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Der Engel und das schwarze Herz

Als Buch hier erhältlich:

Eleusius, Engel im dritten Lehrjahr, erhält einen Spezialauftrag: Im Kloster Waldsiedel muss er die schwarze Madonna betreuen. Ausgerechnet an Ostern, wenn der Andrang von Pilgern aus aller Welt riesig ist! Als plötzlich das Lavaherz mit Diamant verschwindet, das die Madonna trägt, muss Eleusius trotz strikten Verbotes seine himmlischen Kräfte einsetzen. Damit rettet er nicht nur den Schmuck, sondern auch ein junges Liebespaar. Nach dem Erfolg von „Engel im zweiten Lehrjahr“ hält Eveline Hasler für den aufmüpfigen Engel Eleusius ein weiteres turbulentes Abenteuer bereit. Eine Parabel über Religion und Toleranz voll augenzwinkerndem Humor.


  • Erscheinungstag: 24.09.2012
  • Seitenanzahl: 112
  • ISBN/Artikelnummer: 9783312005413

Leseprobe

1 Eleusis heikle Mission

Prüfend blickte Petrus auf die Gruppe der noch nicht sehr geläuterten Engel. Sie hatten eben das dritte Lehrjahr begonnen, und es schien ihm, sie seien immer noch etwas einfältig und sehr, sehr irdisch. Ob es wohl gutgehen konnte, wenn er einen dieser noch nicht fertiggebackenen Engel für eine heikle Mission auswählte? Würden sie schon verstehen, dass es auf Erden bestimmte Orte gibt, die dem himmlischen Management besonders lieb und teuer sind? Von denen eine ganz eigene Kraft ausgeht?

«Also, ihr Engel im dritten Lehrjahr, hört her. Einen von euch erwartet bei den Menschen eine etwas knifflige Aufgabe. Und zwar in Waldsiedel. Waldsiedel ist vielleicht ein etwas unscheinbarer Ort, aber er ist etwas ganz Besonderes. Am Anfang, vor langer Zeit, hat dort ein Einsiedler gehaust, und später wurde das Kloster gebaut, mit seiner berühmten schwarzen Madonna. Nun ist der Bruder, der im Dienst der Madonna steht, bei der Aufgabe, die Hohe Frau für die Ostermesse einzukleiden, von der Leiter gestürzt. Es wird Wochen dauern, bis er sein Amt wieder verrichten kann. Nun wird ein Stellvertreter gesucht …»

Noch bevor Petrus zu Ende reden konnte, streckte Eleusius seinen engelischen, schon leicht vergoldeten Zeigefinger hoch.

«Du, Eleusius? Wirklich? Äh, bist du sicher?», fragte Petrus etwas erschrocken.

«Warum denn nicht?» Ein bisschen gekränkt strich sich Eleusius eine blonde Locke aus der Stirn.

«Nun ja, Eleusius, warum denn nicht … aber die Vergnügungen, die du kürzlich bei deinem Erdurlaub gesucht hast, wird es dort nicht geben! Keine Fahrten mit dem Aufzug in Wolkenkratzern! Nicht einmal Jakobsleitern. Außerdem wirst du dort Mönche antreffen, keine jungen Damen.»

Eleusius schwieg. Auch Petrus schwieg und forschte eine Weile im hübschen und, wie ihm schien, ein bisschen leichtsinnigen Gesicht des jungen Engels. Da meldete sich, in einer Frequenz, die einzig für den Torwächter hörbar ist, eine Stimme von oben: «Petrus, mach’s kurz. Schick ihn!»

Petrus stutzte. War das nicht gerade eine weibliche Stimme gewesen?

«Na dann, meinetwegen», brummte er. Und er dachte bei sich: Es gäbe eigentlich zuverlässigere Kandidaten für diese heikle Aufgabe. Wenigstens wird man Eleusius in Waldsiedel für einen gewöhnlichen jungen Mann halten, viel Engelisches ist an ihm wahrhaftig noch nicht zu bemerken!

