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Der Traum der Mackenzies

hier erhältlich:

Als die schöne Maris Mackenzie die Augen aufschlägt, kann sie sich an nichts erinnern. Schon gar nicht, wie sie in dieses Motelzimmer kommt und warum ein attraktiver Unbekannter neben ihr im Bett liegt! Erst allmählich kehrt ihr Gedächtnis zurück. Und damit ihre Angst. Denn sie und Alex MacNeil befinden sich in Lebensgefahr ...


  • Erscheinungstag: 15.02.2016
  • Seitenanzahl: 203
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955765958
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie hatte schreckliche Kopfschmerzen. Der Schmerz hämmerte unablässig in ihrem Kopf, gegen ihre Schläfen, hinter ihren Augen. Ihr war übel, selbst ihr Magen rebellierte gegen den Aufruhr.

"Ich habe Kopfweh." Maris Mackenzie sprach es in ihrer Verwirrung laut aus. Sie bekam nie Kopfschmerzen; trotz ihrer grazilen Statur hatte sie die Konstitution der starken Mackenzies geerbt. Dieser unerträgliche Druck war etwas so Ungewöhnliches, dass Maris die Worte unwillkürlich über die Lippen kamen.

Die Augen öffnete sie nicht. Sie brauchte nicht auf die Uhr zu schauen. Der Wecker hatte noch nicht geklingelt, es war also auch noch nicht Zeit zum Aufstehen. Vielleicht, wenn sie noch ein wenig schlief, würden die Schmerzen verschwinden.

"Ich hole dir ein Aspirin."

Erschrocken riss Maris die Augen auf, eine Bewegung, die ihr Kopf mit einem ziehenden Stechen quittierte.

Die Stimme war eindeutig männlich. Noch mehr erstaunte Maris, dass die Worte direkt neben ihr erklangen, genau gesagt, der Mann hatte nur geflüstert, ganz nah an ihrem Ohr. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihrer Haut fühlen. Die Matratze bewegte sich, als sich der Mann aufsetzte.

Sie hörte ein leises Klicken, und die Nachttischlampe war eingeschaltet. Das Licht löste eine Art Explosion in Maris' Schädel aus. Hastig kniff sie die Augen zusammen, doch zuvor erhaschte sie einen Blick auf den nackten Oberkörper eines Mannes mit breiten Schultern und kurzen, dichten dunklen Haaren.

Verwirrung und Furcht ergriffen von ihr Besitz. Wo war sie? Viel wichtiger – wer war er? In ihrem Schlafzimmer befand sie sich nicht, das hatte Maris sofort erkannt. Das Bett, in dem sie lag, war zwar bequem, aber es war nicht ihres.

Die Lüftung sprang ratternd an, als der Mann auch im Bad Licht machte. Maris wagte es nicht, die Augen zu öffnen und verließ sich stattdessen auf ihre anderen Sinne, um sich zu orientieren. Ein Motel also. Und das leise Rauschen musste vom Heizungsgebläse stammen.

Sie hatte schon in vielen Motels geschlafen, aber noch nie mit einem Mann. Wieso war sie überhaupt in einem Motel, anstatt in ihrem gemütlichen kleinen Haus in der Nähe der Ställe? Normalerweise schlief Maris in Motels, wenn sie wegen ihres Jobs unterwegs war. Da sie sich allerdings vor zwei Jahren in Kentucky niedergelassen hatte, reiste sie eigentlich nur noch, wenn sie nach Hause fuhr, um die Familie zu besuchen.

Das Nachdenken strengte sie an. Und ihr fiel keine Erklärung ein, warum sie zusammen mit einem fremden Mann in einem Motelzimmer schlafen sollte.

Scham und Enttäuschung blitzten in ihrem halb betäubten Bewusstsein auf. Maris ließ sich nicht leichtsinnig mit Männern ein. Dass sie es nun offenbar doch getan hatte, entsetzte Maris. Darüber hinaus konnte sie sich nicht einmal daran erinnern – mit einem völlig fremden Mann musste sie die Nacht verbracht haben.

