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Dinosaurier gibt es nicht

Als Buch hier erhältlich:

»Dinosaurier gibt es nicht« erzählt von dem kleinen Dinosaurier mit dem Namen, der so kompliziert ist, dass nur Kinder und Paläontologen ihn richtig aussprechen können.
Dieser kleine Dinosaurier schlüpft eines Tages aus einem Osterei, das im Nest auf der Fensterbank des Ich-Erzählers liegt. Es ist ein Compsognathus. Und der ist sehr neugierig, stellt viele Fragen und vor allem stellt er das Leben des Erzählers völlig auf den Kopf.


  • Erscheinungstag: 27.09.2021
  • Seitenanzahl: 128
  • ISBN/Artikelnummer: 9783312012473
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Der neue Name

Ich heiße jetzt Zawinul. Ich habe ihn geerbt, den Namen, aber nicht von meinen Eltern. Von einem Freund habe ich ihn geerbt, denn Zawinul ist ein Name zum Weitergeben. Ein paar Jahre hat er es ausgehalten, so zu heißen. Dann hatte er genug davon. Warum? Nichts als Ärger, hat er gesagt. Aber das war später. Am Anfang war mein Freund begeistert. Denn als er Zawinul hieß, erlebte er jeden Tag etwas, was es gar nicht gibt. Bis dahin war sein Leben zu langsam, zu ordentlich und vor allem zu langweilig gewesen. Damit war es vorbei.

Es ging alles viel schneller. Lästige Arbeiten wurden fast von selber fertig. Feiertage, auf die er sonst lange gewartet hatte, kamen sofort. Bis zum Sommer dauerte es etwas länger, aber nicht so lange wie früher. Langeweile gab es nicht mehr.

»Omps!«

Und vom Wichtigsten haben wir noch nicht gesprochen. Alles Mögliche, was eigentlich unmöglich war, wurde möglich, sobald Zawinul in der Nähe war. Und wenn er seine Geschichten erzählte, dann klangen sie so unwahrscheinlich, dass ihm niemand glauben wollte. Dabei hatte er sie selbst erlebt. Seine Freunde nahmen es ihm nicht übel. Aber wenn sie hörten, was er erlebt hatte, sagten sie: »Alles Unsinn.«

»Omps!«

»Omps?«, sagte ich zu mir. »Wer sagt hier ›Omps‹?« »Omps!«

»Ruhe!«, sagte ich, weil mich das Ompsen störte. Aber es war niemand da, und wenn niemand da ist, kann auch niemand mit Ompsen aufhören.

Ein Tag war erst vergangen, seit mich mein Freund gefragt hatte, ob ich seinen Namen haben wollte. Ich war ganz wild darauf, Zawinul zu heißen. Und mein Freund Zawinul war ganz wild darauf, mir seinen Namen zu schenken. Er machte einen Luftsprung, drückte mir die Hand und sprach: »Viel Glück, Zawinul.« Und ich war glücklich.

»Omps!«

Ich hatte noch nie gehört, dass jemand »Omps« sagt. Außerdem knisterte es. Damit muss man rechnen, wenn man Zawinul heißt. Man bildet sich alles Mögliche ein.

»Omps!«

Ich hatte zu viel zu Mittag gegessen. Das vertrage ich nicht. Aber ist das ein Grund, an meinem Verstand zu zweifeln? Vielleicht. Ich zählte, was von meinen Ostereiern übrig geblieben war: eins, zwei, drei. Sehr gut. Ich war zufrieden mit mir, denn wenn ich bis drei zählen konnte, funktionierte mein Verstand noch. Essen konnte man die Eier natürlich nicht mehr. Sie standen auf der Fensterbank zwischen dem Kaktus und dem Spargelkraut. Darüber erhob sich die Kübelpalme. Die drei Eier lagen in einem grünen Nest, das mit grüner Holzwolle ausgepolstert war. Eins war mit Goldfischen verziert, das andere mit hellblauen Osterhasen. Das dritte Ei gefiel mir am besten. Mit Farnen und Pflanzen war es bemalt, die ich noch nie gesehen hatte, und hinter diesen Pflanzen schaute ein kleines Tier hervor. Das Tier sah aus wie eine Eidechse, etwas missraten, aber ich konnte mir denken, was es sein sollte. Die Linien waren so fein gezeichnet, dass sie aussahen wie Risse in der Eierschale. Für mich war es ein besonderes Ei. Im Garten hatte ich es gefunden, unter den Osterglocken.

