, durch das sich die kleinen Fältchen um ihre dunklen Augen vertieften. Caitriona konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Es war kaum zu glauben, dass diese Frau die Mutter dieses ungehobelten Barbaren sein sollte.

„Die Reise war keineswegs zu anstrengend, Mylady“, versicherte Caitriona und wurde von ihrem Gegenüber gleich wieder korrigiert.

„Nenn mich Mòrag, bitte. Aber kommt doch erst einmal herein. Ich weiß, dass ich nach Wochen in dieser engen Kutsche und Nächten in kleinen Gasthöfen oder in hastig errichteten Lagern am Wegesrand den Anblick eines richtigen Zimmers herbeisehnen würde. Ihr könnt euch alle noch ein wenig ausruhen, bevor wir zu Abend essen. Und wie klingt ein heißes Bad heute Abend?“

„Das klingt in der Tat himmlisch“, bestätigte Caitriona aufrichtig und Mòrags Lächeln vertiefte sich noch mehr. Sie hakte sich bei Caitriona unter und führte sie zum Haupthaus der Burg.

„Ich muss mich noch für Ramsays Verhalten entschuldigen.“

Caitriona spürte, wie ihre Knie weich wurden, und sie warf einen hastigen Blick über ihre Schultern. Hatte dieser Wilde seiner Mutter tatsächlich erzählt, wie sie sich zum ersten Mal begegnet waren?

„Es muss sehr ungebührlich auf dich wirken, dass er nicht hier auf Diùranais Castle auf eure Ankunft gewartet hat. Ich hatte gehofft, er würde vor euch zurückkehren, nicht unterwegs auf euch treffen.“

Caitriona versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie erleichtert sie war, dass Mòrag offensichtlich doch nichts über die genaueren Umstände wusste, die ihren Sohn und seine zukünftige Braut zusammengeführt hatten.

„Du solltest dich vielleicht vorsorglich auch für jede andere Dummheit entschuldigen, die Ramsay in den letzten Tagen begangen hat“, warf ein junger Mann ein, der in der Nähe der Eingangstür stand. Er war etwa so groß wie Monroe und hatte dunkelblondes Haar, das er sogar noch länger als Ramsay MacKay trug, da es ihm bis auf die Schultern fiel. Neben ihm stand ein dunkelhaariger Mann, der nur wenig älter zu sein schien, und schüttelte über diese Bemerkung den Kopf.

„Alistair“, tadelte Mòrag den Blonden, doch ihrer Stimme war anzuhören, dass sie ihm nicht gar so böse war.

„Aber ich habe doch Recht. Wir wissen alle, dass Ramsay zwar ein geborener Kämpfer und Anführer sein mag, Diplomatie aber noch nie seine Stärke war.“ Alistair wandte sich an Caitriona und ergriff ihre Hand. „Falls Euch mein Bruder also in irgendeiner Form beleidigt haben sollte, so bitte ich Euch inständig, ihm zu verzeihen. Um unseretwillen. Ich versichere Euch nämlich, der Rest unserer Familie ist keineswegs der Ansicht, dass jedes Wort aus unserem Mund ein Befehl ist, dem augenblicklich Folge zu leisten ist.“ Mit diesen Worten küsste er ihre Hand und zwinkerte ihr verschwörerisch zu, ehe er sie wieder losließ.

„Alistair“, ermahnte Mòrag ihn erneut, und dieses Mal klang ihre Stimme ein wenig ernster. „Entschuldigt ihn, Caitriona. Alistair, mein jüngster Sohn, und Ramsay necken sich gegenseitig, schon seit Alistair sprechen kann. Ihr dürft seine Worte nicht zu ernst nehmen.“

„Oh, ich weiß nicht, seine Einschätzung trifft nach meiner bisherigen Erkenntnis durchaus zu“, entfuhr es Caitriona. Für einen Moment legte sich Schweigen über die umstehenden Personen und sie hörte, wie Fiona hinter ihr die Luft einzog.

Im nächsten Augenblick brach Alistair in schallendes Gelächter aus. Auch bei seinem dunkelhaarigen Gefährten konnte Caitriona ein Zucken um dessen Mundwinkel ausmachen.

„Schön und klug. Ramsay, diese Frau ist eindeutig zu gut für dich“, rief Alistair seinem Bruder zu, als dieser auf den Treppen zu ihnen aufschloss.

„Keine Angst Bruder, nach der Hochzeit werde ich mich bald auf die Suche nach einer passenden Braut für dich machen“, entgegnete Ramsay kühl und Caitriona sah, wie Alistair das Gesicht verzog.