Sie sollte zusehen, dass sie von hier wegkam, aber seltsamerweise fehlte ihr die Energie, um aus dem Bett zu springen und die Flucht zu ergreifen. Flucht? Eine bizarre Wortwahl. Sie konnte doch gehen, wann immer und wohin immer sie wollte … wenn sie es nur schaffen würde, sich aufzuraffen. Sie fühlte sich schwer, ihr Körper wollte nichts anderes als liegen bleiben. Irgendetwas musste sie tun, dessen war Maris sich sicher. Nur, sie wusste nicht, was. Mit den Kopfschmerzen ging auch Schwindel einher, sie schien keinen klaren Gedanken fassen zu können.

Die Matratze bewegte sich erneut, dieses Mal auf Maris' Seite, als der Mann sich auf die Bettkante setzte. Vorsichtig öffnete Maris die Augen einen Spalt und wappnete sich gegen den Schmerz, doch der war gar nicht mehr so schlimm, wie sie erwartet hatte. Mit halb geschlossenen Lidern betrachtete sie den großen Mann, der so nahe neben ihr saß, dass sie seine Körperwärme durch die Bettdecke fühlen konnte, unter der sie lag.

Er hatte ihr das Gesicht zugewandt. Jetzt konnte sie mehr als nur seinen Rücken sehen. Unwillkürlich weiteten sich ihre Augen.

Irgendwoher kannte sie diesen Mann doch.

"Hier, nimm." Er hielt ihr das Aspirin auf der offenen Handfläche hin. Seine Stimme war tief, ein samtener Bariton, und auch wenn Maris nicht glaubte, schon einmal mit ihm gesprochen zu haben, kam ihr die Stimme doch bekannt vor.

Mit unsicheren Fingern nahm sie die Tablette und steckte sie sich in den Mund. Sofort musste Maris das Gesicht verziehen – wegen des bitteren Geschmacks und über ihre eigene Dummheit. Natürlich kam ihr seine Stimme bekannt vor. Schließlich lag sie im Bett mit ihm, da konnte sie schon davon ausgehen, sich wenigstens mit ihm unterhalten zu haben. Auch wenn sie sich nicht daran erinnerte, wie und wo sie ihn getroffen hatte und wie sie in das Motelzimmer gekommen war.

Jetzt hielt er ihr ein Glas Wasser hin. Sie wollte sich zum Trinken aufsetzen, doch in ihrem Kopf dröhnte es so stark, dass sie mit einem Wimmern zurücksank und die Hand an die Stirn legte. Was war nur los mit ihr? Sie war doch nie krank. Dass ihr Körper sich plötzlich so unkooperativ gab, verstörte Maris.

"Komm, ich helfe dir." Er schob einen Arm unter ihre Achseln und zog sie mühelos hoch, dabei stützte er ihren Kopf mit seiner Schulter. Er strahlte Wärme aus, war stark und duftete gut, Maris hätte sich gern noch enger an ihn gedrückt. Dieser Wunsch überraschte sie, so hatte sie noch nie in der Anwesenheit eines Mannes gefühlt.

Er hielt ihr das Glas an die Lippen, und sie trank mit großen Schlucken. Als sie die Tabletten zu sich genommen hatte, legte er Maris vorsichtig zurück in die Kissen und zog seinen Arm zurück. Maris empfand bei dem Verlust seiner Nähe einen kleinen Stich und wunderte sich darüber. Wenn es mir besser geht, wird sich alles klären, sprach sie sich Mut zu.

Mit trübem Blick beobachtete sie ihn, wie er um das Bett herumging. Er war groß und muskulös, hatte die Statur eines Mannes, der körperlich arbeitete und nicht den ganzen Tag hinter einem Schreibtisch in irgendeinem Büro verbrachte. Zu ihrer Erleichterung – oder Enttäuschung? – war er nicht ganz nackt; er trug dunkelgraue Boxershorts, die sich um ein muskulöses Hinterteil schmiegten. Auf seinen Wangen lag ein dunkler Bartschatten. Der Mann war nicht gut aussehend im üblichen Sinne, aber er besaß eine körperliche Präsenz, die automatisch alle Blicke auf sich zog. Maris' Blick war auf jeden Fall davon angezogen worden … natürlich kannte sie ihn! Seit sie ihn vor zwei Wochen zum ersten Mal beim Heustapeln in der Scheune gesehen hatte, konnte Maris sich kaum auf etwas anderes konzentrieren.

