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Auf den Spuren der Königin

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Ein gehörloser Spion, eine machthungrige Königin und ein jahrhundertealtes Geheimnis

London, 1584: Der gehörlose Thomas kehrt zwanzig Jahre nach seiner Flucht nach Frankreich zurück in seine Heimat. Aufgrund seiner Kenntnisse der Heilkunde beginnt er, als Apotheker am Hof von Königin Elizabeth I. zu arbeiten. Schon bald wird der Königin klar, dass Thomas stets unterschätzt wird, denn niemand rechnet damit, dass er Lippenlesen kann. Deshalb ist er perfekt dafür geeignet, geheime Gespräche mitzuhören – und für sie herauszufinden, was ihre Widersacherin Mary, Queen of Scots, im Schilde führt ...

Einige Jahrhunderte später wird die junge Mathilde nach England gerufen. In Lutton Hall, dem Haus, das nun unerwartet ihr gehören soll, verstecken sich einige Geheimnisse, die nicht nur Mathildes Vergangenheit, sondern auch die Geschichte des Landes in neuem Licht erscheinen lassen.


  • Erscheinungstag: 24.01.2023
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN/Artikelnummer: 9783365001059
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Dominic, Tobias, Laura, Bethany, Imogen, Gregor –
ihr seid meine Welt

1

Juni 2021

Sie atmete hörbar aus, so laut, dass ein aggressives »Sssssssh« aus Luft und Spucke in dem riesigen, fast leeren Grenzkontrollbereich widerhallte. Eine Kathedrale der Moderne, die alle in ihren heiligen Hallen willkommen hieß. Oder vielleicht auch nicht alle, dachte Mathilde, als sie vor dem Mann mit dem sauertöpfischen Gesichtsausdruck stand. Auf einem verschmutzten Schild hinter ihm war unpassenderweise der Schriftzug »Welcome to England« zu lesen. Die meisten ihrer Mitreisenden saßen inzwischen in ihren Autos und setzten ihre Reise fort, während die letzten paar Fußgänger die Fähre verließen, ihre staubigen Rucksäcke auf ihren müden Schultern. Hier war sie nun und wartete in diesem kalten, hallenden Raum, während ein übereifriger alter Mann in schlecht sitzender Uniform sie immer wieder mit denselben Fragen bombardierte.

»Haben Sie die doppelte Staatsbürgerschaft?«, wiederholte er noch einmal, während er ihr mit dem Pass, den er mit dem Daumen offen hielt, vor der Nase herumfuchtelte. »Sind Sie Französin oder Libanesin?«

»Oui, Französin«, sagte sie langsam, um den Eindruck zu erwecken, ihn nicht zu verstehen. Sie hegte die stille Hoffnung, er würde dann seine Fragerei aufgeben und sie ihre Reise fortsetzen lassen. »Ich bin Französin.«

»Aber hier«, er zeigte auf eine Seite in ihrem Pass, »hier steht, dass Sie im Libanon geboren sind.« Er sprach jedes Wort überdeutlich aus. Sie sah ihn ausdruckslos an, entspannte langsam ihre Faust, streckte ihre Finger und ballte sie dann wieder zusammen. Normalerweise half eine ausdruckslose Miene, aber dieser Alte war hartnäckig, und so fand sie sich schließlich in einem kleinen Raum wieder, wo man ihr einen Plastikbecher lauwarmes Wasser reichte und darauf wartete, dass man einen Dolmetscher für Französisch auftrieb. Sie waren nicht mal fünfzig Kilometer von Frankreich entfernt, wie schwer konnte das sein?

Mathilde öffnete ihre Tasche und zog den Brief heraus, der sie hierhergeführt hatte. Die Art von Furcht einflößender, amtlich wirkender Post, die man sofort öffnen musste, geschrieben auf dickem cremefarbenem Papier. Der Absender war ein Anwalt. Er habe ein Foto gesehen, das sie in Stockholm für das Magazin Amelia geschossen hatte, und sie daraufhin ausfindig gemacht, schrieb er. Angesichts der Tatsache, dass sie schon ihr ganzes Leben lang ständig herumzog, damit eben genau das nicht passierte, hatte er Glück gehabt. Hätte die Zeitschrift wie eigentlich vereinbart ihr Pseudonym benutzt und nicht aus Versehen ihren echten Namen unter das Bild gesetzt, könnte sie noch immer ihr weitgehend anonymes Leben führen. Doch der Anwalt hatte darauf bestanden, dass sie umgehend Kontakt zu ihm aufnahm. Es ginge um ein Anwesen namens Lutton Hall in England. Genauer gesagt in Norfolk. Mathilde hatte keine Ahnung, was dahintersteckte, und lange hin und her überlegt, ob sie der Aufforderung nachkommen sollte oder nicht, bis sie sich dann schließlich doch dazu entschloss.

Und jetzt war sie hier, unterwegs zu einem Dorf in Norfolk, wo sie hoffte, einige Antworten zu finden. Oder zumindest wäre sie das, wenn diese Idioten hier nicht ihre Zeit stehlen würden. Es war immer dasselbe – jemand, der in einer Uniform steckte und gerade nichts Besseres zu tun hatte, wurde mit einem einzigen Blick auf ihren heruntergekommenen, zum Camper umgebauten Krankenwagen sofort misstrauisch. Vor allem wenn derjenige dann auch noch einen Blick in ihren Reisepass warf, der ihren Geburtsort offenbarte und in dem unzählige Visa davon zeugten, dass sie ständig auf Reisen war. Was erwarteten sie von einer Fotojournalistin? Sie würde wohl kaum aussagekräftige Fotos von politischen oder sozialen Konflikten, Milieustudien oder Bildreportagen aus Kriegsgebieten zustande bekommen, wenn sie in einem Einzimmerapartment in Paris herumsäße, oder?

Plötzlich betrat ein weiterer Mann den Raum.

»Geben Sie mir bitte Ihre Wagenschlüssel«, forderte er sie auf. Durch das Fenster konnte sie zwei Polizeibeamte sehen, die die Leinen von ziemlich energiegeladenen, frenetisch bellenden Springer Spaniels hielten, und musste ein wenig schmunzeln. Sie würden in ihrem Auto keine Drogen finden. Sie griff in ihre Tasche und hielt ihm den Schlüssel hin.

»Vorne stehen Pflanzen«, sagte sie und kniff die Augen zusammen. »Kräuter, kein Marihuana«, fügte sie hinzu. »Bitte sorgen Sie dafür, dass Ihre Hunde sie nicht beschädigen.« Mit unbewegter Miene nahm er den Schlüssel und verschwand. Sie beobachtete, wie die Polizisten gewissenhaft an den Kräutern und Gewürzpflanzen, die sie in kleinen Töpfen zog, schnupperten, doch schließlich gaben sie ebenso wie die enttäuscht wirkenden Hunde auf und schlossen den Wagen wieder ab.

Als sie sich schon fragte, ob sie wohl je über Dover hinauskommen würde, bestätigte endlich jemand am anderen Ende einer Telefonleitung, dass Mathilde zwar ursprünglich aus Beirut stammte, jedoch die französische Staatsbürgerschaft besaß, womit ihr die Einreise ins Vereinigte Königreich nicht mehr verwehrt werden konnte. Knurrend nahm sie ihre Tasche und die Autoschlüssel und stolzierte mit dem Reisepass in der Hand aus dem Raum. Sie hatte noch kaum englischen Boden betreten und jetzt schon die Nase voll von diesem gottverlassenen Land. Je schneller sie hier alles erledigt hatte, desto eher konnte sie zu ihrem Vagabundendasein zurückkehren – weitab von irgendwelchen Regeln, Behörden und der Gesellschaft, die sie weder mochte noch verstand. Irgendwohin, wo sie sich sicherer fühlte.

2

Januar 1584

Um ihn herum drängten sich Menschen – Männer, Frauen und Kinder –, als sie von Bord gingen, sie schoben und schubsten einander, bis sie auf der Kaianlage standen. Dann verharrten sie und blickten sich verwirrt um, als wären sie erschrocken, plötzlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. In der Luft hing der inzwischen so vertraute Geruch des Meeres, er schmeckte ihn hinten in seiner Kehle: beißendes Salz mit einem Hauch Fisch, den er inzwischen so satthatte, dazu der Gestank verschwitzter, ungewaschener Leiber, den er mittlerweile fast gleichgültig hinnahm. Nach der unruhigen Überfahrt zitterten ihm die Beine, und er spürte, dass er immer noch leicht schwankte. Neben ihm umklammerte ein kleiner Junge einen Käfig, in dem zwei gelbe Vögel herumflatterten. Er lächelte und zwinkerte dem Kind zu, das zurückgrinste. Alle schienen erleichtert, endlich angekommen zu sein. Über ihm erhoben sich gewaltige weiße Klippen, strebten hinauf zu einem bleichen, kalten, unwirtlichen Himmel. Tom bezweifelte mittlerweile, dass diese Reise ihm helfen würde, endlich das zu finden, wonach er suchte.

