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Berauscht von deinem Sex-Appeal

Luca weckt in Jasmine brennendes Verlangen, wie sie es noch nie erlebt hat. Auf seinem romantischen Weingut verbringen sie berauschend lustvolle Nächte miteinander. Doch was davor geschah, weiß Jasmine nicht - sie hat durch ein traumatisches Ereignis kürzlich jede Erinnerung verloren … Dann erfährt sie, dass die Polizei Luca sucht, der sie angeblich nach einem Raubüberfall entführt haben soll! Wo liegt die Wahrheit? Luca hat ihr fast nichts von seiner Vergangenheit erzählt. Wenn Jasmines Gedächtnis schon verrücktspielt, kann sie dann wenigstens ihren Instinkten trauen?


  • Erscheinungstag: 04.04.2019
  • Aus der Serie: Club
  • Bandnummer: 16
  • Seitenanzahl: 180
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955769888
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Steena, Elena und Trish.

Wahre Freundschaft ist, wenn Vernunft und Wahnsinn aufeinandertreffen.

1. KAPITEL

Luca Legrand konnte sich nicht festlegen, ob er nun der größte Glückspilz der Welt oder der größte Pechvogel aller Zeiten war. Von der Gefängniszelle aus betrachtet, in der er im Augenblick saß, und die nach Pisse und ranzigem Schweiß stank, schien eher Letzteres zuzutreffen.

„Legrand!“ Ein uniformierter Beamter der Pariser Polizeipräfektur schlug gegen die Gitterstäbe. „Votre avocat est ici.“ Ihr Anwalt ist hier.

Luca stand auf, wartete, bis der Mann die Zelle aufschloss, und folgte ihm den Gang entlang zu einem winzigen Raum, der nicht viel größer war als eine Toilettenkabine. François Chevalier, der Anwalt des Legrand-Weinguts, wartete bereits an einem Stahltisch, der mit Bolzen am Boden befestigt war, und las Zeitung.

François hob den Blick, als sich die Tür öffnete. Er stand nicht auf, um Luca zu begrüßen, sondern trommelte mit den Fingern auf der Metalltischplatte und wartete, bis Luca ihm gegenüber Platz nahm.

Als die Tür hinter dem Polizeibeamten ins Schloss fiel, widmete François sich wieder der Zeitung. Genauer gesagt einem Artikel mit der Überschrift: „Héritier de Legrand Vineyard en Prison Pour Voies de Fait. Erbe des Legrand-Weinguts wegen Tätlichkeit verhaftet. Unter der Überschrift prangte ein riesiges Bild von Luca, wie er in ein Polizeiauto geschoben wurde.

„Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht“, sagte Luca.

„Wirklich? Denn es sieht schlimm aus“, erwiderte François mit ruhiger Stimme, doch sein Schnurrbart zuckte.

Luca lehnte sich in dem harten Metallstuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und sah François direkt an. Er war nicht bereit, den Blick abzuwenden, denn er empfand verdammt noch mal nicht den kleinsten Hauch von Reue.

„Es war nicht meine Schuld“, sagte er.

„Ach ja?“ François beugte sich vor, die Handflächen auf den Tisch gestützt, und zwang Luca, zu ihm aufzusehen. Sein Gesicht, das auch sonst immer leicht gerötet war, hatte nun die Farbe einer sonnengereiften Tomate. „Du hast einen Reporter geschlagen. Du hast ihm die Nase gebrochen. Du hast seine Kamera zerschmettert. Wie kann das nicht deine Schuld sein?“

Er stand auf und gestikulierte mit der Hand durch den winzigen Raum, der nach Schimmel und schalem Zigarettenrauch stank. „Der erste Legrand, der jemals verhaftet wurde. Und doch sitzt du da und behauptest, es wäre nicht deine Schuld?“ Er verzog das Gesicht, als hätte er einen unreifen Wein gekostet – einen, den man am besten sofort wieder ausspuckt.

Luca erhob sich langsam, und bei seiner Größe von einem Meter achtundachtzig musste François nun zu ihm aufsehen. „Der Mann hatte es nicht anders verdient.“

„Mich interessiert nicht, was er verdient hat. Mich interessiert allein deine Erbschaft. Die du eigenhändig ruiniert hast.“ Wütend starrte er Luca an. Zwischen seinen schweren Augenlidern und den dicken Tränensäcken waren seine Augen kaum zu erkennen, aber Luca war entschlossen, François’ Blick standzuhalten. Doch als François als Erster wegsah, verspürte Luca keine Genugtuung.

„Unser Champagner hat erheblich an Wert eingebüßt, seit du übernommen hast. Bist du dir dessen eigentlich bewusst?“

Luca biss die Zähne zusammen und zwang sich, bis fünf zu zählen. Un, deux, trois, quatre, cinq … Trotzdem rumorte die Wut in ihm, als würde ihm flüssiges Feuer durch die Eingeweide schießen, und das Gefühl wurde mit jedem Atemzug stärker. Mit zusammengebissenen Zähne sagte er: „Unser Champagner hat an dem Tag an Wert eingebüßt, als mein Vater starb.“

Das stimmte. Sein Vater hatte das Gut dreißig Jahre lang geführt, in den Fußstapfen seines Vaters und Großvaters und seiner Ahnen der 200 Jahre davor. Sein Vater war ein robuster, gesunder Mann gewesen und hatte immer den Anschein erweckt, er würde ewig leben. Allerdings hatte Luca in den vergangenen zehn Jahren, in denen er Grand-Prix-Motorradrennen gefahren war, nicht viel von ihm gesehen.

