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Dein letztes Spiel

hier erhältlich:

Christy und Martin, beide frisch geschieden, glauben nicht an Liebe auf den ersten Blick. Dennoch ist da eine ganz besondere Spannung zwischen ihnen. Doch es prickelt nicht nur im Schlafzimmer: Den wahren Kick holen sie sich, indem sie Christys bösen Exmann verfolgen und beginnen, ein gefährliches Spiel mit ihm zu spielen. Ein Spiel, das irgendwann zu weit gehen wird …


  • Erscheinungstag: 05.10.2017
  • Aus der Serie: James Patterson Bookshots
  • Bandnummer: 14
  • Seitenanzahl: 120
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959677110
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Die blutjunge Reporterin versuchte, im Blickfeld der Kamera zu bleiben, als diese auf die prächtige Villa schwenkte, die am South Ocean Boulevard an der Atlantikküste von Palm Beach stand. Schnell rief sie sich noch einmal ins Gedächtnis, was sie in ihren Journalistik- und Rundfunklehrgängen gelernt hatte: keine Emotionen zeigen, immer die Ruhe bewahren. Trotzdem zitterte ihre Stimme unmerklich, als der Moderator im Studio sie auf Sendung schaltete.

„Ich melde mich live aus Palm Beach, wo die Polizei gerade herauszufinden versucht, was in diesem Haus am South Ocean Boulevard geschehen ist“, begann sie ihren Bericht. „Wir wissen bislang, dass mindestens eine Person erschossen wurde, und dass der Mörder sich noch im Gebäude aufhalten soll.“ Die Reporterin flocht ein paar weniger wichtige Informationen ein, ehe sie zu dem Punkt gelangte, auf den es dem Produzenten der Sendung ankam. „Die Polizei hat diesen Bereich des South Ocean Boulevards großräumig gesperrt, und der Morgenverkehr staut sich bereits bis zur Southern Boulevard-Bridge, während wir zu erfahren hoffen, was genau zu der Situation geführt hat, mit der sich die Polizei derzeit konfrontiert sieht.“

Jemand hinter der Kamera bedeutete ihr, einen Schritt beiseitezutreten, damit das Licht der Morgensonne nicht von der Linse reflektiert und die Reporterin zum Schattenriss auf dem Bildschirm wurde. Während die Kamera der Berichterstatterin folgte, versammelten sich immer mehr Schaulustige aus der Nachbarschaft am Tatort. Ein solches Ereignis hatte es hier im östlichen Bereich der Küstenstraße noch nie gegeben. Üblich waren derlei Polizeieinsätze eher in West Palm Beach oder in Riviera Beach. Die meisten Bewohner in Palm Beach waren nämlich davon überzeugt, dass ihre Gegend gegen Kapitalverbrechen immun sei.

Die Reporterin gab dem Kameramann ein Zeichen, sie wieder ins Bild zu nehmen. „Wie uns soeben mitgeteilt wurde, hat der städtische Polizeichef das Büro des Sheriffs von Palm Beach County um Unterstützung gebeten für den Fall, dass sich die Einsatzkräfte gewaltsam Zutritt zum Haus verschaffen müssen.“

Im Hintergrund begann ein Polizeibeamter, der sich in der Nähe des Hauses positioniert hatte, in ein Megafon zu sprechen. Die Reporterin verstummte, damit die Techniker hinter der Kamera den Originalton aufnehmen und den Polizisten zeigen konnten, der geduckt hinter einem Streifenwagen stand.

„Martin Hawking, verlassen Sie das Haus mit erhobenen Händen durch die Vordertür. Ihnen wird nichts geschehen, wenn Sie es sofort tun.“ Etwa zwanzig Sekunden verstrichen. Dann wiederholte der Polizist: „Kommen Sie jetzt heraus, Mr. Hawking.“

1. KAPITEL

Es war nicht ganz einfach, auf einen der Hocker an einem der absurd hohen Tische zu steigen, die in der Nähe des Eingangs zum Palm Beach Grill standen. Von hier aus hatte man die Bar im Blick, wurde schnell bedient und konnte zudem den Haupteingang im Auge behalten und jeden, der hereinkam, sofort sehen. Diesen Hochsitz zu ergattern – an einem Freitagabend um sieben Uhr, wenn sich hier die Besucher von Palm Beach gegenseitig auf die Füße traten – grenzte fast an ein Wunder. Julie, die süße und sympathische Chefkellnerin, blieb an meinem Platz stehen, und ich umarmte sie.

