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Bille und Zottel Bd. 09 - Im Sattel durch den Sommer

Neugierig folgen Bille alle Gäste des Gartenfestes in den Pferdestall. Bille stemmt das Tor auf, aus dem Dunkel des Stalles dringt leises Wiehern. "Black Arrow!", sagt Bille tonlos. Da steht der bildschöne Rappe und blickt seine neue Besitzerin erwartungsvoll an. Für Bille geht ein Wunschtraum in Erfüllung - sie hat ein eigenes großes Pferd, mit dem sie in Zukunft Turniere reiten wird.


  • Erscheinungstag: 09.01.2014
  • Seitenanzahl: 128
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505134500

Leseprobe

TINA CASPARI

Schriftzug.tif

Im Sattel

durch den Sommer

Sommerferien sind doch das Größte

„Weiber!“, knurrte Florian verächtlich. Er hatte Mühe, diskret an den beiden verliebten Pärchen vorbeizuschauen, die vor ihm radelten und die ganze Breite der Landstraße einnahmen.

Es war sein Bruder Simon, der neben Bille fuhr und sie ansah wie ein verliebter Kater. Sogar auf dem Fahrrad mussten sie Händchen halten! Sah aus, als wären ihre Arme zusammengewachsen. Und daneben Tom, der Bettina mit Blicken verschlang, als wäre sie eine Schokoladentorte.

„Wie im Kino! Muss Liebe schön sein“, muffelte Florian und trat kräftiger in die Pedale. „Ich fahre schon mal vor und sage zu Hause Bescheid, dass ihr später kommt!“, rief er und fuhr an der Gruppe vorbei. „Hier bin ich ja wohl überflüssig!“

„Okay, tu das. Wir fahren noch mal zu den Mutterstuten hinüber!“, rief ihm Bille nach. „Bis zum Mittagessen ist doch noch jede Menge Zeit!“

„Eben. Ich weiß gar nicht, warum der so drängelt“, meinte Simon.

„Aber nicht doch! Wie kannst du die löblichen Absichten deines kleinen Bruders so verkennen!“, sagte Tom grinsend. „Er will uns nicht stören! Ein höflicher Junge!“

„Komm!“ Simon ließ Bille vor sich in den schmalen Feldweg einbiegen und folgte ihr.

Tom und Bettina blieben zurück.

„Musst du denn wirklich schon übermorgen fahren?“ Bettina seufzte abgrundtief.

„Was soll ich machen? Der Flug ist gebucht, meine Mutter erwartet mich in New York. Sie wäre total enttäuscht, wenn ich nicht käme.“ Tom lächelte hilflos. „In vier Wochen bin ich zurück, dann bleiben uns immerhin noch über zwei Wochen.“

„Ein schwacher Trost!“

„Du wirst sehen, die Zeit vergeht so schnell!“

„Das sagst du! Für dich sicher, du hast ja auch eine aufregende Reise vor dir. Florida, Strand, Sonne, ein tolles Hotel und ein Haufen super Mädchen!“ Bettinas Stimme klang weinerlich.

„He! Tina! Du bist ja eifersüchtig!“

Tom sprang vom Fahrrad und hielt die Freundin fest. Bettina war rot geworden. Sie stieg vom Rad und begann, an ihrer Schultasche zu zerren.

„Der Gepäckträger muss dringend repariert werden, er ist so locker, dauernd rutscht das blöde Ding aus dem Ständer“, murmelte sie und beugte den Kopf so weit hinunter, dass ihr Gesicht unter der langen dunklen Mähne fast verschwand.