„Das kann nicht so weitergehen.“ François deutete auf Lucas Brust. „Diese Skandale.“

Und los geht’s. Luca lehnte sich an die Wand, kreuzte die Fußknöchel und wartete darauf, dass François seine jüngsten „Skandale“ in allen Einzelheiten aufzählen würde. Es war sinnlos, sich zu verteidigen.

François begann, die lange Liste an den Fingern abzuzählen. „Ruhestörung.“

Ruhestörung? Luca hatte mit seiner Freundin, Anika van Horn, Schluss gemacht. Sie war Model, und er hatte schnell erkannt, dass sie mehr am Ruhm und Reichtum des Namens Legrand interessiert war als an Luca selbst. Sie hatte die Trennung nicht gut weggesteckt. Sie hatte ihm sogar eine runtergehauen und ihm eine Szene gemacht, und zwar bewusst in einem Gartencafé, sodass sich das Ganze binnen Sekunden wie ein Lauffeuer über die sozialen Medien ausbreitete. Er wusste immer noch nicht, wie daraus eine Anklage geworden war.

„Trunkenheit in der Öffentlichkeit.“

Er war auf der Junggesellenparty eines Teamkollegen aus seinem „Monster“-Team gewesen. Luca hatte zwar auch ordentlich gebechert, war aber nicht annähernd so betrunken gewesen wie der zukünftige Bräutigam, den er schließlich aus dem Strawinski-Brunnen gerettet hatte.

„Öffentliche Nacktheit.“

Eigentlich war der Nackte sein Freund, der Junggeselle, gewesen. Aber die Presse verstand es, solche Dinge so darzustellen, dass es klang, als wäre Luca derjenige gewesen, der sich entblättert hatte, in den Brunnen gesprungen war und obszöne Dinge mit einer bunten, vollbusigen Meerjungfrau angestellt hatte, aus deren Brustwarzen Wasserfontänen geschossen waren.

Seufzend wedelte Luca mit der Hand, um François zu bedeuten, mit der vermaledeiten Liste fortzufahren. Er wusste, was als Nächstes kommen würde.

„Und dann. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen … ein veröffentlichtes Sexvideo. Und nicht bloß gewöhnlicher Sex …“ François macht eine Kunstpause und zog eine Augenbraue hoch. Anstatt den Satz zu beenden, schnaubte er bloß. „Was für ein Zugewinn für das Ansehen deines Familiennamens.“ François verzog das Gesicht vor lauter Sarkasmus.

Luca machte den Mund auf; die Entschuldigung – dass das Video privat hatte bleiben sollen, und dass offensichtlich Anika selbst es online weitergegeben hatte, entweder aus Publicitygründen, um ihrer Karriere anzukurbeln, oder um ihn öffentlich zu demütigen – lag ihm bereits auf der Zunge. Aber was würde es bringen, François das zu erklären? Es würde nichts daran ändern, wie die Sache ausgegangen war.

„Und jetzt, eine Woche später, sitzt du hier.“ François’ Augen schimmerten feucht vor Wut, wie eine Traube in der Presse, kurz bevor sie platzte. „Körperverletzung und Vandalismus. Wie nobel.“

Die Paparazzi hatten ihn seit dem Sexskandal schonungslos belagert. Luca war nicht in der Lage gewesen, seine Wohnung zu verlassen. Zum Markt zu gehen. Irgendetwas zu tun, ohne angepöbelt zu werden. Als ein besonders aufdringlicher Reporter, der ihn Tag und Nacht beharrlich belästigt hatte, Luca auf seiner brandneuen Yamaha Vmax in den Weg getreten war, sodass er hatte ausweichen müssen und beinahe gegen einen Laternenpfahl gekracht wäre, hatte Luca die Beherrschung verloren. Er war nicht stolz auf seine Tat, aber wenn er wieder in dieselbe Situation geriet, würde er nichts anders machen.

Er hatte das Motorrad geparkt, war geradewegs auf den Mann zugegangen, dem die Kamera am Gesicht klebte wie angewachsen, und hatte ihn – höflich – gebeten, die Bilder zu löschen. Als der Mann ihn ignoriert und einfach weiter fotografiert hatte, hatte Luca ihm bloß die Kamera abgenommen mit der Absicht, den Speicher zu löschen. Der Mann hatte ihn geschubst, woraufhin Luca die Kamera aus der Hand gefallen und auf den Pflastersteinen zerbrochen war.

Ups.

Dann hatte der brüllende Idiot ihm eine verpassen wollen. Luca war ausgewichen und hatte rein instinktiv reagiert. Ein Schlag. Mehr hat es nicht gebraucht, um den petit connard auf die Bretter zu schicken. Es war doch nicht seine Schuld, dass der Mann etwas begonnen hatte, das er nicht zu Ende bringen konnte.