Ich brauchte unbedingt einen Mädelsabend und ein bisschen Spaß mit meiner Freundin Lisa Martz. Sie hatte gerade eine ziemlich unangenehme Scheidung durchgemacht – genau wie ich, mit dem kleinen Unterschied jedoch, dass ich noch mitten im Prozess steckte –, aber sie hatte sich ziemlich schnell wieder gefangen und schaute nicht mehr zurück. Mir setzte es ein bisschen mehr zu, vor allem, weil es mich eiskalt erwischt hatte. Lisa war froh, ihrem Gefängnis entkommen zu sein; ich dagegen hatte nie das Gefühl gehabt, mich in einem befunden zu haben.

Lisa signalisierte der Kellnerin mit einer Handbewegung, dass wir noch eine Runde Margaritas brauchten.

„Das wäre dann heute Abend mein dritter Drink“, meinte ich grinsend. „Um die richtig zu verbrennen, muss ich morgen früh mindestens zwanzig Meilen laufen.“

Lisa legte mir die Hand auf den Arm und bemerkte mit ihrem niedlichen Alabama-Akzent: „Erzähl du mir nichts vom Abnehmen. Du siehst klasse aus. Als Brennan dich um die Scheidung bat, war es das Beste, was dir passieren konnte. Du bist eine ganz andere geworden. Mit diesen hohen Wangenknochen und deinem unwiderstehlichen Lächeln siehst du aus wie ein Model. Und wenn du mir jetzt noch erzählst, dass du von Natur aus blond bist, müsste ich dich sofort mit einer Gabel erstechen.“

Da ich allerdings keine Lust hatte, erstochen zu werden, hielt ich den Mund. Dass meine Freundin versuchte, mein Selbstbewusstsein zu stärken, fand ich sehr nett. Tatsache war, dass ich mich entschlossen hatte, regelmäßig im „CrossFit“ auf der anderen Seite der Brücke, in West Palm Beach, zu trainieren und inzwischen mehrere Male in der Woche am Strand entlangjoggte. Mein Mann, sechs Jahre älter als ich, war vor einigen Monaten vierzig geworden und zu der Einsicht gelangt, ich sei zu alt für ihn. Er hatte es zwar ein bisschen anders formuliert, aber ich bin ja nicht dämlich. Es hatte mich damals umgehauen, und ich hatte immer noch damit zu kämpfen. Aber ich war fest entschlossen, mir den Rest meines Lebens nicht von diesem Idioten vermiesen zu lassen. Wie mein Vater zu sagen pflegte: „Sei kein Weichei. Das Leben ist hart genug.“

Plötzlich winkte Lisa hektisch einem Mann am anderen Ende der Bar zu. Lächelnd bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge zu uns. Er war ungefähr in meinem Alter, und mit jedem Schritt, den er näherkam, sah er besser aus. Gute Figur, etwa eins fünfundachtzig groß, lässig gekleidet mit einem Buttondown-Hemd und Jeans. Eine angenehme Abwechslung zu den üblichen Angebern, die man sonst in Palm Beach traf.

Lisa stellte uns vor. „Christy, das ist mein Freund Martin Hawking. Marty, das ist Christy Moore. Sieht sie nicht großartig aus?“

Ich muss zugeben, dass mir das schüchterne, etwas schief geratene Lächeln und der Anflug von Röte, die Marty ins Gesicht stieg, gefielen, als er meine ausgestreckte Hand ergriff. Er strahlte eine natürliche, geradezu faszinierende Warmherzigkeit aus. Das kurze, sandfarbene Haar war wie geschaffen für einen viel beschäftigten Mann: Eine solche Frisur brauchte nämlich kaum Pflege. Ehe ich es mich versah, saßen wir allein zusammen, denn Lisa hatte einen kürzlich geschiedenen Frauenarzt entdeckt, der in einiger Entfernung von uns ein paar Drinks zu sich nahm, und beschlossen, ihm Gesellschaft zu leisten.