„Jetzt komm mal her, ich muss dir etwas Ernstes sagen.“ Tom fasste die Locken der Freundin mit einer Hand wie einen Pferdeschwanz und zog Bettina zu sich heran. „Also, erstens gibt es auf der ganzen Welt nur ein einziges Mädchen, das mich interessiert! Nun rate mal, wer das ist!“

„Keine Ahnung!“

„Es ist die normalerweise ziemlich kluge und außerordentlich liebe Bettina Henrich aus Peershof. Alle anderen können mir gestohlen bleiben!“

„Bettina Henrich? Kenne ich nicht.“

„Grins nicht so unverschämt, ich weiß genau, worauf du aus bist. Du willst noch ein paar nette Sachen über dich hören, aber ich …“

„Sag doch mal! Was findest du an dieser Bettina?“

„Später.“

„Erst beantworte meine Frage!“

„Also gut. Sie ist ein Luder, denn sie tut so, als wüsste sie nicht, dass sie das hübscheste Mädchen im Umkreis von hundert Kilometern ist, sie ist …“

„Nur hundert?“

„Unterbrich mich nicht immer, sonst sage ich kein Wort mehr! Sie sieht aus wie ein zartes Reh, aber ihr Kopf ist aus Beton; sie kann zärtlich wie ein Kätzchen sein, aber ihre Krallen sind die eines ausgewachsenen Löwen; sie …“

„Hör auf, hör auf, es reicht!“ Bettina legte Tom lachend die Arme um den Hals. „Verdammt, warum bin ich bloß erst fünfzehn! Wenn ich achtzehn wäre, würde ich einfach mit dir fliegen!“

„Wenn wir beide schon über achtzehn wären, würde ich dir gar nicht erlauben, irgendwo ohne mich zu sein. Ich würde dich noch bis zum Nordpol mitschleppen!“

„Was willst du denn am Nordpol?“

„Nichts, wenn ich es mir genau überlege. Aber man kann ja nie wissen!“

Tom reckte sich bis zur vollen Höhe seiner einsfünfundneunzig, breitete die Arme aus und blinzelte in die Sonne.

„O Mann, was für ein Tag! Sieben Wochen keine Schule, alle Schufterei liegt hinter uns, die Zeugnisse sind okay, die Sonne scheint – meinst du nicht, das sollten wir feiern?“

Bettina schaute liebevoll zu dem hübschen Jungen auf, in den sie sich nun schon vor Monaten so unsterblich verliebt hatte. Tom mit den blauen Augen im immer wettergebräunten Gesicht, Tom mit den Grübchen, mit der widerspenstigen dunklen Mähne, Tom mit den behutsamen Händen und der empfindsamen Seele, die er unter einer lauten Fröhlichkeit zu verstecken pflegte. Tom, den sie vier Wochen lang nicht sehen würde.

Bettina schluckte.

„Du hast recht“, sagte sie und versuchte es mit einem fröhlichen Auflachen, „wenigstens heute wollen wir feiern.“

„Ich schreibe dir jeden Tag, okay?“ Tom legte tröstend seinen Arm um Bettinas Schultern. „Mir ist ja genauso zumute wie dir. Vier Wochen ohne dich, vier Wochen ohne die Pferde, die Freunde – es wird grässlich werden. Meine Mutter wird mich auf Partys schleppen, mich Leuten vorzeigen, die ich nicht ausstehen kann, und von morgens bis abends ein lückenloses Programm aufstellen, angefüllt mit Dingen, die mich anöden!“

„Armer Tom! Leiden wir also beide gemeinsam. Getrennt, aber gemeinsam. Komm, gehen wir zu den anderen zwei Trauerklößen.“

Bille und Simon lehnten am Koppelgatter und beobachteten die Mutterstuten mit ihren Fohlen. Iris, die zierliche Rappstute mit ihrer kleinen Tochter Irma, kam zu Bille und blies ihr übermütig ins Gesicht. Bille streichelte das samtweiche Pferdemaul, während neben ihr Simon den Kopf des Fohlens kraulte.

„Sie wird ein Ebenbild ihrer Mutter, findest du nicht?“

„Ich weiß nicht – sie scheint mir kräftiger gebaut, sicher wird sie einmal größer als Iris. Aber auf jeden Fall genauso hübsch!“

„Schau dir Santorin an! Ist er nicht super? Jede Wette, dass er für die Zucht genommen wird!“ Simon zeigte zu dem wild über die Koppel galoppierenden Hengstfohlen hinüber.