Aber auch hier: Es brachte nichts, François irgendetwas davon erklären zu wollen. Der Mann interessierte sich einzig und allein für eine Sache: den Wert des Weinguts. Der tatsächlich gesunken war, seit Luca es übernommen hatte.

„Ich hab’s verstanden.“ Luca ging wieder zum Stuhl und setzte sich. „Ich bin eine verdammte Riesenenttäuschung. Und wann holst du mich jetzt aus diesem Drecksloch raus, damit ich mich daranmachen kann, den ‚Familiennamen‘ wieder reinzuwaschen?“

„Dich rausholen?“ François lachte. „Ich hole dich hier nicht raus. Non.“ Er schüttelte den Kopf. „Das hier ist der sicherste Ort für dich. Solange du weggesperrt bist, kannst du nicht in noch mehr Schwierigkeiten geraten.“

Das flüssige Feuer, das ihm in den Eingeweiden brannte, loderte auf und schoss Luca durch die Adern, und jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an. Er packte François am Kragen und riss ihn quer über den Tisch. „Was hast du gesagt?“

François konnte nur stottern, Luca möge ihn loslassen, und spritze Luca dabei Spucke ins Gesicht. Zum ersten Mal an diesem Tag empfand Luca Reue für seine Taten. François war der Familie seit drei Jahrzehnten treu ergeben, doch er kannte Luca kaum, und soweit er wusste, war Luca tatsächlich der Taugenichts, zu dem die Medien ihn abstempelten.

Der Sexskandal, okay, aber den Rest konnte Luca nicht nachvollziehen – die Anklagen und die ständige schlechte Presse. Als Grand-Prix-Fahrer und Legrand war er daran gewöhnt, im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen, aber in letzter Zeit schienen die Medien es darauf angelegt zu haben, ihn fertig zu machen. Warum? Lag es an dem Sextape oder war er einfach bloß immer wieder zur falschen Zeit am falschen Ort?

Luca ließ François los und hob beschwichtigend die Hände. „Tut mir leid.“

„Es tut dir leid?“ François Stimme war hoch. „Dein Verhalten ist inakzeptabel.“ Der Anwalt brachte sein Hemd und seine Krawatte wieder in Ordnung. „Du beschmutzt deinen Familiennamen.“

„François, ich gebe ja zu, dass ich in letzter Zeit ein paar …“ Luca schluckte. „… Dummheiten begangen habe. Aber von einer Gefängniszelle aus kann ich das schlecht wieder in Ordnung bringen.“

François blinzelte heftig. Seine Augen waren so verquollen, dass sie nur noch als Schlitze zu erkennen waren. „Ich glaube, du begreifst das volle Ausmaß deiner Taten nicht.“

„Dann erklär es mir.“

François nahm ein Bündel Papiere aus einer Aktentasche unter dem Tisch und ließ es auf den Tisch fallen.

„Weißt du, was das ist?“

Luca zog sich die Papiere heran. „Die Unternehmenssatzung.“ Er schob sie wieder zurück.

„Ja. Und wenn du sie lesen würdest, wüsstest du, dass es einen Verhaltenskodex gibt.“ Er machte eine Pause. „Für alle Mitarbeiter.“ Er schlug eine markierte Seite auf und schob das Dokument wieder über den Tisch.

Luca sah nach unten. Die Worte „Kündigungsgründe“ waren markiert, ebenso wie „Gebührendes Verhalten.“

„Ich kenne die Satzung. Ich bin der Geschäftsführer.“ So ungefähr stimmte das. Er war zu beschäftigt damit gewesen, die Firma zu leiten, um der Satzung viel Aufmerksamkeit zu schenken.

„Dann dürfte es dich also nicht überraschen, dass der Vorstand überlegt, dich deines Geschäftsführerpostens zu entheben.“

„Was?“ Luca lachte laut auf. „Das können die gar nicht. Ich bin der einzige Erbe des Weinguts, und mir gehören einundfünfzig Prozent der Unternehmensaktien.“

„Nun ja …“

„Nun ja was?“

„Es wurde darüber debattiert, das Testament deines Vaters anzufechten. Angesichts all dessen, was vorgefallen ist.“ Mit einer Handbewegung deutete François durch den Raum.

„Anfechten? Von wem?“

„Marcel Durand.“

Marcel war nur ein paar Jahre jünger als Luca und hatte nur ungefähr fünf Jahre für seinen Vater gearbeitet. „Warum sollte Marcel Durand das Testament meines Vaters anfechten?“

„Weil Marcel dein Halbbruder ist.“

Das Erste, was Jasmine Sweet tat, nachdem sie ihren Platz in der ersten Klasse des Air-France-Flugs nach Paris eingenommen hatte, war, nach einem Glas Champagner zu fragen. Als Zweites, als sie es in den Händen hielt, wandte sie sich von dem großen, freien Sitz neben sich ab und schlürfte das prickelnde Getränk, bis das Glas leer war. Und als Drittes nahm sie den Platinring mit dem vierkarätigen Diamanten im Prinzessinnenschliff ab und steckte ihn ins Innenfach ihrer Handtasche. All das erledigte sie, bevor das Flugzeug mit dem Boarding fertig war.