Eleusius aber spürte ein Zittern in seinen Flügelspitzen: Es war die Vorfreude auf den Erdenbesuch.

Noch am selben Abend ging es erdwärts. Kleine Blitzengel auf den Regenwolken wiesen die Richtung: dort drüben der von Hügeln eingeklemmte schmale See mit der großen Stadt am unteren Ufer, in der Ferne, immer noch schneebedeckt, die Alpen, und schließlich, auf der Höhe der Hügel, hinter dem finsteren Wald, die Türme des Klosters, das die Ehre hat, eine der schwarzen Madonnen zu beherbergen.

Während des Sinkflugs, kurz vor der Landung, rauschte ein Platzregen nieder. Eleusius troff vor Nässe, als er den Glockenstrang der Klosterpforte zog.

«Launischer April», schimpfte der Pförtner und öffnete das Tor gerade nur so weit, dass er den nassen Besucher rasch ins Innere ziehen konnte. «Willkommen, Bruder! Wir freuen uns sehr über Eure Hilfe!» Dem Pförtner war gemeldet worden, dass sich ein Substitut für den verletzten Bruder Gregor melden würde.

Auch der Verwalter, der aus seinem Büro herbeieilte, zeigte sich erfreut. «Ah! Der neue Garderobier! Oder: der neue Kammerdiener der Jungfrau!», erlaubte er sich zu scherzen. Über die Herkunft der Aushilfe zerbrach er sich nicht den Kopf. Er hielt ihn für einen der jungen Mönche aus der Filiale drüben in den österreichischen Alpen. Im Gegensatz zu Waldsiedel hatten sie dort keine Nachwuchssorgen, und schon in manchem Notfall hatte das Bruderkloster der alternden Belegschaft der Waldsiedel-Mönche ausgeholfen.

Es stehe für Eleusius im Refektorium eine kleine Mahlzeit bereit, sagte der Verwalter, denn für das neue Amt müsse er sich stärken! Die Jungfrau einzukleiden, mit den 294 schweren Roben, nach den Farben des Kirchenjahrs geordnet, sei keine leichte Arbeit! Die Gönner wählten früher kostbare Stoffe für ihre Kleiderschenkungen und vergaßen auch das Kind nicht. Die Brokatfräckchen des himmlischen Knaben muss man vorsichtig überziehen, besonders morgens in der Früh, wenn die Finger starr sind von der Kälte! Nun, er werde es bald lernen, schon morgen müsse die Madonna neu eingekleidet werden. Nach dem Essen werde der Vorvorgänger des Madonnenamtes den Neuling in seine Aufgaben einweihen.

Darauf war Eleusius gespannt.

Am Refektoriumstisch schöpfte ihm einer der Mönche die erkaltete Suppe in den Teller, eine eisgraue, pelzige Flüssigkeit, in der Brotschollen dümpelten. Sein Unbehagen darüber, die Brühe löffeln zu müssen, vertrieb Eleusi durch ein Gespräch mit dem Tischnachbarn, einem ziemlich dickleibigen Mönch, dem üppige, schwarzgelockte Haare unter der Kappe hervorquollen. Er gab sich als Bruder Michael und als Bücherwurm zu erkennen. Seit rund zwölf Jahren walte er hier als Bibliothekar.

«Die Klosterbibliothek ist berühmt», sagte Eleusius. «Aber zum Lesen komme ich hier wohl nicht. Ich bin die Aushilfe für den verunglückten Bruder Gregor und das Madonnenamt!»

«Ach, wirklich?» Der Büchernarr rückte näher. Er musterte Eleusius durch dicke Brillengläser. «Na, dann wünsch ich Energie und Durchhaltewillen!»

Eleusius sah ihn erstaunt an. «Ist es denn so schwer, die Madonna anzuziehen?»

Der Bibliothekar zog die dunklen Brauen hoch. «Seid Euch bewusst, fremder Bruder: Es ist eine schwarze Madonna!»