„Santa Monica hat immer tolle Fohlen gebracht …“ Bille seufzte tief.

„Was ist los? Was machst du für ein komisches Gesicht?“

„Ach, nichts.“

„Unsinn! Du hast doch was! Das sehe ich dir an der Nasenspitze an!“

„Ich habe nur gerade über etwas nachgedacht.“

„Über was?“

„Über das Abschiednehmen. Im Allgemeinen und im Besonderen. Dass es ziemlich beschissen ist. Jedes Jahr gibt’s das gleiche Drama, Fohlen werden geboren, du verliebst dich in sie, beschäftigst dich mit ihnen – und nach einigen Monaten musst du dich wieder von ihnen trennen. Und die meisten von ihnen siehst du nie wieder, du weißt nicht, ob sie’s gut haben oder schlecht, ob sie vielleicht von irgendeinem reichen Knacker gekauft werden, der sich nachher nicht um sie kümmert, oder von jemandem, der nichts von Pferden versteht, der sie falsch behandelt, oder ob sie etwa in einer Reitschule landen, wo sie völlig überfordert werden.“ Bille wandte sich ab, riss wütend einen Grashalm aus und drehte ihn sich um den Finger. „Ach, es ist einfach zum Heulen.“

Simon legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie sanft zu sich heran.

„Warum bist du plötzlich so schrecklich deprimiert?“, fragte er ein wenig hilflos. „Du solltest eigentlich strahlen! Der erste Ferientag, die Sonne scheint – und wir haben den ganzen Tag für uns!“

„Einen Tag, ja!“, fuhr Bille heftig auf. „Was nützt mir der eine Tag, wenn du die ganzen Ferien über unterwegs bist! Es werden die traurigsten, einsamsten, ödesten Ferien werden, die ich je hatte!“

Simon schaute sie so betroffen an, dass ihr der Ausbruch sofort leidtat.

„Entschuldige“, sagte Bille leise und legte ihren Kopf an seine Schulter. „Ich hab’s nicht so gemeint. Ich – ich meine, ich freue mich natürlich für dich, dass du zum ersten Mal richtig auf Turnierreise gehen kannst. Es ist nur leider so, dass du mir sehr fehlen wirst.“

„He! Ihr da! Auseinander! Was ist denn das für ein öffentliches Ärgernis!“, rief Tom von Weitem. „Ich muss dich ernsthaft verwarnen, lieber Simon! Du weißt, ich habe Bille als Schwester adoptiert und erlaube nicht, dass jemand an ihr rumfummelt!“

„Ach nee! Dann nimm du gefälligst sofort deine Pfoten von meiner kleinen Schwester, ja?“, gab Simon lachend zurück. „Sieh mal an, jetzt lächeln unsere trauernden Strohwitwen wieder! Na kommt, es wird Zeit, sonst kriegen wir nichts mehr zu essen.“

Sie kehrten zur Landstraße zurück und erreichten bald darauf die Kreuzung, an der sich ihre Wege trennten. Bille musste links nach Wedenbruck hinüber, Tom nahm den Feldweg, der geradeaus direkt auf Groß-Willmsdorf, den Gutshof seines Vaters, zuführte. Bettina und Simon bogen rechts in die Straße nach Peershof ein, eine von hohen Birken gesäumte, schmale Allee.

„Was machen wir denn nun heute, wir wollten doch feiern?“, fragte Tom und sprang vom Fahrrad.