Ihre Reaktion auf ihn war so untypisch gewesen, dass Maris sich bewusst bemüht hatte, ihn zu ignorieren. Oder zumindest hatte sie es versucht. Wann immer ihre Wege sich gekreuzt hatten – sie hatte nie ein Wort an ihn gerichtet. Ausgerechnet sie, die doch so viel Wert darauf legte, jeden kennenzulernen, mit dem sie zusammenarbeitete. Doch er stellte für sie irgendwie eine Bedrohung dar, auf einem unklaren emotionellen Level, sodass alle ihre Instinkte alarmiert aufgeschrien hatten. Dieser Mann war gefährlich.

Er hatte sie ebenfalls mit Blicken taxiert. Manchmal hatte sie sich umgedreht und ihn dabei ertappt, wie er sie anstarrte. Halb versteckt, aber das männliche Interesse war ihr nicht entgangen. Er war ein Helfer auf Zeit, einer von denen, die auf der Durchreise waren und für zwei Wochen jede Arbeit annahmen, um sich etwas Geld zu verdienen, bevor sie weiterzogen.

Maris dagegen arbeitete als Trainerin auf der Solomon Green Pferderanch – eine angesehene Position, um die sie viele beneideten. Es war das erste Mal, dass eine Frau diesen Job bekommen hatte. Ihre Reputation im Kreis der Pferdezüchter hatte sie zu einer Art Berühmtheit gemacht, auch wenn Maris sich nicht unbedingt wohl dabei fühlte. Sie verbrachte ihre Zeit lieber in den Ställen mit den Pferden als im Cocktailkleid auf schicken Partys. Doch die Stonichers, die Besitzer von Solomon Green, baten oft um Maris' Anwesenheit bei solchen gesellschaftlichen Anlässen. Sie war beileibe kein Snob, aber ganz objektiv betrachtet lagen Welten zwischen ihrer Stellung auf dem Gestüt und der eines Hilfsarbeiters, der die Ställe ausmistete.

Mit Pferden kannte er sich aus, das war ihr allerdings aufgefallen. Er konnte gut mit ihnen umgehen und hatte auch keine Scheu vor den großen Tieren, im Gegenteil, die Pferde vertrauten ihm. Was Maris' widerwilliges Interesse nur noch verstärkt hatte. Sie wollte gar nicht sehen, wie die Jeans sich um seinen Hintern spannte, wenn er sich vorbeugte oder in die Hocke ging, eine Bewegung, die er während seines Arbeitstages mindestens tausend Mal machte. Maris wollte nicht registrieren, wie seine Muskeln spielten oder seine breiten Schultern fast die Naht seines Hemdes sprengten, wenn er mit der Mistgabel hantierte. Er hatte schöne Hände, stark und schlank … das hatte sie auch nicht bemerken wollen. Genauso wenig wie seine blauen Augen, die intelligent funkelten.

Er mochte ja ein Vagabund sein, aber er musste seine Gründe haben, aus denen er nicht sesshaft wurde. Die Unfähigkeit, sich ein stabiles Leben aufzubauen, war bestimmt nicht die Ursache.

Bisher hatte Maris weder Zeit noch Interesse für Männer gehabt. Ihre ganze Hingabe galt den Pferden und ihrem Beruf. Nachts, wenn sie keinen Schlaf fand und sich ruhelos in ihrem Bett wälzte, gestand Maris sich spöttisch ein, dass ihre Hormone wohl endlich in vollem Galopp durch ihren überhitzten Körper rasten, ironischerweise von einem Mann auf Trab gebracht, der in wenigen Wochen, wenn nicht Tagen, wieder verschwunden sein würde. So hatte sie beschlossen, dass es das Beste sei, ihn und diese unerwünschte Sehnsucht nach seiner Nähe weiterhin zu ignorieren.

Gelungen war ihr das ganz offensichtlich nicht.

Mit einer Hand schützte sie nun ihre Augen vor dem Licht, während sie ihm nachsah, als er das Wasserglas ins Bad zurückbrachte. Erst jetzt fiel ihr auf, was sie trug. Sie war nicht nackt, sie hatte ihren Slip und ein T-Shirt an. Ein großes T-Shirt, das ihre Oberarme und die Ellbogen bedeckte. Sein T-Shirt.

