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Die Rückkehr des Bad Boys

hier erhältlich:

Dom Paladino ist zurück! Als Sara den unwiderstehlichen Bad Boy in Little Italy wiedersieht, trifft es sie wie der Blitz. Eine heiße Affäre beginnt – bis sie etwas über seine Familie herausfindet, das ein riesiges Dilemma bedeutet: Liebe oder Ehre …


  • Erscheinungstag: 28.07.2023
  • Seitenanzahl: 122
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745753370
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Das Übliche für die Paladinos! Zwei große Pizzen, eine mit Salami, eine Veggie, und eine Portion Ziti.“ Ellie strahlte, als hätte sie gerade im Lotto gewonnen und nicht nur eine Telefonbestellung aufgenommen und an die Küche weitergegeben. An ihre große Schwester Sara gewandt, setzte sie hinzu: „Ich glaube, Dom kommt selbst, um das Essen abzuholen.“

Dom .

Sara spürte, wie ihr das Tablett entglitt und mit dem Geschirr scheppernd auf den Linoleumboden schlug.

Lachend sammelte Ellie die Scherben zusammen. „Hast du heute Seife an den Fingern oder was?“

Jeanette streckte den Kopf um die Ecke. „Alles in Ordnung?“

„Alles gut.“ Sara ging zur Spüle, um das Tablett abzuwischen. Ihr Puls war jäh in die Höhe geschnellt. Ihr Herz raste. Ihr Magen hatte sich verkrampft. Ganz eindeutig konnte sie es sich nicht leisten, an Dominic Paladino zu denken.

Das letzte Mal hatte sie ihn vor sieben Jahren gesehen, am Tag bevor sie an die Universität gegangen war. Hier in Moretti’s Pizza Parlor war es gewesen. Er hatte mit zwei Freunden am Tisch gesessen – das dunkle Haar zurückgegelt, das noch feuchte T-Shirt hatte über seinen breiten Schultern gespannt. Sie hatten gerade das Football-Team vom nächsten Block in Grund und Boden gespielt. Sara blieb in der Küche, während Jeanette die drei bediente.

Jetzt sah sie sich um. Starrte Ellie sie an? Nein, sie war schon weitergegangen. Aus ihrer Sicht hatte Sara ein Tablett fallen lassen, das war alles. Ellie wusste nicht, dass Sara einmal für Dom geschwärmt hatte. Und auch nichts davon, was er gesagt hatte, um ihr Herz in tausend Stücke bersten zu lassen. Sara hatte es immer für sich behalten. Aber zwei Jahre später war ihr Temperament dann doch mit ihr durchgegangen: Sie hatte Rache genommen. Ein Fehler, der sie teurer zu stehen gekommen war, als sie es je für möglich gehalten hätte.

Ellie lachte mit den Gästen. Sara entspannte sich. Das Moretti’s hatte sich kaum verändert. Die Wände waren aus grobem Stein, auf den Tischen lagen rotkarierte Decken. Es war ihr Zuhause, und auch wenn sie mit dem Servieren von Drinks an einem Abend in Washington, D. C., mehr verdient hätte als hier in einer ganzen Woche, war sie doch froh, wieder in New York und in Little Italy zu sein.

„Überrascht, dass Dom immer noch hier ist?“ Jeanette stand hinter ihr.

„Wieso sollte er nicht?“ Sara zuckte die Schultern.

Jeanette starrte das Tablett an und fragte sich vermutlich, ob Sara die Beschichtung abschrubben wollte. Sie arbeitete schon seit über zwanzig Jahren hier, gehörte also praktisch zur Familie. „Alle drei Paladinos sind zu Hause, seit der Vater seinen zweiten Herzinfarkt hatte.“

„Den zweiten? Oh, das tut mir leid.“ Es war Sara ernst. Sie kannte die Paladinos, seit sie denken konnte. Ihre Mom und die von Dom waren schon als Kinder befreundet gewesen.

„Joe ist ein harter Knochen“, bemerkte Jeanette.