„Wie wär’s mit einem Picknick am Strand?“, schlug Bille vor. „Wir nehmen unser Badezeug und was Leckeres zu essen und zu trinken mit und reiten zur Ostsee hinüber.“

„Super! Wo treffen wir uns? Am besten bei euch in Groß-Willmsdorf, gleich nach dem Mittagessen!“, rief Bettina. „Los, komm, Simon! Beeil dich! Umso eher haben wir die Pferde fertig.“

„Okay, bis später.“

Bettina und Simon starteten zu einem privaten Radrennen, während Tom zwischen den dichten Hecken verschwand, die den Feldweg einrahmten wie hohe Mauern. Bille sah ihm nach, wie er hin und her kurvte, um den Schlaglöchern und Furchen auszuweichen, die Traktoren und Landwirtschaftsmaschinen in dem lehmigen Boden hinterlassen hatten. Wenn man nicht aufpasste und in eine der eingetrockneten Rinnen geriet, konnte man ganz schön auf die Nase fallen.

„Ich bin ein Idiot!“, sagte Bille laut vor sich hin. Wie hatte sie nur in so eine trübe, miese Stimmung verfallen können! Wer konnte es besser haben als sie? Freunde, Pferde, einen Jungen, der sie liebte und der dabei war, ein großer Turnierreiter zu werden, ein gutes Zeugnis, super Eltern, mit denen sie sich gut verstand – was zum Teufel wollte sie denn noch?

Und dazu wochenlange Ferien, in denen sie den ganzen Tag im Stall und in der Reitbahn arbeiten konnte! Du lieber Himmel, ich habe so viel zu tun, dass mir gar keine Zeit bleiben wird, um Simon zu trauern, dachte sie. Und wenn es mich wirklich packt, werde ich ihm lange Briefe schreiben. Und ich werde mich auf seine Briefe freuen und jeden Turnierbericht lesen, jede Reportage im Fernsehen verfolgen! Wirklich, sie hatte keinen Grund, Trübsal zu blasen!

Im Straßengraben neben ihr blitzte etwas auf, ein Stück Metall, eine abgerissene Fahrradklingel vielleicht … Bille musste lächeln. Mit einem Fahrradsturz in den Graben hatte alles angefangen, damals, vor drei Jahren. Damals hatte sie nichts von alldem besessen, was heute so selbstverständlich war, nichts – außer ihren Träumen und hin und wieder einem heimlichen Besuch im Pferdestall von Groß-Willmsdorf.

Diese Träume vom Reiten hatten schließlich zu dem glücklichen Unglücksfall geführt, der sie – überrascht von einem plötzlich auftauchenden Wagen – in hohem Bogen in den Straßengraben befördert hatte, und kurze Zeit später in diesen Wagen, an die Seite ihres angebeteten Idols, des Turnierreiters Hans Tiedjen.

Das war der Anfang ihrer Freundschaft mit Toms Vater gewesen, den sie heute Daddy nennen durfte und der sie wie eine Tochter behandelte. Damals hätte sie nicht zu hoffen gewagt, dass sie einmal all seine Pferde reiten und dass Groß-Willmsdorf ihr zweites Zuhause werden würde.

Damals hatte sie mit Mutsch noch allein in dem kleinen Strohdachhaus gelebt. Onkel Paul war noch jeden Morgen in Mutschs kleines Lebensmittelgeschäft gekommen und hatte nicht den Mut gefunden, zwischen Brötcheneinkauf und dem neuesten Dorfklatsch Mutsch zu sagen, wie gern er sie hatte und dass er sie heiraten wolle. Nein, gestritten hatten sich die zwei, dass die Fetzen flogen!

„Da musste erst ich kommen und nachhelfen!“, murmelte Bille und kicherte.

Vor drei Jahren, da hatte sie auch die drei Peershofer Jungen noch nicht gekannt, und auch Bettina nicht, deren Adoptivschwester, die später Billes beste Freundin wurde. Und von Toms Existenz hatte sie keine Ahnung gehabt, Hans Tiedjens Sohn, der in Amerika bei seiner Mutter gelebt hatte.

Was war in diesen drei Jahren alles geschehen! Mutsch und Onkel Paul hatten geheiratet. Onkel Paul hatte ein Haus für sie alle gebaut, und in das alte Strohdachhaus waren Billes Schwester Inge und ihr Mann gezogen. Zottel war in ihr Leben getreten, damals ein trauriges, heruntergekommenes Überbleibsel aus einem pleitegegangenen Zirkus. Heute konnte sich Bille nicht mehr vorstellen, dass es je ein Leben ohne ihren rot-weiß gesprenkelten, frechen vierbeinigen Freund gegeben hatte!