Plötzlich klopfte ihm eine riesige Pranke auf den Rücken, er drehte sich um und freute sich, seinen Schiffskameraden William zu sehen. Sie hatten sich auf der Überfahrt angefreundet, als beide feststellten, dass ihr jeweiliges Gepäck aus Pflanzen und Blumenzwiebeln bestand. Tom war zwar von Geburt an taubstumm, dennoch gelang es den beiden Männern, sich mit Handzeichen zu verständigen, kombiniert mit Toms Fähigkeit, Lippen zu lesen. Hilfreich war auch seine kleine Schreibtafel, die aus einem glatten Stück Elfenbein bestand, auf das viele Schichten Wachs aufgetragen worden waren. Hier konnte er Worte hineinritzen, sie wieder glatt streichen und die Tafel so immer wieder benutzen. Das war einfacher, als ewig Pergamentschnipseln hinterherzujagen. Von klein auf hatte er mühsam lernen müssen, wie er Informationen übermittelte und teilte – für jemanden, der weder sprechen noch hören konnte, eine besondere Herausforderung; seine Adoptivmutter hatte ihm das beigebracht, während sie im Destillierraum zusammenarbeiteten und Medizin aus Kräutern und anderen Pflanzen herstellten. Inzwischen konnte er die meisten Wörter von den Lippen ablesen und nicht mehr für dumm verkauft werden. William wiederum genoss es, dass Tom ihn nicht in stumpfsinniges Geschwätz verwickelte; stundenlang hatten sie in einträchtigem Schweigen an Deck gesessen und den Bewegungen des Schiffes nachgespürt, über ihnen die allgegenwärtigen Möwen.

Nun bedeutete er Tom, sein Gepäck zu nehmen und ihm zu folgen, und so machten sie sich gemeinsam auf unsicheren Beinen auf den Weg.

Kaum waren sie ein paar Meter gegangen, da zupfte jemand Tom am Ärmel, und als er sich umdrehte, sah er sich einer der Hafenwachen gegenüber. Der Mann redete auf ihn ein, und Tom beobachtete konzentriert seine Lippen, in der Hoffnung, wenigstens das eine oder andere Wort zu verstehen. Aber er war ratlos. Sein Englisch – obwohl seine Muttersprache – war schlecht, zu viele Jahre hatte er es nicht mehr anwenden müssen. Zudem sprach der Mann sehr schnell. Tom war verwirrt. Der schlechte, saure Atem und die schwarzen Zähne des Mannes ließen ihn einen Schritt zurückweichen. Der Griff um seinen Arm wurde fester, Fingernägel gruben sich in seine Haut. Tom konnte ihn zwar nicht hören, aber das rote Gesicht des Mannes und die Tatsache, dass beim Sprechen Spucke aus seinem Mund flog, ließen den eindeutigen Schluss zu, dass er alles andere als glücklich darüber war, keine Antwort zu erhalten. Daran war Tom gewöhnt. Er versuchte es mit seinen üblichen Handzeichen, um ihm zu bedeuten, dass er taubstumm sei, aber das war gar nicht so einfach, wenn einem der Arm festgehalten wurde.

Mit einem Mal fuhr der Mann herum, und Tom sah über seine Schulter hinweg, dass neben dem Schiff eine Schlägerei ausgebrochen war. Und dann war die Wache weg, rannte auf den Tumult zu. Tom packte die Gelegenheit beim Schopf und machte sich aus dem Staub. Er hievte den Sack mit seinen Habseligkeiten auf seinem Rücken etwas höher, drehte sich um und eilte William hinterher, auf die Straße nach London zu. Es war immer das Gleiche: Weil er taubstumm war, fiel er auf, auch wenn er sich noch so sehr wünschte, im Hintergrund zu bleiben. Immer wieder wurde er festgenommen, egal wohin er ging. Argwohn und Misstrauen waren in jeder Sprache gleich.

Der Sack mit seinen Besitztümern war schwer, und sein wertvolles Triptychon drückte ihm mit seinen scharfen Ecken in die Schulter, doch das machte Tom nichts aus. Es handelte sich dabei um ein Gemälde in drei separaten Teilen, die von Scharnieren grob zusammengehalten wurden, damit es wie eins aussah, wenn man es öffnete. Tom freute sich, wieder in England zu sein, dem Land, in dem er vor über vierzig Jahren geboren wurde. Die Erinnerung an sein Leben hier war mittlerweile verschwommen, er war noch klein gewesen, als seine Adoptivmutter ihn mit nach Frankreich genommen hatte. Es war damals ein hastiger Aufbruch gewesen, sie hatten nur wenige Stunden der Vorbereitung gehabt, um den Gefolgsleuten Seiner Majestät zuvorzukommen, die im Anmarsch waren, um sie aus ihrem Zuhause zu verjagen. Kurz zuvor war sein Vater – der einzige Vater, an den er sich erinnern konnte – vom König ermordet worden. Umgebracht, einzig weil er mit einem Sekretär namens Francis Dereham zusammengearbeitet hatte, der überführt worden war, mit Königin Catherine, der fünften Gattin des Königs, Ehebruch begangen zu haben. Dereham war hingerichtet worden, und Toms unschuldiger Vater war gestorben, während man ihn folterte, um Informationen, über die er nicht verfügte, aus ihm herauszubekommen. Seine Adoptivmutter hatte die Erinnerungen jedoch am Leben erhalten – in ihren Zeichnungen, ihrer Zeichensprache und dem Safran, den sie anbaute.

Nun hoffte er, hier wieder eine Heimat zu finden, einen Ort, wo er sich sicher und akzeptiert fühlen konnte. Die Menschen mochten einen nicht, wenn man anders war, und das war er zweifellos.

3

Juni 2021

Mathilde blieb einen Moment in der Abenddämmerung stehen und blickte an dem uralten Herrenhaus hoch. Es sah aus wie die alten englischen Gebäude, die sie aus Büchern und Filmen kannte, war allerdings viel größer als erwartet. Plump und breit, wie eine Englische Bulldogge, die in der Wärme des Abends döste. Die untergehende Sonne tauchte das Gebäude in ein weiches Rosa, die verwitterten Holzbalken, die sich über die helle Fassade zogen, wirkten wie ein dunkles Relief. Die Fenster – überwiegend aus winzigen Glasscheiben zusammengesetzt – reflektierten die letzten Sonnenstrahlen, glitzerten und funkelten Mathilde an.

Noch einmal schaute sie auf die Adresse, die in dem Brief angegeben war. Lutton Hall. Das war es eindeutig; als sie von der Landstraße abgebogen war, hatte sie ein altes, verblasstes Schild gesehen. Die Zufahrt war so lang, dass sie irgendwann schon dachte, es wäre einfach nur ein weiteres dieser lächerlich schmalen Sträßchen. Wuchernde Hecken und staubige Brennnesseln streiften ihren Van, bis sich die Straße schließlich zu einer breiten Einfahrt und einem großen Vorplatz öffnete. Der Schotter dort war unter einer dichten Decke aus Unkraut kaum mehr zu sehen. Überhaupt strahlte das gesamte Äußere etwas Ungeliebtes, Vernachlässigtes aus. Irgendwie schäbig. Mathilde empfand sofort eine Verbindung zu diesem Ort und hatte das Gefühl, dass es niemanden stören würde, wenn sie hier parkte. Sie wendete den Van, sodass er mit dem Hinterteil Richtung Gebäude stand. Sorg immer dafür, dass du jederzeit aufbrechen kannst: die wichtigste Regel, die ihre Mutter ihr beigebracht hatte.

Als sie vor dem großen Portal aus dunklem Holz stand, das mit schwarzen Riegeln besetzt war und sich unter einem glatten Steinsturz duckte, merkte sie, dass es weder einen Türklopfer noch eine Klingel gab. Also schlug sie fest mit der Faust dagegen, dann trat sie zur Seite und ging zu einem der Fenster. Sie beschirmte ihre Augen mit den Händen, lehnte sich an die Scheibe und versuchte hineinzuspähen. Der Raum war dunkel, und abgesehen von ein paar eckigen, weißen, aufragenden Formen konnte sie nichts erkennen.

»Ja, bitte, kann ich Ihnen helfen?« Mathildes Herz machte einen unangenehmen Satz, und sie drehte sich zu der Stimme um. In der nun offenen Tür stand eine Frau, die ungefähr in Mathildes Alter zu sein schien. Sie war etwas kleiner als sie, hatte aber dieselben tief liegenden Augen unter dicken, geraden Brauen. Mathildes Haar war viel dunkler und legte sich wie ein schwerer Vorhang über ihren Rücken, während die andere Frau ihr hellbraunes Haar zu einem Bob geschnitten trug. Etwas an ihr kam Mathilde vertraut vor.

»Ich habe einen Brief wegen dieses Hauses erhalten.« Mathilde kramte in ihrer Tasche nach dem Umschlag, der vom vielen Herausnehmen und wieder Hineinstecken knittrig und schmuddelig geworden war, und reichte ihn der Frau. Zum Glück war er auf Englisch verfasst, deshalb brauchte sie nichts zu erklären. Als die Frau ihn las, wurde sie bleich und gab Mathilde das Stück Papier zurück.

»Bitte kommen Sie rein«, krächzte sie und räusperte sich. Doch sie brachte auch ein zittriges Lächeln zustande, als sie zur Seite trat und den Arm hob, um Mathilde ins Haus zu bitten. Diese tat, wie ihr geheißen.