Ob er sie ausgezogen hatte? Oder hatte sie das selbst gemacht? Wenn sie sich im Zimmer umsah, würde sie dann überall verstreute Kleidungsstücke finden? Bei der Vorstellung, er könnte sie ausgezogen haben, stockte ihr der Atem und der Brustkorb wurde ihr eng. Sie musste sich erinnern, unbedingt – doch da war nichts, nur absolute Leere. Maris wollte aufstehen und sich anziehen. Ihre eigenen Sachen. Aber es gelang ihr nicht. Sie war nicht fähig dazu, konnte nur in dem fremden Bett liegen und versuchen, Erklärungen zu finden.

Er musterte sie forschend, als er an das Bett zurückkam. Das Blau seiner Augen strahlte selbst in dem dämmrigen Licht. "Alles in Ordnung mit dir?"

Sie schluckte. "Ja." Eine glatte Lüge, aber aus einem unerfindlichen Grund wollte sie ihn nicht wissen lassen, wie schlecht es ihr wirklich ging. Sie ließ den Blick unauffällig über seinen bloßen Oberkörper bis hinunter zu den Boxershorts wandern. Hatten sie wirklich …? Aus welchem anderen Grund sollten sie sonst zusammen in diesem Motelzimmer sein? Aber wenn sie es tatsächlich getan hatten, warum trugen sie dann beide Unterwäsche?

Und außerdem … irgendwie passten diese schicken Shorts nicht zu einem Mann, der sich für die niedrigsten Arbeiten auf einer Pferderanch hergab. Da hätte Maris eher biedere weiße Unterhosen erwartet.

Wortlos knipste er die Lampe aus und streckte sich neben Maris aus. Seine Wärme strahlte auf Maris über, als er die Bettdecke über sie beide breitete. Er lag auf der Seite, mit dem Gesicht zu ihr, einen Arm unter das Kopfkissen geschoben, den anderen über Maris' Hüfte geschlungen, die Hand auf ihrem Bauch. Er hielt sie, ohne sie an sich zu ziehen. Eine genau überlegte Stellung – nah, aber ohne zu intim zu sein.

Maris versuchte, sich an seinen Namen zu erinnern. Umsonst. Sie räusperte sich. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was er von ihr denken mochte, aber sie ertrug diese Ungewissheit einfach nicht mehr. Sie musste Ordnung in ihren Gedanken schaffen.

"Entschuldige", setzte sie leise an, "aber … ich kann mich nicht an deinen Namen erinnern. Und ich weiß auch nicht, wie wir hierhergekommen sind."

Er versteifte sich, sein Arm über ihrer Hüfte packte fester zu. Für einen endlos langen Augenblick rührte er sich nicht. Dann, mit einem unterdrückten Fluch, setzte er sich abrupt auf. Das Hüpfen der Matratze ließ Maris' Kopf auf- und abschnellen, und sie stöhnte gequält auf. Wieder schaltete er die Lampe neben dem Bett ein, und wieder schloss Maris hastig die Augen.

"Verdammt, warum hast du mir nicht gesagt, dass du verletzt bist?", murmelte er und beugte sich über sie, um mit den Fingern vorsichtig ihren Kopf abzutasten.

"Ich weiß ja selbst nichts davon." Das war die Wahrheit. Was meinte er überhaupt damit, sie sei verletzt?

"Ich hätte es wissen müssen." Seine Stimme klang harsch, sein Mund sah aus wie eine dünne Linie. "Ich hab gesehen, wie blass du bist, und ich weiß auch, dass du nicht viel gegessen hast. Aber ich dachte, das ist nur der Stress." Er tastete sich weiter durch ihr seidiges Haar. Als er über eine Stelle fuhr, sog Maris scharf die Luft durch die Zähne, weil ein Übelkeit erregender Stich bis in ihre Schläfen fuhr.

"Aha." Vorsichtig drehte er sie zu sich und untersuchte die Verletzung. "Das ist ja eine richtig hübsche Beule."

"Da bin ich aber froh", murmelte sie. "Ich würde doch keine hässliche Beule haben wollen, nicht wahr?"

