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Charly - Meine Chaosfamilie und ich, Band 03

Die große Schulaufführung - ein Broadwaymusical - steht vor der Tür, und natürlich ist Charly Feuer und Flamme! Doch je näher das Vorsingen und -tanzen rückt, desto nervöser wird sie. Was, wenn ihr großer Bruder recht hat und Charlys Stimme schlimmer klingt als das liebestolle Miauen der durchgeknallten Nachbarskatze? Von ihren zwei linken Tanzfüßen ganz zu schweigen …
Charly, ein charmanter Tollpatsch, sucht seinen Platz im Leben und bleibt sich dabei immer treu!


  • Erscheinungstag: 03.08.2017
  • Seitenanzahl: 256
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505140204

Leseprobe

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Für die Loughton Operatic Society, durch die MIMEN so viel Spaß macht.

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Uff, es ist zu heiß.

 

Ich weiß, es ist Juli, und da soll es sonnig sein, aber in den Nachrichten haben sie gesagt, dass die Temperatur in England höher ist als die in Griechenland, und das glaube ich sofort. Rolo verbringt seine ganze Zeit damit, hechelnd auf dem Boden zu liegen, als hätte er gerade den Mount Everest bestiegen. Die Zwillinge üben anscheinend für DAS GROSSE BRITISCHE NÖRGELN, und die Straßen schmelzen wahrscheinlich, wenn das noch lange so weitergeht, was erst recht nichts hilft. Wie soll der Eiswagen mit der dringend benötigten Versorgung über unsere Straße kommen, wenn der Teer wie geschmolzene Lava dahinströmt?

„Das ist wegen der Klimaveränderung“, erklärte Sina uns, als wir unsere schwitzenden, überhitzten Körper an einem glühenden Dienstagnachmittag kurz vor den Ferien nach Hause schleppten.

„Klimaveränderung?“, fragte Molly und fächelte sich mit einer schlaffen Kopie vom Infobrief der Siebtklässler Wind ins Gesicht. „Hat das was mit der Erholungskur am Meer zu tun, zu der sie Charlys Mutter nach der Geburt der Zwillinge schicken wollten?“

Sina schüttelte den Kopf. „Nein, das bedeutet, dass die Welt immer heißer wird, und das ist alles unsere eigene Schuld. Dank der egoistischen Handlungen der Menschen heizt sich der Planet auf, und genau genommen sind wir alle dem Untergang geweiht, wenn wir nicht sofort was dagegen tun.“

Ups. Ich sah Molly von der Seite an. Über so was sprechen wir normalerweise nicht auf dem Heimweg von der Schule. Normalerweise streiten wir darüber, wer das schärfste Mitglied von THE DROIDS ist oder ob Mr Petersons Unterricht noch langweiliger werden kann. Aber seitdem Sinas Mum letzten Monat bei dieser großen Demonstration in London war, redet sie nur noch über Umweltfreundlichkeit, und ein winziges bisschen färbt das auf Sina ab.

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Ich kapiere allerdings nicht, wie Menschen die ganze Erde dazu bringen können, sich zu überhitzen, egal, wie egoistisch sie sind. Obwohl … wenn ich so drüber nachdenke, sind einige von Liams Fürzen schon echt toxisch. Ich weiß, dass ältere Brüder eben ekelig sind, aber er ist irre abstoßend, darum kann ich mir schon vorstellen, wie er zum Ende unseres gewohnten Lebens beitragen könnte. Mein kleiner Bruder, Joshua, kann weniger dafür. Selbst der härteste Ökokrieger würde kein acht Monate altes Baby der Umweltverschmutzung beschuldigen, die es mit seinem Popo verursacht. Und dann dämmerte es mir, dass Sina mit Menschen unsere Spezies meinte, nicht die Menschen im Einzelnen, und alles ergab viel mehr Sinn.

„Was können wir dagegen tun?“, fragte Molly.