„Entschuldigung.“ Jasmine hob einen Finger, um die beneidenswert schöne und schrecklich kultiviert aussehende französische Flugbegleiterin auf sich aufmerksam zu machen. „Haben Sie Beeren? Blaubeeren, Himbeeren, so etwas in der Art?“

„Beeren?“, fragte die Frau in, wie Jasmine fand, verächtlichem Tonfall. „Non.“

„Schade. Dann noch einen Champagner, bitte.“

Die Frau schürzte die Lippen, bevor sie ein gelangweiltes Lächeln aufsetzte. „Hätten Sie dazu gern etwas Orangensaft oder vielleicht etwas zu essen?“

„Nein, danke“, erwiderte Jazz und machte eine herablassende Geste mit der Hand. „Nur den Champagner.“

Bevor die Flugbegleiterin weitergehen konnte, hielt Jasmine sie erneut auf. „Oh, und wenn es nicht zu viel verlangt ist …“ Sie sah auf den Sitz neben sich und senkte die Stimme. „Der Platz hier ist frei.“ Sie zog Tickets aus ihrer Handtasche. „Ich habe beide Tickets. Würden Sie vielleicht jemanden in der Economy-Klasse fragen, ob er an einem Upgrade interessiert wäre?“

Bei dieser Frage zog die Frau die eleganten Augenbrauen in die Höhe. Sie nahm Jasmine die Tickets aus der Hand und spitzte die vollen Lippen. „Ja, ich verstehe.“ Sie gab Jasmine die Tickets zurück und sagte: „Ich werde mal nachfragen.“

„Oh, und achten Sie darauf, dass derjenige Champagner mag. Das ist ein Muss“, rief Jasmine, doch die Frau drehte sich nicht um. „Danke“, rief Jasmine. „Sie sind ein Schatz.“

Die Flugbegleiterin setzte ihre Runde durch die Kabine fort und ignorierte Jasmine, während sie überprüfte, dass sämtliche Handgepäckstücke korrekt verstaut waren.

Na ja, was hatte sie denn auch erwartet? Freundlichkeit? Liebenswürdigkeit? Mitgefühl?

Ha! Ihrer Erfahrung nach waren die Franzosen distanziert, einschüchternd und wunderschön. Aber schließlich war sie ja noch auf amerikanischem Boden. Die Dinge würden schon noch besser werden, wenn sie erst einmal in Paris gelandet war.

Sie rieb sich die nackte Stelle, an der noch vor wenigen Augenblicken ihr Ring gesteckt hatte. Sechzehn Monate lang hatte sie ihn am Finger getragen, ein Versprechen auf Lebenszeit, von dem sie immer geträumt hatte, und ihre Haut war an der Stelle heller, so als wäre sie noch nicht bereit, dieses Leben aufzugeben.

Jasmine schloss die Augen und stellte sich vor, dass Parker und sie wie geplant bereits gestern geheiratet und ihr Ehegelübde mit dreihundert ihrer engsten Freunde und Angehörigen – Parker hatte eine große Familie – im Waldorf Astoria in Chicago gefeiert hätten. Und mit jede Menge Freunden. Na ja … eigentlich Arbeitskollegen und Freunden seiner Eltern. Aber egal. Und dass sie jetzt auf dem Weg nach Europa in die Flitterwochen wären. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf das Gefühl, wie das Flugzeug über die Startbahn rollte, bevor es beschleunigte und der Sitz unter ihr vibrierte, während die Maschine abhob.

Eine Woche in Paris, noch eine in Südfrankreich, dann weiter nach Italien: Venedig, Mailand, Toskana – ahh! –, bevor sie für die letzten Tage wieder nach Paris zurückkehrten. Sie hatte die ganze Reise geplant und Hotelwebseiten und Reiseforen durchforstet, um die besten Unternehmungen und Übernachtungsmöglichkeiten zu finden.

„Geld spielt keine Rolle“, hatte Parker gesagt. „Schließlich sind es unsere Flitterwochen.“

Ja. Es waren ihre Flitterwochen, und sie hatte all diese wunderschönen Boutique-Hotels nahe den Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Geschäften gebucht – sie gingen beide furchtbar gern shoppen. Und nach den Streifzügen des Tages, hatte sie gedacht, würden sie in ihr Hotel zurückkehren und Liebe machen – zärtlich, leidenschaftlich. Und neue Dinge ausprobieren, jetzt, wo sie verheiratet waren (wie die neuen Pelzhandschellen, die sie besorgt hatte, und den gerippten Vibrator – o ja, bitte!). Während sie sich in ihrer Fantasie kreative Einsatzmöglichkeiten für die Spielzeuge ausmalte, ließ sie die Hand zu dem Sitz neben ihr wandern, um mit Parker Händchen zu halten.

Stattdessen stieß ihre Hand auf einen großen, behaarten und leicht feuchten Arm. Jasmine riss abrupt die Augen auf und fuhr herum, um zu sehen, wer da neben ihr saß. Er schien Ende fünfzig oder Anfang sechzig zu sein und hatte schütteres Haar und ein freundliches Gesicht. Er trug ein Batik-T-Shirt, das über seinem fülligen Körper spannte, und als er ihren Blick auffing, schob er sich seine rechteckige Brille zurück auf den Nasenrücken und griff in eine Käsechipstüte in Partygröße. Jasmine bemerkte leuchtend orangefarbene Krümel auf seinem Hemd und der Armlehne.