Aber wer war es nun, der »Omps« sagte? Ich war allein zu Hause. Vielleicht war ich es selber? Vielleicht saß ich, Zawinul, an einem sonnigen Nachmittag am Fenster und sagte »Omps«, ohne es zu merken. Das kommt vor, besonders wenn man zu viel gegessen hat.

»Omps!«

Nein, das war nicht ich.

Wer war es dann? Ich schaute unter den Tisch. Ich legte mich auf den Bauch, um unterm Sofa nachzusehen, ob sich darunter jemand versteckt hatte, der »Omps» sagte. Natürlich war niemand unter dem Sofa. Jeder weiß, dass dort nie jemand ist. Es war auch niemand unter dem Schrank. Und oben auf dem Schrank war erst recht kein Mensch. Das war schon schwieriger herauszufinden. Ich musste einen Stuhl holen und auf die Lehne steigen. Oben sah ich mit einem Blick, dass auf dem Schrank niemand lag. Dann brach der Stuhl zusammen. Ich war noch heil, der Stuhl nicht. Vorsichtig schleppte ich die Teile ins Nebenzimmer und versteckte sie unter dem Bett. Was unter dem Bett ist, kann man für eine Weile vergessen.

Den ganzen Nachmittag war ich allein zu Hause. Ich stand am Fenster im dritten Stock und horchte. Das Haus war voller Geräusche. Rauschen, Klirren, Klappern. Türenschlagen, Stimmen, Musik. Knurren und Klingeln. Ich hörte auch Bellen, Kreischen und Pfeifen. Ich hörte noch viele andere Geräusche, die ich kannte. Sie gehörten zu diesem Haus. Aber eine Stimme, die sehr leise »Omps» sagt, die gehörte nicht dazu.

»Omps!«

Außerdem knisterte es. Genauer gesagt, es war eins von meinen drei Eiern, das so knisterte. Und es war dieses Ei, das »Omps» sagte.

Das gibt es nicht, dachte ich. Ostereier knistern nicht, und Ostereier reden nicht. Ostereier sind mausetot, weil sie gekocht sind. Vielleicht war das Ei gar nicht gekocht? Es hatte ein paar Wochen in der brütenden Aprilsonne gelegen, die zum Fenster hereinschien. Vielleicht hatte die Sonne ein kleines Huhn ausgebrütet, und das versuchte jetzt, aus dem Ei herauszukommen? Das gibt es, aber nicht bei Hühnern.

»Zawinul«, sagte ich zu mir selber, um mich an den neuen Namen zu gewöhnen. »Zawinul, das ist eine ziemlich blöde Idee.«

Das Ei war kleiner als die andern. Es hatte auch nicht die gleiche Form. Platter war es und länglicher. Und dann sah ich, wie sich Risse zwischen den Farnen auftaten und länger und breiter wurden, bis das Ei schließlich auseinandersprang. Von selber. Ein Kopf schaute heraus. Sein Blick war etwas glasig. Er hatte schwarze Augen und einen sehr dünnen Hals. Dass das kein Huhn war, konnte ich auf den ersten Blick sehen.

Ich sagte: »Zawinul, was für ein Vogel ist das, wenn es kein Huhn ist?«

Das Tier war ein ziemlich komischer Vogel, denn es hatte keine Federn. Es hatte auch keine Haare und keine Borsten. Es war vollkommen nackt.

Ich stand am Fenster, starrte die Wolken an und überlegte. Dann starrte ich wieder das Tier an, schüttelte den Kopf und flüsterte: »Zawinul, was du hier siehst, das gibt es nicht.«

»Omps!«, flüsterte das Tier.

Das war nicht nur kein Huhn, es war überhaupt kein Vogel. Sein Gesicht war voller Falten. Es hatte Ähnlichkeit mit einer Eidechse. In gewisser Weise. In gewisser Weise aber auch nicht. Eidechsen kommen nicht aus so großen Eiern. Es hatte auch Ähnlichkeit mit einem Krokodil. Aber Krokodile kommen nicht aus so kleinen Eiern.

Ich hatte einen Verdacht. Ich will lieber nicht davon sprechen. Schließlich war es nur ein Verdacht.

