Samantha King

Samantha King ist eine frühere Lektorin und Psychotherapeutin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern, die sie zu diesem Roman inspirierten, in London. Sag, wer stirbt ist ihr Debüt.

Mit der Autorin haben wir ein Interview geführt, das wir für Sie unten auf dieser Seite platziert haben.

Foto: © Paul Grice

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Samantha King

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Lesen Sie hier das Interview, das wir mit der Autorin geführt haben.



Interview mit Samantha King

 

Liebe Samantha, in deinem Roman wird der schlimmste Albtraum aller Eltern beschrieben: „Was würdest du tun, wenn du dich zwischen deinen Kindern entscheiden müsstest?“ Du bist selbst Mutter von zwei Kindern. War es sehr schwer für dich, so ein düsteres Szenario zu entwerfen?

Zunächst einmal vielen Dank für die Gelegenheit über meinen Roman zu sprechen. „Sag wer stirbt“ zu schreiben, war eine tiefgehende persönliche Erfahrung für mich, und es war tatsächlich eine emotionale Herausforderung! Die Handlung spitzt sich dramatisch zu – sowohl physisch als auch psychologisch. Aber mein Fokus lag hauptsächlich darauf, noch tiefer zu gehen, zu ergründen, wie wir uns fühlen, wenn die Menschen, die wir lieben, bedroht werden – und wie weit jeder von uns gehen würde, um seine Liebsten zu beschützen.

Um das herauszufinden, musste ich meine Charaktere extremen Situationen aussetzen, damit starke Emotionen wie Liebe, Angst, Schuld und Verlust entstehen können. Was mein Schreiben am meisten beeinflusst hat, war die Erkenntnis, dass Verlust für mich als Mutter immer präsent ist: Natürlich genieße ich jeden Moment mit meinen Kindern, aber die Zeit vergeht so schnell, und es macht mich traurig, dass ich sie verliere, da sie langsam erwachsen werden. Teile des Romans haben mir das Herz gebrochen, andere haben mich gelehrt, wie viel Glück ich habe, dass ich eine Familie habe, die ich über alles liebe. Und natürlich fragen mich meine Kinder ständig, welches von ihnen ich mehr liebe und welches ich wählen würde, wenn ich zu einer Entscheidung gezwungen wäre – daraus ist die Idee für meinen Roman entstanden.

Welche Szene war für dich am schwierigsten zu schreiben?

Das ist eine heikle Frage! Ich muss zugeben, dass es mehrere Szenen gibt, die mir schwerfielen. Der Einstieg in den Roman war schwierig – genauso wie das Ende. Nicht nur, weil diese Szenen schockierend sind, sondern auch weil ich meinen Charakteren gegenüber wahrhaftig  sein und ihre Gefühle nicht übertreiben wollte. „Sag, wer stirbt“ ist ein psychologischer Spannungstitel, und daher war es mir wichtig, dass die Leser die Story realistisch und nachvollziehbar finden. Ich wollte weder zu sensationslüstern noch zu melodramatisch werden. Die Leser sollten die Auswirkung einer Extremsituation auf eine ganz normale Familie nachempfinden.

Die Zerstörung einer alltäglichen Familie hat mich am meisten berührt, als ich das Buch geschrieben habe – vor allem die Szenen des Verlusts und der Sehnsucht, die Maddie nach ihren Kindern hat, und auch zwischen den Zwillingen Annabel und Aidan. Über die seelische Qual eines Kindes zu schreiben, hat definitiv Spuren bei mir hinterlassen. Ich habe mehr als nur ein paar Tränen vergossen.

Inwiefern hat dir dein beruflicher Hintergrund als Psychotherapeutin und frühere Lektorin beim Schreiben geholfen?

Beides war sehr hilfreich! In der Ausbildung zur Psychotherapeutin lernt man, Gefühle zu erforschen und die Hoffnungen, Ängste und verschiedenen Verteidigungsmechanismen, die wir alle in Beziehungen entwickeln, zu analysieren. Ich habe gelernt, unter die Oberfläche zu schauen, die wir der Öffentlichkeit präsentieren. Das hat mir sicher sehr geholfen, verständnisvoll und ehrlich über tiefe Gefühle zu schreiben – das hoffe ich zumindest. Außerdem habe ich gelernt, jeden Menschen für seine besonderen Fähigkeiten zu würdigen, und zu wissen, dass niemand nur gut oder nur böse ist. Das Verhalten eines Menschen ist oft das Resultat seiner Erfahrungen und nicht immer kontrollierbar. Das hat mir geholfen, als ich über die Motivationen meiner Charaktere nachgedacht habe, besonders wenn die Handlung einige düstere Wendungen nimmt. Ich habe außerdem viele Kinder beraten. Diese Erfahrungen habe ich herangezogen, als ich die Figuren Annabel und Aidan angelegt habe.