Sie hatte reiten gelernt und ihr erstes Turnier gewonnen. Tom war aufgetaucht und hatte sie ganz einfach als kleine Schwester akzeptiert. Und dann war das mit Simon passiert. Keiner von ihnen konnte sagen, wann und wie sie sich eigentlich ineinander verliebt hatten. Es war so selbstverständlich, als wäre es von Anfang an nicht anders bestimmt gewesen.

Ich bin stolz auf ihn, dachte Bille. Und ich freue mich, dass er jetzt viele große Turniere mitmachen wird. Wahrhaftig, ich wäre ein Trottel, wenn ich auch nur ein bisschen traurig wäre! Der liebe Gott hat’s verdammt gut mit mir gemeint.

Die gedrückte Stimmung war wie weggeblasen. Bille atmete tief ein. Die Luft roch nach Meer und Sonne und Heu, der Wind streichelte ihr Gesicht und ließ die widerspenstigen Strähnen auf ihrer Stirn tanzen. Gleich würde sie Zottel von der Koppel holen und satteln, würde Mutsch aus der Speisekammer ein paar Leckerbissen stibitzen, ein Glas Kompott, eine Dose Kekse, Wurst, Schinken, Käse und Brot, Äpfel und Tomaten, dazu etwas Gutes zu trinken – so viel in die Satteltaschen hineinging. Und dann ab nach Groß-Willmsdorf! Mutsch und Onkel Paul kamen sowieso erst abends nach Hause, wenn das Geschäft geschlossen war. Es würde ein herrlicher Nachmittag werden!

„Sommerferien sind doch das Größte!“, murmelte Bille zufrieden.

Immer Ärger mit dem Personal

„Na, schwer gearbeitet?“ Der alte Petersen trat in die Stallgasse hinaus und nahm Bille Sinfonies Zügel aus der Hand.

„Das kann man wohl sagen! Aber ich habe das Gefühl, es war ein sehr erfolgreiches Training. Wir werden Freunde, Sinfonie und ich – heute war sie ganz durchlässig und weich, es hat richtig Spaß gemacht. Puh! Ich schwitze vielleicht!“ Bille zerrte ihr T-Shirt aus der Reithose und trocknete sich mit einem Zipfel das nasse Gesicht ab.

„Wir haben auch Handtücher im Stall, Mädchen!“

„Dauert zu lange.“

Bille begann Sinfonie abzusatteln, während die Stute versuchte, die Pellets in ihrer Hosentasche zu erreichen.

„Bist du fertig für heute?“

Hinter ihr tauchte Hubert auf, der Pferdepfleger und Gehilfe von Petersen.

„Von wegen, ich will noch drei Pferde reiten!“

„Dann lass mich das man machen. Ich bringe sie nachher auf die Koppel, da kann sie sich erholen. Mannometer, die dampft ja ganz schön!“

„Ich auch.“

„Werd sie auf dem Hof noch ein bisschen rumführen. In der Sonne ist sie in ein paar Minuten trocken. Wen nimmst du als Nächsten?“

„Nathan.“

„Ist Simon heute nicht da?“

„Nein, er kommt den ganzen Tag nicht. Ist mit seinen Eltern in die Stadt gefahren, um seine Ausstattung zu kaufen. Für die Reise – und für die Turniere.“

„Der Junge macht bestimmt eine Blitzkarriere!“

„Er ist ja auch ein ungewöhnlich guter Reiter“, murmelte der alte Petersen aus den Tiefen der Futterkiste hervor. „Hab wenig Menschen gekannt, die so einen sechsten Sinn für Pferde haben. Den Simon reiten zu sehen ist wie Musik.“

Billes Herz machte ein paar heftige Schläge. Manchmal hatte sie das Gefühl, als würde es ihr vor lauter Zärtlichkeit für Simon zu eng in der Kehle und sie müsste ersticken.