„Dorito?“, fragte er und hielt ihr die Tüte hin. So hießen die Chips.

„Na, da bin ich doch mal so frei“, erwiderte Jasmine und nahm sich eine Handvoll. Sie zeigte auf das Glas Champagner, das auf ihrem Klapptisch vor sich hin schwitzte. „Möchten Sie etwas trinken? Das ist hier vorne kostenlos, wissen Sie.“

Der Mann lächelte, und Jasmine bemühte sich, nicht auf die orangefarbenen Chipsreste zu starren, die zwischen seinen Schneidezähnen steckten. „Da bin ich doch mal so frei.“

Jazz drückte den Knopf, um die Flugbegleiterin zu rufen, und schon erschien die Frau neben ihrem Sitz. „Noch einen Champagner für meinen Freund hier.“

„Ich hätte lieber ein Bier, wenn Sie nichts dagegen haben.“

„Ich habe nichts dagegen.“ Jasmine lächelte den Mann süßlich an, bevor sie die französische Flugbegleiterin anstrahlte. „Bier für meinen Freund. Und noch einen Champagner für mich. Ach, wissen Sie was“, fügte Jazz hinzu und winkte mit der Hand über die gesamte Erste-Klasse-Kabine. „Bringen Sie doch einfach Champagner für alle!“

Die Frau verdrehte die Augen, aber das war Jasmine egal. Lag es an dem Champagner, dass sie sich so sorglos und unbekümmert fühlte?

„Bis gleich.“ Sie winkte dezent mit den Fingerspitzen, um die Frau – die nicht einmal mehr ihr gelangweiltes Lächeln aufsetzte – wegzuschicken. Dann wandte sie sich an ihren Sitznachbarn.

„Ich bin Jasmine.“ Jazz streckte die Hand aus, und der Mann neben ihr nahm sie und schüttelte sie mit überraschend festem Griff.

„Neil.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Neil. Also, erzählen Sie mir von sich.“

Sie tauschten einige Höflichkeiten aus: woher sie kamen, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienten, ob sie schon einmal in Paris gewesen waren.

Siehst du? tröstete Jasmine sich. Ich bin ganz gelassen und unterhalte mich nett mit einem völlig Fremden, als wäre alles ganz normal.

Als wäre ihre Welt nicht gerade erst vor achtundvierzig Stunden auf den Kopf gestellt worden, und als hätte sie nicht den schlimmsten Schock ihres Lebens erlitten.

Die Drinks wurden gebracht, und Jasmine bemerkte, dass ihr Champagnerglas nur etwas mehr als halb voll war.

Blöde Kuh.

„Also, Neil, was führt Sie nach Paris? Geschäft oder Vergnügen?“ Sie kippte ihren Champagner in drei Schlucken hinunter und drückte erneut den Rufknopf.

Das Spielchen können wir beide spielen, du schöne Französin.

„Oh, eine Comicmesse. Die größte in ganz Europa. Ich bin Illustrator.“ Er wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn.

„Interessant.“ Jasmine nahm sich noch eine Handvoll Chips. „Was illustrieren Sie denn so?“

„Möchten Sie mal sehen?“

„Wieso nicht?“

Neil löste seinen Gurt, holte eine Tasche aus der Gepäckablage und nahm ein Skizzenbuch heraus. Dann legte er die Tasche zurück und setzte sich wieder. Er schlug das Skizzenbuch auf, und Jasmine sah lauter Zeichnungen von – nun ja, ehrlich gesagt, verschwamm alles ein bisschen vor ihren Augen.

„Der Cartoon heißt Betty Boobs. Ein Wortspiel auf Betty Boob. Er ist sehr beliebt in Europa.“

Jasmine blinzelte und kniff die Augen zusammen. Vollbusige, nackte Cartoonfrauen mit einem Hauch 1930er-Jahre-Flair zierten die Seiten seines Skizzenbuchs. Und trieben es. Pornos. Der Typ zeichnete Cartoonpornos.

Cool.

„Neil, kann ich Sie etwas fragen?“

„Klar.“

„Wissen Sie, was eine Alibi-Freundin ist?“ Sie blinzelte ihn an und zwang sich, zu schlucken. Der letzte Schluck Champagner hatte ziemlich gebrannt.

„Sie meinen so eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen?“ Er strich sich mit der Hand übers Kinn.

„Nein. Ich meine etwas anderes.“

Seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, dann wanderten sie langsam nach oben, als wären sie mit Helium gefüllt. „Sie meinen, wie bei einem Schwulen, der …“

„Ja.“ Sie bohrte ihm einen Finger in den Arm. „Genau das meine ich. Mein Verlobter zum Beispiel – na ja, Ex-Verlobter – hat mich doch gebeten, ihn zu heiraten, richtig?“

„Okay.“

„Aber was ich nicht wusste: Ich war seine Alibi-Freundin.“ Sie griff zu dem kleinen Tisch vor Neil, schnappte sich die Dose Bier, aus der er kaum getrunken hatte, und kippte ein gutes Drittel davon hinunter, bevor sie fortfuhr. „Wir hätten gestern heiraten sollen.“

„Tatsächlich?“ Neils Blick ruhte auf seiner Bierdose, nicht auf Jasmine.