Mein Hintergrund als Lektorin war eher in technischer Hinsicht hilfreich, was Handlungsverlauf, das Erzähltempo und die Erzählstimme betrifft. Und natürlich kenne ich dadurch den Buchmarkt besser. Ich wusste, ich wollte einen psychologischen Spannungsroman schreiben, und es war mir klar, was das beinhaltet – theoretisch! Schreiben unterscheidet sich extrem vom Lektorieren. Eigene Charaktere und Geschichten zu entwerfen ist etwas ganz anderes, als die Arbeit eines anderen zu kritisieren. Ich hatte das Glück, früher mit großartigen Autoren zusammengearbeitet zu haben, und ich wollte ihre hohen Standards erfüllen. Also hat mich meine Arbeit als Lektorin wohl sehr viel selbstkritischer werden lassen. Ich sollte außerdem noch hinzufügen, dass ich niemals meinen eigenen Text hätte lektorieren können. Zum Glück ist meine Lektorin Emma brillant. Sie hat mir sehr geholfen!

 

Momentan findet man sehr viele erfolgreiche Frauen in der psychologischen Spannungsliteratur – sowohl Autorinnen als auch weibliche Hauptfiguren. Wie erklärst du dir diesen Erfolg? Sind Frauen möglicherweise besser darin, psychologische Twists zu entwickeln?

 

Fairerweise sollte man wohl sagen, dass viele große Namen im Krimi und Thriller bislang Männer gewesen sind. Es ist großartig zu sehen, dass die Frauen nun mit fesselnden Romanen und faszinierenden und unvergesslichen Protagonistinnen die Bühne erobern. Ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass Frauen bessere psychologische Twists entwickeln, denn ich habe schon brillante Spannungstitel von Männern gelesen. Aber in letzter Zeit zeichnet sich ein frischer, dynamischer und mitreißender neuer Trend ab: Domestic Noir – Thriller, die in einem häuslichen Umfeld spielen. Ein verschwundenes Kind, eine Ehe, die nicht so ist, wie sie scheint, eine Tragödie, die das Herz der Familie trifft …

 

Solche Themen sind keineswegs nur Frauen vorbehalten, aber Frauen haben eine besonders tiefe Einsicht in die unzähligen komplexen Nuancen von Beziehungen und Emotionen. Manchmal erinnert mich das an Jane Austens berühmtes Zitat „Wie könnte ich sie mit den kleinen Stückchen (fünf Zentimeter breit) von Elfenbein verbinden, an denen ich mit einem so feinen Pinsel arbeite, dass viel Arbeit wenig Erfolg zeitigt“. Einige meiner liebsten Thriller-Autoren beschreiben eine relativ kleine alltägliche Welt, die jeder von uns kennt, und veranschaulichen jedes Detail mit solch überzeugender Präzision und Feingefühl, dass jedes angstvolle Zittern einer Figur, jede winzige Bewegung mit solch kraftvoller Authentizität nachhallt, bis wir glauben, wir wären mittendrin. Dadurch entsteht ein atemberaubendes Leseerlebnis, das über Schock oder Angst hinausgeht. Wir frösteln, weil wir die Gefahren erkennen, die in unserem Zuhause lauern.

 

Wie stellst du dir einen typischen Leser von “Sag, wer stirbt” vor?

 

Das ist eine faszinierende Frage, da ich mir nur zu gern vorstelle, wie die Leser mein Buch entdecken. Und ich freue mich sehr auf ihre Reaktionen. Als ich „Sag, wer stirbt“ geschrieben habe, habe ich eine starke Verbindung zu den Lesern gespürt. Es hat sich angefühlt, als würde ich ihnen persönlich die Geschichte von Maddie erzählen. Ich habe mir nicht ausgemalt, wie alt sie wohl sind, oder ob sie männlich oder weiblich sind, aber ich hatte das Gefühl, dass es Menschen sind, die nicht nur nach dem „Was, Wann und Wie“ fragen, sondern auch nach dem „Warum“.

 

Auch wenn man keine Kinder hat, jeder von uns hat Menschen in seinem Leben, die er liebt und nicht verlieren möchte. Ich stelle mir vor, die Leser von „Sag, wer stirbt“ möchten herausfinden, wie der Albtraum ausgeht … und wie sie wohl in dieser Situation reagieren würden. Es sind wahrscheinlich Leser, die auf eine dramatische und emotionale Reise geschickt werden möchten, auch wenn das bedeuten kann, dass sie auf einer kurvigen Straße zu dunklen Orten geführt werden … in der Gewissheit, dass sie im wahren Leben zu ihren Liebsten zurückkehren können. Ich zumindest gebe meinen Kindern immer eine Extra-Umarmung, seit ich den Roman geschrieben habe!