Die Eingangshalle war riesig und so einschüchternd, wie sie von außen vermuten ließ. An den mit dunklem Holz getäfelten Wänden hingen Ölgemälde von Menschen mit mürrischen Gesichtern. Hoch oben spannte sich ein Gewölbe wie in einer Kirche, das mit farbenprächtigen Bossen verziert war. Mit dem riesigen gemauerten Kamin und der wuchtigen Holztreppe, die sich an der Seite hinaufwand, wirkte der Raum wie eine Bühnenkulisse. Außerdem war es hier eiskalt. Mathilde schauderte ein wenig, als sie sich langsam um sich selbst drehte. Der Raum fühlte sich seltsam an, unruhig, und die Haare auf ihren Armen stellten sich auf. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich in einem Gebäude so fühlte. Sie besaß die Fähigkeit, die Ausstrahlung eines Raums wahrzunehmen, die Erinnerungen darin zu erspüren, die nun herauszusickern und nach ihr zu greifen schienen. Den leisen Puls eines schlagenden Herzens, den sanften Atem in ihrem Nacken von jemandem, der einst hier gewesen, aber längst vergessen war. Solche Empfindungen waren ihr vertraut, allerdings waren sie noch nie so stark gewesen wie in diesem Gebäude. Etwas hier hatte auf sie gewartet. Auf der Lauer gelegen.

»Hier lang, wir sind in der Küche«, sagte die Frau über ihre Schulter hinweg, während sie in einem Korridor verschwand, der so düster aussah wie der Rest des Herrenhauses, und Mathilde folgte ihr rasch – mit dem unbehaglichen Gefühl, begleitet zu werden.

Sie betraten eine große, helle, offene Küche, die an einem Ende von einem uralten cremefarbenen Herd dominiert wurde. So einen hatte es auch in ihrer Kindheit gegeben, und er hatte ebenso viel Rauch wie Hitze ausgestoßen. Die Frau füllte gerade einen Wasserkessel und redete dabei – leider viel zu schnell, selbst für Mathildes eigentlich recht ordentliche Englischkenntnisse. Als sie sich umdrehte und in Erwartung einer Antwort fragend die Augenbrauen hob, zuckte Mathilde nur mit den Schultern.

»Tut mir leid, mein Englisch. Könnten Sie wohl ein wenig langsamer sprechen, bitte?« Sie hatte das Wort »Schwester« im Redeschwall der Frau erkennen können, was sie sehr verwirrte.

»Sorry, meine Schuld«, entschuldigte sich die Frau, während sie einen Stuhl herauszog und Mathilde bedeutete, sich zu setzen. Dann nahm sie Tassen aus dem Schrank und hielt sie hoch. »Tee?«

»Ja, gern«, sagte Mathilde und nickte. Ihr gegenüber saß ein kleines Mädchen auf der Kante eines Stuhls und beobachtete sie aufmerksam. Wer waren diese Leute, und warum war sie hierherbeordert worden? Der Brief hatte die Frau ganz offensichtlich schockiert. Sie wünschte, jemand würde ihr endlich erklären, weshalb sie hier war, in diesem uralten Haus, in diesem Land, in dem sie nicht sein wollte. Schließlich trug die Frau Teekanne und Tassen zum Tisch und stellte noch einen Teller voll dick belegter Käsesandwichs dazu. Dann setzte sie sich und schob Mathilde den Teller hin. »Hungrig?«, fragte sie.

Es war lange her, seit sie zum letzten Mal etwas gegessen hatte; mit einem kurzen dankbaren Nicken schnappte sich Mathilde ein Sandwich und verschlang es mit wenigen Bissen, dann gab sie zwei Löffel Zucker in ihren Tee und stürzte ihn hinterher. Die anderen beiden sahen ihr schweigend dabei zu.

Am Ende hatte sie alle Sandwiches aufgegessen, und es war Zeit, herauszufinden, was hier eigentlich vor sich ging. Sie holte den Brief wieder aus der Tasche, hielt ihn hoch und legte ihn dann auf den Tisch.

»Ich verstehe nicht, weshalb ich herkommen sollte«, erklärte sie, während sie mit der Hand das Stück Papier glatt strich. »Hier steht, dass ich diesen Mann treffen soll, diesen«, sie hielt inne, während sie den Brief überflog, »Mr. Murray, und es hat etwas mit diesem Haus zu tun. Was also soll ich hier?« Sie wedelte mit dem Brief vor der Frau herum.

»Ich weiß nicht, weshalb er sich in dem Brief so geheimnisvoll gibt, aber es geht um deinen Vater. Und seinen Tod.«

»Mein Vater ist vor fast dreißig Jahren gestorben, warum will jemand jetzt über ihn reden?« Mathilde hob verwirrt die Stimme.

Die Frau stutzte. »Moment mal. Wie kommst du darauf, er wäre vor dreißig Jahren gestorben? Er ist im Februar von uns gegangen. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass sie dich finden würden. Hast du denn nicht gehört, was ich vorhin gesagt habe? Ich bin deine Schwester. Er war auch mein Vater.« Sie sprang auf und nahm ein kleines gerahmtes Foto von der Kommode hinter ihr und schob es über den Tisch. Der Mann darauf stand in einem ordentlich gepflegten Garten, den Fuß auf die Kante eines Spatens gestellt, während er in die Kamera grinste. Es fiel Mathilde schwer, das zuzugeben, aber sie wusste sofort, dass sie und dieser Mann verwandt waren.

»Das kann nicht sein«, polterte Mathilde. »Meiner Mutter wurde damals im Krankenhaus gesagt, dass er bei der Bombenexplosion zu schwer verletzt wurde, dass er höchstens noch Stunden zu leben hätte. Er wollte uns abholen, und dann war er tot. Man ließ uns nicht zu ihm, weil meine Mutter und er nicht verheiratet waren. Später hat man uns erzählt, er sei gestorben und bereits beerdigt.« Sie trank ihren Tee aus, funkelte die Frau über den Tisch hinweg wütend an und wartete auf eine Erklärung.

Das kleine Mädchen langweilte sich offenbar, es ließ sich vom Stuhl gleiten und verschwand durch eine Tür auf der anderen Seite des Raumes. Sekunden später waren die Geräusche eines Zeichentrickfilms zu hören. Die Frau lächelte und verdrehte die Augen, dann schloss sie die Tür, um den Geräuschpegel zu senken. Sie setzte sich auf den Stuhl, der Mathilde am nächsten stand, und ergriff ihre Hand. Mathilde sah, dass ihre eigenen Finger viel länger und dünner waren als die, die sie umfassten.

»Deine Hände.« Die Frau lächelte, während sie sie streichelte. »Genau wie seine.«

Mathilde zog die Hand weg. »Sag mir, weshalb ich wirklich hier bin«, bat sie.

»Ehrlich, das ist die Wahrheit, ich bin deine Schwester. Rachel.«

Mathilde begriff überhaupt nichts. Und das hatte nichts mit der Sprachbarriere zu tun. »Non. Ich habe keine Schwester«, erwiderte sie. »Warum sagst du so etwas?«

»Dein Vater war Peter Lutton – sieh mal, das steht hier in dem Brief, den sein Anwalt geschickt hat. Lutton Hall ist der Familiensitz. Na ja, er war auch mein Vater. Wir sind Schwestern. Halbschwestern, genauer gesagt. Ich habe immer von dir gewusst, er hat oft von meiner älteren Schwester gesprochen. Er hat deine Mutter in Beirut kennengelernt, als er als Journalist gearbeitet hat, und wie du sagtest, wollte er euch gerade abholen und nach England zurückbringen, als das Taxi, in dem er saß, von herabfallenden Trümmern getroffen wurde. Ganz in der Nähe war eine Bombe detoniert. Mehr wusste er nicht, als er Monate später aus dem Koma erwachte, in einem Krankenhaus in London, wohin man ihn überführt hatte. Mit der Gehirnverletzung und der gebrochenen Wirbelsäule war es ein Wunder, dass er überlebt hat, deshalb überrascht es mich nicht, dass man deiner Mutter gesagt hat, er hätte keine Chance. Sein Herz blieb mehr als nur einmal stehen, und er musste wiederbelebt werden, so schwer waren seine Verletzungen. Erst anderthalb Jahre später war er so weit wiederhergestellt, dass er zu euch zurückkehren konnte, aber inzwischen wart ihr beide verschwunden. Er ist nie über diesen Schock hinweggekommen, und er hat nie aufgehört, nach euch zu suchen. Wann immer es möglich war, flog er in den Libanon und später nach Frankreich, inserierte in Zeitschriften, unternahm alles Mögliche. Wir haben oft die Sommerferien dort verbracht, in denen er seine Suche fortsetzte. Ehrlich gesagt habe ich nicht geglaubt, dass dich die Anwälte finden würden. Du siehst ihm so ähnlich. Schließlich trat er eine Stelle in der Fleet Street in London an, und dann hat er meine Mum geheiratet. Aber wir haben immer von dir gewusst, du warst absolut kein Geheimnis. Wie um alles in der Welt hat der alte Mr. Murray dich gefunden?«

Mathilde zitterte jetzt am ganzen Körper. Schon seit Jahren war sie allein. Seit ihre Mutter gestorben war, reiste sie in ihrem Van herum, machte Fotos und verkaufte sie, wenn sie konnte, wobei sie sich für eine gute Aufnahme oft in gefährliche Situationen brachte. Inzwischen hatte sie sich in der Branche einen Namen gemacht. Und jetzt schien es, als hätte sie ihre journalistische Begabung von ihrem Vater geerbt, einem Mann, an den sie sich nicht erinnern konnte. Dem toten Vater, über den sie nichts wusste, weil ihre Mutter es nicht ertragen hatte, über ihn zu sprechen.

»Mein Name hat in einer Zeitschrift gestanden, unter einem Foto, das ich gemacht habe.« Sie stotterte, als sie das sagte.