„Es wundert mich, dass meine Mom es nicht erwähnt hat.“

Jeanette nahm ihr das Tablett ab. „Willst du dich hier in der Küche verstecken, wenn Dom kommt?“

Sara lachte. „Das scheue Mauerblümchen war einmal – jetzt soll er nur versuchen, mir krumm zu kommen.“

„Ich glaube, ich würde Geld dafür bezahlen, das mit ansehen zu dürfen.“

„Über wen sprecht ihr?“ Ellie war wie aus dem Nichts neben ihnen aufgetaucht.

„Niemanden, den du kennst.“ Sara trocknete sich die Hände ab.

„Ich wette, ich kenne ihn.“

„Dann lass es mich anders sagen: Es geht dich nichts an.“

Ellie schnaubte beleidigt, schnappte sich ein paar Servietten und verschwand wieder nach vorn.

Bis zur neunten Klasse hatte Sara eine katholische Mädchenschule besucht und kaum etwas von Dom gesehen. Das hatte sie jedoch nicht davon abgehalten, heimlich für ihn zu schwärmen – so wie fast alle Mädchen ihrer Klasse.

„Sein Bruder Tony heiratet demnächst.“ Ellie war wieder zu ihnen getreten.

„Wessen Bruder?“

„Entschuldigt mich, Mädels.“ Jeanette rollte mit den Augen. „Ich muss wieder in die Küche, bevor Carlo nervös wird.“

„Der Bruder von Dom natürlich.“ Ellie sah Sara an, als wäre sie nicht ganz zurechnungsfähig.

„Ach, dass ich darauf nicht gekommen bin!“

Ellie überhörte die Ironie. „Ob Dom wohl der Trauzeuge ist? Kannst du ihn dir in einem Smoking vorstellen?“

„Ach Süße.“ Sara seufzte. „Nun sag bloß nicht, dass du für den Mann schwärmst. Meine Güte, er ist ein Jahr älter als ich, und du hältst mich ja schon für scheintot.“

„Was willst du? Du bist fast dreißig!“

„Ich bin gerade einmal siebenundzwanzig, vielen Dank. Aber ich glaube, du hast verstanden, was ich meine.“

Ellie begab sich zu Tisch fünf, an dem einige Jugendliche ein wahres Schlachtfeld hinterlassen hatten. „Hast du je mit Siebzehnjährigen zu tun gehabt? Sie sind einfach ekelig!“

„Und du glaubst, das ändert sich, wenn sie achtundzwanzig sind?“

„Er ist megascharf. Und er sieht nicht so uralt aus.“ Ellie bekam rote Flecken auf den Wangen. Mit ihrem hüftlangen braunen Haar und den großen grünen Augen war sie eindeutig die Schönheit der Familie.

Sara war immer die Intelligente gewesen, aber bisher hatte ihr das nicht mehr eingebracht als ein beinahe abgeschlossenes Master-Studium und einen großen Studienkredit, den sie irgendwann zurückzahlen musste.

„Dann gehe ich recht in der Annahme, dass er noch ledig ist?“ Die Bemerkung trug Sara einen weiteren merkwürdigen Blick ihrer Schwester ein. „Ich meine ja nur, weil du ihn so anschmachtest.“

Ihre Schwester lachte laut auf. „Anschmachten? Meine Güte, Sara! Du klingst wie Nonna.“

Sara holte sich ein paar Salz- und Pfefferstreuer, die nachgefüllt werden mussten. „Weich mir nicht aus!“

„So wie du es getan hast, als ich nach Robert gefragt habe?“

„Mein Gott! Wieso musste ich hierher zurückkommen?“ Sara hörte einen Ruf aus der Küche und eilte hinüber, um die Bestellung für die Familie Cho fertig zu machen. Die meisten ihrer Kunden kamen aus Chinatown, Nolita oder SoHo – den umliegenden Stadtteilen von Little Italy. Sie kamen, auch wenn es andere Pizzerien gab, die dichter für sie gelegen hätten. Gott sei Dank erhielt das Moretti’s immer wieder diese Best in New York – Auszeichnungen.

