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Charly - Meine Chaosfamilie und ich, Band 02

hier erhältlich:

WAHNSINN! Als Star-Reporterin soll Charly für die Schülerzeitung ein paar unglaublichen Gerüchten nachgehen! Doch dann läuft alles schief ...
1. Es tauchen gemeine Interviews von ihr auf, die sie so NIE geschrieben hat!
2. Ihe beste Freundin REDET nicht mehr mit ihr!!!
Was ist da los? Und wie kann Charly das wieder geradebiegen?


  • Erscheinungstag: 12.01.2017
  • Seitenanzahl: 272
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505137839

Leseprobe

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Ins Deutsche übertragen

von Diana Steinbrede

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Für Tiana, die echte Charly.
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„Es war einmal ein Mädchen namens Charly. Sie war sanft und liebenswürdig, obwohl sie arm war und einen grausamen älteren Bruder hatte. Jeder liebte sie, besonders ihr treuer Hund Rolo und ihre besten Freundinnen Molly und Sina. Sie lebte in einem mit Rosen bewachsenen Häuschen mitten im Wald, und jeden Morgen sang sie so lieblich, dass sogar die Vögel innehielten, um zu lauschen …“

WAS STINKT HIER SO?

Was IST das? Echt jetzt, als ob irgendwas in meinem Zimmer gestorben wäre. Die Zwillinge schlafen im Schlafzimmer von Mum und Dad. Die können das doch wohl nicht sein, oder? Allerdings überrascht mich nichts mehr, wenn es um Joshuas und Elsies Hintern geht. Seit ich in den letzten fünf Monaten ein paar ihrer Windeln überlebt habe, wundere ich mich, dass unser Haus noch nicht zur biologischen Gefahrenzone erklärt wurde. Ich weiß, sie können nichts dafür. Aber ich bin sicher, dass ich so was als Baby nicht gemacht habe.

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Es KÖNNTE auch mal wieder Liam sein. Er ist fast 15 und stinkt heftiger als unsere Mülltonne. Aber er ist gerade bei einem Freund, und so weit stinkt nicht mal er. Was auch immer es ist, es treibt mir Tränen in die Augen. Wie soll ich mein Leben mit weniger als 500 Wörtern in ein Märchen verwandeln, für die Doppelstunde Englisch morgen, wenn die Atmosphäre um mich herum vergifteter ist als auf dem Saturn? Man könnte vielleicht sagen, das ist meine eigene Schuld, wenn ich meine Hausaufgaben bis acht Uhr sonntagabends aufschiebe, aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Ich kann nicht mal den Mief als Entschuldigung benutzen, dass ich meinen Aufsatz nicht geschrieben habe. Seit den Osterferien haben die Lehrer auf St. Jude’s uns eingebläut, dass die Jahresabschlussprüfungen vor der Tür stehen. Spielt ja keine Rolle, dass wir gerade mal Ende April haben und die Prüfungen erst im Juni sind. Offensichtlich reicht denen nicht mal der erkennbare Beweis dafür, dass mein Hund meine Hausaufgaben gefressen hat.

Was mich zu dem einzigen weiteren stinkenden Verdächtigen bringt: meinem Hund Rolo. Als ich mir zu meinem zehnten Geburtstag einen Welpen gewünscht habe, hatte ich ja keine Ahnung, dass der sich als halb schokofarbener Labrador und halb T-Rex entpuppen würde.

NICHTS ist vor ihm sicher. Diese kostspielige Erfahrung musste auch Dad machen, als er mal eine seiner Elvis-Presley-Perücken auf dem Sofa vergessen hatte. Am nächsten Morgen war nur noch die buschige schwarze Tolle übrig. Und wie schon das alte Sprichwort sagt: Was oben reinkommt, muss unten wieder raus … Ist ja wohl klar, was ich meine … Aber so eklig Rolo auch ist, normalerweise macht er sein Geschäft nicht im Haus. Und dieser Gestank ist so schlimm, dass der nur von drinnen kommen kann. Vielleicht sollte ich ihn irgendwie in mein Märchen einbauen – MÜFFELSTILZCHEN oder so was. Igitt. Wenn das so weitergeht, muss ich einen von Mums BHs zur Gasmaske umfunktionieren.