Sie nickte.

Wow. Sie bekam es wirklich hin. Ohne Tränen. Ohne Wutausbrüche. Sie legte einfach die Fakten dar, als wäre es jemand anderem passiert oder als wäre sie völlig darüber hinweg. Jasmine war stolz auf sich.

Sie nahm noch einen tiefen Schluck, bevor sie sich näher zu Neil beugte und ihm die Hand auf den schwitzenden Unterarm legte. „Jepp. Ich hätte es nie erfahren, wäre ich nicht in der Nacht vor der Hochzeit, als ich eigentlich mit meinen Freunden in einem Hotel hätte sein sollen, kurz in meine Wohnung zurückgekommen, um etwas zu holen, das ich vergessen hatte – etwas Geliehenes, oder war’s etwas Blaues?“ Sie tippte sich an die Lippen. „Hmm. Ist ja auch egal. Es geht darum, dass ich meinen Verlobten im Bett mit seinem besten Freund erwischt habe. Sie haben es miteinander getrieben. So wie Ihre Betty Boobs, wenn Sie so wollen.“

„Heilige Scheiße“, kam es von Neil, der noch immer das Bier in Jasmines Hand im Auge behielt. „Das muss ja ein Schock gewesen sein.“

„O ja.“ Sie zeigte auf Neils Sitz. „Eigentlich sollte mein neuer Ehemann dort sitzen, wo Sie jetzt sitzen, aber das tut er nicht. Weil er schwul ist.“

„Das tut mir leid.“

„Er hat mich nie geliebt.“ Jasmine sank in ihren Sitz zurück und starrte auf die Kopfstütze vor sich. „Er hat mich nur benutzt. Gott. Und ich war völlig blind, weil er mir alles gegeben hat, was ich wollte.“

„Hey.“ Neil tätschelte ihr die Hand, die auf der Armlehne zwischen ihnen lag. „Sind Sie okay?“ Vorsichtig nahm er ihr die beinahe leere Bierdose aus den schlaffen Fingern.

„Eine wunderschöne Penthousewohnung. Eine Kreditkarte mit einem Fünfzigtausend-Dollar-Limit.“

„Unvorstellbar … obwohl, so ein Limit wäre nicht schlecht …“

„Wissen Sie, was das Schlimmste war, Neil?“ Sie ließ den Kopf zur Seite kippen und sah ihn an. „Nachdem ich ihn erwischt hatte? Er war erleichtert. Erleichtert.“

„Ich schätze, es ist schwer, mit einer Lüge zu leben …“

„Und er meinte, nichts müsse sich ändern.“ Sie drückte ihm mit dem Finger gegen das Brustbein, gleich oberhalb der orangefarbene Krümel. „Können Sie das glauben? Er wollte mich noch immer heiraten!“

„Ähm, vielleicht sollten Sie ein bisschen leiser sprechen …“

„Eine Haushälterin und einen Koch, wenn ich gewollt hätte … Alles, was immer ich gewollt hätte. Bestechung.“ Sie schüttelte den Kopf. Ihr Hals war ganz starr. Ebenso wie ihr Kiefer. Steif, wie zugedrahtet. „Nichts als beschissene Bestechungs- und Ablenkungsmanöver“, stieß sie durch zusammengebissene Zähne hervor. „Wozu Ablenkungsmanöver, fragen Sie sich vielleicht?“ Sie drehte sich zu Neil um, und aus dem tiefen Loch, dort wo mal ihr Herz gewesen war, brach der Rest der Geschichte hervor. „Damit mein zukünftiger Ehemann Geschäftsreisen mit Robert unternehmen kann. So heißt der Scheißkerl. Robert Miskey. Ich bin Parkers verdammte Tarnung, damit er es mit dem verfickten Robert Miskey treiben kann.“

„Man darf heutzutage in Flugzeugen nicht mehr schreien.“ Neil blinzelte nervös.

„Mache ich eine Szene, Neil? Mache ich das?“

„Äh, ja.“

„Finden Sie nicht, dass man das Recht hat, eine Szene zu machen, wenn man am Vorabend seiner Hochzeit herausfindet, dass man nur eine Alibi-Verlobte ist?“

Neil drückte nun hektisch auf die Rufknopf für die Flugbegleiterin.

Jasmine löste ihren Gurt, stand auf und wandte sich an alle Passagiere in der ersten Klasse. „Ich sollte eigentlich verheiratet sein. Ich sollte eigentlich auf dem Weg nach Europa in die Flitterwochen sein. Und stattdessen sitze ich hier mit Neil, der Cartoon-Pornos zeichnet.“ Sie sah flüchtig zu Neil und sagte mit minimal mehr Beherrschung in der Stimme: „Tut mir leid, Neil.“

Sein Lächeln geriet ins Wanken, und er wedelte beschwichtigend mit den Händen. Kein Problem, durchgeknallte Lady.