»In Beirut? Bist du nach dem Krieg zurückgekehrt? Wohnst du jetzt dort?«

»Non. Nein. Wir flohen, als das Bombardement zu heftig wurde. Meine Mutter hat mir erzählt, das wäre nur Monate, nachdem mein Vater gestorben war, gewesen – beziehungsweise nachdem wir geglaubt hatten, dass er es wäre. Wir sind als Flüchtlinge nach Frankreich gekommen und haben uns dort niedergelassen. Ich war damals noch klein. Ich erinnere mich überhaupt nicht mehr an den Libanon und bin auch nie wieder dorthin zurückgekehrt. Ich habe dort nichts mehr. Meine Mutter wollte mir nichts über unsere Reise nach Frankreich erzählen und wie es dazu kam, dass wir so lebten. Die Bomben, der Tod – dies alles hat sie nie verkraftet. Sie war …«, sie sah sich um, als würden sich die Worte, die sie suchte, in den Schatten der Ecken verstecken, »… traumatisée. Heute würde man sagen, sie hatte PTBS. Sie schloss alles tief in ihrem Inneren ein. Sie starb, als ich sechzehn war.« Tränen schossen ihr in die Augen, als sie an die verängstigte, mental zerrüttete Frau dachte, die ihre Mutter gewesen war, immer darauf bedacht, sich vor der Welt zu verstecken. Szenen aus ihrer Kindheit, das Flüstern hinter vorgehaltener Hand, die Finger, die auf die »femme folle«, die »verrückte Frau«, zeigten, die nicht verrückt, sondern psychisch tief verwundet war. Es war schwer, sie sich als die junge, glücklich verliebte Frau vorzustellen, die sie einst gewesen sein musste. Mathilde hatte nie die Wahrheit darüber herausgefunden, was an jenem Tag passiert war, an dem ihr Vater sie nicht abholen gekommen war – bis jetzt.

»Hör mal«, Rachel rieb rasch über Mathildes Handrücken, »du stehst unter Schock, das merke ich. Mir ist nicht klar gewesen, dass du nichts von uns gewusst hast. Ich dachte, der alte Murray hätte dir wenigstens irgendeine Erklärung gegeben, aber er wollte dich wohl ins Bild setzen, sobald ihr euch trefft. Ich glaube, er hat nicht damit gerechnet, dass du direkt zum Haus und nicht zuerst in seine Kanzlei kommen würdest. Und jetzt habe ich es vermasselt, ich hatte schon immer eine große Klappe.« Sie lachte. »Vielleicht sollte ich jetzt gar nichts mehr sagen. Wir können ihn morgen früh anrufen und einen Termin für dich vereinbaren. Du kannst hier übernachten. Die Schlafzimmer sind ein wenig modrig und feucht, aber einige sind ganz okay.« Sie sprach plötzlich langsamer und hielt dann inne.

»Ist da sonst noch etwas, das ich wissen sollte?«, fragte Mathilde. »Was meinst du damit, dass du vielleicht gar nichts mehr sagen solltest? Gibt es noch weitere Familienmitglieder? Noch mehr Brüder und Schwestern?«

»Nein, keine weiteren Geschwister, nur mich. Dad hat eine Schwester, Alice. Sie und ihr Mann, unser Onkel Jack, leben ganz in der Nähe in einem alten Bauernhaus. Und dann gibt es noch meine Tochter Fleur.« Rachel machte eine Kopfbewegung zur Tür hin, durch die immer noch der Fernseher zu hören war. »Sie ist fünf. Mein Mann Andrew und ich leben in Peterborough, etwa neunzig Minuten Autofahrt von hier entfernt. Ich bin Grundschullehrerin und habe gerade Sommerferien, deshalb bin ich unter der Woche hier, um Dads Sachen zu sortieren und das Haus zu putzen. Alice hilft mir dabei. Wie du siehst, ist es ein großes Haus, und es gibt immer noch viel durchzusehen. Jetzt, wo du hier bist, sollten wir aber eigentlich nach Hause fahren. Andrew wird sich freuen, das Mikrowellenessen hängt ihm schon zum Hals raus.« Wieder lachte sie, und Mathilde entging nicht, dass sie gegen Ende hin dabei leicht hysterisch klang. Es gab keinen Zweifel: Niemand hatte damit gerechnet, dass sie tatsächlich gefunden wurde. Aber sie wusste immer noch nicht, weshalb sie in das heruntergekommene alte Herrenhaus zitiert worden war.

»Und was solltest du mir sonst noch nicht sagen?«, fragte Mathilde mit vorgerecktem Kinn. »Du kannst ruhig gleich damit herausrücken. Ich werde so tun …«, theatralisch hielt sie sich die Hand vor den Mund und riss die Augen auf, »… wenn ich … «, wieder sah sie im Brief nach, »… Mr. Murray kennenlerne.«

Rachel seufzte. »Wahrscheinlich spielt es keine Rolle, ob ich es dir sage oder er. Also: Dein Vater hat dir in seinem Testament dieses Haus vermacht – na ja, das ganze Anwesen.«

Mathilde klappte die Kinnlade herunter. Schließlich sagte sie: »Das kann nicht sein, oder? Das muss ein Irrtum sein. Er kannte mich doch überhaupt nicht, warum sollte er mir sein Haus hinterlassen? Du bist seine richtige Tochter, du solltest das alles bekommen.« Sie konnte sich gerade noch zurückhalten zu sagen, dass für sie ihr Vater ja schon seit vielen Jahren tot war. Ein Irrtum, der ihr ganzes Leben geprägt hatte. Dass er die ganze Zeit nicht nur am Leben gewesen, sondern auch nach ihr gesucht hatte, war nur schwer fassbar.

»Oh, mach dir keine Sorgen, mich hat er in seinem Testament nicht vergessen. Unser Vater hat seinerzeit ein paar echt schräge Investitionen getätigt und besaß dadurch ein hübsches Sümmchen Bargeld und Anlagen, die er mir hinterlassen hat. Er wusste, dass ich nicht hier leben will. Mein privates und berufliches Leben spielt sich in Peterborough ab. Außerdem war es ihm wichtig, dass du, als sein ältestes Kind, das Haus bekamst: dein Geburtsrecht, sozusagen. Es ist schon seit sehr langer Zeit im Besitz der Familie. Hör mal, lass uns für dich ein Schlafzimmer für heute Nacht finden«, wechselte sie recht abrupt das Thema. »Morgen triffst du dich dann mit Mr. Murray, der dir alles erklärt.« Rachel rief nach Fleur, die nach einigem Drängen schließlich auftauchte und ihrer Mutter nach oben folgte. Dort drückte Rachel ihr einen Pyjama in die Hand und schob sie ins Bad. Mathilde erhaschte einen Blick auf eine riesige, glanzlose Emaillebadewanne, die aussah, als wäre sie mindestens fünfzig Jahre alt, und fast so groß war wie ein Whirlpool. Nur nicht so einladend.

»Das Bettzeug ist nichts Besonderes, aber es ist okay.« Rachel nahm verwaschene Flanellbettwäsche in Pastelltönen aus einem riesigen begehbaren Wäscheschrank. Der Warmwasserspeicher gurgelte unheilvoll, als Fleur den Wasserhahn im Badezimmer aufdrehte. Sie gingen durch einen langen dunklen Flur, der in einem schwarzen Loch zu enden schien – jedenfalls war das Ende nicht zu erkennen. An den dunkel getäfelten Wänden reihten sich Porträts aneinander in aufwendig verzierten Rahmen; Gesichter, die grimmig zu ihnen herabstarrten, als wären sie erbost darüber, in ihrem Schlummer gestört zu werden. Mathilde würde warten müssen, bis es wieder hell war, um sie sich genauer anzusehen. Rachel öffnete eine Tür, die Mathilde nicht einmal bemerkt hatte, und führte sie in ein Zimmer. Die beiden Fenster gegenüber der Tür bestanden aus den gleichen winzigen Glasscheiben in Bleifassungen wie unten und ließen gerade so viel Licht ein, dass sie ein riesiges Schlafzimmer erkennen konnte. Eilig schaltete Rachel die Lampen auf den Nachttischen ein, die zu beiden Seiten eines riesigen dunklen Himmelbetts standen. Sofort wirkte das Zimmer einladender in ihrem warmen Schein.

»Hier oben gibt es keine Deckenbeleuchtung«, erklärte sie, »deshalb müssen wir mit Stehlampen auskommen. Außer in den Badezimmern, von denen gibt es allerdings nur zwei, und die sind auch ziemlich alt. Das hier war Dads Zimmer. Ich glaube, es würde ihm gefallen, wenn er wüsste, dass du hier schläfst.« Während sie redete, warf sie Decken und ein Federbett auf den Boden, das mit schimmerndem Satin in Paisleymuster bezogen war. Dann schnappte sie sich das Laken und bezog das Bett. Mathilde ging wie in Trance im Zimmer umher, nahm dieses und jenes in die Hand und stellte es wieder weg, sah sich die Bilder an der Wand an. Sie fühlte sich wie eine Touristin, als würden dicke rote Seile das Bett absperren, damit keine Kinder hinaufkletterten, und als würde gleich irgendein Museumswärter auftauchen, der nur darauf wartete, Fragen zu beantworten. Ihre Hilfe anzubieten, auf diese Idee kam sie gar nicht. Rachels finsteres Gesicht, während sie mehrmals um das Bett herumging, das Laken feststeckte und mit den schweren Decken kämpfte, entging ihr.