Mòrag seufzte. Caitriona dachte an ihre eigene Mutter, die so oft versuchte, zwischen ihren drei jüngsten Söhnen zu schlichten. Nur, dass Caitrionas Brüder noch Jahre davon entfernt waren, an Hochzeiten auch nur zu denken.

„Könnt ihr dieses Gespräch bitte ohne uns fortführen?“, sagte Mòrag an ihre Söhne gerichtet, ehe sie sich wieder an Caitriona wandte.

„Zumindest bei einem Sohn kann ich mir gewiss sein, dass er in den letzten Minuten nicht verlernt hat, wie man sich benimmt. Caitriona, darf ich dir Malcolm vorstellen?“

Der dunkelhaarige Mann nickte knapp in Caitrionas Richtung.

„Wenn die Herren uns nun entschuldigen wollen.“ Mòrag führte Caitriona an den Brüdern vorbei ins Innere der Burg. Caitriona bemerkte, wie sich die Schultern der älteren Frau senkten, als sie durch die große Halle gingen.

„Ich muss mich wirklich für ihr Verhalten entschuldigen.“

„Ich habe fünf Brüder, Zankereien unter ihnen bin ich gewöhnt“, versicherte Caitriona ihr und schenkte Mòrag ein aufmunterndes Lächeln. Die Frau erwiderte es zögernd und schüttelte dann den Kopf.

„Nun denn, willkommen auf Diùranais Castle. Ich bin mir sicher, es kann nicht an Rosslyn heranreichen, aber ich hoffe, du wirst dich hier trotzdem wohlfühlen. Komm, ich zeige dir dein Gemach, in dem du bis zur Hochzeit untergebracht bist. Ich hielt es für das Beste, wenn du dich erst einmal von der Reise erholst und die Gelegenheit nutzt, dich ein wenig auf Diùranais einzugewöhnen. Außerdem wollen wir deinem Bruder und den Männern deines Vaters ein wenig Ruhe gönnen, ehe sie sich auf den Rückweg machen. Die Hochzeit soll daher erst in zwei Wochen stattfinden.“

Caitriona nahm diese Neuigkeit mit einem leichten Nicken zur Kenntnis. Sie wusste nicht recht, ob sie dankbar für diese Verzögerung sein sollte oder nicht. Ein Teil von ihr hätte die Hochzeit lieber gestern hinter sich gebracht als sie morgen zu erleben. Doch ein anderer Teil von ihr war froh und dankbar dafür, dass sie sich nicht so schnell von Monroe würde trennen müssen.

3. KAPITEL

Nachdem Caitriona den ersten Schock nach ihrer Ankunft auf Diùranais Castle überwunden hatte und beim Abendessen erleichtert feststellte, dass die Mahlzeit der MacKays keine ähnlich unangenehmen Bräuche wie die gewöhnungsbedürftige Erscheinung der männlichen Clanmitglieder bereithielt, ließ die nächste Überraschung nicht lange auf sich warten.

Caitriona hatte sich auf ihr Gemach zurückgezogen und um ein Bad gebeten.

„Das Wasser ist viel zu kalt.“, stellte Fiona verwirrt fest, als Dienstboten die ersten Eimer brachten. Die Diener warfen sich einen kurzen Blick zu, zuckten dann aber nur schweigend mit den Schultern und verließen den Raum, um mehr Wasser zu holen.

„Das ist doch …“, murmelte Fiona und sah ihnen ungläubig nach.

Um sich selbst ein Bild davon zu machen, was ihre Zofe als zu kalt empfand, streckte Caitriona eine Hand in den noch recht leeren Bottich und runzelte die Stirn. Zwar war das Wasser nicht wirklich kalt, aber von einem heißen Bad, war es weit entfernt. Als das Wasser auch nach den nächsten Eimern nicht wärmer war, warf sie Fiona einen hilfesuchenden Blick zu.

„Ich werde der Sache nachgehen“, beschloss Fiona, raffte ihre Röcke und folgte den beiden Dienern. Kurze Zeit später war sie es, die ihre Herrin hilflos ansah.

„Ich habe den Steward gebeten, für mich in der Küche zu übersetzen, aber ich konnte niemanden dazu bewegen, das Badewasser zu erhitzen, sie sind davon überzeugt, dass es heiß genug wäre.“

„Ihr Herr glaubt, ich würde sterben, wenn ich mich in einem See wasche, aber ein nicht einmal lauwarmes Bad soll heiß genug sein?“

Fiona biss sich auf die Unterlippe und nickte.

„Das ist doch lächerlich“, erklärte Caitriona und ging zur Tür. „Du kennst den Weg zur Küche?“, fragte sie Fiona und ließ ihn sich von ihrer Zofe zeigen.

In der Burgküche herrschte aufgeregtes Treiben, während die letzten Reste des Abendessens der Herrschaften abgetragen wurden.