„Laufen, anstatt zu fahren, regionales Essen kaufen, Wäsche bei niedrigerer Temperatur waschen“, antwortete Sina, während sie die Punkte an ihren Fingern abzählte. „Aber unsere größte Herausforderung sind Leugner der Klimaveränderung. Wusstet ihr, dass es tatsächlich Idioten gibt, die sich weigern zu glauben, dass wir ein Problem haben?“

Ich dachte darüber nach. Niemand, dem Liams Ausdünstungen schon mal Tränen in die Augen getrieben hatten, konnte leugnen, dass er ein Problem hatte.

„Ha!“, sagte Molly. „Wir sollten sie für einen Tag nach St. Jude’s einladen. Geht’s nur mir so, oder ist es da heißer als sonst irgendwo?“

Ich muss zugeben, dass ich da ein etwas schlechtes Gewissen bekam. In St. Jude’s fühlt es sich TATSÄCHLICH im Moment heißer an als auf der Sonne, aber das liegt hauptsächlich daran, dass wir alle drei bei einer Hitzewelle Hosen tragen.

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Seitdem ich eine Petition gestartet habe, dass Mädchen in der Schule Hosen tragen dürfen, und die Gouverneure die Vorschriften dahingehend geändert haben, fühlte ich mich verpflichtet, nie mehr HOSENLOS zu sein. Molly und Sina sind großartige beste Freundinnen und unterstützen mich dabei, trotz ernsthafter Transpirationsprobleme. Eine Revolution anzuführen ist schweißtreibender, als ich gedacht hätte.

„Wenigstens ist das Schuljahr bald vorbei“, sagte ich. „Stellt euch nur vor: kein Mr Peterson für ganze sechs Wochen.“

Es ist nicht so, dass ich Mathe nicht mag, aber Mr Peterson ist genauso witzig, wie mein Dad cool ist: nämlich gar nicht. Obwohl Mr Peterson sich in seiner Freizeit wenigstens nicht wie Elvis Presley verkleidet, so wie Dad. Echt jetzt, es kommt mir vor, als hätte er die Mission, den Preis als peinlichstes Elternteil ALLER ZEITEN zu gewinnen. Er spricht sogar davon, dass er seine buschige schwarze Perücke und den glitzernden weißen Einteiler dieses Jahr mit in den Urlaub zum Strandglück-Feriendorf nehmen will. Wenn er das macht, dann ziehe ich bei Tante Jane und Onkel Ian ein.

„Keine Mrs Pitt-Rivers mehr“, sagte Sina und erschauerte trotz der Hitze.

Mrs Pitt-Rivers ist unsere superstrenge Konrektorin. Ehrlich, neben ihr wirkt Fräulein Knüppelkuh aus dem Buch von Roald Dahl regelrecht entspannt. Ich finde sie nicht so schlimm, weil sie vor ein paar Monaten fast nett zu mir war, aber Sina hat eine Heidenangst vor ihr.

„Kein Nathan Crossfield mehr“, bemerkte Holli mit einem Seitenblick zu mir. „Außer es gibt etwas, was du uns noch nicht erzählt hast …“

Meine Wangen waren sowieso schon warm, aber plötzlich wurden sie siedend heiß. Nathan Crossfield ist der beliebteste Junge in der Siebten. Er ist der Spitzenstürmer der Fußballmannschaft, ein Liebling der Lehrer und an der St.-Jude’s-Schule so was wie ein Superstar. Außerdem ist er mein Lieblingsmensch zum gemeinsamen Eisessen, und es könnte sein, dass ich ein winziges bisschen in ihn verknallt bin. Oh, und ich habe ihm einmal auf die Füße gekotzt, aber darüber sprechen wir NIE.

„Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte ich und versuchte, mir wie Königin Elsa eisige Gedanken zu machen. „Nathan wer?“

„Oh, bitteeee.“ Molly verdrehte die Augen. „Triffst du ihn in den Sommerferien oder nicht?“

„Wie soll sie das machen?“, fragte Sina. „Der Ferienkurs von der Eton Dorney Tanz- und Theaterakademie fängt direkt zu Ferienbeginn an, und sie fährt eine Woche zum Strandglück. Sie hat gar keine Zeit.“

Hier muss ich ein klitzekleines GESTÄNDNIS ablegen: Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt zur EDTTA gehen werde. Ich weiß, wir haben gemeinsam entschieden, uns dort anzumelden, aber das war, bevor Mum gesehen hat, wie teuer es ist. Sie hat so heftig geseufzt, dass unsere Nachbarn bestimmt gedacht haben, wir wären von irgendeinem örtlich extrem begrenzten Minihurrikan getroffen worden. Und dann habe ich gehört, wie sie mit Dad darüber gestritten hat, als ich im Bett war. Mum sagte, wir hätten kein Geld, nicht zusätzlich zu unserem Cornwall-Urlaub. Und Dad sagte, es wäre Zeit, dass ich meinen inneren Elvis entdecke, weshalb ich plötzlich nicht mehr GANZ so viel Lust darauf hatte. Aber Molly und Sina sind SUPERAUFGEREGT, und ich habe echt Angst, etwas zu verpassen. Ich hoffe wirklich, dass Theaterspielen mein GROSSES TALENT ist. Ich habe irgendwo gelesen, dass die besten Schauspieler MIMEN genannt werden, und bestimmt wird es viel schwieriger sein, einen Oscar zu gewinnen, wenn ich niemals die Chance hatte, etwas zu MIMEN. Aber wenn ich nicht zufällig im Lotto gewinne, weiß ich nicht, wie ich auf die EDTTA kommen soll.

Natürlich hatte ich noch nicht den Mut aufgebracht, meinen BESTEN FREUNDINNEN die schlechte Nachricht zu überbringen – ich hatte immer noch auf ein Wunder in letzter Minute gehofft. Und was es noch schlimmer macht: Nathan ist auch nicht da. Er erzählte mir letzte Woche, dass sein Dad die ganzen Sommerferien über in Australien arbeitet, und er muss mitfahren. Sechs Wochen ohne Besuch im Shake-Schuppen. 42 Tage ohne einen MEGA-ZUCKERSCHOCK-SHAKE. 1.008 lange Stunden ohne das süßeste Lächeln außerhalb von THE DROIDS. Das hatte ich Molly und Sina auch noch nicht erzählt, weil ich insgeheim gehofft hatte, ich würde aufwachen und merken, dass die ganze Unterhaltung zwischen Mom und Dad nur ein schlechter Traum gewesen war. Aber es war der Zeitpunkt gekommen, den Tatsachen ins Auge zu blicken: Mein Sommer würde eine FREUNDEFREIE ZONE werden.

„Oh“, sagte Molly, als ich ihnen jetzt von Nathan erzählte. „Das ist echt übel.“

Sina nickte mitleidig. „Das ist es. Aber auf der EDTTA wird es superwitzig!“

„Ja“, sagte ich und wünschte mir, dass meine gute Fee gerade gut aufpasste. „Na ja, dazu habe ich auch ein paar nicht ganz so tolle Nachrichten …“

Als wir meine Straße erreichten, hatte ich es geschafft, sie auf mein Stimmungslevel runterzuziehen, und keine von uns konnte einen Silberstreif am Horizont entdecken. Niedergeschlagen verabschiedete ich mich und trottete zu meiner Haustür.

Es würde mich echt nicht wundern, wenn sie so viel Spaß beim MIMEN hätten, dass sie im September längst vergessen hatten, wer ich war. Wenn ich doch nur etwas hätte, auf das ich mich freuen könnte, anstatt eine Woche lang auf engstem Raum mit meiner Familie zusammenzuhocken.

Wenn es doch wirklich gute Feen gäbe.

Mum sah verschwitzt und genervt aus, als ich ins Wohnzimmer kam.