»Das Bad hast du ja schon gesehen, als wir heraufgekommen sind.« Rachel wischte sich die Haare aus der verschwitzten Stirn. »Und ich habe ein paar Handtücher ausgegraben. Hast du Zahnpasta und Duschgel? Ansonsten kannst du unseres benutzen, wenn du willst, aber ich habe keine übrige Zahnbürste.«

»Nein, nein, das habe ich alles. In meinem Van, ich gehe es holen.« Mathilde eilte zurück nach draußen, bevor Rachel das Haus abschloss. Der Abend war still, schwankte zwischen Dämmerung und Dunkelheit, Minuten, die nirgendwo in den Tag passten. Das Einzige, was sich bewegte, waren die Fledermäuse, die über ihr flatterten und im Sturzflug nach Insekten jagten, und die Nachtfalter, angelockt vom Licht, das aus der offenen Tür schien. Es war windstill, die Bäume, die den Hof säumten, standen reglos da, fast schien es, als würden sie auf etwas warten. Als Mathilde zur Hecktür des Vans ging, beschlich sie das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Sie schaute rasch hinauf zu den Fenstern und ließ ihren Blick über den Hof schweifen. Nein, da war nichts; sie war allein. Sie schnappte sich ihre Taschen und eilte zurück ins Haus.

Trotz der langen Fahrt und der Erschöpfung, die sie bis in jeden einzelnen Knochen spürte, konnte Mathilde nicht schlafen. Die dünnen Vorhänge, die so verschlissen waren, dass es schien, als würden sie nur von einer Girlande aus Spinnweben zusammengehalten, schirmten das helle Mondlicht nicht ab. Mit offenen Augen lag sie da, betrachtete die Umrisse der dunklen Möbel. Ihr Körper mochte todmüde sein, ihre Gedanken jedoch überschlugen sich, während sie versuchte, all das, was in den letzten paar Tagen geschehen war, zu verarbeiten.

Der Brief von Mr. Murray war mehrere Wochen unterwegs gewesen, bis er sie erreicht hatte. Als sie aus Stockholm zurück war, hatte sie kurz beim Magazin Amelia vorbeigeschaut, um den Stick mit den Fotos abzugeben und noch kurz mit der zuständigen Redakteurin zu reden. Danach war sie gleich wieder aufgebrochen. In Kroatien waren Proteste angekündigt, an denen möglicherweise auch einige korrupte Politiker teilnehmen wollten, und Gerüchten zufolge war Ärger vorprogrammiert. Journalistisch betrachtet, lohnte es sich immer, zu solchen Anlässen zu reisen. Der Brief war ihr dorthin nachgeschickt worden, doch sie war noch geblieben, bis die Demonstrationen vorbei waren, die – höchst befriedigend für sie – zu Ausschreitungen mit zahlreichen Verhaftungen geführt hatten. Genau die Art von Resultat, die sie mochte.

Nachdem sie die Fotos an mehrere Agenturen geschickt hatte, war sie wieder in ihren Van gestiegen und eine Woche lang quer über den Kontinent gefahren, bis sie schließlich in diesem seltsamen alten Haus gelandet war. Um hier nicht nur erzählt zu bekommen, dass sie eine Schwester hatte, von der sie nichts gewusst hatte, sondern auch, dass ihr Vater erst vor Kurzem gestorben war und nicht schon vor langer Zeit. Und nun hatte sie auch noch diesen alten Kasten von ihm geerbt. Sehr großzügig, wenn man bedachte, dass er sie seit Jahrzehnten nicht gesehen hatte. Wenn er sie damals gleich gefunden hätte, hätte ihre Mutter nicht all das durchmachen müssen, wäre ihre psychische Gesundheit nicht zerstört worden.

Mathildes Schultern fühlten sich so schwer an wie damals, als sie noch ein Kind gewesen war, auf der Flucht vor den Bomben und niedergedrückt von einem vollgestopften Rucksack, der all ihren Besitz enthielt. Wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn er sie gefunden hätte?

Das Bellen eines Fuchses ließ sie zusammenfahren. Sie war an die Geräusche der Nacht gewöhnt; ihr Van dämpfte keines von ihnen. Doch hier schienen sie von den Wänden widerzuhallen und fühlten sich umso bedrohlicher an. Beängstigend. Im ganzen Haus war es dunkel, es wirkte fast in sich versunken, als wäre es in die Vergangenheit zurückgekehrt. Mathilde kam es vor, als würde ein Splitter der Zeit ihre gequälte Seele malträtieren. Das Gefühl hatte sie schon in dem Moment gehabt, in dem sie das Gebäude zum ersten Mal betreten hatte, und jetzt, in den stillen Stunden der Nacht, vertiefte es sich noch, wurde bedrückender. Das gefiel ihr nicht. War es ihr Vater, der keine Ruhe fand und am Boden zerstört war, weil sie erst jetzt hier aufgetaucht war? Jetzt, wo es zu spät war?

So jedenfalls würde sie keine Ruhe finden. Also sprang sie aus dem Bett, streifte ihre Converse-Schuhe über und schlich nach unten zur Haustür. Den Schlüssel hatte Rachel auf ein Regal neben der Tür gelegt, das hatte Mathilde mitbekommen.

Kurz darauf lag sie zusammengerollt auf der Matratze hinten in ihrem Van, das vertraute Federbett und die alte Häkeldecke bis zum Kinn hochgezogen. Ihr Kopf drehte sich wegen all der neuen Informationen, doch sie versuchte, ruhig zu atmen, schloss die Augen und schlief endlich ein.

4

Januar 1584

Der Fußmarsch nach London dauerte zehn Tage, wobei sie zwei Tage in Canterbury Rast machten, um einen Teil der Arzneien, die sie bei sich hatten, gegen Essen und Bier einzutauschen. Jedes Mal wenn Tom in seine Gepäcktasche griff, die seine kostbaren Kräuter und Tränke enthielt, schlang er die Finger um ein zerknittertes Stück Pergament, das er in Calais bekommen hatte und das lange schwarze, stäbchenförmige Schoten enthielt. Auf dem Papier stand das Wort »Vanille« geschrieben.

Während er auf die Überfahrt nach England gewartet hatte, hatte er mit seiner Tinktur aus Beinwell – im Volksmund auch Wundallheil genannt – das Bein eines Schiffskapitäns vor dem Abfaulen bewahrt. Ob es gelingen würde, hatte auf Messers Schneide gestanden, und ihm drehte sich immer noch der Magen, wenn er sich an den Gestank des schwärenden Fleisches erinnerte, an die Sorge im Gesicht der Ehefrau. Seine Fähigkeiten als Apotheker waren nützlich, wo immer er war, trotz seines fehlenden Sprechvermögens. Schon von Kindheit an, als er noch nicht mal groß genug war, um auf den Arbeitstisch zu sehen, hatte er gelernt, indem er seinen Geschmacks- und seinen Geruchssinn anwendete und trainierte, Pflanzen skizzierte und beschriftete; darüber hinaus absorbierte er förmlich alles, was seine Mutter ihm zeigte. Ihre Fähigkeiten, die sie selbst vor langer Zeit von den Mönchen erworben hatte, waren nun auch seine. Eine universale Sprache. Für seine Hilfe in Calais hatte er das zusammengerollte Papier mit den seltsamen schwarzen Schoten bekommen, zusammen mit einem Brief, der ihn dem Bruder des Kapitäns empfahl, einem Apotheker an der Cheapside, einer der wichtigsten Verkehrsadern Londons. Tom war sich sicher, dass sich das als ausgesprochen nützlich erweisen würde.

Nach Tagen auf dem Land und an der frischen Luft, an denen sie aus Bächen tranken, wenn sie keinen Bauernhof fanden, der ihnen Bier verkaufte, war London ein Schock. Die überfüllten Straßen, in denen alles Mögliche kreuchte und fleuchte, der Gestank von Abwasser an der Themse und die dicht stehenden Gebäude, die sich gen Himmel reckten. Jeder Stock ragte etwas weiter hervor als der darunter, manchmal mehr als fünf Etagen. Wenn man sich dort oben herauslehnt, dachte Tom, könnte man die Mauer des gegenüberliegenden Hauses berühren. Sogar die Fenster waren wie Glaskästen auf die Straße hinaus gebaut, so als wollten die Bewohner jedes noch so kleine bisschen Raum ausnutzen. Die Häuser standen so eng, dass kaum ein Sonnenstrahl mehr seinen Weg auf die Straßen fand, dort unten herrschte düstere Finsternis. In manchen Gassen konnte Tom Menschen ausmachen, die sich in den Schatten zu verbergen suchten – als würden sie auf eine günstige Gelegenheit für einen Überfall warten. Ihn beschlich das Gefühl, dass es hier viele hinterhältige Menschen gab, und er drückte seine Habseligkeiten noch fester an sich. Sein Triptychon, seine Farben, seine Pflanzen und seine Arzneien waren alles, was er besaß. Das und jetzt auch noch sein kostbares Empfehlungsschreiben.

Die Cheapside war an und für sich leicht zu finden. Doch William wusste, dass Tom sich schwertun würde, sich bei den geschäftigen und anscheinend reizbaren Passanten der Stadt nur mit seiner Wachstafel verständlich zu machen. Ohne seinen Freund wäre er wohl stundenlang umhergewandert, bis er irgendwann durch Zufall auf sein Ziel gestoßen wäre. Hier auf der Cheapside gab es mehr Sonnenlicht und frische Luft, obwohl sich auch hier Menschen, Pferde und Karren drängten. Der Duft von heißen Pasteten wehte von einem Stand herüber, der in der Nähe der hohen Wasserleitung stand, aus der sich Wasser für die Hausherrinnen der Stadt ergoss. Toms Magen knurrte vor Hunger.