„Der Steward, Mylady“, deutete Fiona auf einen älteren Herrn, der gerade versuchte, ein Gespräch mit einer älteren Frau zu führen, die mit einem Holzlöffel in der Hand in der Mitte des Raumes stand, und einem General auf dem Schlachtfeld gleich Befehle auf Gälisch um sich warf, für die sie den Steward kurze Zeit ignorierte.

„Die Köchin, nehme ich an?“

Fiona nickte. Caitriona ging auf die beiden zu, die mit dem Rücken zu ihnen standen, und tippte dem Steward auf die Schulter. Er drehte sich zu ihr um und verbeugte sich sogleich, während die Köchin seiner Bewegung zunächst mit einem Stirnrunzeln folgte. Dieses glättete sich augenblicklich, als sie bemerkte, wer ihr gegenüberstand. Sie machte einen tiefen Knicks.

„Mylady, gibt es etwas, das ich für Euch tun kann?“, fragte der Steward auf Scots und sah erwartungsvoll zu Caitriona auf.

„Das Wasser für mein Bad muss erhitzt werden, es ist zu kalt.“

Der Steward übersetzte Caitrionas Worte für die Köchin, die kurz zwischen Fiona und Caitriona hin und her blickte, ehe sie dem Steward antwortete.

„Mylady, wie wir Eurer Zofe schon sagten, das Wasser ist bereits sehr warm und …“

„Es sollte heiß sein, nicht warm“, informierte Caitriona den Steward.

Die Köchin mochte zwar ihre Sprache nicht sprechen, doch sie schien ihren Widerspruch sehr wohl verstanden zu haben. Sie presste die Lippen fest aufeinander und schien angestrengt nachzudenken.

„Ihr wollt mir doch nicht etwa erzählen, dass jeder auf dieser Burg in lauwarmem Wasser badet? Wenn Lady MacKay nach einem heißen Bad verlangt, bekommt sie doch sicher ein solches?“

„Selbstverständlich!“, erwiderte der Steward, nachdem er kurz mit der Köchin gesprochen hatte, und diese nickte eifrig. „Aber Lady MacKay ist …“ Der Steward räusperte sich und sprach den Satz nicht zu Ende.

„Lady MacKay ist was?“, hakte Caitriona nach. Sie war müde und erschöpft, und sie hatte sich wirklich sehr auf ihr Bad gefreut. Sich am ersten Abend auf Diùranais Castle mit der Dienerschaft herumschlagen zu müssen, das hatte sie nicht erwartet.

„Nun, Lady MacKay ist … ich meine … Ihr seid offensichtlich eine sehr empfindsame Person, und das heiße Wasser könnte Eure Haut verletzten und …“

Caitriona sah den Steward ungläubig an.

„Wie kommt Ihr auf die Idee, dass ich mich bei einem heißen Bad verletzen würde?“

„Nun … im Süden sind viele Dinge anders, Mylady. Die Damen am Hof des Königs sind behüteter als hier im Norden.“

„Ich kann Euch versichern, dass gerade am Hof viel Wert auf heißes Badewasser gelegt wird“, erwiderte Caitriona und spürte, wie ihre Geduld schwand. Sie dachte an ihren Besuch auf Edinburgh Castle, als sie Davina vor drei Monaten besucht hatten. Ein solches Benehmen, wie es ihr hier entgegengebracht wurde, wäre dort unvorstellbar.

Der Steward übersetzte ihre Diskussion für die Köchin, die indes nicht so aussah, als würde sie ihren Worten Glauben schenken. Erneut presste sie die Lippen aufeinander.

„Ich kann von Euch also kein heißes Badewasser erwarten?“, vergewisserte Caitriona sich.

Die Lippen der Köchin formten eine noch dünnere Linie, ehe es aus ihr herausplatzte. „Dem Laird wird es nicht gefallen, wenn wir seine Braut verbrühen, versteht das doch!“ Die Köchin schüttelte den Kopf, während der Steward für sie übersetzte. Caitriona musste an sich halten, um der Frau nicht auf Gälisch zu antworten, was sie von derlei Unsinn hielt.

Hatten denn hier alle den Verstand verloren?

Mit einem tiefen Seufzen drehte sie sich um und verließ die Küche.

„Mylady, was habt Ihr nun vor? Ihr könnt unmöglich in dieses Bad steigen.“

„Ich weiß“, versicherte Caitriona ihrer Gefährtin. Es war eine Sache, ein kurzes kaltes Bad zu nehmen, um sich eine schlaflose Nacht aus den Knochen zu waschen. Es war eine vollkommen andere Sache, sich in ein kaltes Bad zu setzen, um sich den Schmutz einer zweiwöchigen Reise in den Norden vom Körper und aus den Haaren zu waschen. Mit raschen Schritten ging sie den Weg aus der Küche zurück, den Fiona ihr gezeigt hatte. Sie wollte gerade in die große Halle einbiegen, als sie mit Ramsay zusammenstieß.

