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Die Jagd hat begonnen

In Manhattan stürzt ein Mann vom Dach eines Hotels in den Tod. Was zunächst wie ein Selbstmord aussieht, entpuppt sich schnell als mysteriöser Mordfall. Denn nicht nur die Identität des Opfers gibt Detective Michael Bennett Rätsel auf. Die Jagd beginnt …


  • Erscheinungstag: 06.07.2017
  • Aus der Serie: James Patterson Bookshots
  • Bandnummer: 7
  • Seitenanzahl: 120
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959677042
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG
Herbst in New York

EINS

Ganz hinten am Tresen der gut besuchten dunklen Bar saß ein schwarz gekleideter Mann und spielte mit einer E-Zigarette herum. Er ließ sie rotierend durch die Finger wandern, von links nach rechts, dann über den Daumen zurück. Unablässig. Er sah sich um und wartete.

Es war eine nervige und nervöse Angewohnheit, das wusste er. Aber wenn er angespannt war, war diesem Tick schwerer zu widerstehen als dem verdammten Ding selbst.

Die Bar lag im Index House, einem hippen Hotel im Loftstil an der Ecke 67th Street und Broadway. Das 21. Jahrhundert und die wilden Zwanziger vermischten sich hier, Handyladestationen fügten sich geschmackvoll in ein Dekor aus nackten Ziegelwänden und Chesterfield-Sesseln ein. Mit seinem modisch-urbanen Anzug aus schwarzer Seide passte der dunkelhaarige Mann – Typ männliches GQ-Covermodel – perfekt ins Ambiente.

Er stopfte die Zigarette in die Innentasche seines Jacketts, als die Barfrau endlich mit seinem Drink kam, einem Zombie. Ein Cocktail aus vier oder fünf Sorten Rum, etwas Cognac und jeweils einem Spritzer Ananas- und Mangosaft. Eine der Rumsorten hatte fünfundsiebzig Prozent und war brennbar. Er hatte viele flambierte Drinks getrunken in den letzten sieben Jahren, von Jamaika bis Jakarta.

Zu gottverdammt viele.

„Stehen Sie auf The Walking Dead, oder mögen Sie einfach nur starken Fusel?“, fragte die rehäugige Barfrau über das Gemurmel der Gäste und die langsamen Jazzklänge des Klaviers in der Lobby hinweg.

Hinter der Bar arbeiteten zwei Barkeeper, ein Typ und eine Frau. Eigentlich hatte er bei dem Typen bestellt.

Hva sa du?“, sagte er und sah sie an, als wäre er gerade erst einer fliegenden Untertasse entstiegen. Die Worte bedeuteten „Wie bitte?“ auf Norwegisch. Der einzige Satz, den er in drei müßigen Monaten gelernt hatte, als er vor vier Jahren in Oslo gewesen war.

Es wirkte. Sofort zog sie mit seinen zwei Zwanzigern wieder ab. Attraktiv war sie ja, aber er konnte gerade keine Ablenkung gebrauchen. Nervös rieb er sich die Oberschenkel, während er die Hotellobby überblickte. Hinter sich sah er durch das große Fenster den dunklen Broadway mit seinen hellen, funkelnden Lichtern. Eine mondlose klare Oktobernacht in New York.

In dieser kritischen Phase durfte er sich keinen Fehler erlauben.

Wo zum Teufel steckt der Typ, dachte er und checkte sein Handy auf Nachrichten. Es war 21.25 Uhr. Fast eine halbe Stunde zu spät und immer noch kein Anruf. War dem Komiker etwa der Saft ausgegangen? Oder versetzte er ihn einfach? Unmöglich, das zu wissen. Großartig. Dann musste er sich hier wohl einfach weiter den Arsch platt sitzen.

Er legte das Handy auf den verzinkten Tresen und griff nach seinem Drink. Hielt inne und holte stattdessen die E-Zigarette wieder hervor, ließ sie wieder wandern. Von links nach rechts, rechts nach links, immer schneller über die Finger und zwischen ihnen hindurch – so schnell, dass das metallisch glänzende Gerät zu einem dunklen Schatten verwischte, der über seine Knöchel huschte.