„Blitzkarriere ist eigentlich nicht das richtige Wort“, sagte sie gleichmütig, um der plötzlichen Gefühlsaufwallung Herr zu werden. „Schließlich reitet er seit seinem dritten Lebensjahr.“

„Das tut sein älterer Bruder, der Daniel, doch auch. Und ist nicht halb so gut!“, widersprach Hubert. „Nee, nee, der Simon hat einfach das gewisse Etwas, der ist zum Reiter geboren. Und seit der Chef ihn in die Mangel genommen hat, zieht er ab wie eine Rakete! Der wird mal Olympiasieger, das sage ich euch!“

„Schon möglich.“

„Ist Daniel schon weg?“, erkundigte sich der alte Petersen.

„Noch nicht“, berichtete Bille. „Er fährt in ein paar Tagen. Er will durch Frankreich und Italien trampen, bevor das Studium losgeht. Der hat’s gut … Er hat die Schule hinter sich!“

„So, so, da gehn die Großen also alle in den Ferien weg, und ihr Kleinen müsst zurückbleiben und die Arbeit für die anderen mitmachen.“

„Das Wort ‚Kleineʻ möchte ich überhört haben!“ Bille schaute Hubert streng von oben bis unten an. „Jugendliche von fünfzehn und sechzehn kann man wohl kaum noch als Kleinkinder betrachten!“

„Oh, Verzeihung, gnädiges Fräulein! Und wer übernimmt Asterix, wenn Daniel weg ist?“

„Meistens wird ihn Florian reiten. Und Edmund der Weise.“ Billes Sätze gingen im ohrenbetäubenden Lärm einer Motorsäge unter, der zugleich mit heftigem Klopfen und Hämmern über ihren Köpfen eingesetzt hatte.

„Die Frühstückspause ist vorbei …“

„Was sagst du?“

„Die Frühstückspause ist vorbei!“, brüllte Hubert.

„Das höre ich! Wann sind die denn endlich fertig mit der Bauerei?“

„In einer Woche, habe ich gehört. Das da sind jetzt die Heizungsinstallateure …“

„Die was?“

„Die Heizungsleute!“

Bille machte eine hilflose Geste und beeilte sich, Nathan, den Hubert mittlerweile gesattelt hatte, ins Freie zu ziehen. Ein Segen, dass sie die Pferde für die Zeit des Umbaus ausquartiert hatten. Sie bewohnten zur Zeit den Stall von Peershof und kamen nur zur täglichen Arbeit nach Groß-Willmsdorf herüber.

Bille schaute zum Dach des Pferdestalls hinauf, das bereits neu gedeckt war und unter dem sich nun die zukünftige Wohnung Herrn Tiedjens befand. Noch in den Sommerferien wollten sie umziehen. Schon jetzt hatten die Ausbauten drüben im Gutshaus begonnen, das zu einem Internat für pferdebegeisterte Jungen und Mädchen umgestaltet werden sollte, weil das riesige alte Haus für Tom und seinen Vater zu ungemütlich und teuer geworden war.

Bille stieg auf und ließ Nathan im Schritt zum Reitplatz hinübergehen.

„Wir zwei legen heute mal den Schongang ein“, sagte sie zu dem schönen braunen Wallach, der zu Herrn Tiedjens erfolgreichsten Turnierpferden gehörte. „Schließlich hast du in den nächsten Wochen einiges vor.“

Herr Tiedjen arbeitete heute noch einmal mit Tom, der Lohengrin ritt. Tom mit seiner Kraft brachte es tatsächlich fertig, den Faulpelz Lohengrin auf Touren zu bringen. Gerade nahm er eine Dreierkombination so makellos, dass Bille spontan applaudierte.

„Bravo, so gut habe ich den alten Gauner schon lange nicht mehr gesehen!“, rief sie Tom zu.

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