„Ich war gerade auf der Suche nach Euch“, teilte sie ihm mit und war ausnahmsweise sogar froh darüber, ihn zu sehen. Diese Freude milderte sich ungemein, als sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Natürlich musste er ihre Worte missverstehen.

„Eure Dienstboten sind im Gegensatz zu Euch offensichtlich der Ansicht, dass ein kaltes Bad nicht schaden kann.“

Ramsay sah sie verständnislos an.

„Mein Badewasser“, erklärte Caitriona. „Es ist kalt. Die Köchin weigert sich, mir heißes Wasser bringen zu lassen, weil sie glaubt, ich würde darin verbrennen.“

„Ich bin mir sicher, Ihr übertreibt“, erwiderte Ramsay stirnrunzelnd.

Caitriona warf Fiona einen hilfesuchenden Blick zu.

„Das Wasser war kaum lauwarm, Mylord“, pflichtete Fiona ihr zu.

Ramsays verengte die Augen zu Schlitzen.

„Wartet hier“, sagte er zu Caitriona und bedeutete Fiona, ihm zu folgen.

Caitriona sah den beiden nach, wie sie in Richtung der Küche davonschritten. Sie hätte nie geglaubt, dass es je so schwer sein würde, so etwas Einfaches wie ein Bad zu bekommen. Ihre Schwester mochte einen furchtbar langweiligen Mann geheiratet haben, aber Caitriona war sicher, Fearchara musste nie einem der Dienstboten der Sterlings erklären, wie man ihr ein Bad zu bereiten hatte, und zum ersten Mal beneidete sie ihre ältere Schwester.

Ein Gähnen übermannte sie, und sie lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Sie sollte in diesem Augenblick in einem Bottich voll heißem Wasser vor einem prasselnden Feuer im Kamin verbringen. Nicht hier im Gang herumstehen. Sie schloss die Augen und gab sich für kurze Zeit dem Tagtraum hin, eben dieses ersehnte Bad zu genießen, während der Dampf sie einhüllte und sie in den dringend nötigen Schlaf dieser Nacht hinüberführte.

„Ein seltener Anblick.“

Ramsay MacKays Stimme ließ sie aufschrecken. Sie war so sehr in ihren Tagtraum versunken, dass sie ihn nicht hatte zurückkehren hören. Wie lange stand er nun schon da und beobachtete sie?

„Da ist der friedliche Augenblick auch wieder zerstört“, murmelte er.

„Ich weiß nicht, wovon Ihr redet.“

„Davon, dass Ihr tatsächlich in der Lage seid, zu lächeln. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, hätte ich es nicht eben mit eigenen Augen gesehen.“

Caitriona räusperte sich und sah sich nach ihrer Zofe um.

„Wo ist Fiona?“, fragte sie Ramsay, als dieser näher an sie herantrat.

„In der Küche und überwacht das Badewasser. Sie wird keinen Eimer zu Eurem Gemach bringen lassen, der für Euch nicht heiß genug ist.“

Caitriona seufzte erleichtert auf. Es gefiel ihr nicht, seine Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, um solch eine einfache Tätigkeit ausführen zu lassen. Hoffentlich würden die Dienstboten solch ein Verhalten nicht fortführen, wenn sie verheiratet wären. Es wäre unmöglich den Haushalt zu führen, wenn sie bei jeder Kleinigkeit den Dienstboten gegenüber erst seine Zustimmung einholen musste.

„Vielen Dank“, sagte sie zögerlich und nickte Ramsay zu, bevor sie sich auf den Weg zurück in ihr Gemach machte.

Nach ein paar Schritten griff er plötzlich nach ihrer Hand und hielt sie zurück.

Sie drehte sich um und sah ihn erwartungsvoll an. „Ist noch etwas, Mylord?“

„Es wird eine Weile dauern, bis Euer Bad fertig ist.“

„Ich kann warten“, versicherte sie ihm und wollte sich wieder von ihm abwenden, doch er hielt ihre Hand fest. Unwillkürlich dachte Caitriona an ihre Begegnung am Abend zuvor zurück. Hitze schoss in ihre Wangen. Ihre Hand in seiner. Keine Möglichkeit zur Flucht. Dieser Ausdruck in seinen Augen …

„Ihr werdet mich nicht küssen!“, warnte sie ihn.

Ramsay lachte leise und trat noch einen Schritt auf sie zu. „Werde ich nicht?“, fragte er leise und strich mit dem Daumen leicht über ihren Handrücken.