Das Tier legte so etwas wie winzige Händchen auf den Rand der Eierschale und stemmte sich hoch. Seine Haut war vollkommen verschrumpelt. Es drehte seine schwarzen Augen nach links, nach rechts, nach oben, schaute über den Rand der Eierschale in die Tiefe, nickte dann erleichtert und sagte: »Comps!!!«

Ein sonderbares Küken

Die Wahrheit muss irgendwann heraus. Mein Verdacht war richtig. Was sich da auf meiner Fensterbank aus meinem Osterei herausgearbeitet hatte, war kein Vogel. Es war keine Eidechse und keine Schlange. Es war nicht mal ein Krokodil. Darüber war ich froh, denn Krokodile beißen. Es konnte nichts anderes sein als ein Dinosaurier. Der sah mich jetzt sehr aufmerksam an. Er flüsterte noch einmal: »Comps!« Dann legte er den Kopf auf den Rand der Eierschale, um sich auszuruhen. Die Augen fielen ihm zu.

Bis jetzt hatte ich nur die obere Hälfte gesehen. Aber es gab keinen Zweifel. Nicht umsonst hatte ich all die Bücher über Dinosaurier gelesen. Er hatte keine Stacheln, keine Hörner, keine Halskrause, keine großen Hornplatten, er hatte bloß Falten. Wahrscheinlich hatte er noch nicht mal Zähne, aber das konnte ich nicht sehen, als er vollkommen erschöpft und mit geschlossenen Augen über den Rand seiner Eierschale hing. Ich sah ihm beim Schlafen zu. Schön war er nicht. Trotzdem hatte ich ihn schon beim ersten Blick gern. Das lag wahrscheinlich nicht daran, dass er ein Dinosaurier war. Es lag daran, dass er so klein war. Alle Kinder sind niedlich, jedenfalls am Anfang.

Er war nicht halb so groß wie meine Hand. »Zawinul«, sagte ich, »freu dich nicht zu früh. Sie wachsen.«

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Wir wissen alle, was aus Dinosauriern wird, wenn sie erst einmal aus dem Ei heraus sind. Die Frage war, wie schnell sie wachsen. Und wie lange sie wachsen.

Leise stand ich auf, um meine Bücher zu holen. Was ich erfuhr, war Folgendes: Sie wachsen am Anfang sehr schnell, mit der Zeit immer langsamer, hören aber bis zum Lebensende nicht damit auf. Manche Dinosaurier werden dreißig Meter lang, das weiß jedes Kind. Aber niemand weiß genau, ob sie dann so schwer sind wie zwölf Elefanten oder doch nur so schwer wie drei Elefanten. Für mich war es in diesem Augenblick nicht wichtig, ob sie achtzig oder fünfzehn Tonnen schwer waren. Für mich war eine einzige Tonne schon zuviel, wenn sie sich auf meiner Fensterbank niederließ.

Andere Dinosaurier dagegen wurden nicht mal halb so groß. Wenn sie sich aufrichteten, waren sie bloß so hoch wie ein Wohnhaus mit zwei Stockwerken. Dafür waren sie aber zehnmal so gefährlich wie die großen. Zweifelnd schaute ich das winzige Tier unter der Kübelpalme an. Es seufzte im Schlaf und flüsterte:

Ein Elefant frisst jeden Tag hundertsiebzig Kilogramm frisches Futter. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie groß ein Haufen von hundertsiebzig Kilogramm ist. Noch weniger konnte ich mir vorstellen, wieviel ein Tier frisst, das so viel wiegt wie eine ganze Elefantenherde.

»Zawinul«, sagte ich, »bist du sicher, dass dir das gefällt?«

»O?«, sagte die Stimme.

Das sonderbare Küken war wieder aufgewacht, hob seinen Kopf und fing sofort an, über den Rand der Eierschale zu klettern. Es fiel herunter und blieb im Nest auf der grünen Holzwolle liegen. Dann kletterte es weiter abwärts, bis es auf der Fensterbank saß, zwischen dem Kaktus und dem Spargelkraut, ohne jeden Zweifel ein Dinosaurier, wenn auch ein kleiner. Sein Hinterteil war genauso, wie ich es erwartet hatte: mit einem langen Schwanz und zwei kräftigen Beinchen, die aussahen, als würden sie noch sehr viel länger und sehr viel kräftiger werden. Seine Ärmchen dagegen waren ausgesprochen winzig und hatten hübsche kleine Krallen. Zwei, nicht mehr. »O?«, sagte er wieder, wobei er erst mich und dann alles andere fragend ansah.