„Tut mir leid, wenn Lisa Ihnen den Abend vermasselt hat. Sie lässt Sie einfach hier mit mir sitzen und begibt sich auf die Jagd.“

Marty lachte nur. „Ich will ehrlich sein. Als ich Sie beide hier hereinkommen sah und sie mich kurz an der Bar begrüßte, habe ich sie gefragt, ob sie uns einander vorstellen könnte. Ich kenne sie von den Erweiterungsmaßnahmen an ihrem Haus drüben auf der Insel.“

„Sind Sie Bauunternehmer?“

„Nein, ich bin ein anständiger Mensch.“

Obwohl der Witz ziemlich abgedroschen war, musste ich lachen.

„Eigentlich bin ich Architekt. Also ein Bauunternehmer, der nicht genügend Ambitionen hat, Geld zu machen. Und Sie? Was machen Sie so?“

Am liebsten hätte ich geantwortet Ich suche mir immer die falschen Männer aus. Stattdessen sagte ich: „Ich mag Spiele.“ Wie zufällig landete seine Hand dicht neben meiner auf dem Tisch, und er schaute mich durchdringend an.

„Was für Spiele?“

Ich hatte keine Übung im Flirten. Ich befürchtete schon, ich würde es verderben, nachdem ich es so lange nicht praktiziert hatte. Anstatt ihm irgendetwas über ein langweiliges Spiel zu erzählen, das mir als Kind Spaß gebracht hatte, antwortete ich: „Vielleicht finden Sie es ja heraus.“

Mir sagte es zu, die Geheimnisvolle zu spielen. Dieser Kerl schien nicht nur nett zu sein, sondern hatte offenbar ein Auge auf mich geworfen. Mehr konnte ich im Moment wirklich nicht verlangen.

2. KAPITEL

Nach unseren Margaritas im Palm Beach Grill landeten wir in der Bar des Breakers Hotel. Wir waren die einzigen Gäste. Lisa hatte sich den geschiedenen Frauenarzt gekrallt, und Marty und ich unterhielten uns angeregt, während wir an unseren Drinks nippten. Wir redeten über Gott und die Welt. Unser Gespräch war locker, angenehm und lustig. Ich ertappte mich sogar dabei, wie ich über meine Trennung und die bevorstehende Scheidung sprach. Er erzählte mir etwas über seine eigene Scheidung und dass seine Frau nach Vero Beach gezogen war, damit sie einander nicht mehr über den Weg liefen. Keine schlechte Idee.

Wir tranken irgendetwas Spezielles, das, soweit ich mich entsinnen kann, aus Wodka, einem pinkfarbenen Fruchtsaft und noch viel mehr Wodka bestand. Marty hatte wohl gehofft, wir würden beide gleich schnell trinken, aber ich hielt mich vorsichtshalber zurück.

Dabei zerbrach ich mir die ganze Zeit den Kopf darüber, wie ich Marty beibringen sollte, dass ich ihn gern mit nach Hause nehmen würde, doch mir fielen einfach nicht die passenden Worte ein. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie einen One-Night-Stand gehabt. Es war neu für mich und auch ein bisschen Angst einflößend. Allerdings muss ich zugeben, dass ich es auch ziemlich aufregend fand.

Er schaute mich an und sagte: „Du hast die schönsten Augen, die ich je gesehen habe.“

„Das liegt nur am Alkohol.“

„Nein, ich meine es ernst. Alle vier sind wunderschön.“ Er schlackerte mit dem Kopf wie jemand, der ziemlich betrunken ist, und ich musste laut lachen.