„Charly, Rolo hat heute Morgen schon wieder einen von deinen Schlüpfern gefressen“, sagte sie und blies sich den Pony aus ihrer klebrigen Stirn, während sie mit einer sich windenden Ethel kämpfte. „Du wirst sie in Zukunft in deinen Wäschekorb stecken müssen, anstatt sie auf dem Boden liegen zu lassen.“

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Rolo schaute auf, als er seinen Namen hörte, und wedelte vorsichtshalber mit dem Schwanz, falls noch ein „Guter Junge!“ folgen würde. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: seine Besessenheit von meiner Unterwäsche oder dass ich das mit meiner Mutter ausdiskutieren muss. Sie kapiert anscheinend nicht, dass Rolo nur saubere, frisch gewaschene Unterhosen frisst. Er mag sein Futter am liebsten mit Waschpulver gewürzt, darum ist es völlig egal, wie chaotisch mein Zimmer aussieht. Trotzdem, so langsam herrscht ALARMSTUFE ROT: Mir geht die Unterwäsche aus. Jeden Augenblick wird es wieder eine von Mums „Wir haben kein Geld wie Heu“-Predigten geben. Ich WEISS, dass wir nicht viel Geld haben – man muss nur mal in unsere Schränke gucken und sich die mickrigen Vorräte an Schokolade und anderen Grundnahrungsmitteln anschauen. Aber ich kann schließlich nichts dafür, dass Rolo meine Schlüpfer mit dem Instinkt eines Polizeispürhunds erschnüffelt, oder? Er findet sie über­all, egal, wo ich sie hinpacke – sie sind NIRGENDWO sicher.

Etwas klopfte gegen meinen Fuß. Ich sah nach unten und entdeckte Joshua, halb unter den Tisch gequetscht, der mit seinen stämmigen kleinen Beinen wie mit Flossen herumzappelte. Seitdem die Zwillinge angefangen haben zu krabbeln, besteht Mums Arbeit nur noch daraus, sie von Unfug abzuhalten. Es kommt mir vor, als wären sie acht Monate alte kriminelle Superhirne – einer von ihnen lenkt Mom ab, und der andere geht auf Raubzug. Joshuas Lieblingsverbrechen ist es, die Hundekekse aus Rolos Napf zu klauen. Eigentlich ist es kein Wunder, dass Rolo meine SCHLÜPFER frisst …

„Ich habe heute mit Miss Skelly, der Direktorin der Theaterakademie, über die Kursgebühren gesprochen“, sagte Mum, als ich Joshua rettete und ihn auf den Arm nahm. Ein Getreidering klebte an seiner Stirn, und er sah aus, als wäre er ein Statist aus MONSTER AG.

„Okay“, sagte ich und wehrte seine zielstrebigen Bemühungen ab, mir die Finger in die Nase zu stecken. Jetzt war er also da, der entscheidende Augenblick für meinen Sommer – und vielleicht sogar meine gesamte Zukunft: alles oder nichts. „Und?“

Mum holte tief Luft. Mir rutschte das Herz in die Hose. Es konnte keine gute Nachricht sein, nicht solange ihr Gesicht wie eine finstere schwarze Wolke aussah. „Anscheinend haben sie ein Stipendium für Schüler, die sich die volle Gebühr nicht leisten können. Wir haben uns über unsere Familienumstände unterhalten, und wie es aussieht, hätten wir Anspruch darauf. Sie wollen eine Empfehlung von St. Jude’s, also habe ich ihnen den Namen von Mr Bearman genannt.“

„Oh“, sagte ich, und meine letzte Hoffnung schmolz wie eine Schneeflocke auf dem Grill. Von allen Lehrern auf der St. Jude’s ist mir Mr Bearman am liebsten, aber ich glaube, ich habe ihn bis jetzt immer nur enttäuscht. Zum ersten Mal, als die Schule dachte, ich wäre ein Genie, und sich dann herausstellte, dass ich keins bin, und zum zweiten Mal, als es das ganze Theater mit der Schülerzeitung gab, als ALLE dachten, ich wäre eine Klatschtante, obwohl ich das nicht war. Also, obwohl Mr Bearman echt nett ist (für einen Lehrer), glaube ich nicht, dass er mich für das Stipendium einer Theaterakademie empfehlen wird. Nicht solange er denkt, dass ich eine WANDELNDE KATASTROPHE bin.