Nachdem sie die Straße eine Weile auf und ab gelaufen waren, blieben sie vor einem Laden stehen. William öffnete die Tür, und sie traten ein. Tom händigte dem Ladenbesitzer das Schreiben des Schiffskapitäns aus und wartete, während sich die beiden anderen unterhielten. Irgendwann sah der Ladenbesitzer zu ihm herüber, die Augen zusammengekniffen, als würde er sich fragen, wie es um Toms Verstand bestellt sei. Tom war diese abschätzigen Blicke gewöhnt. Schließlich nickte der Mann, hob die Hand zu der universalen Geste, dass man bleiben solle, wo man war, und gab beiden einen Humpen Bier. Dann verschwand er durch eine Tür hinten im Laden. Dankbar trank Tom seinen Becher in einem Zug aus, seine Kehle war trocken und rau nach ihrem langen Fußmarsch auf staubigen Straßen.

Ein paar Minuten später tauchte der Ladenbesitzer wieder auf und winkte Tom in ein Hinterzimmer. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, doch er nahm seine Tasche, winkte William zum Abschied zu und folgte ihm.

Unmittelbar darauf fand er sich an einem Ort wieder, an dem er sich sofort wie zu Hause fühlte – in einem staubigen, dämmrigen Destillierraum. Die Wände waren von Regalen gesäumt, auf denen grobe Tonflaschen und Gläser mit Pudern und Salben standen. An der Decke hingen Bündel getrockneter Kräuter, in der Luft lag der vertraute Duft nach Wacholder, Rosmarin und verbranntem Sauerampfer. Als er in einer Ecke einen Schemel entdeckte, ließ er sich daraufsinken, froh, seine müden Beine ausruhen zu können. Er und William waren seit dem frühen Morgen zu Fuß unterwegs gewesen, und er war erschöpft.

Im Destillierraum war es dämmrig, und die Wärme des Feuers ließ ihn unfassbar müde werden, er schloss die Augen, ließ den Kopf auf die Brust sinken und schlief ein. Doch der Ladenbesitzer rüttelte ihn gleich wieder wach. Hinter ihm stand ein Mann mittleren Alters mit sorgsam gestutztem Bart und gütigen dunklen Augen. Er lächelte Tom aufmunternd an, dessen Herz nach seinem unsanften Erwachen allmählich wieder ruhiger schlug. Langsam, mit steifen, schmerzenden Beinen stand Tom auf.

Der Ladenbesitzer hatte ein Stück groben Pergaments und eine Feder hervorgeholt, und der Neuankömmling begann zu schreiben. Ein Bierkrug erschien auf dem Tisch neben Tom, und er stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. Schließlich wurde das Papier an Tom weitergereicht, und er las es, wobei er oft hängen blieb. Es war Jahrzehnte her, seit er etwas in seiner Muttersprache gelesen hatte, und seine Kenntnisse waren schlichtweg eingerostet. Als er zum Ende gekommen war, begann er noch mal von vorne. Dann hob er den Blick und schaute die beiden Männer an. Hatte er das richtig verstanden? Missverständnisse waren in seinem Leben allgegenwärtig: Nuancen entgingen ihm, weil er den Tonfall der Menschen nicht hören konnte und sich stattdessen auf den Gesichtsausdruck verlassen musste. Laut dem Schreiben hieß dieser Mann Hugh Morgan, er war der Apotheker der Königin, und er bot Tom eine Stelle als sein Gehilfe an. Sie würden die Königin im Greenwich Palace, oder wo immer Ihre Majestät zu weilen geruhte, behandeln. Er würde ein Teil – wenn auch ein kleiner – des höfischen Lebens werden.

Seine Arbeit in Calais hatte sich bezahlt gemacht.

5

Februar 1584

Toms Kammer im Palast war, trotz ihrer bescheidenen Lage hinter dem Destillierraum, äußerst luxuriös im Vergleich zu den Behausungen, in denen er in den letzten Jahren gelebt hatte. Er besaß nun einen Raum für sich allein, mit einer Pritsche, einem kleinen dreibeinigen Schemel und einer Truhe für seine Habseligkeiten. Es gab ein kleines Fenster aus dickem milchigem Glas, allerdings keinen Kamin, deshalb war es jetzt im Winter bitterkalt. Der Destillierraum war jedoch gleich nebenan, dort brannte den ganzen Tag ein Feuer, und der Raum hielt auch des Nachts noch ein bisschen die Wärme, deshalb schlief er oft heimlich dort. Er lächelte und dachte an eine Geschichte, die seine Adoptivmutter für ihn gezeichnet hatte: die Geschichte, wie sie ihn genau in einer solchen Lage zum ersten Mal gesehen hatte – schlafend vor dem Kamin im Destillierraum. Niemand hatte je herausgefunden, wie er dorthin gekommen war, aber er durfte bei der Familie bleiben, bis er erwachsen war. Vielleicht suchte er deshalb immerzu nach einem Ort, an dem er sich endlich zu Hause fühlte.

Sein Besitz war in der schlichten Eichenholztruhe am Fußende seines Bettes verstaut, und es juckte ihn in den Fingern, seine Farben herauszuholen, das Triptychon zu öffnen und anzufangen, Szenen von allem, was er erlebt hatte, seit er auf englischem Boden war, zu malen. Aber dazu hatte er jetzt keine Zeit. Unten in dem Beutel, den er bei sich trug, war das kleine Bündel mit den Vanilleschoten, und als er wieder durch den Destillierraum ging, wo Hugh gerade ein Magenmittel für eine der Hofdamen der Königin mischte, hielt er es ihm hin, um es ihm zu zeigen.

Da ihm auf der Bootsfahrt zum Palast aufgegangen war, wie er mit Tom reden musste, damit er seine Lippen lesen konnte, wandte ihm Hugh das Gesicht voll zu und hob fragend die Augenbrauen. »Was ist das?«, wollte er wissen.

Tom wickelte die Schoten aus und zeigte ihm das Stück Papier, auf das der Kapitän »Vanille« geschrieben hatte. Er deutete auf die Pflanzen, die er ebenfalls mitgebracht hatte, trennte zwei von ihnen ab und hielt sie hoch. Der Kapitän hatte ihm versichert, dass an diesen Pflanzen dieselben schwarzen Schoten wachsen konnten, und Tom war ganz erpicht darauf herauszufinden, ob das stimmte.

Hugh wartete auf eine weitere Erklärung. Tom strich mit der Schote unter seiner Nase entlang, atmete den süßen Duft ein und hielt sie Hugh hin, damit er es ihm nachtat. Dieser zog wieder eine Augenbraue nach oben, dann breitete sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, und er nickte. Tom tat, als würde er ein heißes Getränk einschenken, und Hugh führte ihn zu einer der kleineren Küchen. Die beiden Mädchen, die dort arbeiteten, beachteten sie nicht. Suchend sah Tom sich um. Schließlich fand er den Vorratsschrank, in dem ein Krug Milch stand, der mit einem Leinentuch abgedeckt war. Er goss etwas davon in einen Topf und stellte ihn aufs Feuer, bis die Milch aufkochte. Dann gab er sie in eine Tasse mit etwas Honig und trug diese zurück in den Destillierraum. Er nahm eine der Schoten, schlitzte ein Stück davon auf, zerstieß es ein wenig im Mörser, gab es dann in die Tasse und rührte kräftig. Er wusste nicht so recht, ob er alles richtig machte, aber der Kapitän hatte ihm ein solches Getränk zubereitet, und er hoffte, dass er den Geschmack richtig hinbekommen hatte.

Er blies auf den heißen Trank, nippte daran und grinste. Es war genau derselbe süße, vanillige Geschmack. Er reichte den Becher Hugh, der ebenfalls zunächst vorsichtig daran nippte und dann einen größeren Schluck nahm. Hugh lächelte – und trank die Tasse leer. Die Milch hinterließ einen dicken weißen Streifen auf seinem Schnurrbart. Er nahm das Stück Pergament und ging zu einem Buch, das auf einem Tisch am Ende des Raumes lag, und notierte darin, was auf dem Zettel geschrieben stand. Dann nahm er Toms Pflanzen und untersuchte ihre Blätter, roch an ihnen und zupfte winzige Stücke ab, um sie zu kauen. Er sah herüber und schnitt eine Grimasse. Tom nickte zustimmend. Er hatte genau dasselbe getan, als er die Pflanzen bekommen hatte, doch sie rochen und schmeckten ganz anders als die Samen aus den Schoten.

Hugh nahm alle Pflanzen an sich und bedeutete Tom, ihm zu folgen. Er verschwand durch eine Tür, die durch einen langen Korridor führte, an dem verschiedene Lagerräume lagen. Ganz am anderen Ende führte eine Tür zum Nutzgarten.