Das reichte, um all meinen Mut zusammenzukratzen und ihn zu fragen: „Wollen wir noch einen Absacker bei mir trinken?“

„Wie weit ist es denn?“

Ich schaute ihn an. „In Belle Glade. Etwa eine Stunde von hier.“

„Wie bitte?“

„Nein, Mr. Unbedarft. Es ist hier in Palm Beach. Auf dieser Insel ist niemand länger als zehn Minuten von seinem Haus entfernt.“

Wir nahmen ein Taxi zum Brazilian Court Hotel, wo ich vorübergehend abgestiegen war. Obwohl Brennan mich bei der Scheidung vollkommen über den Tisch gezogen hatte – schuld war ein Ehevertrag, den ich vor der Hochzeit unterschrieben hatte, als ich noch glaubte, dass er mich wirklich liebte –, wollte er nicht, dass die Nachbarn ihn für einen elenden Geizhals hielten. Deshalb spendierte er mir dieses nette Apartment im Hotel. Geld spielte für ihn nämlich keine Rolle, und ich konnte wenigstens auf der Insel bleiben, um mich um alles Notwendige zu kümmern.

Im Brazilian Court stellte niemand Fragen. Allie, eine junge Frau aus meiner Fitnessgruppe, hatte Nachtdienst. Sie nickte mir immer ermutigend zu, wenn sie Brennan durch die Hotellobby marschieren sah, um mir wieder irgendwelche neuen Hinterhältigkeiten zu verkünden. Sie war auch sonst immer für mich da – mit einem offenen Ohr oder einem tröstenden Wort.

In meinem Apartment stellte ich fest, dass ich immer noch ein wenig beschwipst war – ein Wort, das ich noch nie benutzt hatte, bevor wir nach Palm Beach gezogen waren. Hier trank sich jeder immer einen „kleinen Schwips“ an, egal, wie viel man wirklich in sich hineingeschüttet hatte. Aber dieses Mal war ich wirklich nur ein bisschen „beschwipst“.

Das winzige Apartment bestand aus einem Wohnzimmer, einem gemütlichen Schlafzimmer und einem Bad. Vom Balkon aus blickte man auf die tropischen Gewächse, die im Garten des Hotels wuchsen, das drei Häuserblocks vom Ozean entfernt lag. Das Brazilian Court war ein ziemlich angesagtes Hotel, und an manchen Abenden konnte es in der Bar durchaus interessant werden.

Marty schaute sich um und sagte dann an mich gewandt: „Wir könnten etwas Musik gebrauchen.“ Seine Worte klangen ein wenig verwaschen.

Das Nächste, an das ich mich erinnere, war der alte Gloria-Estefan-Song, der durch die übergroßen Lautsprecher dröhnte, die ich an mein iPhone angeschlossen hatte. Wir schafften es auch noch bis auf das Sofa mit dem Bambusrahmen und begannen zu knutschen wie Teenager. Es machte mir Spaß, und ich ließ mich bereitwillig fallen. Ich vergaß alles um mich herum – bis ich ein Klopfen an der Zimmertür hörte. Es musste schon einige Zeit geklopft haben, denn es dauerte eine ganze Weile, bis es durch die Musik und Martys Küsse in mein Bewusstsein drang.

Und als es so weit war, verwandelte sich das Klopfen in ein lautes Hämmern.

3. KAPITEL

Marty beugte sich nach hinten und schaltete die Musik aus. Ich stand auf und strich mein Cocktailkleid glatt. Er warf mir einen seltsamen Blick zu und verschwand im Schlafzimmer. Mir wurde klar, dass er es meinetwegen tat – damit mir niemand peinliche Fragen stellte.

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich langsam zur Tür ging, um Marty genügend Zeit zu lassen, im hinteren Teil des Apartments zu verschwinden.

Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt und schaute ins Gesicht meiner Freundin Allie. Ich sah sofort, dass irgendetwas nicht stimmte.

„Was ist los, Allie?“ Meine Frage kam klar und deutlich, und der Stolz darüber musste mir im Gesicht gestanden haben.

Mit unterdrückter Stimme sagte sie: „Himmel, Christy, könnt ihr nicht ein bisschen diskreter sein – du und dein neuer Freund? Die Leute aus der Etage unter und aus den Zimmern neben dir haben sich beschwert. Hier ist es ja so laut wie in einem Nachtklub in South Beach.“ Mit ihrem serbischen Akzent war sie etwas schwer zu verstehen.

„Was wollen sie denn tun? Die Polizei verständigen?“

Ihr Grinsen verriet mir, dass es so weit nicht kommen würde.