«Ja, ja. Und?»

«Sie ist kapriziös, wie viele Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts. Ihr Vorgänger, der tüchtige Bruder Gregor …»

«…ist doch von der Leiter gestürzt?»

«Ja, eben.»

«Kann doch wohl jedem passieren.»

«Glaubt Ihr? Mag sein, aber schon der Vorvorgänger …»

«…ist ebenfalls gestürzt?»

«Ach nein … Wisst Ihr, ich rede zu viel. Gleich wird Euch ja der alte Kustos in Euer Amt einweihen – passt auf, dass Ihr ihn nicht verpasst!»

Also verabschiedete sich Eleusius und stellte sich vor die Tür des Speisesaals. Abendschatten verdunkelten den Gang, in dem jetzt eine gebeugte Gestalt herankam, schlurfende Schritte hallten im hohen Gewölbe. Nach einer Weile blieb ein sehr alter Mönch vor Eleusius stehen. Er reichte dem Neuling die Hand. «Bitte schön, ich heiße Tarcisius Justin. Für meine über neunzig Jahre, dem Himmel sei Dank, sehe und höre ich noch gut! Aber ich renne nicht mehr in der Gegend herum, wie Ihr soeben beobachten konntet. Der Abt hat mir erlaubt, an meinen gemarterten Füßen Filzpantoffeln zu tragen. So weiß man immer, wo er ist, der Bruder Schlurf! Doch Ihr» – er warf einen raschen Seitenblick auf die Aushilfe – «seid zum Glück jung! Das Madonnenamt ist kein leichtes Amt. Die Leiter, die schwere Krone …»

«Ja, man hat mich gerade gewarnt.»

«Ach so? Nun, wie heißt Ihr?»

«Eleusius», sagte Eleusius.

«El …» Der alte Mönch lächelte. «Mein Gedächtnis befreundet sich nicht mehr mit modernen Namen.»

«Der Name soll sehr alt sein, sagt man in meiner Heimat», entgegnete Eleusius. «Aber es geht auch kürzer: einfach Eleusi.»

«E-leu-si», sagte der alte Bruder gedehnt. «Also, zu meiner Zeit, junger Mann, haben Mönche lange und klangvolle Namen bekommen …»

«Zu Eurer Zeit? Ihr lebt ja noch, Bruder, Eure Zeit dauert an!»

«Ihr habt Mutterwitz», lachte der Alte.

Eleusius begleitete nun den Vorvorgänger, indem er sich, so gut er es vermochte, dem trippelnden Gang des ehrwürdigen Alten anpasste – ein Schritt, ein Halt, ein verhaltener kleiner Hupfer –, bis sie durch das verwirrende System von Gängen und Gewölben zur Sakristei des Stifts gelangten.

Im Nebenraum wies Tarcisius Justin auf eine lange Reihe großer Holzschränke – den Kopf im Nacken, sah Eleusius, wie sie sich im dunklen Gewölbe verloren. Der alte Kustos öffnete mit Anstrengung eine der Türen. Dem Innern entströmte ein muffiger Geruch nach altem Tuch, gewürzt von dem strengeren Duft der Mottenkugeln. «Schaut hier, die Garderobe unserer Lieben Frau für die liturgischen Feste der Winterzeit. Und hier die lilafarbene für die Karwoche, die weiße mit der Rose von Jericho für Weihnachten …»

Nun tastete Tarcisius Justin in der Kastenecke nach einem Stecken mit Haken, stellte sich auf einen Schemel und hob eine der Brokatroben von der Stange. Das schwere Tuch drohte den Mönch zu Boden zu drücken.

Da kam ihm Eleusius rasch zu Hilfe. «Oh, das wiegt wohl seine dreißig Kilo! Ein herrliches Gewebe, ganz schön antik …»

Der Mönch nickte. «Ein Geschenk der spanischen Königin aus dem Jahre 1835.»

«Ihr kennt wohl jedes Stück mit der dazugehörigen Geschichte?»

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