Nicht, dass sie in Geld badeten. Die Pizzeria brachte genug, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, aber das war auch alles. Glücklicherweise war die Miete immer noch erstaunlich niedrig. Was hätten ihre Eltern machen sollen ohne das Moretti’s ? Wie auf dem Firmenschild stolz vermerkt war, befand es sich bereits seit 1931 im Familienbesitz.

Sara dachte an Robert, während sie eine große Pizza in Stücke schnitt und dann die Schachtel schloss. Er war jetzt schon zwei Monate in Rom. Sie telefonierten zwei- oder dreimal die Woche miteinander, aber sie war sich nicht sicher, wo ihre Beziehung im Moment stand. Sie kannte Robert schon seit drei Jahren. Immer hatte er davon geträumt, für die Zeitschrift Inside the Vatican zu schreiben. Das war ihm wichtiger als alles andere, sie eingeschlossen. Natürlich würde er das bestreiten, aber sie wusste es besser.

Sie machte noch zwei Salate fertig und stellte sie mit einer Flasche Mineralwasser auf die Abholtheke. Jeanette nahm gerade eine weitere Telefonbestellung auf. Die Abendschicht hatte kaum begonnen, und schon hatten sie gut zu tun.

Die Glocke über der Eingangstür schlug an.

Nicht Mike Cho trat ein, sondern Dominic Paladino.

Sara schluckte. Für einen Moment war sie wieder dreizehn. Ein flachbrüstiges, unscheinbares Mädchen, das sich zwei ganze Nächte lang die Augen ausgeweint hatte, überzeugt, dass ihr Leben vorbei wäre.

Dom hatte sich verändert. Die Brust war breiter geworden, und sein Gang verriet Selbstbewusstsein. Die Augen waren dunkler, als sie sie in Erinnerung gehabt hatte, und sein dichtes, gewelltes Haar verlockte dazu, mit den Fingern hindurchfahren zu wollen. Sein Lächeln schien noch umwerfender als früher.

Es war verständlich, dass Ellie für ihn schwärmte. Ein rascher Blick zu Jeanette verriet, dass auch sie nicht immun gegen ihn war. Sara erinnerte sich, wie sie als Zwölfjährige Schreibübungen gemacht hatte: Mrs. Dominic Paladino. Mrs. Sara Paladino. Mrs. Sarafina Paladino. Immer wieder. Als sie dreizehn war, hörte das dann abrupt auf. Nach dem bewussten Tag. Sie hatte alles vernichtet, das irgendwie an ihn erinnerte. Hatte ihn aus ihrem Leben getilgt.

Im folgenden Jahr stand der Wechsel zur Highschool an. Obwohl sie ihre Eltern angefleht hatte, sie zur katholischen Mädchenschule in Midtown gehen zu lassen, hatten sie sie zur Loyola geschickt. Zu der Schule, die auch Dom und seine Freunde besuchten.

Glücklicherweise hatte er sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.

Diesen Gefallen konnte sie ihm jetzt erwidern.

Dom Paladino war froh, das Haus seiner Familie für eine Weile verlassen zu können. Das Gespräch drehte sich wieder einmal um Tonys Hochzeit. Nicht nur alle Paladinos, auch Catherines Eltern, die gerade in Europa waren, fühlten sich bemüßigt, ihre Meinung zu den Vorbereitungen beizusteuern.

Die arme Catherine bekam es von beiden Seiten ab. Sie bemühte sich wirklich, das Ganze überschaubar zu halten, aber ihre Eltern waren Diplomaten, die ungefähr eine Million politischer Freunde hatten, die unbedingt eingeladen werden sollten. Wenn es so weiterging, müssten sie die St. Patrick’s Cathedral auswählen, um alle Gäste unterbringen zu können.

Dom hatte seinem Bruder wohl schon ein dutzend Mal geraten, die Braut einfach zu entführen und heimlich zu heiraten, aber hatte sein ältester Bruder auf ihn gehört? Natürlich nicht. Als Dom das Haus verließ, drehte sich die Diskussion gerade um die Verwandten, die noch in Italien lebten. Sollten sie nicht auch auf die Gästeliste …?

Sein Gedankengang wurde unmittelbar unterbrochen. War das Sara?

Himmel! Wie hatte sie sich verändert!

Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, während er Ellie und Jeanette wie immer begrüßte. Er hatte sie seit Jahren nicht gesehen. Sie war kaum wiederzuerkennen. Das herrliche hellbraune Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Und dann diese Augen! Hätte er irgendwelche Zweifel gehabt, dass das Sara war, diese großen braunen Augen hätten sie fortgewischt. Im Geiste sah er wieder das schmale, scheue Mädchen mit der Zahnspange vor sich. Das Mauerblümchen mit dem messerscharfen Verstand.

„Sara?“

Sie nickte knapp, bevor sie ihm den Rücken zukehrte und eine Pizza aufschnitt. Wieso war sie so abweisend? Hatte er ihr irgendetwas getan? Sicher nicht. Er hatte kaum Kontakt mit ihr gehabt.

„Was machen die Hochzeitspläne?“, fragte Ellie.

„Ich kann das Wort Hochzeit schon nicht mehr hören.“ Er seufzte. „Das Ganze artet aus.“

„Ich wette, Tony ist ganz aufgeregt.“ Ellie errötete. Sie ließ ihm ein Mineralwasser in den Becher laufen, drückte einen Deckel drauf und reichte ihn ihm, nachdem sie noch einen Strohhalm hineingesteckt hatte. „Für dich.“

„Danke, Ellie. Gehen die Jungs in der Schule dir noch auf die Nerven? Du brauchst es nur zu sagen, und ich sorge dafür, dass sie sich anständig benehmen.“

„Hör auf“, sagte sie, und ihre Wangen liefen dabei rot an. „Die sind doch alle blöd.“

„Es gibt also noch niemand Besonderes?“

„Oh Gott, nein.“

Er lachte. In diesem Augenblick kam Michael Cho herein. Sie kannten sich noch aus der Schule und auch aus dem Fitness-Studio.

„Dominic“, grüßte Mike. „Was ist los? Machst du keinen Sport mehr?“

„Ich bin umgezogen. Wohne jetzt im Cast Iron District.“

„Das ist ja nicht weit entfernt.“

„Stimmt, aber ich bin zu Body Space Fitness am Union Square gewechselt.“

„Davon habe ich schon viel gehört. Die haben einen Pool, richtig?“

„Und super Trainer.“

„Kannst du mir einen Ausweis besorgen? Ich glaube, für den Pool würde ich sogar den Bus nehmen.“

„Klar doch. Ich rufe dich an.“

Sara kam an die Abholtheke und reichte Mike seine Tasche. „Das macht dann sechsundzwanzig fünfzig.“

„Bist du neu hier?“ Mikes Stimme senkte sich dramatisch. Wie hypnotisiert starrte er auf ihre Brüste.

„Das ist Sara Moretti“, erklärte Dom. „Sie war an der Uni. Hat – was war es doch gleich? Journalistik? – studiert.“

Sara sah ihn an, als überrasche es sie, dass er in ganzen Sätzen reden konnte. „Das stimmt.“ Ihr Blick wanderte wieder zu Mike. „Du hast ein paar Mal etwas für die Schulzeitung geschrieben.“

„Du bist die Sara? Wow. Du hast dich ja ganz schön verändert.“

Sara lächelte ihn an. „Schön, dich wiederzusehen.“

„Ganz meinerseits. Seit wann bist du zurück?“

„Seit einer Woche.“

„Willst du bleiben?“

„Ich bin mir noch nicht sicher.“ Sie zuckte die Schultern. Die Bewegung lenkte Doms Blick wieder auf ihre Brüste, die sich unter dem Stoff ihres T-Shirts deutlich abzeichneten. „Ich schreibe an meiner Masterarbeit. Bis sie fertig ist, bleibe ich auf jeden Fall.“

Dom begriff, dass er sich ebenso schlecht benahm wie Mike und hob rasch den Blick. Er sah, wie sich ihre Lippen bewegten, hatte aber kein Wort verstanden.

Sie und Mike lachten über irgendetwas. Dann fragte Sara: „Zahlst du bar?“

Cho zog seine Brieftasche heraus und suchte nach der Kreditkarte. Dom sah sein Lächeln – und fand, er sollte sich die Sache mit dem Ausweis doch noch einmal überlegen.