Mum wiegte Elsie auf einer Hüfte auf und ab. „Es tut mir leid, dass wir nicht alles bezahlen können wie die Eltern von Molly und Sina. Es ist nur so, dass das Geld im Moment ein bisschen …“

„… knapp ist“, brachte ich ihren Satz zu Ende und versuchte krampfhaft, mir keinen Sommer vorzustellen, in dem der Höhepunkt der Ferien eine Schatzjagd im Strandglück-Feriendorf war, mit dem Maskottchen Käpt’n Taube. „Ja, ich weiß.“

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„Gib die Hoffnung nicht auf“, sagte Mum und roch an Elsies Po. „Tut mir leid, Rolo, ich dachte, der Gestank käme von dir. Bin in einer Minute zurück.“

Sie verschwand nach oben und nahm meine stinkende kleine Schwester mit. Ich setzte mich mit Joshua hin und schaute in seine großen, runden Augen. „Kuckuck“, sagte ich niedergeschlagen.

„Bah!“, sagte er, bevor er den lautesten Rülpser von sich gab, den ich in meinem ganzen Leben gehört hatte. Ich schwöre, die Fenster haben sogar etwas geklappert. Geradezu lächerlich selbstzufrieden gluckste er glücklich und kotzte mir dann halb verdaute Hundekuchen auf mein Shirt.

„MUM!“, brüllte ich und drehte Joshua um, für den Fall, dass noch mehr kam. „DEIN SOHN IST DAS EKELIGSTE WESEN, DAS DIE MENSCHHEIT JE HERVOR­GEBRACHT HAT!“

„Welcher?“, rief sie zurück.

Ich zögerte, denn obwohl mich Liam noch nie angekotzt hat, gibt es Hunderte Gründe, warum er noch schlimmer ist als Joshua. Und Joshua ist ein Baby, also kann man ihn nicht so richtig für seine Taten verantwortlich machen. „Beide!“, schrie ich.

Und dann beschloss Rolo anscheinend, sich der EKELHAFTIGKEIT anzuschließen, denn er versuchte, die Mischung aus Babykotze und Hundekeksen von meinem Shirt zu lecken.

Wie heißt noch mal dieses alte Sprichwort aus dem Showgeschäft? Arbeite niemals mit Kindern oder Tieren? ICH BIN SOFORT DABEI.

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„Charly, hast du eine Minute Zeit?“

Mr Bearman erwischte mich am Ende des Englischunterrichts im Klassenzimmer. Ich trottete nach vorn und bat Molly und Sina, mir in der Mensa einen Platz frei zu halten. Das war er also – der Moment, in dem mich Mr Bearman zu einem Sommer voll tödlicher Langeweile verdonnerte. „Ja bitte?“

„Ich wurde von der Direktorin einer örtlichen Theaterschule kontaktiert, und sie hat gefragt, ob ich dich als Kandidatin für ein Theaterstipendium in diesem Sommer sehe.“ Er musterte mich nachdenklich. „Ich wusste nicht, dass du von den Brettern träumst, die die Welt bedeuten.“

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„BRETTER, DIE DIE WELT BEDEUTEN“? Es würde mir einfach schon reichen, auf der Bühne zu stehen. Hier war also meine große Chance, ihn zu überzeugen, dass ich das Zeug zum Star hatte.

„Oh ja, Mr Bearman“, sagte ich vage. „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.“

Mr Bearman lächelte. „Das ist sicherlich eine davon“, stimmte er mir zu und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Also sag mal, was wäre deine Traumrolle?“

Mein Kopf war wie leer gefegt. Echt jetzt, es war, als ob jemand in meinem Kopf den Stöpsel gezogen hätte und all meine Gedanken durch das entstandene Loch gewirbelt wären.