Er betrachtete sie aus zusammengekniffenen Augen, eine Geste, die er perfektioniert zu haben schien. "Du hast eine Gehirnerschütterung. Ist dir schwindlig? Hast du Sehstörungen?"

"Das Licht tut weh", gab sie zu. "Aber ich kann klar sehen."

"Und Schwindel?"

"Ja, schon."

"Und ich habe dich hier schlafen lassen", klagte er. "Du gehörst in ein Krankenhaus."

"Nein", protestierte sie sofort alarmiert. Das Letzte, was sie jetzt wollte, war in ein Krankenhaus zu gehen. Sie wusste nicht, warum, sie wusste nur, dass sie sich auf keinen Fall in der Öffentlichkeit blicken lassen wollte. "Hier ist es sicherer."

"Um die Sicherheit kümmere ich mich", erwiderte er sehr beherrscht. "Du musst zu einem Arzt."

Da war sie wieder, diese Vertrautheit, aber Maris konnte den Grund dafür nicht erfassen. Allerdings gab es andere, wichtigere Dinge, über die sie sich Gedanken machen musste. Deshalb verdrängte sie dieses Gefühl vorerst.

Sie hatte also eine Gehirnerschütterung. Das konnte ernst werden, vielleicht musste sie tatsächlich in ärztliche Behandlung. Maris machte in Gedanken eine Bestandsaufnahme ihres Zustandes. Da waren zum einen die Kopfschmerzen und das Schwindelgefühl … Was noch? Ihre Sicht war klar, die Aussprache auch. Was war mit ihrem Erinnerungsvermögen? Flugs ging sie die Mitglieder ihrer Familie durch, Namen, Geburtstage. So weit alles in Ordnung. Die Namen ihrer Lieblingspferde? Auch hier keine Probleme. Ihr Erinnerungsvermögen war also intakt, bis auf … Was war das Letzte, dessen sie sich entsinnen konnte? Ja, sie hatte zu Mittag gegessen und war zu den Ställen gegangen … aber wann genau war das gewesen?

"Ich glaube, ich komme schon wieder in Ordnung", erklärte sie geistesabwesend. "Wenn du nichts dagegen hast, beantworte mir bitte ein paar Fragen. Erstens, wie heißt du, und zweitens, was tun wir zusammen in diesem Bett?"

"Mein Name ist MacNeil." Er ließ sie nicht aus den Augen, beobachtete ihre Reaktion genau.

MacNeil. MacNeil. Die Bilder kamen zurück, und mit ihnen fiel ihr auch sein Vorname ein. "Ja, jetzt weiß ich wieder", murmelte sie. "Alex MacNeil." Als sie seinen Namen zum ersten Mal hörte, hatte sie stutzen müssen, weil sie sofort an ihren Neffen Alex Mackenzie, dem Zweitältesten ihres Bruders Joe, hatte denken müssen. Die Namen klangen nicht nur ähnlich, sie deuteten auch auf die gleiche Herkunft hin.

"Stimmt. Und was deine zweite Frage angeht … ich glaube, du willst wissen, ob wir Sex miteinander hatten. Nun, die Antwort lautet Nein."

Maris seufzte erleichtert, dann runzelte sie leicht die Stirn. "Warum sind wir dann hier?"

Alex MacNeil zuckte ungerührt mit einer Schulter. "Sieht aus, als hätten wir zusammen ein Pferd gestohlen."

2. KAPITEL

Ein Pferd gestohlen? Maris blinzelte verständnislos, als hätte Alex in einer anderen Sprache gesprochen. Da fragte sie ihn, warum sie zusammen in einem Bett lagen, und er behauptete, sie hätten zusammen ein Pferd gestohlen. Nicht nur war die Vorstellung absolut lächerlich. Maris konnte auch keinen Zusammenhang zwischen Pferdediebstahl und der Frage, warum sie mit Alex MacNeil schlafen sollte, erkennen.

Dann meldete sich plötzlich eine Erinnerung in ihrem schmerzenden Kopf. Maris verharrte stocksteif, während sie versuchte, die rasant auf sie einstürzenden Bilder zu ordnen … Sie rannte durch den geräumigen Stall, getrieben von einem Gefühl drängender Eile, hin zu der luxuriösen Box in der mittleren Reihe. Sole Pleasure war ein anspruchsvolles Pferd, er liebte Gesellschaft, deshalb lag seine Box in der Mitte, damit er zu beiden Seiten Unterhaltung hatte. Maris erinnerte sich jetzt auch an die Wut, die in ihr gekocht hatte, Wut, wie sie sie noch nie empfunden hatte.