Während Sara Mikes Karte durchzog, sah er Dom an und hob vielsagend eine Braue. Dom ignorierte es. Er wusste selbst nicht, wieso er so gereizt reagierte. Mike war ein netter Kerl.

Sara gab Mike die Karte zurück. Er grinste. „Du hast der Zeitung damals wirklich gutgetan. Dein Stil war so viel besser als der von Billy Calabrini.“

„Danke. Nett, dass du das sagst, aber wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich muss …“ Sie deutete mit dem Kinn in Richtung Küche.

Mikes Grinsen verblasste. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, den Blick über ihre enge Jeans gleiten zu lassen. „Man kann sie nicht alle haben“, seufzte er und wandte sich zum Gehen.

Natürlich hatte auch Dom sie gemustert. Er nippte an seinem Wasser und zog die Brieftasche heraus, als er sah, dass Sara seine Bestellung brachte. Das Bargeld legte er auf den Tresen, das Trinkgeld kam in die dafür vorgesehene Dose. Wie immer. „Mich hast du nie eingeladen, für die Zeitung zu schreiben“, sagte er zu Sara.

„Mike hat sich angeboten.“ Ihr Blick fiel auf seinen Becher. Er beobachtete, wie sie den Betrag eingab.

„Hmmm. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich dir damals etwas angetan haben muss.“

„Wieso?“

„Weil du das Mineralwasser berechnest?“ Es sollte ein Scherz sein. Vielleicht hatte sie ihn dabei ertappt, dass er sie musterte, und war pikiert. „Ich meine, ich zahle gern dafür, aber …“

Ellie schob Sara beiseite. „Ich bin mir sicher, du hast ihr nichts getan. Sie war einfach zu lange weg und weiß nicht mehr, wie es hier läuft.“

Dom versuchte, Saras Ausdruck zu ergründen. Ging es hier um den Dollar fünfundsiebzig oder um etwas anderes? Er hatte Sara seit Jahren nicht gesehen und …

Himmel. Eine Erinnerung blitzte auf. Wie hatte er das vergessen können? Nicht er hatte ihr etwas getan – es war umgekehrt gewesen. Als Herausgeberin der Schulzeitung hatte Sara ihn in einer Kolumne mehr oder weniger hingerichtet. Er war in seinem ganzen Leben noch nicht so beleidigt worden.

„Ich arbeite schon länger hier als du.“ Sara bedachte Ellie mit einem frostigen Blick.

„Sara …“ Ellies Ton wurde ein wenig herablassend. „Nicht jetzt, okay?“

„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir Getränke einfach so weggeben“, fuhr Sara sie an. „Und Mr. Sexy kann es sich doch sicher leisten, dafür zu zahlen.“

Ellie schien gleichermaßen entsetzt wie peinlich betreten. Sie räusperte sich. „Ich setze das Ganze einfach auf eure Monatsrechnung, okay?“ Sie fuhr zu Sara herum und zischte: „Was ist dein Problem?“

Dom konnte sie sehr wohl verstehen und wartete gespannt auf die Antwort. Er hätte das Ganze einfach mit Schweigen übergehen können. Schließlich waren sie damals noch Kinder gewesen. Aber nachdem sie sich so merkwürdig verhielt? „Ellie, wieso fragst du Sara nicht nach dem Artikel, den sie über mich geschrieben hat?“ Er ließ Sara nicht aus den Augen.

Sie lächelte eisig zurück. „Und frag Dom doch mal, was er gesagt hat, als …“ Sie unterbrach sich. „Ach, ist ja auch egal.“

„Nur zu“, drängte er, da er wirklich nicht wusste, was sie meinte. „Was habe ich gesagt? Das würde ich doch gern wissen.“

Statt einer Antwort machte Sara auf dem Absatz kehrt und verschwand in die Küche.

2. KAPITEL

„Äh, sorry, Dom. Sara … äh … sie hat in letzter Zeit viel gearbeitet. Sie hat es sicher nicht so gemeint.“

Sara lauschte hinter der Schwingtür, die die Küche vom Gastraum trennte. Wie feige war das denn, ihre Schwester mit dieser Situation alleinzulassen? Andererseits: Sie hatte Ellie nicht gebeten, für sie einzustehen.