Mein altes Ich wäre ziemlich verlegen geworden; doch mein neues Ich fand es unglaublich befreiend zu zeigen, wie viel Spaß ich hatte. Allie verschwand, aber ehe ich zu Marty zurückkehren konnte, klopfte es erneut an die Tür. Ich nahm an, Allie sei noch einmal zurückgekommen.

Dieses Mal riss ich die Tür mit Schwung auf, um meiner Freundin einen Schrecken einzujagen, aber jetzt standen zwei uniformierte Polizisten vor mir. Einen erkannte ich, denn ich hatte ihn schon öfter in der Stadt gesehen. Ein typischer muskulöser, braun gebrannter, freundlicher Palm-Beach-Cop.

„Allie hat uns erzählt, dass sie schon mit Ihnen gesprochen hat“, begann er. „Trotzdem müssen wir persönlich vorbeischauen, denn jemand hat sich direkt bei uns beschwert.“

Ich bemühte mich um einen ernsten Ton, obwohl ich am liebsten gelacht hätte. „Verstehe“, erwiderte ich nur.

„Wirklich?“

„Keine laute Musik mehr.“

Der hochgewachsene Polizist seufzte und meinte: „Wir haben schon genug zu tun.“

„Wirklich? Sagen Sie bloß.“ Ich konnte mir die Bemerkung nicht verkneifen.

Grinsend zuckte der Beamte mit den Schultern. „Vielleicht auch nicht, aber schalten Sie trotzdem einen Gang runter.“ Damit verschwanden die beiden.

Er hätte sich wie ein Idiot aufführen können, aber glücklicherweise sind die Cops aus Palm Beach bekannt dafür, freundlich zu den Bewohnern zu sein, und wenigstens vorläufig wurde ich noch als jemand aus Palm Beach betrachtet.

Ich ging ins Schlafzimmer, wo Marty ziemlich nüchtern aussah und bereit zur Flucht war.

„Was ist los? Du willst doch nicht etwa gehen, oder?“

„Ich habe die Polizisten gehört. Ich war mir nicht sicher, was passieren würde.“

„Gar nichts. Nur eine Beschwerde wegen des Lärms. Hast du etwa ein Problem mit der Polizei?“

„Die Polizei und ich verstehen uns großartig. Ich belästige sie nicht, und sie belästigen mich nicht. Eine prima Vereinbarung für beide Seiten. Vor allem an einem Ort wie diesem hier, wo sie etwas gegen meine Adresse in West Palm Beach haben.“

Ich war mir nicht sicher, worüber er sprach. „Sind wir gerade ein bisschen paranoid?“

Offenbar nahm er den Scherz nicht wahr, denn er schwieg. Ich lächelte. „Schon gut. Ich brauche auch keine laute Musik, um zu beweisen, dass ich mich amüsiere.“

„Du amüsierst dich?“

„Natürlich. Du etwa nicht?“ Es war die typische besorgte Frage einer frisch Geschiedenen.

Er setzte sich aufs Bett und schlug auffordernd mit der Handfläche auf die Bettdecke.

Ich trat einen Schritt zurück, ging halb in die Knie, um so hoch wie möglich zu springen und neben ihm auf dem riesigen Doppelbett zu landen.

„Sollen die Leute unter uns doch meckern“, meinte ich, als es laut rumste. Wir lagen auf dem Bett und lachten, bis wir uns wieder zu küssen begannen und ich jegliches Zeitgefühl verlor. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich das letzte Mal so gut gelaunt eingeschlafen war.

Das Nächste, an das ich mich erinnerte, war ein grelles Licht in meinem Gesicht. Wer zum Teufel knipst mitten in der Nacht die Lampe an? dachte ich. Als ich die Augen öffnete und in die Realität zurückkehrte, sah ich, dass es längst heller Tag geworden war.

Marty hatte seine Arme von hinten um mich geschlungen und liebkoste mit seinen Lippen meinen Nacken. Seine raue Stimme verriet mir, dass er sich nicht besonders wohlfühlte, als er fragte: „Wie spät ist es?“

Ich schaute auf den Wecker auf meinem Nachttisch. „Himmel, es ist zwei Uhr nachmittags.“

Das war kein Spiel. Ich hatte eine der besten Nächte meines Lebens gehabt. Und ich war mir ziemlich sicher, dass Marty es ebenso empfand. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich den ganzen Tag lang würde lächeln müssen.