In der Ecke befand sich ein Kräutergarten, angefüllt mit allerlei Pflanzen, die die Apotheker für ihre Arzneien brauchten. Er war nach traditioneller Art wie eine Blume angelegt, bei der jedes »Blütenblatt« Pflanzen enthielt, die einen bestimmten Teil des Körpers heilten. Auf einer Seite davon war ein Beet, das eine Mischung vieler verschiedener Stauden zu enthalten schien. Und dort ging Hugh in die Hocke. Tom kniete sich neben ihn und half ihm, seine Kräuter zusammen mit den Vanillesetzlingen zu pflanzen. Er sah, wie Hughs Lippen sich bewegten, und fragte sich, ob er wohl ein Gebet sprach, damit sie mehr von den seltsamen schwarzen Schoten hervorbrächten, die einen so wunderbaren süßen Geschmack hatten. Der Kapitän war über ein Jahr lang auf See gewesen, bevor er nach Calais gekommen war. Er konnte sie in jedem Hafen der Welt erstanden haben.

Lächelnd beugte sich Tom vor und fuhr mit den Fingern über die langen Gräser hinten im Beet. Das war etwas, was er sofort erkannte, eine Pflanze, die seine Mutter ihr Leben lang angebaut hatte. Safran. So viel harte Arbeit, um es zu erhalten, aber ein so kostbares Gewürz. Eines, das den Reichtum seines Vaters beträchtlich gemehrt hatte, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass er bei Hofe von seiner Stellung als wohletablierter Kaufmann und kleiner Höfling zu einem steinreichen Mann wurde und schließlich zu einer Position aufstieg, in der er direkt für die damalige Königin arbeitete. Eine Stellung, die ihn aber auch am Ende das Leben kostete.

6

März 1584

Das Leben im Palast war ganz anders als alles, was Tom je zuvor erlebt hatte. Die Arbeit war genauso hart, aber jetzt bekam er keinen seiner Patienten zu Gesicht. Stattdessen behandelte Hugh die Königin, ihre Hofdamen und Höflinge, und wenn er zurückkehrte, erklärte er Tom deren Leiden. Die beiden Männer beratschlagten dann über ein geeignetes Heilmittel, indem sie sich mithilfe der Wachstafel verständigten, auf Behältnisse zeigten und Tom Hughs Lippen las, was einfacher ging, nachdem Hugh seinen buschigen Schnurrbart gestutzt hatte. Außerdem versorgten sie die Palastbediensteten mit Arznei, die entweder an der offenen Tür des Destillierraums erschienen oder eine Botschaft sandten, damit Hugh kam und nach ihnen sah. Tom begriff, dass seine stille Welt trotz seiner neuen luxuriösen Umgebung kleiner geworden war, und so oft er konnte, schlüpfte er hinaus, um die Pflanzen draußen zu pflegen.

Eines Abends, als er aufräumte, bevor er sich schlafen legte, bemerkte er eine Bewegung und sah einen Diener in der Tür stehen, der mit ihm redete. Hugh hatte Kopfschmerzen und sich bereits zurückgezogen, deshalb war Tom allein. Er beobachtete die Lippen des Mannes, versuchte, so gut er es vermochte, die Wörter zu entschlüsseln. Königin, Schlaf, Kräutertee. Er nahm seine Tafel, zeigte auf seine Ohren und seinen Mund und schüttelte den Kopf – eine rasche Erklärung seiner Behinderung. Dann schrieb er auf, was er glaubte verstanden zu haben. Wünschte die Königin einen Schlaftrunk? Der Diener nickte dankbar.

Tom dachte einen Augenblick nach. Hugh hatte noch niemand anderes die Vanille probieren lassen. Sollte er es wagen, sie für die Königin zuzubereiten? Was könnte schlimmstenfalls passieren? Falls sie sie nicht mochte, war es möglich, dass Tom seine Arbeitsstelle verlor, aber er war zuversichtlich, dass er in der Stadt eine andere finden könnte. Und vergiften würde er sie damit nicht, irgendwelche Nebenwirkungen gab es auch nicht, weder er noch Hugh hatten sich nach dem Genuss schlecht gefühlt. Der Diener begann, ungeduldig mit dem Fuß zu klopfen, zweifellos wollte er den Wunsch rasch erfüllt sehen.

So schnell, wie er konnte, bereitete Tom warme Milch mit Honig zu und gab etwas zerdrückte Vanille hinein, genau wie er es vor ein paar Tagen gemacht hatte. Die winzigen schwarzen Samen schwammen oben, als er das Schotenstück wieder herausfischte. Er und Hugh hatten schnell herausgefunden, dass die äußere Hülle nicht essbar war. Würde die Königin etwas so Fremdartiges trinken? Der Diener jedenfalls sah nicht besonders glücklich aus, als er in den Becher starrte. Tom nahm ihn und nippte daran, dann reichte er ihn dem anderen, damit er ebenfalls probierte. Wenn er sah, dass keiner von ihnen tot umfiel, wäre er bestimmt zufrieden.

Dem Diener sagte der neue Geschmack offenkundig zu, und während Tom in seine Kammer ging und die Kerze ausblies, hoffte er, dass die Königin ebenso erfreut wäre.

Tom fuhr hoch, als ihn jemand heftig an der Schulter rüttelte. Das erste Licht des Morgens fiel durch das Fenster, und in dem dämmrigen Raum konnte er Hughs Gesicht dicht vor seinem eigenen erkennen. Es war noch zu dunkel, um zu sehen, was er sagte. Tom stand auf und folgte seinem Vorgesetzten in den Destillierraum, der von Kerzen erleuchtet war. Die Steinfliesen waren eiskalt unter Toms nackten Füßen, und da er nur seinen leinenen Kittel anhatte, begann er zu frösteln, hüpfte von einem Fuß auf den anderen und rückte näher ans Kaminfeuer, das Funken sprühte und prasselte, weil jemand Kienspäne und zwei große Holzscheite hineingeworfen hatte.

Hugh hielt die Wachstafel mit Toms Worten vom Vorabend hoch. Warum regte er sich bloß so auf? Was war denn passiert? Hatte Tom womöglich ihre Monarchin umgebracht? Ihn überlief es kalt. Unwillkürlich rieb er sich den Nacken, während er sich fragte, ob sich schon bald ein dickes, grobes Seil darumlegen würde. Er nickte langsam.

»Was hast du gemacht?«, fragte Hugh. Tom deutete auf die kleine Küche und dann auf den Mörser, in dem noch die Reste der zerdrückten Vanille zu sehen waren. »Milch, Honig?«, wollte Hugh wissen, und Tom nickte.

Rasch riss er Hugh die Tafel aus der Hand, wischte seine Worte fort und schrieb: »Königin krank?« Er überlegte, wie viel Zeit ihm wohl blieb zu fliehen, aber zu seinem Erstaunen und seiner Erleichterung schüttelte Hugh den Kopf; dann stellte er pantomimisch dar, wie die Königin die Milch trank, und zog die Mundwinkel zu einem breiten Grinsen nach oben. Tom begriff sofort, dass der Trank wohlgelitten gewesen war, und sein Herzschlag beruhigte sich allmählich wieder. Offenbar war seine Vanille ein voller Erfolg gewesen und sein Platz im Palast – zumindest vorerst – gesichert.

7

Juni 2021

Ein hartnäckiges Klopfen ließ Mathilde jäh hochschrecken. Grelles Sonnenlicht fiel durch die Windschutzscheibe des Vans, dessen Inneres sich bereits erwärmte. Sie strampelte die Decken weg und rieb sich die Augen, dann beugte sie sich vor und öffnete die Hecktür. Draußen stand Fleur, sie trug eine kurze rosafarbene Latzhose und ein passendes T-Shirt dazu. Ihre Miene war ernst.

»Mami sagt«, flüsterte sie, »dass es Zeit fürs Frühstück ist.«

»Okay, oui, ja, danke.« Mathilde nickte und gähnte herzhaft. Sie stand üblicherweise auf, wann sie wollte, und schätzte es ganz und gar nicht, geweckt zu werden. Lief das so in Familien? Wenn ja, würde es dauern, bis sie sich daran gewöhnt hatte.

»Und«, fuhr Fleur fast noch leiser fort, »Mami hat gesagt: ›Was ist verkehrt mit dem verdammten Bett?‹ Stimmt etwas nicht damit? Ich wollte eigentlich darin schlafen, aber Mami hat Nein gesagt.«

Mathilde kicherte. Das war wohl kaum Teil der Botschaft, mit der das Mädchen herausgeschickt worden war.

»Ich bin es gewohnt, hier drin zu schlafen«, erklärte sie, »siehst du? Ich habe ein eingebautes Bett, deshalb ist es sehr bequem.« Fleur bekam große Augen, als sie sich den kleinen, aber ordentlichen Innenraum genau ansah. Jeder Zentimeter wurde genutzt und bot Stauraum. Dann hüpfte sie zurück ins Haus, und Mathilde folgte ihr.

Sie fanden Rachel in der Küche, wo es verlockend nach Frühstück duftete, und Mathilde lief das Wasser im Mund zusammen. Es war schon lange her, dass sie eine warme Mahlzeit zu sich genommen hatte.

»Sandwich?« Rachel lächelte und deutete auf einen Teller auf dem Tisch, auf dem sich Brötchen türmten, aus denen knuspriger Speck herausquoll. Sie schenkte zwei Tassen Tee aus der größten Teekanne ein, die Mathilde je gesehen hatte. Offenbar kochten die Engländer tatsächlich Tee im Teekessel. Sie selbst hätte aber eigentlich lieber starken bitteren Kaffee gehabt. Sie würde ihre Cafetiere hereinbringen müssen, solange sie hier war.

»Dann hast du also lieber in deinem Van übernachtet?« Rachel zog die Augenbrauen nach oben, als sie ihr den Tee reichte, und Mathildes Blick huschte zu Fleur, die bereits angefangen hatte zu frühstücken. Ketchup rann ihr über das Kinn.