Gänsehaut überzog ihren Arm und breitete sich langsam über ihrem ganzen Körper aus. „Nein“, erwiderte sie und hörte selbst, wie atemlos sie klang. Schon jetzt konnte sie spüren, wie ihre Haut unter seiner Berührung zu brennen schien.

Sie trat einen Schritt zurück, erklomm die erste Treppenstufe und versuchte dabei erneut, ihre Hand aus seinem Griff zu befreien.

„Aber versprach ich euch nicht genau das?“

„Es ist ein Versprechen, auf das ich durchaus keinen Wert lege.“ Caitriona stieg auf die nächste Stufe, um noch mehr Abstand zwischen sie zu bringen, doch Ramsay folgte ihr unbeirrt. Mehr noch. Jetzt nahm er sogar zwei Stufen auf einmal und hatte sie bereits eingeholt, als Caitriona auch schon mit dem Rücken gegen die Wand stieß.

„Man könnte fast meinen, Ihr habt Angst vor einem kleinen Kuss.“

„Ich habe keine Angst!“ Sie spürte, wie die Wut auf diesen Mann in ihr hochkochte, spannte die Schultern an und versuchte, sich von der Mauer hinter ihr zu lösen. Zu spät erkannte sie an seinem Gesichtsausdruck, dass sie genau das getan hatte, was er sich erhofft hatte.

„Dann bin ich ja beruhigt.“ Im nächsten Augenblick spürte sie seine Lippen auf ihren, seine freie Hand auf ihrem Hals. Mit dem Daumen streichelte er ihre Wange, und ein Feuer brannte unter ihrer Haut, versenkte sie, wo er sie berührte. Seine Lippen waren fest und glitten doch unerwartet sanft über ihre.

Caitriona stand wie vom Donner gerührt da.

Seine Hand glitt in ihren Nacken, zog sie enger an sich – und sie ließ ihn gewähren, spürte der Berührung seines Daumens nach, der über ihre Wange, ihr Kinn, ihre Lippen streifte …

Er hatte aufgehört, sie zu küssen!

Caitriona riss die Augen auf. Sie konnte sich nicht erinnern, sie überhaupt geschlossen zu haben, und dennoch war es passiert. Erschrocken blickte sie ihn an.

Seine Augen wirkten dunkler, aber das mochte auch den Fackeln geschuldet sein, die ihr Licht im Gang verbreiteten. Das Grinsen auf seinem Gesicht jedenfalls war tiefer geworden. Caitriona spürte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss. Sie hob ihre freie Hand, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen, doch er fing sie mühelos mitten in der Bewegung ein. Erneut dieses leise Lachen. Es sandte Schauer über Caitrionas rücken, während ihre Lippen gefährlich kribbelten.

„Nicht doch“, sagte er leise und führte ihre Hand zu seinen Lippen. Er küsste ihre Handfläche, sein Blick fest auf ihre Augen gerichtet.

„Genießt Euer Bad“, flüsterte er und trat einen Schritt von ihr zurück, um sich vor ihr zu verbeugen, eher er sie stehenließ.

Im nächsten Augenblick hörte Caitriona Schritte und sah die beiden Diener von vorhin erneut mit vollen Wassereimern aus der Küche kommen. Dieses Mal dampften die Eimer jedoch vielversprechend.

Reiß dich zusammen, rief Caitriona sich selbst zur Ordnung und beeilte sich, die letzten Stufen zu ihrem Gemach zu erklimmen, wo sie den Dienstboten die Tür öffnete, als sie mit den weiteren Eimern eintrafen.

Sie ließ die Tür offen stehen und ging mit zitternden Beinen zu ihrem Bett.

„Barbar“, fluchte sie leise vor sich hin, während sie wartete, bis die Wanne gefüllt war und Fiona zurückkehrte.

***

„So, sie ist also sicher in den Highlands angekommen. Damit haben Boyd und Cameron die Wette bereits verloren“, erklärte Alistair gutgelaunt und leerte seinen Becher Ale in einem Zug.

Ramsay warf seinem jüngsten Bruder nur einen kurzen Blick zu. „Ich habe gerade überhört, dass ihr tatsächlich Wetten darauf abschließt, wie lange meine Braut in den Highlands überleben wird“, knurrte er. Die überaus gute Laune, die er noch gehabt hatte, als er die große Halle wieder betreten hatte, verschwand allmählich.