4. KAPITEL

Die nächsten beiden Wochen kamen mir vor wie ein frischer Wirbelwind in meinem Leben – zwei Wochen, in denen ich nur in zwei Nächsten nicht mit Marty Hawking zusammen war. Uns beiden war es wichtig, in unserer Beziehung viel Spaß zu haben und sie so aufregend wie möglich zu gestalten. Ich fühlte mich wie ein Teenager mit dem ersten Freund. Die Realität kann hart und die Menschen können ruppig sein, aber wenn man mitten in einer frischen Romanze steckt, fällt das ganze Leben viel leichter. Und genau das waren die beiden vergangenen Wochen gewesen: fröhlich, aufregend und in jeder Hinsicht überraschend. Wir besuchten das Palm Beach Theater in City Place und fuhren mit dem Diva-Duck-Amphibienfahrzeug durch die Straßen von West Palm Beach bis zur Küstenstraße. Das war zwar eine ziemlich touristische Angelegenheit, aber mit Marty an meiner Seite auch etwas sehr Besonderes.

Ich betete Marty an, weil er so lebenslustig war – wie ein großes Kind. Er konnte allem etwas Gutes abgewinnen, und er liebte es, mich lächeln zu sehen. So, als lebte er ausschließlich, um mir Freude zu bereiten. Mit ihm war es so wunderbar leicht im Vergleich zu meinem Leben an der Seite von Brennan. Der war immer so verschlossen und distanziert gewesen. Zugegeben, als ich ihn das erste Mal beim Polospiel gesehen hatte, war ich zwar von ihm fasziniert gewesen. In seiner Gegenwart hatte ich mich allerdings niemals so frei und unbeschwert gefühlt. Ich hatte mich sogar gefragt, ob sein Reichtum irgendetwas mit meinen Gefühlen ihm gegenüber zu tun haben könnte. Als Tochter einer Lehrerin und eines UPS-Paketboten hatte ich mir oft Gedanken darüber gemacht, wie ein Leben ohne Geldsorgen wohl aussehen mochte. Eines hatte ich allerdings rasch gelernt: Selbst viel Geld garantiert kein sorgenfreies Dasein.

Ich stellte fest, dass Marty ein gebildeter Mensch mit viel Humor war. Er schien recht wohlhabend zu sein, machte aber nicht viel Aufhebens darum. Seine Eltern wohnten in Delray Beach, oder wie er es ausdrückte: Alle Eltern wohnen in Delray Beach. Und er klang, als bedauerte er, keine Kinder zu haben. Das konnte ich nachvollziehen, spielte für mich im Moment allerdings die geringste Rolle. Ich war zu hingerissen von dieser entspannten und unbekümmerten Beziehung, in der es nur darum zu gehen schien, das Leben in vollen Zügen zu genießen.

Als er mich daher eines Abends in seinem etwas ramponierten, zwölf Jahre alten BMW abholte, war ich sofort einverstanden mit seinem Vorschlag, nach South Beach zu fahren, das mehr als fünfundsiebzig Meilen entfernt lag.

Wir hatten Glück und fanden einen Parkplatz am Marjory-Stoneman-Douglas-Park. Während wir über die Strandpromenade spazierten, hielten wir uns die ganze Zeit an den Händen. Im Gegensatz zu Palm Beach gab es hier eine Menge Passanten, Schaulustige und Radfahrer, die die Promenade bevölkerten. Es herrschte eine ganz andere Atmosphäre als bei mir zu Hause. Hier sah jeder glücklich aus.

Wir landeten in einem Restaurant namens Prime 112 auf dem Ocean Drive, knabberten Appetizer und tranken einen unglaublich guten Aperitif. Es war wie im Märchen. Zum Hauptgericht wählten wir eine köstliche Flasche Wein passend zu unserem Fischfilet. Es hätte mich nicht überrascht, wenn Dwyane Wade oder Khloé Kardashian plötzlich in diesem Edelschuppen aufgetaucht wären.

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