„Ja, das glaube ich auch“, antwortete Dom. „Bis dann, Ellie.“

Sara warf einen Blick um die Ecke und sah, wie er die Box mit den Ziti auf den beiden Pizzakartons balancierte. Als er sich noch einmal umdrehte und Richtung Küche schaute, zog sie rasch den Kopf zurück.

„Ich halte dir die Tür auf.“ Ellie eilte zu ihm.

Sara schloss dankbar die Augen. Dom war fort. Natürlich hatte er sich an das erinnert, was sie über ihn geschrieben hatte. Sie verstand nicht, wieso sie das Thema angeschnitten hatte. Schließlich war das Ganze zehn Jahre her. Er wäre wieder gegangen, und sie hätte ihre Würde bewahrt.

„Was war das denn?“, fauchte Ellie sie an.

„Wieso hast du ihm das Mineralwasser geschenkt?“

„Wir berechnen es ihm nie.“

„Machst du Witze? Gilt das nur für Dom oder für jeden Mann, den du scharf findest?“

„Nur Dom bekommt sein Mineralwasser umsonst.“ Ellies Gesicht wies wieder rote Flecken auf. „Alle hier machen es so.“

„Und wieso? Weil ihr ihn alle anhimmelt?“

„Weil er ein guter Kunde ist.“

„Wir haben viele gute Kunden. Was kommt als Nächstes? Die Pizza kostenlos, weil jemand so weiße Zähne hat?“

Ellie stemmte die Arme in die Seiten. „Er gibt immer ein sehr gutes Trinkgeld.“

„Genug, um das verschenkte Mineralwasser wieder wettzumachen?“

Ellie zog einen Zwanzigdollarschein aus der Dose mit dem Trinkgeld. „Das gibt er bei einer großen Bestellung. Für ein Stück Pizza wirft er fünf Dollar rein. Mindestens. Jedes Mal.“

Sara war überrascht. „Okay, dann liebt er es also, mit Geld um sich zu werfen. Prima. Soll er doch!“

Ellie sah sie immer noch fassungslos an. „Ich kann einfach nicht glauben, wie zickig du zu ihm gewesen bist. Was hast du damals in der Zeitung geschrieben?“

„Nichts weiter. Ich habe gesehen, dass du ihn behandelt hast, als wäre er King mit Kong in der Tasche. Das hat mich geärgert, okay? Es tut mir leid, El. Es wird nicht wieder vorkommen.“

Ellie nickte halbherzig. Und das war wahrscheinlich mehr, als Sara verdient hatte.

Aber mit etwas Glück hatte sie Dom so vergrault, dass er das Moretti’s nie wieder betrat.

Donnerstag. Dominic war auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch bei New York Adventures , einem anspruchsvollen Veranstaltungsmagazin. Seine Chancen, den Job direkt nach dem Studium zu bekommen, waren nicht groß, aber versuchen wollte er es, auch wenn er im Moment mehr denn je mit dem Familienunternehmen beschäftigt war, da Tony mit seinen Hochzeitsvorbereitungen ausgelastet und Luca als Kunsttischler derart gefragt war, dass er eine ganze Reihe privater Kunden gewonnen hatte.

Dom freute sich für seine Brüder. Sie hatten sich um die Firma gekümmert, als ihr Dad krank geworden war. Es war an der Zeit, dass der jüngste Bruder nun für sie einsprang und ihnen etwas Freiraum verschaffte. Und da das Geschäft in alle Richtungen wuchs, lernte er dabei auch eine ganze Menge. Gut, er hatte sich seine berufliche Zukunft anders vorgestellt, aber im Moment war es gut so.

Ein paar Stunden später hatte Dom ernsthafte Zweifel, ob wirklich alles gut war.

Vielleicht für jemand anderen.

Es war einer dieser ganz besonderen Tage gewesen. Alles hatte länger gedauert als erwartet. Und er wusste nicht, wo all die Taxen geblieben waren – dreimal musste er mehr als zehn Minuten warten, bis endlich ein Wagen hielt. Das gab ihm weitaus mehr Zeit, als ihm lieb war, an Sara Moretti zu denken.