Ich musste mir was ausdenken, und zwar SCHNELL. Denk nach, Charly, DENK NACH. „Ähm … Hermine Granger?“

„Gute Wahl.“ Mr Bearman nickte. „Und was würdest du Besonderes zu der Rolle beitragen?“

Was? WAS? Ich stellte mir Hermine vor – die kluge, erfinderische, zauberhafte Hermine. Und dann dachte ich über mich nach – das durchschnittliche, unfallgefährdete, manchmal mit Babykotze bedeckte Muggel-Ich. Außer unserer Haarfarbe hatten wir keine Gemeinsamkeiten. Genau genommen hätten wir nicht mal unterschiedlicher sein können, wenn eine von uns als Hippogreif geboren worden wäre.

Ich begann zu schwitzen. „Äh … also …“ Und da, als ich mir zum elfmillionsten Mal wünschte, dass ich keine Hose anhätte, kam mir ein Geistesblitz. „Ich würde meine Erfahrung aus dem Kampf für Hosen-Gerechtigkeit dazu nutzen, Hermines Kampf für die Freiheit der Haus­elfen zu verstehen.“

Mr Bearman musterte mich eine halbe Ewigkeit. „Das ist eine sehr gute Antwort. Okay, Charly, überlass das mir. Ich rufe Miss Skelly heute Nachmittag zurück.“

„Danke“, sagte ich, in der Hoffnung, dass ich ihn überzeugt hatte. Denn sonst würde ich diesen Sommer NIEMALS AUF IRGENDWELCHEN BRETTERN STEHEN.

 

OH GOTT. OH GOTT. OH GOTT.

BESTE. NACHRICHT. ALLER. ZEITEN: Mr Bearman hat’s geschafft! Mum hat einen Anruf von Miss Skelly bekommen, und sie haben mich für das EDTTA-Stipendium akzeptiert – ich gehe zur Theaterschule! Molly und Sina sind auch überglücklich. Unser Sommer wird total ROCKEN. Ich träume schon von dem Kleid, das ich tragen werde, wenn ich den Preis als beste Darstellerin bekomme, und überlege mir, was ich in meiner Rede sagen werde. Bestimmt werde ich Mr Bearman danken, dass er mir meinen ersten Auftritt ermöglicht hat, und meinen besten Freundinnen, dass sie so toll sind, und Rolo, dass er der beste Hund der Welt ist (selbst wenn er meine Unterhosen frisst und manchmal unglaublich ekelig ist), und … und … meinen Eltern natürlich, dass sie meine Füße auf die glitzernde Straße der Superstars gelenkt haben – obwohl … wenn Dad meint, dass er bei der Feier sein Elvis-Kostüm tragen darf, dann kriegt er eine Abreibung.

Ich bin ziemlich aufgeregt wegen meiner neuen Schauspielkarriere. Es macht mir nicht mal mehr so viel aus, dass ich Nathan während der 3.628.800 Sekunden, die er in Australien ist, nicht sehen werde, weil ich dann selbst etwas total Cooles mache.

Er schien sich wirklich für mich zu freuen, als ich ihm davon erzählte.

„Wow, Charly, das sind tolle Neuigkeiten“, sagte er, als wir nach dem letzten Schultag von einem begeisterten Rolo durch den Park geschleift wurden. „Molly hat mir vor einer Ewigkeit den Flyer gezeigt. Mum hat mich sogar für den Kurs in Theaterleitung angemeldet, aber wegen Dads Dienstreise kann ich nicht hingehen. Australien wird sicher super, aber es wäre total cool gewesen, den ganzen Sommer mit euch abzuhängen.“

Es wäre absolut irre gewesen, Nathan auch auf der Theaterakademie zu haben – dann wären sozusagen all meine Träume wahr geworden.

Aber Australien schien ein großartiges Reiseziel zu sein – auf jeden Fall stellte es meinen Urlaubsort klar in den Schatten. Außerdem bezweifelte ich, dass er seine Bettdecke mit dem BEKLOPPTESTEN HUND DER WELT teilen musste.

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„Ich bin sicher, dass du eine großartige Zeit hast“, sagte ich und versuchte, einen kleinen Anflug von Traurigkeit zu ignorieren. „Du wirst uns überhaupt nicht vermissen.“

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