»Ich bin daran gewöhnt«, erklärte sie, »es ist klein.« Sie schlang die Arme um sich, wie um zu erklären, wie sich das anfühlte. »In so einem großen Bett kann ich nicht schlafen.« Und sich in dem Zimmer gemütlich einzurichten, lohnte sich nicht; sobald sie den Anwalt aufgesucht und ihre Optionen erfahren hätte, würde sie wieder losfahren. Das Haus würde verkauft werden, das Geld konnte sie gut gebrauchen. Selbst in der hellen Küche spürte sie die dunkle, bedrückende Atmosphäre, die in diesem Haus herrschte. Auf der Fußmatte an der Hintertür stand »Willkommen«, aber das Anwesen hatte nichts Einladendes an sich. Die Luft schien vom Flüstern all der Menschen, die einmal hier gelebt hatten, aber längst vergessen waren, regelrecht zu vibrieren, und ein kalter Hauch strich über ihre Haut.

Sobald es neun Uhr war, nahm Rachel ihr Handy. Sie hielt es Mathilde hin, während sie wartete, zu Mr. Murray durchgestellt zu werden, doch Mathilde schüttelte den Kopf. Sie verstand Englisch, wenn man direkt mit ihr sprach und sie das Gesicht des Sprechers sehen, die Mimik deuten konnte, aber juristische Fachbegriffe und dann auch noch per Telefon – das würde sie überfordern.

Rachel musste wohl durchgekommen sein, denn Mathilde hörte erfreute Ausrufe und so etwas wie: »Ich weiß, das ist wunderbar!« Schließlich beendete Rachel das Gespräch und verkündete, dass sie heute Nachmittag um drei einen Termin in Mr. Murrays Kanzlei in Fakenham hätte. »Ich kann dich hinbringen, wenn du willst. Ich muss sowieso in den Supermarkt, dann kann ich dich absetzen und einkaufen gehen.«

»Danke, das wäre sehr nett«, erwiderte Mathilde. Nachdem sie Rachel geholfen hatte, den Frühstückstisch abzuräumen, verschwand sie nach oben ins Bad, um sich zu waschen und anzuziehen. Sosehr sie das Leben im Van auch mochte, fließendes heißes Wasser zu haben, war eine willkommene Abwechslung.

Als sie wieder herunterkam, war Rachel ebenfalls angezogen und trank gerade noch eine Tasse Tee.

»Wollen wir einen Rundgang über das Gelände machen?«, schlug sie vor, »es ist ziemlich groß, deshalb können wir heute nicht alles sehen, aber wir könnten damit anfangen. Was meinst du?«

Mathilde zuckte mit den Schultern. Sie hatte Rachel noch nicht gesagt, dass sie vorhatte, sofort zu verschwinden, sobald sie heute Nachmittag alle relevanten Papiere unterschrieben hatte, aber sie hatte auch nichts anderes vor, deshalb wäre ein Spaziergang eigentlich ganz nett. Vielleicht fand sie sogar ein paar Kräuterarten, die sie ihrer Sammlung hinzufügen konnte. Als ihr ihre Kräuter einfielen, bat sie Rachel rasch um einen Krug und füllte ihn mit Wasser. Dann ging sie zu ihrem Van und stellte die Pflanzen in ihren Tontöpfen draußen auf den Boden.

»Wie hübsch«, rief Rachel, die ihr gefolgt war. »Was pflanzt du da an?« Sie beugte sich vor, um genauer hinzuschauen, und Mathilde war sich sicher, dass sie eigentlich »Welche davon ist Marihuana?« meinte. Als hätte sie die Grenzpolizei nicht längst hinter sich gelassen.

»Es sind Kräuter – basilic, Thymian, safran, Fieberkraut. Und das hier sind Vanillepflanzen. Sie müssen eigentlich ins Gewächshaus, aber vorne im Van ist es im Sommer ziemlich warm, und ich stelle sie auf das tableau de bord, während ich parke.« Sie deutete auf das Armaturenbrett, das mit leeren Chipstüten und Bröseln übersät war. »Ich verwende die Kräuter als Arzneimittel, das ist sehr nützlich, wenn man dauernd unterwegs ist. Meine Mutter hat das auch immer gemacht und mich gelehrt, welche Pflanzen gegen welche Krankheiten helfen.«

Fleur war bereits davongehüpft, auf einem Pfad, der durch eine Lücke in der hohen Hecke führte, die zwei Seiten des Hofes säumte. Mathilde schnappte sich ihre Kamera und folgte ihr. Gegenüber dem Haus hatte man freie Sicht: Ein alter Metallzaun grenzte den Hof von den flachen, offenen Feldern ab, die sich bis zu einem Dickicht aus Schilf in der Ferne erstreckten. Die silbernen Unterseiten der Blätter fingen das Sonnenlicht ein, während sich die Schilfrohre mit ihren wie Zigarren aussehenden Spitzen im Wind wiegten. Am weiten blassblauen Himmel zogen vereinzelt Wolken wie Pinselstriche, symmetrisch und gerade, die sich jedoch bald in der Hitze des Vormittags auflösten. Sie war die eintönigen, endlosen Felder Frankreichs gewöhnt, auf denen hohe Metallmasten gleichsam hochherrschaftlich die Landschaft bestimmten, doch das hier war etwas ganz anderes. Hier war die Landschaft sehr abwechslungsreich, getüpfelt von Bäumen und kleinen Hainen, dicken, alten Hecken, die sich zwischen den Weiden duckten, die Wurzeln tief in die Erde geschlagen – verwurzelt in alle Ewigkeit.

Sie gelangten in einen verwilderten Garten, der irgendwann einmal wohl gepflegt und sehr geliebt worden war, wie Mathilde mutmaßte. Vor ihnen erstreckte sich eine Rasenfläche, das Gras war hoch und gesprenkelt von Mohnblumen, Kreuzkraut und Weidenröschen. Dazwischen konnte sie erhöhte Beete und Rosensträucher ausmachen, die nun überwuchert und verwahrlost waren. Sie ging in die Hocke, sodass sie die fedrigen Spitzen der Gräser auf Augenhöhe hatte, und schoss ein paar Fotos. Dann folgte sie Rachel und Fleur, die gerade hinter einem Rhododendron verschwanden. Sie ließ die Fingerspitzen über die hohen Gräser streichen, schloss die Hand zu einer Faust, zog die Samen ab und ließ sie durch die Fingerspitzen zu Boden rieseln.

Der Pfad wurde ein wenig breiter, als er sich hinter ein paar baufälligen Backsteingebäuden entlangzog und dann in einen weiteren Garten führte. Dieser war noch verwilderter. Brombeeren und Disteln rangen zwischen Obstbäumen und Pflanzen, die Mathilde nicht kannte, um Platz.

»Der andere Teil war früher der formale Garten«, erklärte Rachel, »als meine Großeltern noch hier lebten. Dad hatte jedoch nur Interesse an seinem Obst und Gemüse, und irgendwann ging es ihm so schlecht, dass er nicht mehr viel arbeiten konnte. Genau hier war der Obst- und Gemüsegarten. Wie du sehen kannst, herrscht hier jetzt Chaos. Aber nichts, was ein starker Mann mit einer Motorsense nicht in den Griff bekäme.« Sie grinste Mathilde an. Diese nickte und dachte bei sich: Wer immer dieses Anwesen kauft, wird noch jede Menge Spaß damit haben.

»Aber das hier ist aufregend, komm mal her und schau es dir an.« Rachel drehte sich um und führte sie durch ein niedriges Wäldchen aus Buchen und Birken zu einer Lichtung. In der Mitte stand eine winzige Steinkapelle. Sie war noch intakt, von Efeu überwachsen, das sich bis zum Dachvorsprung hinaufzog und zwischen den Dachziegeln hervorlugte.

»Wow«, hauchte Mathilde, sie hob unwillkürlich die Kamera langsam an ihr Gesicht und schoss eine ganze Reihe Fotos, dann ging sie an einer Seite entlang und machte weitere Aufnahmen. »Incroyable«, flüsterte sie. Hinter ihr zerriss das Flattern von Flügeln die Stille, als eine Schar Tauben, erschrocken durch ihr plötzliches Auftauchen, aufgeregt gurrend aus den Bäumen aufflog und verschwand. Der Bann war gebrochen.

Sie traten zur Tür, die rau und über die Jahrhunderte verwittert war. Mathilde strich über das Holz, dessen Maserung sich uneben unter ihren Fingerspitzen anfühlte. Die Atmosphäre hatte sich schlagartig geändert. Es war, als würde die Welt den Atem anhalten, gespannt, was Mathilde jetzt tat. Sie erschauerte. Es war dasselbe Gefühl, das sie auch schon im Haus überkommen hatte, aber viel stärker: gespannte Erwartung und Sehnsucht. Sie drückte die Klinke aus schwerem, geschwungenem Metall nach unten und lehnte sich dagegen, doch die Tür bewegte sich nicht.

»Sie ist abgeschlossen«, bemerkte Rachel unnötigerweise. »Aber ich glaube, ich weiß vielleicht, wo der Schlüssel ist, wenn du hineinschauen willst. Im Herrenhaus gibt es eine Schublade mit unzähligen Schlüsseln. Ich zeige sie dir, wenn wir wieder zurück sind. Ich muss dich ohnehin noch im Haus herumführen.«

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