"Was ist?" Er hatte sie die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet. Maris war überzeugt, dass er jetzt jedes einzelne Fältchen in ihrem Gesicht kannte.

"Dieses Pferd, das wir angeblich zusammen gestohlen haben … handelt es sich dabei zufällig um Sole Pleasure?"

"Richtig, genau der. Wenn bis jetzt noch nicht alle Cops des Staates hinter uns her sind, dann werden sie es in ein paar Stunden sein." Er hielt inne. "Was hast du eigentlich mit ihm vor?"

Gute Frage. Sole Pleasure war im Moment der berühmteste Hengst in ganz Amerika und zudem für jedermann zu erkennen: glänzendes, rabenschwarzes Fell, weiße Blesse und ein weißer rechter Vorderlauf. Ein Foto von ihm war auf der Titelseite von Sports Illustrated erschienen, als er von der Zeitschrift zum "Sportler des Jahres" gewählt worden war. In seiner kurzen Karriere hatte das Tier zwei Millionen Dollar Preisgelder erbracht und war im Alter von vier Jahren aus dem Rennbetrieb zurückgezogen worden, um ausschließlich für die Zucht übernommen zu werden. Die Stonichers wägten immer noch die zahlreichen Angebote ab. Dieser Hengst war pures Gold auf vier kraftvollen Läufen.

Was also hatte sie mit dem Pferd anstellen wollen? Maris starrte an die Decke und bemühte sich, sich die verlorenen Stunden ins Gedächtnis zurückzurufen. Aus welchem Grund hätte sie Sole Pleasure stehlen sollen? Sie würde ihn weder verkaufen noch bei Rennen selbst reiten können, diese Möglichkeiten konnte sie von vornherein sicher ausschließen. Der Gedanke, ein Pferd zu stehlen, war ihr so fremd, so gegen ihre Natur, dass sie beim besten Willen keine Erklärung finden konnte. Doch … einen Grund gab es, warum sie so etwas tun sollte: wenn das Tier in Gefahr war. Dann würde sie es machen, auch wenn sie wahrscheinlich eher denjenigen, der ihre Lieblinge oder jedes andere Pferd misshandelte, mit der Reitpeitsche verjagen würde. Dass jemand ein Tier verletzen wollte, konnte Maris einfach nicht zulassen.

Oder es töten wollte.

Die Worte hallten in ihrem Kopf wider, und plötzlich fiel es ihr ein. Oh, Himmel, sie wusste es wieder.

Maris setzte sich mit einem Ruck auf. Die abrupte Bewegung katapultierte den Schmerz wie eine Explosion gegen ihre Schädeldecke und raubte Maris für einen Moment die Sicht. Sie schnappte nach Luft, wie in einem stummen Aufschrei. Ein muskulöser Arm schoss vor, wollte sie aufhalten oder stützen. Wie auch immer, es machte keinen Unterschied. Maris' Muskeln erschlafften mit einem Mal, und sie sank erschöpft gegen ihn. Der Schmerz ebbte ab, verminderte sich auf ein erträgliches Maß und ließ sie zitternd und ausgelaugt zurück, an seiner Brust, in seinen Armen. Mit geschlossenen Augen versuchte sie, sich von dem Schock zu erholen.

MacNeil drehte sie vorsichtig, sodass sie auf dem Rücken lag. Halb lag er auf ihr, sein Bein über ihren, sein Arm unter ihrem Nacken. So blockierte er das Licht, damit es nicht in ihre Augen fiel. Kurz lag seine Hand auf ihrer Brust, dann hob er den Arm und fühlte den Puls an Maris' Hals. Ein erleichterter Seufzer entschlüpfte ihm, und er lehnte seine Stirn an ihre, nur leicht, so als befürchtete er, ihr Schmerzen zuzufügen. Maris schluckte und versuchte, kontrolliert zu atmen. Doch sie hatte die Grenzen ihrer Selbstkontrolle erreicht, denn sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr das Blut hart und heiß durch die Adern rauschte.

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