Es hilft alles nichts, ich muss nachforschen. Hey, vielleicht ist das ja meine Stärke? Ich könnte eine tolle Detektivin sein und Verbrechen aufklären. Ein Rätsel … drei Verdächtige … eine gefährliche Mission, um die Wahrheit aufzudecken …

Na gut, das klingt jetzt nicht gerade nach Sherlock Holmes, aber der hat ja auch mal klein angefangen.

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Mum und Dad fläzten auf dem Sofa, als ich runterkam. Mum schnarchte leise, und Dad war so sehr in eine ELVIS-Dokumentation vertieft, dass er den Gestank nicht bemerkt hatte.

„Obwohl … jetzt, wo du es sagst … Es liegt ein Hauch von Rosenkohl in der Luft.“ Er rümpfte die Nase. „Ist Liam zu Hause?“

Ich schüttelte den Kopf. „Es sind entweder die Babys oder Rolo.“

„Oder alle drei.“ Dad zog eine Grimasse. Er warf einen Blick auf Mum, die gerade in dem Moment einen besonders unweiblichen Schnarcher von sich gab. „Sollen wir nachsehen? Ich bin Doctor Who und du meine Assistentin.“

„Nein, danke.“ Ich folgte Dad die Treppe hinauf. „Ich bin der Doktor, und du kannst der Gehilfe sein.“

Als wir die Schlafzimmertür öffneten, schlug uns ein unglaublicher Gestank entgegen. Und bald wussten wir auch, warum: Joshua hatte die Art von Windeldefekt, die sie in der Werbung nie zeigen. Das ist jetzt kein Witz. Sein Unterhemd war quasi ein einziger brauner Fleck, der an seinem Hintern anfing und sich bis zu seinem Nacken erstreckte. Es sah aus, als hätte ihn jemand angesprüht, während er schlief.

Dad hielt sich die Hand vor den Mund. „If glauwe, wi hawen den Schuldiwen wefunden.“

Ich hielt mir die Nase zu. „Was?“

Er nahm seine Hand weg und verzog das Gesicht. „Ich sagte, ich glaube, wir haben den Schuldigen gefunden.“

Dagegen konnte ich nichts einwenden – der Beweis war ziemlich überwältigend. Worüber ich allerdings nicht hinwegkam: Elsie schlief tief und fest neben ihm, völlig unbeeindruckt, dass neben ihr eine WAHRE KACKASTROPHE ausgebrochen war.

Ich wich vor dem Horror zurück und überließ ihn Dad, während ich losging, um Wechselklamotten zu holen.

Nach einer halben Stunde hing der Geruch IMMER NOCH in der Luft, obwohl Dad Joshua wieder sauber gemacht und gelüftet hatte. Ich war wieder in meinem Zimmer und tat mein Bestes, mich auf die Hausaufgaben zu konzen­trieren, aber der Gestank schien immer schlimmer zu werden.

Nachdem ich ein paarmal geschnüffelt hatte, wurde mir schließlich klar, dass die Quelle des Gestanks doch unter meinem Bett sein könnte. Das schloss die Zwillinge aus. Ich überlegte, ob ich Dad rufen sollte. Aber dann fiel mir ein, dass ein guter Ermittler seine Drecksarbeit selbst erledigt, also holte ich tief Luft und spähte unters Bett. Und von dort starrte ein sehr schuldbewusster Rolo zu mir hinauf. Ich drückte mir ein Kissen auf die Nase, lehnte mich weiter vor und sah, dass er von Kopf bis Fuß mit etwas Braunem und Stinkendem verkrustet war. Die Teile, die nicht verkrustet waren, waren schmierig. Ich habe keine Ahnung, worin er sich gewälzt hatte. Haben die Nachbarn ihre getigerte Katze etwa gegen einen Babyelefanten eingetauscht? Und es war mal wieder typisch, dass er sich in meinem Zimmer versteckt hatte und nicht bei Liam. Unter meinem Bett liegt haufenweise Müll und Staub, was wahrscheinlich erklärt, warum ein Bonbonpapier auf einem von Rolos Augen klebte, und – IGITT – den Gestank! Kurz und gut, dagegen war Joshuas kleiner Unfall wie ein Spaziergang im Rosengarten gewesen.

Ich habe Molly und Sina gesimst und sie wissen lassen, dass die Kackokalypse ausgebrochen ist und ich den Reinigungseinsatz vielleicht nicht überlebe.

In solchen Momenten wünschte ich, wir hätten eine Katze.