ZWEI

Devine saß in der vollen Bibliothek, die an die Hotelbar grenzte, und hielt sich das Handy ans Ohr. Der Boss war dran.

„Was macht unser Hübscher gerade?“

„Nichts“, antwortete Devine. „Pretty Boy sitzt an der Bar und spielt mit einem Stift oder so was rum. Hat sich einen Cocktail bestellt. Er sieht ein bisschen bedröppelt aus. Und nervös.“

„Kein Scheiß?“, sagte der Boss.

Devine, der selbst aus Tennessee war, liebte den derben Südstaatenakzent vom Boss, die Macht, die darin mitschwang. Für ihn klang der Boss wie ein Baptistenpfarrer vom Land, der auf der Kanzel ständig kurz davor war, seiner sündigen Gemeinde das Fegefeuer an den Hals zu wünschen.

„Er wird noch allen Grund dazu bekommen, Trübsal zu blasen. Aber ihr genehmigt euch gefälligst keinen. Wenn er euch wieder durch die Lappen geht, seid ihr dran.“

Devine verzog kurz das Gesicht. Mit Kritik kam er nicht gut klar. Schon gar nicht, wenn sie von einem der wenigen Menschen kam, die er respektierte.

„Also bleibt es bei dem Plan?“, fragte er. „Ihn schnappen, wenn er in sein Zimmer zurückgeht?“

„Ja, Devine, bravo. Du hast es dir gemerkt, obwohl es schon fünf Minuten her ist, seit ich’s gesagt habe“, gab der Boss sarkastisch zurück. „Aber wenn ihr es in der Bar durchziehen könnt – diskret, meine ich –, dann macht es. Deshalb habe ich dich statt Toporski geschickt. Du weißt, wie man improvisiert.“

Damit legte der Boss auf. Devine schüttelte den Kopf. Er hatte den Mann noch nie so angespannt oder, wenn er ehrlich war, so nervös erlebt. Pretty Boy hatte ihn ganz schön aus dem Konzept gebracht. Er hatte sie alle aus dem Konzept gebracht.

Genau deshalb waren sie raufgefahren nach New York. Sie alle. Ein Team stand knapp einen Block westlich vor einem Fitnesscenter an der Ecke 67th und Amsterdam, ein weiteres vor dem Hotel.

Pretty Boy saß endlich in der Falle.

„Hat el jefe immer noch die Hosen voll?“, fragte Therkelson.

„Jepp“, antwortete Devine und sah zu dem blonden Mann mit der Figur eines Football-Linebackers hinüber. Die gewaltigen Daumen des Schweden huschten über sein Smartphone, anscheinend war er mit irgendeinem Spiel zugange. „Sag mal, Therk, wie willst du eigentlich jemanden beschatten, wenn du ständig mit der Nase an dem Ding klebst?“

„Ach“, gab Therkelson zurück, ohne auch nur aufzublicken. „Du machst das doch gut, Timmy. Ich hab die Muckis, du die Augen. Wäre falsch, dir alles abzunehmen. Auch so ein abgebrochener Meter wie du soll das Gefühl haben, dass er was beisteuern kann.“

DREI

Devine nahm sich eine Handvoll Jalapeño-Erdnüsse, die hier kostenlos herumstanden, und ließ die Zielperson dabei nicht aus dem Blick.

Er hatte keine Ahnung, wie sie Pretty Boy aufgespürt hatten. Einige der Jungs behaupteten, der Boss hätte einen alten Kumpel bei der NSA, was gut möglich war. Wer Zugang zu den Systemen der Handy- und Kreditkartenüberwachung hatte, konnte jeden x-beliebigen Typen im zivilisierten Teil des Planeten in einer halben Stunde orten.

Was Pretty Boy vorhatte, wussten sie allerdings nicht. Sie wussten nur, dass er sich nicht an die Regeln hielt. Wie sie alle hatte er sich über das lange Wochenende eine Auszeit gegönnt. Mit dem Unterschied, dass er am darauffolgenden Dienstag nicht wiederaufgetaucht war. Keiner hatte ein Wort von ihm gehört.