Sara in dieser engen Jeans und dem ebenso eng anliegenden blauen Top.

Seit er sie vor ein paar Tagen gesehen hatte, kreisten seine Gedanken in einer Endlosschleife um sie. Zuerst um diesen atemberaubenden Körper, dann um das große Fragezeichen. Er sollte irgendetwas gesagt haben, das sie offensichtlich verletzt hatte. Er konnte sich beim besten Willen nicht denken, was das gewesen sein sollte.

Er wollte Sara fragen, was sie gemeint hatte, und er würde nicht eher gehen, bis er seine Antwort bekommen hatte. Er warf einen Blick auf die Uhr. Die Pizzeria würde bald schließen. Wahrscheinlich eine gute Zeit, um Sara abzufangen.

Das Moretti’s schloss in acht Minuten. Nur eine vierköpfige Familie saß an einem Tisch und schien nicht zu bemerken, dass die Angestellten Feierabend machen wollten. Vor einer Minute hatte der ältere Teenager die Idee gehabt, noch eine Spezial-Pizza-to-go zu ordern. Sara gab den Auftrag gar nicht erst an Carlo weiter – wahrscheinlich hätte er ihr den Kopf abgerissen.

Vor ihr lag ein langer Abend an ihrem Laptop. Sie wollte ein Interview transkribieren, das sie am Morgen geführt hatte – das erste einer hoffentlich langen Reihe. Mr. und Mrs. Scarpetti lebten inzwischen in Brooklyn, aber ihre Familien waren um 1880 aus Neapel nach Little Italy gekommen. Mr. Scarpetti erinnerte sich an viele Geschichten seiner Familie aus der ersten Zeit in den Staaten. Damals waren die Five Points – ein Punkt im Süden Manhattans, an dem fünf Straßen sich kreuzten – das Zentrum eines der größten Slums des Landes gewesen.

Die Menschen lebten im Elend, aber dennoch war die Zeit auch mit schönen Erinnerungen behaftet. Das war einer der Gründe, weshalb Sara sich das Thema für ihre Arbeit gewählt hatte: Die Geschichte von Little Italy, 1810-1940 . Sie wollte Geschichten von Familien sammeln, die wie ihre schon seit Generationen im Lande waren, und wollte diese Erinnerungen mit den offiziellen Dokumenten abgleichen.

Die Türglocke schlug an. Sara erstarrte, als sie den Gast erkannte: Dominic.

So viel also dazu, dass sie ihn erfolgreich vergrault hatte!

Es war erst drei Tage her, seit sie ihn gesehen hatte, aber er erschien ihr heute vollkommen verändert. Das Haar zerzaust, die Krawatte schief – er wirkte, als sei er soeben durch einen Windkanal gelaufen.

Sie begrüßte ihn mit einem kurzen Lächeln – und das auch nur, weil er gesehen hatte, wie sie zur Tür blickte. Hastig konzentrierte sie sich darauf, einen der Tische abzuwischen.

Sekunden später stand er ihr gegenüber. „Bist du allein?“

„Carlo ist in der Küche.“ Sie war geistesgegenwärtig genug, an einen anderen Tisch zu wechseln.

„Kann ich dich einen Moment sprechen, Sara?“

„Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?“

Er sah sich mit verblüfftem Gesicht in der fast leeren Pizzeria um, widersprach ihr jedoch nicht. „Kein Problem. Ich warte.“

Super! Vielleicht sollte sie es einfach hinter sich bringen.

„Hör mal, ich weiß, es ist unverschämt“, begann Dom erneut, „aber ich habe den ganzen Tag nichts gegessen. Könnte es sein, dass du noch ein Stück Pizza hast?“

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie das Paar und die beiden Teenager sich erhoben. Ausgerechnet jetzt fiel ihnen ein, dass geschlossen wurde? „Pizza? So spät noch?“

„Ist vielleicht etwas liegen geblieben? Eine Pizza, die jemand nicht abgeholt hat?“

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