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AAAHHH! Es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist, als um halb vier morgens von einem schreienden Baby geweckt zu werden: von zwei schreienden Babys geweckt zu werden. Erst recht, wenn man am nächsten Tag Schule hat und gerade erst wieder eingeschlafen war, nachdem sie zuletzt die Schallmauer durchbrochen hatten.

Bei Joshuas und Elsies Geschrei platzt einem fast das Trommelfell, und wir sind vor lauter Schlafentzug schon die reinsten Nervenbündel. Manchmal glaube ich, dass sie warten, bis wir alle eingeschlummert sind, und dann schlagen sie zu wie winzige Ninjas mit Kratzhandschuhen. Sina sagt, Schlafentzug ist eine echte Foltermethode, die vom Geheimdienst benutzt wird. Ich glaube ihr aufs Wort. Echt jetzt, allein schon meine Haare zu bürsten kommt mir wie eine Aufgabe aus einer Spielshow vor, und die Ringe unter meinen Augen sind fast schon olympisch. Molly glaubt, dass unser Haus der sicherste Platz in Windsor ist, wenn die Zombies mal zuschlagen. Weil unsere Gehirne schon von dem Überschallgebrüll der Zwillinge zermatscht sind. Und wenn uns der Schlafentzug nicht zur Strecke bringt, dann zumindest der Gestank.

Mein Dad tut auf total lächerliche Weise fröhlich, obwohl er fast jeden Morgen um halb fünf aufstehen muss und heute sogar über seinem Müsli eingeschlafen ist. Vielleicht ist er deshalb so wild auf seinen todlangweiligen Hauptberuf: damit er sich ausruhen kann. Dort kackt ihn wahrscheinlich auch niemand an.

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„Wir müssen versuchen, uns an ihnen zu freuen, solange sie klein sind“, plapperte er heute Morgen und legte sich Joshua an die Schulter. Dabei merkte er nicht, dass ihm Milchsabber über den Rücken aufs Hemd tröpfelte. „Schon bald werden sie herumkrabbeln und Chaos anrichten, und wir werden uns fragen, wo die Zeit geblieben ist.“

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Ich riss einen Streifen von meinem Toast. Ich würde es mehr genießen, eine große Schwester zu sein, wenn meine Augäpfel sich nicht so anfühlten, als wären sie in Nagellackentferner eingelegt worden. Selbst Liam hörte auf, sich Cornflakes in den Mund zu schaufeln, und warf mir einen Blick zu, der sagte: Wir sitzen im selben Boot. Da wusste ich, dass die Dinge echt schlecht standen. Liam ist der Inbegriff von mies, und wir sind niemals einer Meinung. Vielleicht zieht mich der Schlafentzug auf sein Niveau runter.

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Mum hat anscheinend die Sprache verloren. Sie grunzt nur noch, wenn ich sie irgendwas frage, außer es geht um Geld. Dann starrt sie mich wütend an und fängt an zu schimpfen. Ich weiß, dass Geld im Moment knapp ist, aber das heißt nicht, dass ich keine Bedürfnisse habe. Und laut Mums MODE-Magazin brauche ich genau jetzt etwas Sternenglanz-Selbstbräuner, um meinem Frühling auf die Sprünge zu helfen. Leider fand Mum das nicht, als ich ihr beim Frühstück den Artikel zeigte.

„Ich habe dir schon mal verboten, meine Zeitschriften zu lesen, Charly“, sagte sie, noch bevor ich bei Nummer drei der 10 SUPERGRÜNDE FÜR SELBSTBRÄUNER angekommen war. „Du bist sowieso zu jung, um dir Gedanken über Selbstbräuner zu machen. Du musst eben damit klarkommen, blass zu sein.“

Ha. Für sie ist ja alles in Ordnung. Sie verlässt kaum das Haus, und wenn doch, dann sind die Leute so beschäftigt damit, um die Zwillinge herumzutanzen, dass sie sie eh kaum bemerken. Wahrscheinlich ist das auch gut so, denn neben ihr würde sogar ein Vampir braun aussehen. Ich dagegen habe weniger als fünf Wochen bis zum St. Jude’s Maischulball, und ich weigere mich, als Draco Malfoys blasse Schwester hinzugehen.