Das war vor einer Woche gewesen. Jetzt hatten sie ihn endlich in der Zange, hier in New York, ausgerechnet in dieser Schickimicki-Bar für Milchbubis.

Devine sah, wie die scharfe Bartussi schon wieder interessiert zu Pretty Boy hinüberblickte. Hat mich je eine Frau, meinetwegen auch eine hässliche, so angesehen? fragte er sich. Nein, selbst dann nicht, wenn ich im Voraus bezahlt habe. Die Welt war schlecht und ungerecht.

Oh ja, dachte Devine und nickte, während er Pretty Boy betrachtete. Er würde diesen kleinen Auftrag genießen.

Etwa drei Minuten später stellte Pretty Boy sein leeres Glas auf die Bar, stand auf und ging in Richtung Toilette. Devine hatte das Klo die ganze Zeit im Auge behalten und wusste daher, dass niemand drin war.

Zeit für die Impro, dachte er und schlug Therkelson das Telefon aus der Hand, sodass es ihm in den Schoß fiel.

„Es geht los“, sagte er und war schon auf dem Weg, als Pretty Boy gerade die Toilettentür öffnete.

Er schickte Therkelson allein rein und wartete vor der Tür, um unerwünschte Gäste abzufangen. Hinter der Tür rumpelte es, er hörte ein gedämpftes Grunzen. Therkelson kannte den Befehl. Pretty Boy neutralisieren und durchsuchen. Mit Ausziehen, falls nötig.

Devine blickte auf seine Rolex. Eine Minute war rum. Er wartete eine weitere Minute.

Wofür braucht der denn so lange? dachte Devine.

Schließlich ertrug er es nicht länger und ging hinein.

Was er sah, ließ ihn erstarren. Schockiert stand er mit offenem Mund da.

Therkelson, der unbezwingbare Therk, lag reglos mit dem Gesicht nach unten auf den weißen Fliesen.

Und als ob das noch nicht genug wäre, flog die Tür der Klozelle neben ihm krachend auf und traf ihn voll an der Stirn.

Eine Zehntelsekunde später folgte ein sengender Schmerz, als Pretty Boy ihm Therkelsons Taser an den Hals drückte. Dann rammte er ihm das Knie voll zwischen die Beine. Mehrmals, blitzschnell, wie ein Thaiboxer. Devine bekotzte sich mit Jalapeño-Nüssen.

Noch bevor er es richtig mitbekam, kauerte Devine in Vierfüßlerstellung neben Therkelson und sah Sterne auf dem weiß gefliesten Fußboden. Pretty Boy sprang über ihn hinweg wie ein Hürdenläufer und verschwand durch die Tür.

Es dauerte ein paar Minuten, bis Devine sich mühsam aus seinem eigenen Erbrochenen hochgerappelt hatte. Seine Eier pochten. Er schüttelte den Kopf, während er sein Handy aus der Tasche fischte.

Und schon wieder am Arsch, dachte er, als er die Nummer vom Boss wählte.

VIER

Der Mann in Schwarz war ein guter Läufer. Sein knallharter Trainingsplan sah siebzig Meilen die Woche vor, einschließlich Sprints und Intervallläufen. Er lief nicht nur bei Fünftausend-Meter-Rennen mit, er gewann sie in der Regel.

Jetzt aber keuchte und japste er wie ein asthmatischer Anfänger. Der Rücken seines Jacketts war klatschnass, als er die sechzehn Stockwerke geschafft hatte und die Tür zur Dachterrasse des Hotels aufstieß.

Er blickte sich um. Blauschwarzer Nachthimmel, kalte Luft. Rattansofas unter Lichtergirlanden. Eine Gasfeuerstelle, die nicht brannte. Keine Gäste, kein Team. Sie waren nicht hier oben. Noch nicht jedenfalls.

Er hatte den Hintereingang des Hotels gesucht, aber nur die Treppe gefunden. Der Vordereingang kam nicht infrage. Wenn Devine und Therkelson hier waren, waren die anderen auch hier, strategisch verteilt.