„Gibt mir das nicht das Recht, eine Szene zu machen?“ Sie suchte den Blick der anderen Passagiere, aber niemand sah sie an. „Oder etwa nicht?“

Kühle Finger legten sich um ihren Oberarm, und eine Stimme sagte betont ruhig: „Bitte setzen Sie sich wieder, sonst sind wir gezwungen, in New York City zwischenzulanden, wo sie aus dem Flugzeug eskortiert und in Gewahrsam genommen werden. Verstehen Sie mich?“

Jasmine versuchte, sich von der Flugbegleiterin loszumachen, aber die Frau war unglaublich stark. Verdammte Franzosen.

„Ich …“ Als sie den Kopf drehte, begegnete die Frau ihr mit einem so aufrichtigen Lächeln, wie Jasmine es bisher nicht bei ihr gesehen hatte.

„Bitte“, sagte die Frau beschwichtigend. Sie wirkte so aufrichtig, dass Jasmine vor Überraschung die Knie versagten und die Frau ihr zurück in den Sitz helfen musste.

Jazz erhaschte einen Hauch des Parfüms der Flugbegleiterin – Coco Mademoiselle von Chanel, wenn sie sich nicht irrte –, als sie sich über Jasmine beugte, um ihren Gurt zu schließen. Geschmackvoll, unaufdringlich, perfekt.

„Es tut mir sehr leid, dass Sie einen schlechten Tag haben. Bitte machen Sie ihn nicht noch schlimmer.“ Bevor sie sich wieder aufrichtete, drückte die Frau Jasmine eine Handvoll Taschentücher in die Faust und flüsterte ihr ins Ohr: „Wer auch immer dieser Mann ist, der sie verletzt hat, er hat sie nicht verdient.“

2. KAPITEL

Als Jasmine die Tür zu ihrem Hotelzimmer öffnete, roch sie die Rosen.

Uff.

Sie zerrte ihren Koffer hinter sich her wie einen alten Hund mit Arthrose, der zu müde zum Gassigehen ist, und betrat die Suite, die sie Monate zuvor mit so viel Liebe gebucht hatte. Monate zuvor, als sie noch geglaubt hatte, sie würde dieses Zimmer mit dem Mann teilen, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Aber er hatte sie die ganze Zeit über angelogen! Arschloch.

Das Zimmer war traumhaft – verdammt! Dreieinhalb Meter hohe Decken und Original-Kranzprofile aus der Zeit, als das Hotel noch die Villa eines berühmten Juweliers gewesen war, der sie während der Renaissance für seine Mätresse gekauft hatte. Jetzt verspottete die wunderschöne, geräumige Suite sie bloß. Die Louis-XIV.-Möbel verhöhnten sie und erinnerten sie daran, dass sie die Suite für Parker ausgesucht hatte. Ihr selbst gefiel der Landhausstil besser. Die hauchdünnen weißen Vorhänge erinnerten sie nur an ihr zehntausend Dollar teures Hochzeitskleid, das in ihrem Schrank versteckt war wie ein beschämendes Geheimnis und niemals getragen werden würde.

Aber das Allerschlimmste erwartete sie auf dem polierten Kirschholztisch in der Sitzecke: Ein Teller voll mit Schokolade überzogener Erdbeeren, daneben ein Eiskübel, und zwischen den beiden stand ein Briefumschlag, adressiert an Mr. und Mrs. Parker Wright. Aus dem Eiskübel lugte – leicht schräg gestellt – keck eine Flasche Champagner.

Wie ein Schurke.

Blöder Champagner.

Jasmine nahm die Flasche aus dem Kübel, entfernte die Folie vom Flaschenhals und ließ den Korken knallen. Er prallte von einem Gemälde ab, und sie hoffte, dass es eine Kopie war. Dann flog er gegen das Kranzprofil und landete irgendwo hinter einer Topfpflanze. Jasmine gab sich nicht mit den Kristallflöten ab, sondern trank direkt aus der Flasche, als wäre es Wasser und sie am Verdursten.

„Ein Schluck gegen den Kater“, murmelte sie und wischte sich mit dem Handrücken die Lippen ab. Sie stellte die Flasche auf den Tisch, ohne den nassen Fleck zu beachten, den sie auf der glänzend polierten Tischplatte hinterließ, und wühlte in ihrer Handtasche nach Aspirin. Statt des Pillenröhrchens fand sie ihr Handy.

Laut dem Display war es drei Uhr dreiundzwanzig, und es warteten siebenundvierzig – ja, siebenundvierzig! – Textnachrichten auf sie. Die sie an die Tortur der letzten achtundvierzig Stunden erinnerten – als bräuchte sie noch weitere Erinnerungen.

Seufzend tippte sie die Nachrichten-App an …

Fünf von ihrer Mutter. Löschen.

Zwei von ihrem Vater. Löschen.

Dreizehn von ihrer besten Freundin, Ashley … hmm. Die würde sie vielleicht später lesen.

Siebenundzwanzig von Parker.

Der Mann war verzweifelt.

Ihr Finger schwebte über der Löschen-Schaltfläche, doch statt die Nachrichten zu löschen, löschte sie Parker aus ihrer Kontaktliste.

„Lügner. Für mich bist du gestorben“, murmelte sie, legte den Kopf in den Nacken und ließ sich das prickelnde Blubberwasser die Kehle hinabrinnen.