„Aber –“

„Vergiss es, Charly“, schnauzte sie, legte die schlummernde Elsie zurück ins Babykörbchen und griff nach ihrer längst kalten Teetasse. „Denk ja nicht, dass ich den Vorfall mit den HORRORSTRÄHNCHEN vergessen habe.“

Das war wieder typisch. Ich meine, wir machen doch alle mal Fehler, oder? Einige Leute haben vielleicht etwas mehr Problemchen als andere (dass sie … keine Ahnung … vielleicht ein Strähnchenprodukt zum Selberfärben ein winziges bisschen zu lange drauflassen und ihre Haare leuchtend rostrot werden, zum Beispiel). Aber das bedeutet nicht, dass man sie DIE GANZE ZEIT daran erinnern muss. Vor allem, wenn ein kleiner Besuch beim Frisör alles wieder eingerenkt und gar nicht mal SO viel gekostet hat. Aber Mum denkt nicht daran, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Oh nein, sie vergisst NIE etwas.

Ich beschwor meine innere Gottheit der Ruhe, ließ meine Rinde für Rolo (alias Zerstörerwelpe) unter den Tisch fallen und stand auf. „Ich muss los.“

Dad schwankte mit dem Baby hin und her und zog eine Augenbraue hoch. „Soll ich dich mitnehmen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Ich treffe mich mit Molly und Sina. Bis später.“

Fast hätte ich die Küche verlassen, ohne den Babys einen Abschiedskuss zu geben. Aber dann erhaschte ich einen Blick auf Joshuas schlafendes Gesicht, das an Dads Schulter gekuschelt war, und sofort löste sich meine Wut in Luft auf. Ich flitzte zurück und drückte jedem einen zarten Kuss auf die Stirn. Dann beugte ich den Kopf und gab auch Mum einen Kuss auf die Wange.

„Hab einen schönen Tag“, flüsterte ich.

Sie lächelte, und ihre Augen leuchteten müde auf, sodass ich fast ein schlechtes Gewissen bekam. Wir können dieses Irrenhaus wenigstens jeden Tag verlassen. Sie ist hier in einem endlosen Albtraum von Atomwindeln und einem Berg aus Feuchttüchern gefangen und hat nur den Fernseher als Gesellschaft. Zum zillionsten Mal, seit die Zwillinge da sind, beschloss ich, ihr mehr zu helfen. Oder wenigstens weniger versessen auf Selbstbräuner zu sein.

„Danke, Charly“, sagte Mum, während Elsie die Nase rümpfte und anfing zu weinen. „Du auch.“

Ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass ich mich dann verdrückte. Ich habe Joshua und Elsie schrecklich gern, wirklich, aber sie brauchen SO viel Aufmerksamkeit. Ich brauche eine Tür zu einer anderen Welt in meinem Kleiderschrank. Einen Ort, wo die Tiere sprechen können und meine Schuhe nicht für Pudding halten.

 

Das Coolste daran, beste Freundinnen zu haben, die man seit dem vierten Lebensjahr kennt, ist: Man kann sich darauf verlassen, dass sie einen aufmuntern. So wie damals, als Molly den Nasenhaarschneider ihres Vaters dafür benutzt hatte, ihrem Teddybären einen Irokesenschnitt zu verpassen, und wir unseren auch das Fell abrasiert haben, damit sie aufhörte zu weinen. Oder als Sinas Halbbruder einen Virus auf den Laptop ihrer Mum heruntergeladen hat und ihr die Schuld zuschob – wir waren voll für sie da und haben sogar angeboten, an den Europäischen Gerichtshof zu schreiben, um uns über die Ungerechtigkeit zu beklagen.

„Babys weinen halt, Charly.“ Molly seufzte und verdrehte die Augen, als ob sie das alles schon mal gehört hätte. „Hast du dich etwa immer noch nicht daran gewöhnt?“

Ich grinste sarkastisch. Für eine sogenannte beste Freundin war sie nicht sehr verständnisvoll. Dann fiel mir ein, dass sie Einzelkind war und nie die Freuden eines kind­lichen Weckers ertragen musste. „Mir fällt gerade auf, dass du gar nicht mehr bei mir übernachtet hast, seitdem die Zwillinge da sind“, gab ich zurück. „Vielleicht solltest du es mal ausprobieren und herausfinden, wie du mit einem Schlafdefizit klarkommst, das so groß ist wie der Mount Everest!“

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Wir kabbelten uns den ganzen Weg bis zum Schultor. Zumindest Molly und ich. Sina sagte nicht viel, sie trottete nur neben uns her. Und nach einer Weile drang es zu meinem benebelten Gehirn durch, dass etwas nicht stimmte.

Ich knuffte Molly. „Was ist los, Sina? Erzähl mir nicht, dass du auch an Schlafentzug leidest!“

Sie zuckte die Schultern. „Nein.“

„Also, was ist los?“, fragte Molly.