Sein Kopf steckte in der Schlinge, die sich mit jeder Sekunde, die er dastand, enger zuzog.

Hinter der Feuerstelle war eine verglaste Dachbar, vor deren Flügeltür ein Schild mit der Aufschrift „Geschlossene Gesellschaft“ stand. Durch das Glas sah er Gäste, Kellner und Tische mit weißen Decken und Blumen darauf. Ein DJ im Smokinghemd beugte sich über seinen Plattenspieler, und plötzlich schmetterten Trompeten los, eine Swing-Melodie. Sinatra sang „Come Dance with Me“.

Ahnungslose Zivilisten. Von denen war keine Hilfe zu erwarten. Sinnlos, überhaupt zu fragen.

Er trat an den Rand des Dachs und blickte hinab auf den Broadway. Unter ihm ging es sechzehn Stockwerke nach unten. Dichter Verkehr auf zwei Spuren. Das erleuchtete Lincoln Center. Auf dem Bürgersteig ein paar Leute, aber von hier oben war nicht auszumachen, ob sie zu den Guten oder den Bösen gehörten.

Er rannte parallel zur 67th Street an der Dachkante entlang und suchte eine Feuerleiter. An der nordwestlichen Ecke erhoffte er sich ein Nebengebäude, über das er entkommen könnte, aber dort klaffte nur ein leeres Baugrundstück mit ein paar Baumaschinen.

Den Ausweg entdeckte er schließlich an der südöstlichen Ecke des Gebäudes.

Hinter dem Hotel stand ein altes Gebäude, das gerade saniert wurde. Für die Maurerarbeiten hatte man ein bewegliches Gerüst aufgestellt, dessen Form an ein Kruzifix erinnerte. An der Hauswand verlief senkrecht vom Boden bis zum Dach eine Tragekonstruktion, auf der waagerecht eine breite Arbeitsbühne saß, die gewissermaßen den Querbalken des Kreuzes bildete. Das rechte Ende des Gerüsts war vier bis fünf Meter von ihm entfernt und lag etwa anderthalb Stockwerke unter dem Hoteldach.

Er schaute zurück auf die Strecke, die er eben gelaufen war. Wenn er von der gegenüberliegenden Ecke des Dachs Anlauf nahm und von der hüfthohen Mauer, die das Dach einfasste, absprang und so noch etwas Höhe gewann, könnte er es schaffen. Es war nichts anderes als Weitsprung.

Denk nicht nach. Sieh nicht nach unten. Spring einfach.

Er rannte zurück zur gegenüberliegenden Ecke des Dachs und hatte sich gerade umgedreht, als Therkelson rechts von ihm aus dem Schatten trat und ihn packte.

Wie ein panisches Tier versuchte der dunkelhaarige Mann, aus dem stählernen Griff des schwereren und stärkeren Manns auszubrechen. Vor lauter Panik vergaß er sein Messer. Er rammte dem Riesen den rechten Handballen in die Fresse und versuchte, ihm den linken Daumen ins Auge zu stechen.

Aber Therkelson ließ nicht los.

Leichthändig hob er den wild um sich schlagenden Mann am Revers hoch und warf ihn lautlos und ohne Vorwarnung über den Rand des Gebäudes.

In dem ersten schrecklichen Moment, als er durch den schwarzen, kalten Raum segelte, ähnelte die Ansicht der Stadt einer umgedrehten I❤NY-Postkarte. Er sah die erleuchteten Fenster, die Wassertanks auf den Dächern der Wohnhäuser, die stufenförmigen Wolkenkratzer.

Dann begann der trudelnde Sturz in die Tiefe. Die eisige Luft zerrte an seinem Gesicht, brannte ihm in den Augen.

Nein, nein, nein! Ich kann nicht! Noch nicht!

Aber die Luft sauste unerbittlich um ihn herum. Sein Herz hämmerte wie verrückt, als er im freien Fall schneller und schneller durch die kalte Dunkelheit stürzte – tiefer und tiefer und tiefer.

Autor