„Nicht, wie lange sie überleben wird“, korrigierte Alistair ihn leichthin. „Es geht darum, wie lange sie bleibt, ehe sie zurück in den Süden will. Allerdings verlange ich, dass mir zwei Tage auf meine Wette gutgeschrieben werden. Schließlich konnte ich nicht ahnen, dass du ihr schon vor ihrer Ankunft auf Diùranais begegnen würdest.“

„Willst du damit sagen, dass ich ein Grund dafür sein sollte, dass sie schon früher zurück zu ihrer Familie will?“

Alistair versuchte sich an einem unschuldigen Grinsen, was ihm nicht recht gelingen wollte. Ehe Ramsay darauf etwas erwidern konnte, legte ihm Malcolm eine Hand auf die Schulter und drückte fest.

„Lass es gut sein. Alistair muss eben die letzten Tage aufzuholen, in denen er sich nicht mit dir streiten konnte. Er fühlt sich vernachlässigt. Bevor ihr fortfahrt, werde ich mich aber zurückziehen.“

Ramsay leerte seinen Becher und folgte Malcolms Beispiel.

„Was, du gibst einfach so auf?“, rief Alistair ihm nach, als Ramsay aus der Halle ging. „Dabei hast du in den nächsten zwei Wochen ohnehin keinen Grund, dein Schlafgemach einem guten Ale mit deinem Bruder vorzuziehen.“

„Du solltest besser auch dein Gemach aufsuchen, Alistair, und zwar allein“, riet Ramsay seinem jüngeren Bruder über seine Schulter hinweg. „Beim nächsten Vater, der sich bei mir darüber beschwert, dass du seiner Tochter schöne Augen machst, heiratest du das Mädchen, wer auch immer sie sein mag.“

Alistair widersprach nicht, wofür Ramsay ausgesprochen dankbar war. Nachdem er die Tür seines Gemachs hinter sich geschlossen und sein Plaid abgelegt hatte, musste er seinem Bruder jedoch in einer Angelegenheit Recht geben: Sein Gemach barg wenig Einladendes, ehe die Hochzeit nicht vonstattengegangen war.

Ein Lächeln umspielte Ramsays Lippen. Dann musste er wohl darauf hoffen, ihr in den Gängen über den Weg zu laufen. Caitriona Sinclair mochte vorgeben, nicht geküsst werden zu wollen, ihre Reaktion vor wenigen Stunden hatte jedoch eine gänzlich andere Sprache gesprochen.

Es fiel ihm schwer, zu entscheiden, welcher Anblick ihm besser gefallen hatte, der zufriedene Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sich ihre Lider während des Kusses geschlossen hatten, oder das Feuer in ihren Augen, als sie sie wieder geöffnet hatte und ihr aufgefallen war, was sie getan hatte.

Beides hatte durchaus seinen Reiz, und er wollte beide Stimmungen noch viele Male auf ihrem Gesicht sehen. Sie war offensichtlich zu Verstand gekommen, was ein Bad in kaltem Wasser anging, so sehr, wie sie darauf beharrt hatte, dass man ihr ein heißes Bad einließ. Es blieb zu hoffen, dass sie nicht auf weitere närrische Ideen kam.

***

Wieder in einem richtigen Bett zu schlafen, vor allem nach einem heißen Bad, war nach der langen Reise ein wahrer Segen. Auch wenn das Wasser nicht annähernd heiß genug gewesen war, um die Berührungen MacKays von ihrer Haut zu waschen. Selbst jetzt, nach einer geruhsamen Nacht, glaubte sie noch, den Schatten seiner Lippen auf ihren zu spüren.

Sie war nur zu dankbar für Mòrags Einladung, mit ihr gemeinsam ein leichtes Frühstück einzunehmen, um sich von derlei Gedanken abzulenken. Nach dem Frühstück nahm Ramsays Mutter sich die Zeit, um Caitriona mit Diùranais Castle vertraut zu machen. Nachdem sie sie durch das Haupthaus geführt hatte, kehrten sie durch die große Halle hinaus auf den Burghof zurück, den Caitriona bereits bei ihrer Ankunft gesehen hatte. War das Treiben im Haupthaus schon rege, so war dies nichts im Vergleich zu der Betriebsamkeit hier draußen. Caitriona folgte Mòrag und ließ sich alles von ihr zeigen. Sie spürte dabei sehr wohl die Blicke der Burgbewohner auf sich ruhen. Hin und wieder nahm sie ein paar Fetzen einer Unterhaltung auf, die über sie auf Gälisch geführt wurden.

Mòrag stellte sie unzähligen Leuten vor, doch nach einem Dutzend gab Caitriona den Versuch auf, sich alle Namen sofort zu merken. Den Trainingsplatz der Soldaten zeigte Mòrag ihr nur von weitem, doch Caitriona konnte Monroe erkennen, der sich mit den MacKay-Brüdern und einigen anderen Männern dort aufhielt.