Sina sah sich auf dem Schulhof um, als wollte sie sichergehen, dass niemand sie hören konnte. „Indianerehrenwort, dass das unter uns bleibt, okay?“, flüsterte sie. Wir nickten, und sie fuhr fort. „Kennt ihr das, wenn ihr glaubt, jemanden zu kennen, aber dann stellt sich heraus, dass ihr ihn überhaupt nicht kennt?“

„Meinst du so wie damals, als wir dachten, wir hätten Ziggy von den Droids gesehen, und ihn anbettelten, unsere Gesichter zu signieren, aber dann stellte sich heraus, dass er es gar nicht war, und wir konnten die Farbe nicht abbekommen?“, fragte Molly stirnrunzelnd.

Sina starrte sie finster an. „Nein, nicht so. Ich … ach, vergesst es einfach.“

Ich blieb stehen. Es gibt eine ungeschriebene Freundschaftsregel zwischen uns dreien, die besagt, dass wir uns ALLES erzählen. Es musste etwas Ernstes sein, wenn Sina nicht darüber sprechen wollte. „Nein, wir werden es nicht vergessen“, sagte ich. „Offensichtlich stimmt irgendwas nicht, und wir wollen helfen.“

Eine Minute lang sagte sie nichts. Dann füllten sich zu meinem Entsetzen ihre großen braunen Augen mit Tränen. „Eigentlich ist gar nichts. Nur dass meine Mum die letzten fünf Wochen donnerstagabends immer ausgeht.“

Molly sah ratlos aus, und sogar ich verstand zuerst nicht, warum Sina so verzweifelt war. Wenn ihre Mum nicht da war, war meistens ihr älterer Bruder zu Hause, sie musste also nicht allein klarkommen.

„Na und?“, fragte Molly. „Vielleicht spielt sie Bingo. Meine Tante war total begeistert davon, als sie letztes Jahr in den Ferien in Brighton waren, und mein Onkel musste ihr sogar verbieten, in die Spielhalle am Hafendamm zu gehen.“

Sina schüttelte den Kopf. „Es ist schlimmer. Ich … ich glaube, sie trifft sich wieder mit jemandem.“

Mir dämmerte etwas, und mein Mund klappte auf. Sinas Eltern hatten sich vor Jahren getrennt, und ihr Dad war fast sofort danach mit einer Frau namens Gloria zusammengezogen. Sina mochte sie nicht besonders, aber da sie ihren Dad nur einmal im Monat sah, spielte es keine große Rolle. Ihre Mum dagegen war seitdem immer Single gewesen. Der Gedanke daran, dass sie Dates hatte und möglicherweise jemanden traf, der Teil von Sinas zukünftigem Leben werden könnte, war echt Angst einflößend.

Molly sah nicht sehr überzeugt aus. „Bist du sicher, dass sie nicht Bingo spielt? Tante Eleni hat Onkel Dimitri erzählt, sie würde joggen gehen, aber in Wirklichkeit war sie die ganze Zeit am Hafendamm. Mein Dad sagte, das wäre ihre einzige Möglichkeit, jemals zwanzig Pfund zu verlieren – da hat Tante Eleni eine Woche lang nicht mehr mit ihm gesprochen.“

„Könnte sein, dass ich Mums Handy überprüft habe“, gab Sina zu und wurde rot. „Sie hat einem Julio gesimst wegen eines Treffens, und ich bin sicher, dass sie sich dort immer hinschleicht.“

Ups. Bei unserem Familienurlaub auf Teneriffa letztes Jahr gab es einen Kellner namens Julio. Aber das war nicht gerade ein Name, den ich oft in Windsor gehört hatte. Außer als ich am Schloss mal in eine spanische Touristengruppe geraten bin und fast in ihrem Bus gelandet wäre, der zurück nach Barcelona fuhr.

„Vielleicht gibt es eine ganz einfache Erklärung“, sagte ich, um sie zu beruhigen. „Das ist bestimmt alles nur ein großes Missverständnis.“

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„Ich habe einen Brief gefunden, den sie in ihr Notizbuch geschrieben hat“, fuhr Sina fort. „In einer Sprache, die jedenfalls nicht Englisch war und die sehr nach Spanisch aussah.“

Das hörte sich schlimm an. Soweit ich wusste, sprach Sinas Mum nicht mal Spanisch.

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