Parkers Stimme ging ihr durch den Kopf: Komm schon, Jazz. Ich dachte, du wüsstest es. Zwischen uns muss sich doch nichts ändern. Ich liebe dich noch immer, als meine beste Freundin. Das hatte er zu ihr gesagt, während er neben seinem Lover im Bett gesessen hatte. Dann war er aufgestanden und mit flehentlich ausgestreckten Händen auf sie zugekommen. Du kannst dein Leben führen, wie immer du willst, ich werde mich nicht einmischen. Ich bitte dich nur darum, mein Privatleben geheim zu halten.

Im Ernst? Wieso musste er heutzutage noch so tun als ob? Tja, diese Frage hatte sie ihm direkt gestellt.

Es ist wegen meines Vaters. Er ist homophob, okay? Ich würde meinen Treuhandfonds verlieren.

Gott! Also alles nur des Geldes wegen? Er hatte sie jahrelang getäuscht, nur damit er seinen kostbaren Lebensstil beibehalten konnte?

Nicht, dass sie etwas gegen den Lebensstil gehabt hatte. Eben dieser Lebensstil hatte sie davon abgehalten, Forderungen zu stellen oder allzu ausgiebig über die fehlende Intimität und Leidenschaft nachzudenken, nach der sie sich gesehnt hatte. Parkers Großzügigkeit schien Beweis genug, dass er sie liebte, und sie war so in ihrem perfekten Leben aufgegangen, dass sie nicht erkannt hatte, was direkt vor ihrer Nase ablief.

Mit der Flasche in der Hand wankte Jasmine zum Fenster und schob die Vorhänge beiseite, um die Aussicht zu genießen.

Und was für eine Aussicht. Die abgerundeten Pariser Dächer, der Eiffelturm – so nah, dass sie praktisch daran hätte lecken können. Die Aussicht war der Grund gewesen, weshalb Jasmine diese Suite ausgesucht hatte. Ein wahr gewordener Traum …

Sie öffnete die Fenstertür und trat auf den schmiedeeisernen Balkon. Frische Luft. Das brauchte sie jetzt. Sie ließ sich in den Sessel fallen und stellte die Flasche auf den gläsernen Bistrotisch, während sie den Blick über das herrliche Panorama schweifen ließ.

Und sie hatte niemanden, mit dem sie es hätte teilen können. Sie war ganz allein. Sie seufzte und sackte vor Selbstmitleid in sich zusammen. Hatte sie nicht das Recht dazu? Sie war bereit gewesen, Parker alles zu geben, und hatte geglaubt, er würde dasselbe empfinden. Sie schloss die Augen. Vielleicht empfand ihr Ex-Verlobter ja etwas für sie, liebte sie sogar, wie er behauptet hatte. Aber es war nicht die Art von Liebe gewesen, für die sie sie gehalten hatte. Die Liebe, nach der sie sich schon immer gesehnt hatte. Und sie war nicht bereit, ihm zu verzeihen, dass er sie etwas anderes hatte glauben lassen. Ihr Handy piepste, und Jasmine sah automatisch hin. Noch eine Nachricht von Ashley. Sie tippte die Nachrichten-App an und überflog die Mitteilungen.

Jazz? Bist du okay? Ruf mich an.

Bitte sag mir, dass es dir gut geht.

Deine Eltern machen sich Sorgen. Du solltest sie anrufen.

Jazz? Bist du in Paris?

Statt einer Antwort tippte Jasmine den FaceTime-Button an. Ihre beste Freundin ging sofort ran. Das Video war grobkörnig, aber Jasmine konnte trotzdem die dunklen Ringe unter Ashleys grünbraunen Augen erkennen, und dass ihr feines blondes Haar noch nicht gekämmt war.

„Wie spät ist es bei dir?“, fragte Jasmine statt einer Begrüßung.

Ashley blinzelte. „Zwanzig vor zehn.“

„Morgens?“

Ashley kniff die Augen zusammen. „Ich wusste es. Du bist nach Paris geflogen, oder?“

„Sieh selbst“, sagte Jasmine und schwenkte ihr Handy, um Ashley einen Panoramablick über die Pariser Skyline zu gewähren.

„Heilige Scheiße“, hörte sie Ashley ausrufen. „Schön.“

Jasmine drehte das Display wieder zu sich und lächelte schief. „Jetzt, wo ich es mit dir teilen kann, ist es schöner.“ Sie seufzte. Verdammt, jetzt fing auch noch ihre Lippe an zu zittern. „Wenn ich einen klaren Gedanken hätte fassen können, hätte ich das andere Ticket umschreiben lassen und dich mitgenommen.“ Jetzt zitterte ihre Lippe richtig, und sie legte sich die Hand auf den Mund, damit es aufhörte.

„Wenn du klar gedacht hättest, hättest du mir – oder irgendjemandem – zumindest gesagt, was du vorhast. Himmel noch mal, Jazz. Wir haben uns solche Sorgen gemacht.“

„Ich weiß. Es tut mir leid. Ich wollte einfach …“ Sie konnte nicht weiterreden, weil das Zittern sich jetzt von ihren Lippen über ihr ganzes Gesicht ausbreitete und ihr in den Augen stach, bis ihr Tränen über die Wimpern liefen. Sie schüttelte den Kopf, denn im Augenblick brachte sie kein Wort heraus.

„Hast du mit Parker gesprochen?“, fragte Ash sanft.

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