Ihre Finger zuckten, als sie daran dachte, wie lange es her war, dass sie einen Bogen in der Hand gehalten hatte, wie lange sie nicht mehr auf einem Pferd gesessen und über Wiesen und Felder galoppiert war. Am liebsten wäre sie jetzt dort zum Trainingsplatz gelaufen.

„Wir sollten wieder hinein gehen, es ist doch noch recht kühl“, befand Mòrag.

Caitriona verbarg ihre zitternden Finger in den Falten ihres Rockes und nickte der Frau schweigend zu.

***

Als sie in ihr Gemach zurückkehrte, empfing Fiona sie mit einem Kopfschütteln.

„Ich sage es nicht gern, Mylady, aber ich komme nicht umhin zu glauben, die Menschen hier im Norden haben den Verstand verloren.“ Sie deutete auf einen Stapel Holz, der frisch neben dem Kamin aufgehäuft lag.

„Ich habe ein Mädchen gerade noch davon abhalten können, das ganze Feuerholz auf einmal in den Kamin zu geben. Sie meinte, sie habe die Anordnung, es schön warm im Zimmer zu machen. Außerdem brachte ein anderes Mädchen zwei weitere Decken für Euch, Mylady. Damit Ihr nachts nicht frieren müsst. Wahrlich, ich muss leider sagen, mir kommt das alles sehr merkwürdig vor.“

Caitriona konnte nicht anders, als Fiona aus vollem Herzen zuzustimmen. „Mir scheint, die Highlander haben recht eigentümliche Vorstellungen von unserem Leben in den Lowlands.“

„Das ist eine Untertreibung“, befand Fiona kopfschüttelnd. „Nun, es ist nur gut, dass Euer Bräutigam hübsch anzusehen ist.“

„Ist er?“, fragte Caitriona zweifelnd und schritt zum Fenster. Von hier aus konnte sie den Trainingsplatz sehen, auf dem sich Monroe und der jüngste der MacKay-Brüder gerade gegenüberstanden.

„Oh, aber ja doch, Mylady. Ihr wollt nicht sagen, dass Ihr ihn nicht als gutaussehend bezeichnen würdet?“, fragte Fiona ehrlich erstaunt. „Ich gebe zu, er hat etwas Wildes an sich, verwegen würde ich sagen. Aber gerade das übt doch einen gewissen Charme aus, oder nicht?“

Caitriona vergrub die Finger im Stoff ihres Kleides, während sie versuchte, die Erinnerungen zurückzudrängen. Die Berührung seiner Hand auf ihrer, das Zittern, das sie ergriffen hatte, als er über ihren Handrücken gestrichen hatte. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, kaum dass sie an ihre Begegnung auf der Treppe zurückdachte.

„Oh, das ist nicht nett, Mylady, mich so hinters Licht zu führen. Natürlich wisst ihr genau, wovon ich rede. Eure Wangen glühen ja geradezu.“

„Das liegt nur an der Hitze hier im Zimmer, es ist eindeutig zu viel Holz im Kamin“, widersprach Caitriona. Fiona schüttelte lachend den Kopf.

„Ihr wollt also wirklich darauf beharren, dass Ihr ihn nicht ansehnlich findet? Selbst mir gegenüber?“

„Er ist ein Barbar ohne jegliche Manieren und Anstand. Er ist rechthaberisch und dickköpfig und viel zu stolz auf dieses raue Leben hier! Er benimmt sich gerade so, als sei es ein Wunder, dass wir in den Lowlands überhaupt überleben. Er behandelt mich wie ein unmündiges Kind!“

Fiona, die gerade die neuen Decken am Fußende des Bettes zusammenlegte, lächelte verträumt vor sich hin, als Caitriona sich vom Fenster ab- und ihr zuwandte.

„Aber hättet Ihr denn wirklich lieber einen manierlichen und gleichgültigen Gentleman? So einen, wie Eure Schwester ihn hat?“

„Natürlich“, behauptete Caitriona und wich Fionas wissendem Blick aus.

„Ich weiß nicht, Mylady. Mir wäre dann doch ein Mann lieber, der Anstand und Manieren auch einmal vergessen kann, wenn er von der leidenschaftlichen Liebe zu einer Frau erfasst wird. Euer Bräutigam, da bin ich sicher, könnte jederzeit auf den Gedanken kommen, Euch einfach in die Arme zu ziehen und Euch einen Kuss zu stehlen, egal wo, egal, wer es sehen mag.“

Hatten Caitrionas Wangen zuvor geglüht, so standen sie nun lichterloh in Flammen. Sie hoffte inständig, Fiona möge nicht wissen, wie Recht sie mit ihrer Einschätzung hatte.