Mir kam ein Gedanke, der mir überhaupt nicht gefiel. Vielleicht hatte er Hunger? Was nun?

Woher sollte ich wissen, was man tun muss, wenn ein Dinosaurierküken Hunger hat? Gras holen? Nüsse oder Haferflocken? Zum Glück wusste ich, dass Küken, wenn sie sich aus ihrem Ei herausgearbeitet haben, nicht sofort etwas zu essen brauchen. Es eilte nicht mit dem Löwenzahnschneiden. Vielleicht aber war es mit Löwenzahn nicht getan, wenn der Hunger kam. Vielleicht brauchte so ein Tier Wasserlinsen oder Seerosenblüten. Oder mussten es eher Fliegen sein? Musste ich Würmer, Tausendfüßler und Schnecken jagen? Und musste ich sie im Kühlschrank aufbewahren, gleich neben dem Salat und dem Käse?

Mein Dinosaurier begann herumzulaufen. Herumlaufen ist nicht das richtige Wort für seine Art, sich voranzubewegen. Er versuchte es mehr oder weniger mit allen vier Beinen. Das sah ganz falsch aus, weil die Vorderbeine zum Laufen viel zu kurz waren. Aber ohne sie ging es auch nicht, weil die Hinterbeine viel zu wacklig waren. So stolperte er vorwärts.

Er wollte alles sehen. Er wollte auch alles riechen. Dabei klang es, als murmelte er immer wieder ein Wort vor sich hin: »Gnathus … gnathus … gnathus …«

»Gnathus?«

Er zog sich an den Blumentöpfen hoch, um hineinzusehen. Das ging nur bei den kleinen. Bei der Kübelpalme hob er seinen spitzen Kopf in den Nacken, schaute hinauf und konnte sich nicht sattsehen an den vielen gefiederten Blättern.

»Gnathus!«, murmelte er.

»Gnathus?« Was wollte er damit sagen?

»Zawinul«, sagte ich zu mir, »du musst seine Sprache lernen.«

Vier Wörter hatte ich bis jetzt von ihm gehört. »Omps« sagte er jedesmal, wenn er etwas Schwieriges tun musste. »Comps« sagte er, wenn er es geschafft hatte. Er sagte »O?«, um etwas zu fragen, und »Gnathus» für alles übrige. Soweit war das nicht schwierig. Die eigentlichen Schwierigkeiten fingen erst nachher an.

Ich nahm meinen Dinosaurier, steckte ihn in die Jackentasche, damit er bei den Blumentöpfen keinen Unsinn anstellen konnte, und ging zum Telefon.

»Ich komme sofort«, sagte mein Freund. Es war der, der früher einmal Zawinul geheißen und den Namen dann an mich weitergegeben hatte. Er hat immer Zeit, wenn ich ihn brauche. Er sah sich das Tier gründlich an.

»Zawinul«, sagte er kopfschüttelnd, »bei dir klappert es. Was immer es ist, dieses Tier, ein Dinosaurier kann es nicht sein.«

»Und warum nicht?«

»Soweit ich weiß, sind Dinosaurier sehr viel größer.«

»Auch Dinosaurier müssen klein anfangen«, sagte ich.

»Außerdem sind Dinosaurier ausgestorben.«

»Das hab ich auch schon gehört. Aber muss man alles glauben, was in den Büchern steht? Vielleicht ist es nicht wahr. Haben die Bücher nicht auch lange Zeit behauptet, dass die Erde eine Scheibe ist und dass wir an den Rändern herunterfallen können?«

Dagegen konnte er nichts sagen. Aber er schüttelte trotzdem seinen Kopf.

»Und wenn heute doch noch mal einer ausschlüpft«, sagte mein Freund schließlich, »warum sollte er es ausgerechnet in der Solnhofener Straße 140 auf deiner Fensterbank tun, Zawinul?«

Darüber konnte ich nur lachen. Denn wenn ein so ungewöhnliches Ereignis sich ereignet, dann kann es sich doch wohl nirgendwo anders ereignen als auf meiner Fensterbank. Schließlich heiße ich jetzt Zawinul und nicht er.

»Und überhaupt«, sagte ich zum Schluss, »was soll es denn sonst sein, wenn es kein Dinosaurier ist, hm?«

Ich dachte, darauf würde ihm nichts mehr einfallen. Aber er hatte sogar mehr als eine Antwort. »Eine Meerechse«, sagte er. »Ein Waran, ein Leguan, ein …«

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