„Das ist keinesfalls das Verhalten eines anständigen Mannes.“

„Aber darum geht es ja, Mylady.“ Fiona lächelte verschwörerisch und Caitriona wandte sich wieder dem Fenster zu, um sich das erhitzte Gesicht abzukühlen.

***

Am nächsten Tag bot sich Caitriona zum ersten Mal die Gelegenheit, ein wenig Zeit allein mit ihrem Bruder zu verbringen.

„Ich habe mich schon gefragt, ob es nur mir so vorkommt, als würde mein Gemach ungewöhnlich oft und stark geheizt werden“, erwiderte Monroe, als Caitriona ihm von ihren Erlebnissen am Vortag erzählte.

„Sie glauben tatsächlich, das Leben hier wäre zu schwer für uns. Ist das zu glauben? Die Köchin war davon überzeugt, das heiße Badewasser könne mich verbrühen.“

Nun lachte Monroe schallend auf. „Lass mich raten, du würdest nichts lieber tun, als mit Pfeil und Bogen bewaffnet hinausreiten und das Abendessen jagen, um allen zu beweisen, wie sehr sie sich irren?“

Es überraschte sie nicht, dass Monroe den ersten Gedanken aussprach, der ihr selbst in den Sinn gekommen war.

Dennoch schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß ja, der ist Gedanke unsinnig und ich kann mir so ein Verhalten keinesfalls erlauben. Ich wünschte nur, den Menschen hier wäre ebenso klar, wie unsinnig ihre Gedanken sind.“

„Ich nehme nicht an, dass man sie dir ihre Meinung direkt ins Gesicht gesagt haben?“, erkundigte Monroe sich und Caitriona schüttelte den Kopf.

„Natürlich nicht. Da sie aber offensichtlich auch alle davon ausgehen, ganz allein in der Lage zu sein, Scots und Gälisch zu sprechen, kann ich sie belauschen, ohne dass sie es bemerken.“

Monroe seufzte und blieb stehen. Sie waren zusammen durch den Burghof gegangen und in einem kleinen Garten angelangt, der, wenn der Frühling erst einmal weiter vorangeschritten war, sicher ein netter Platz zum Verweilen war.

„Sag mir ganz ehrlich, wie schlimm es für dich sein wird, Ramsay zu heiraten.“

„Ramsay?“

„Das ist sein Name. Ramsay MacKay – und langsam solltest du dich daran gewöhnen. Davon abgesehen ist dies ein äußerst erbärmlicher Versuch, meiner Frage auszuweichen, Cait.“

Sie ging ein paar Schritte weiter und ließ sich auf einer steinernen Bank nieder. Monroe gesellte sich zu ihr und nahm neben ihr Platz.

„Du solltest dir um mich keine Sorgen machen.“

„Auch das beantwortet meine Frage nicht. Ich weiß, dass eure erste Begegnung … nun, sie hätte anders verlaufen sollen. Hat sich deine Meinung über ihn denn schon geändert?“

„Nein“, erwiderte Caitriona ohne Zögern und schob die Erinnerung an die sanfte Berührung seiner Hand auf ihrem Hals weit von sich. Sie sah wie Monroes Miene sich verdüsterte und ergriff seine Hand. „Wie gesagt, mach dir keine Sorgen um mich. Ich weiß, ich hätte es schlimmer treffen können. Zumindest werde ich nicht an Langeweile sterben, wenn ich jeden Tag damit beschäftigt bin, mich über ihn zu ärgern.“

Monroe schüttelte leicht den Kopf. „Ich wünschte, Vater hätte diese Hochzeit nicht so übereilt entschieden. Er hätte euch zumindest die Gelegenheit geben sollen, euch zuvor einmal kennenzulernen.“

„Du weißt, dass das nicht üblich ist“, rief Caitriona ihm ins Gedächtnis. „Und denk nur, kannst du ihn dir auf Rosslyn Castle vorstellen? Irgendeinen der Männer hier?“

Monroe grinste bei der Vorstellung und schüttelte den Kopf. „Ist es denn zu viel verlangt, dass du hier glücklich wirst?“

„Nein“, versicherte Caitriona und küsste ihren Bruder auf die Wange. „Es ehrt dich sogar, Monroe. Aber wir sind keine Kinder mehr. Die Zeit der Wünsche und Träume muss irgendwann zu Ende gehen. Ich werde mich zurechtfinden. Immerhin bin ich nicht allein. Ich habe Fiona, die bei mir bleiben wird. Mòrag ist sehr nett, und ich glaube, es wäre ein schlimmeres Schicksal, mich mit meiner zukünftigen Schwiegermutter nicht zu verstehen, als die Braut eines ungehobelten Barbaren zu werden.“

„Ich glaube wirklich, du schätzt ihn falsch ein.“

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